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Serbien, Bulgarien, Ostruinelien.
— Die Wiener „Presse" und „Extrablatt" melden aus Belgrad die Kapitulation von Widdin. — Die Serben besetzten Radomir und marschiertenauf Sofia.
Hages-Weuigkeiten.
Calw. Bei einer in voriger Woche stattgehabten Ratia in einigen hiesigen Localen wurde ein norddeutscher Handwerksbursche in Hast genommen, bei dem eine Anzahl gefälschter Leihscheine und diverse Stempel gefunden wurden. Mehrfach hatte derselbe in der Stadt diese selbstfabrizierten Versatzscheine zu verkaufen versucht.
(Amtliches.) Im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 17. ds. die erledigte Präzeptorsstelle in Calw dem Hilfslehrer Viktor Müller in Mergentheim gnädigst übertragen.
Heilbronn, 18. Nov. Heute früh wurde in der Nähe des Pfühlbrunnens ein ungefähr 20 Jahre alter junger Mensch erschossen aufgefunden; ein 6 läufiger Revolver lag neben ihm. Auf einem in seiner Tasche befindlichen Stück Zeitungspapier stand mit Bleistift: Heinrich Götz, Sersheim. Der Unglückliche war etwas abgerissen gekleidet, hatte übrigens eine Zylinder- Uhr und etwas Geld bei sich. Es ist dies im Laufe der letzten 4 Wochen der vierte Selbstmord, der hier, beziehungsweise auf hiesiger Markung vorkam.
Tübingen, 17. Novbr. In letzter Nacht machte sich ein Student an dem Wagen eines Geschirrhändlers zu schaffen. Der Besitzer des Wagens, der sich darin befand, kam heraus und versetzte dem Studenten mit umgekehrtem Peitschenstocke einen so unglücklichen Hieb über -das rechte Auge, daß der Student in die Klinik verbracht werden mußte, wo ihm bei der Operation das Auge herausgenommen wurde. Der Unglückliche ist der Sohn eines Pfarrers aus Norddeutschland.
Ravensburg, i7. Nov. Bei dem Gemeinderate ist bis jetzt auffallenderweise nur eine weitere Bewerbung um unsere Stadtschultheißenstelle eingelaufen und zwar von Herrn Amtsanwalt Rettinger in Welzheim. Sämtliche vier Bewerber werden nun laut Beschluß des Gemeinderats eingeladen, am Sonntag, den 22! Nov., nachmittags 3 Uhr, in der Turnhalle sich der Wählerschaft persönlich vorzustellen.
Frankfurt, 16. Nov. Der Prozeß Lieske hatte heute noch ein Nachspiel in einem Preßprozeß wegen § 17 (Veröffentlichung von Aktenstücke», bevor dieselben in der öffentlichen Verhandlung kundgegeben sind). Gegen 6 hiesige Zeitungen (Beobachter, General-Anzeiger, Frankfurter Zeitung, Frankfurter Nachrichten, Bockenheimer Anzeiger, Kleine Presse) ist Anklage erhoben, weil sie die Anklageschrift zu frühzeitig publiziert haben. Der Verteidiger beantragte Freisprechung. Der Staatsanwalt stellte Strafantrag auf 50 --/L oder 10 Tage Gefängnis. Die Strafkammer erkannte auf 25
Kassel, 16. Nov. Die schon gemeldete Hinrichtung Lieske's fand in der Wehlheider Strafanstalt statt und wurde vom Frankfurter ersten Staatsanwalt Uhles geleitet; anwesend waren außerdem richterliche und staatsanwaltliche Beamte aus Kassel und Frankfurt, sowie die vorgeschriebene Zahl der Urkundspersonen. Gestern morgen wurde dem Delinquenten das Urteil vorgelesen und mitgeteilt, daß der Kaiser von dem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe. Heute 2/48 Uhr wurde Lieske in den Hof geführt, wo die Exekution vollstreckt werden sollte. Staatsanwalt Uhles verlas das schwurgerichtliche Urteil, die Bestätigung durch das Reichsgericht und den Erlaß des Kaisers, während welcher Prozedur Lieske, der Tags zuvor dem Gefängnisgeistlichen gegenüber zum erstenmale weich geworden war und geweint hatte, sehr standhaft blieb. Am abend hat er gegessen, getrunken, geraucht und ruhig geschlafen. Als Scharfrichter Krauts und feine Gehilfen den Delinquenten ergriffen, rief er noch: „Ich bin unschuldig!" Man zog ihm rasch die Oberkleider ab, wobei er selbst behilflich war und die Worte hören ließ: „Ich will frei und offen sterben!" Im Augenblick war er auf den Block gelegt, das Beil fuhr hernieder und trennte den Kopf vom Rumpfe. Die ganze Exekution dauerte etwa 3 Minuten.
Nun das Kind wach war, beugte er sich über es hin und sagte: „Gehen wir Haserl schießen, allzwei?"
Es ist kein Zeichen geschehen an dem jungen Wesen, das für eine Bejahung oder Verneinung hätte gehalten werden können. Wer innerlich mit sich selbst nicht im Reinen ist, der möge niemals ein Orakel befragen —er folgt ihin nicht, oder es betrügt ihn, oder es schweigt.
Der Gied hob sein Kind aus dem Bettchen und wickelte es recht und schlecht in die Windeln. ....
Dann zerlegte er sein Gewehr in Teile, verbarg diese in seinem wetten Lodenrock, steckte ein Ledertäschchen mit Pulver und Blei zu sich, nahm hierauf das Kleine auf den Arm und verließ das Haus.
Der wunderlichste Wildschütz, der je durch die Wälder geschlichen ist.
Schon als er an dem vom Blitze gespaltenen Baum vorüberging, hörte er von der Lahmerhöhe her das Knallen der Böller, und als er zwischen den dünnzerstreuten, graubärtigen Fichtenzwergen hinausschritt, klang auch mncher Ton der Musik herüber vom Volksfeste, dessen sich die Leute der ganzen Gegend drüben freuten.
— Sie mögen trinken und tanzen, sie mögen die kräftige Predigt hören — 's ist Alles miteinander kein Vergleich zu der Lust, die der Mann mit der Büchse empfindet. Das Kind lugt zwischen der Kopfhülle hervor mit Hellen Aeuglein in den lichten Tag hinaus. Es versteht sich schon auf das Angenehme einer Waldwanderung, ist heute nicht das erste Mal, daß es so herumgetragen wird.
Sie kommen über eine glatte, grüne Blöße, auf welcher manche Hummel summt, mancher Schmetterling gaukelt. Der Gied läßt seine Augen nach links und rechts schießen, ob er etwa dort auf dem Haidegeländ', oder dort zwischen den Dickichtgruppen des jungen Anwuchses irgend „Etwas" wahrnehme.
Kcrnöet L Werckehv.
*Weilderstadt, 16. Nov. Am heutigen Viehmarkt waren zugeführt: 350 Ochsen, 450 Stück Melk- und Schmalvieh, 984 Stück Milchschweine und 95 Läufer und fette Schweine. Der Ochsenmarkt war vorherrschend mit Zugvieh befahren, weshalb hierin der Handel auch etwas langsam ging, wogegen in Fettvieh viel gehandelt wurde. Bezahlt wurden bis zu 950 pro Paar und für Fettvieh 32—40 pro Zentner lebend Gewicht. Melk- und Schmalvieh war in großer Auswahl zugeführt, worunter jedoch wenig Fettvieh. Im allgemeinen ging der Handel in Melk- und Fettvieh lebhaft, im Schmalvieh dagegen etwas langsam. An Preisen sind zu verzeichnen: Melkvieh 100—300 -M, Schmalvieh 60—180 p. Stück, Fettvieh 24—26 p. Ztr. lebend Gewicht. Gegenüber dem letzten Markt war der Handel überhaupt viel lebhafter, die Preise jedoch gedrückter, woran insbesondere der Mangel an Futter schuld sein mag. Auf dem Schweinemarkt war der Handel weniger lebhaft Bezahlt wurden: für fette Schweine 38 bis 40 p. Ztr. lebend Gewicht, für Läuferschweine p. Paar 30—70^6, für Milchschweine p. Paar 12—26 ^ _
* Die herannahende Weihnachtszeit veranlaßt Jung und Alt die Hände zu regen, um lieben Verwandten eine sinnige Gabe zu fertigen und gewiß hat manches Kind schon seine Sparbüchse hervorgeholt, um deren Inhalt festzustellen und zu berechnen, ob derselbe wohl ausreicht, um für seine Geschwister ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen. Besonders aber Eltern sowie Erwachsene, Vereine und einzelne Wohlthäter bemühen sich aus den von verschiedenen Geschäftsbranchen in Hülle und Fülle gebotenen Weihnachtsgaben etwas paffendes zur Bescheerung ausfindig zu machen. Die Schaufenster legen ihren besten Schmuck an und Ausstellungen werden veranstaltet, um die Kauflust zu steigern. Das Auge läßt sich durch einen Gegenstand fesseln und dieser wird gekauft, weil die äußere Ausstattung bestechend wird. Sehr häufig wird aber nicht danach gefragt, ob der damit Beschenkte auch wirklich dauernd ein Interesse daran finden werde. Dauernd kann aber nur ein Geschenk befriedigen, wenn seine Ausführung solid und das Alter des Empfängers berücksichtigt ist. Besonders für die liebe Jugend werden zu Festgeschenken manche Anschaffungen gemacht, die sich, wenn in Gebrauch genommen, bald als verfehlte Herausstellen. Mag nun die Wahl eine nicht passende oder die Ausführung des Gegenstandes eine mangelhafte sein, immerhin wird es für den Geber eine Enttäuschung bleiben, denn das dafür angewandte Geld trägt keine Zinsen. Wir können nun Jedem, dem die Wahl eines guten Spiels oder Apparates zur Beschäftigung und Unterhaltung, eines guten Buchs oder Lehrmittels u. s. w. zu treffen hat, empfehlen sich zunächst an die Leipziger Lehrmittel-Anstalt von vr. Oskar Schneider in Leipzig zu wenden und den neuesten Katalog dieser Firma kommen zu lassen. Dieselbe bemüht sich schon seit Jahren für Jung und Alt das beste zu fabrizieren und liefert an jeden Interessenten ihren elegant ausgestatteten, reich illustrierten Katalog unentgeldlich; man hat Nur nötig diesen Ratgeber zu verlangen.
Kgl. Standesamt Kar«.
Vom 13. bis 19. November 1685.
Geborene:
17. Nov. Friedrike Hedwig, T. d. Karl Friedrich Stern, Strumpfwebers hier.
18. „ Helene, T. d. Michael Max Knödlcr, Kaufmanns hier.
19. , Anna, T. d. Johannes Remb 0 ld , Bahnwärters hier.
Gestorbene:
13. „ Wilhelm August Blind, S. d. Jakob Blind, Schneiders hier, 2 Tage alt.
1b. » Erwin Harlfinger. Kaufmann hier, 30 Jahre alt._
Calw.
Landwirtschaftlicher HLezirksverein.
Die Bestellungen auf Fr. Möhrlin's Kalender „Der schwäbische Bauernfreund", der hauptsächlich für die Landwirthe geschrieben ist, sowie auf dessen landwirthschaftliches Schreibebuch erbitte ich mir spätestens am 1. Dezbr., um dieselben rechtzeitig ausführen zu können. Der Kalender kostet 25 H, das Schreibebuch 15 H.
Calw, 19. Nov. 1885. Der Vereinssekr.: E. Horlacher.
Wo die Blöße aufhört und der junge dichte Wald beginnt, stehen die fünf Lärchen, die in der weiten Umgebung zu sehen sind und welche wie ein Dom mit hellgrünen Kuppeln hoch aufragen über dem dunklen Grunde des Dickichts.
In ihrem Schatten und geborgen zwischen den Stämmen läßt sich der Gied auf den Nasen nieder, aber nicht um zu ruhen, sondern um zu lauern. Und bald hört er dort was zucken im Gebäume. Jäger und Wilderer hören und sehen nichts, als — was andere Leute nicht hören und sehen. — Dem Gied wird ganz heiß und fieberhaft. Leise, aber rasch steckt er sein Gewehr zusammen, macht es bereit und huscht in das dichte Getanne. Er wendet sich hin und her und lugt nach einem günstigen Stand. Nun hat er einen, von dem aus er den Waldrand einerseits und das Haidegeländ' andererseits beherrscht. — Das Gewehr ist in guter Lage. Er wartet.
Bald wagt sich ein Rehbock aus dem Dickicht hervor, schaut sich ein Bischen um auf der Blöße, springt aber rasch wieder ins Gestrüpp. — Der Gied zittert vor Begier. So sehr hatte ihn die Lust noch nie überkommen, als heute, er mußte sich zu beherrschen suchen, sonst konnte nicht gut gestanden werden für einen Treffschuß.
Jetzt kommt das Rehböcklein noch einmal hervor und hebt sein kluges Haupt empor und horcht und schnuppert. — Es ist nicht ganz geheuer in den Lüften heute. Doch war es nur das halbverlorene Schallen der Festmusik, die von der Lahmerhöhe herüberwehte. So weit nichts Gefährliches. Er trabte gelaffen über das Grüne hin. und nun kam auch eine Rehgais mit zwei flinken Kitzen hervor und die Alten fingen an zu grasen.
Mehre Ziele auf der Weid und nur ein Schuß im Rohre! Das ist der größte Konflikt im Schützenleben.
(Fortsetzung folgt.)