6V. Jahrgang.
Aro. 138.
Amts- unä Intelligenz!)üüt für äen Aezir^.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsaebühr beträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12 -H.
'politische Wcrchvichterr.
Deutsches Reich.
— Ueber die Berufung des Württemb. Landtags hört man, daß dieselbe im laufenden Jahre nicht mehr als thunlich erscheint, dagegen der Zusammentritt der Ständeversammlung in der ersten Hälfte des Januar in das Auge gefaßt ist.
Berlin, 19. Nov. (Privattelegr. d. N. Tagbl.) Der Reichstag ist heute mittag 2 Uhr eröffnet worden. Das Haus war beschlußfähig. Der Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatsminister v. Bötticher, verlas die Thronrede. Dieselbe enthält über die Karolinen-Ange- legenheit und über die Wirren im Orient folgenden Schlußpasfus: Ueber die Ausdehnung, in welcher deutsche Unternehmungen und Erwerbungen in fremden Weltteilen ferner in den unmittelbaren Schutz und unter die Aufsicht des Reichs zu nehmen sein werden, sind Verhandlungen mit den Regierungen von England, Spanien, Frankreich, Portugal und mit dem Sultan von Sansibar gepflogen worden, deren Ergebnisse Ihnen auf Befehl Sr. Maj. des Kaisers mitgeteilt werden sollen, sobald sie feststehen. Letzteres ist England gegenüber im wesentlichen schon jetzt der Fall, und die Verhandlungen mit Spanien lassen infolge der Vermittelung Seiner Heiligkeit des Papstes die den freundschaftlichen Beziehungen beider Länder entsprechende vergleichsweise Beilegung ihrer Meinungsverschiede nheireu über die Priorität der Besitzergreifung der KarolinewJnsfln in kurzem erwarten. Das deutsche Reich erfreut sich friedlicher und freundschaftlicher Beziehungen zu allen auswärtigen Regierungen. Se. Maj. der Kaiser hegt die zuversichtliche Hoffnung, daß die Kämpfe der Balkanstaaten untereinaader den Frieden der europäischen Mächte nicht stören werden, und daß es den Mächten, welche den für jede von ihnen gleich wertvollen Frieden Europas vor sieben Jahren durch ihre Verträge besiegelt haben, auch gelingen werde, diesen Verträgen die Achtung der durch sie zur Selbständigkeit berufenen Volks st ämme im Balkangebiet zu sichern. Seine Majestät der Kaiser ist von dem Vertrauen beseelt, daß Gottes Segen den bisher erfolgreichen Bestrebungen unserer Politik zur Erhaltung des europäischen Friedens auch in Zukunft nicht fehlen werde.
— Der Kaiser muß seit einigen Tagen das Zimmer hüten, da er sich eine leichte Erkältung zugezogen hat. Doch arbeitet der hohe Herr und erteilt alltäglich Audienzen. Prinz Wilhelm ist wieder hergestcllt; er hatte sich bei einer Schnitzeljagd das eine Auge verletzt und mußte dasselbe mehrere Tage schonen.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
— Ein ungenanntes provisorisches Komite erläßt in der „Darmstädter Zeitung" einen Aufruf zur Spendung von Kleidungsstücken und Geld für die bulgarische Armee. Hauptannahmestelle ist das Palais des Prinzen Alexander.
Straß bürg, 17. November. Seitens der Regierung ist der Bad. Ldsztg. zufolge der Straßenverkauf von 13 französischen Zeitungen untersagt worden.
Metz, 17. Nov. Bei dem gestrigen amtlichen Empfange im Bezirkspräsidium wechselte der Statthalter die freundlichsten Worte mit dem Bischof von Metz, indem er seiner Freude darüber Ausdruck gab, daß der Bischof trotz seines hohen Alters der an ihn ergangenen Einladung Folge geleistet habe. Aus dem Munde des Kaisers habe er es unmittelbar vernommen, daß er in der Person des Bischofs von Metz einen der würdigsten Kirchen- sürsten zu verehren habe, mit dem die bisher bestandenen guten Beziehungen fortzusetzen des Statthalters eifrige Sorge sein werde. Bischof Dupont des Loges gab dem Vertrauen Ausdruck, das auch ihn zu dem Stellvertreter des Kaisers beseele.
Metz, 18. Nov. Die Rede des Statthalters Fürsten Hohenlohe bei dem gestrigen Galadiner lautete: „Mein Amtsvorgänger, der verstorbene Feldmarschall v. Manteuffel, hat einmal gesagt, er begreife, daß man in Elsaß-Lothringen die Zusammengehörigkeit mit Frankreich noch nicht vergessen habe, man könne die Gefühle nicht wechseln wie den Rock. Das war ein gerechtes, humanes Wort. Ich gehe- aber weiter und sage: Ich begreife, daß die Bewohner des Landes, als sie vor zwei Jahrhunderten von Deutschland getrennt und mit Frankreich vereinigt wurden, die Aenderung nicht allzuschwer empfanden; Deutschland war damals ein zerrissenes Land, das weder seine Angehörigen schützen, noch deren Wohlfahrt fördern konnte, wäh-end Frankreich nahezu aus der Höhe seiner geistigen und materiellen Entwicklung stand; da konnte die Trennung von DeutMand leicht verschmerzt werden. Wenn ich aber so einer historischen Thalsache gerecht werde, so darf ich nun auch auf die Gegenwart verweisen. Aus dem machtlosen zerrissenen Deutschland ist ein mächtiges Reich geworden; wie die Einigung des Reiches zu der Wiedergewinnung der verlorenen Landesteile geführt h'at, so hat sie uns auch die Macht gegeben, das Wiedergewonnene festzuhalten, die Reichsangehörigen zu schützen und ihnen die Bedingungen ihres geistigen und materiellen Gedeihens zu bieten. Damit schwindet mehr als Em Motiv, das die Bewohner des Landes auf Frankreich blicken läßt. So gebe ich mich der Erwartung hin, daß Elsaß-Lothringen mehr und mehr erkennen werde, daß die Trennung von Frankreich kein Unglück, daß aber die Wiedervereinigung mit Deutschland die Gewähr einer glücklichen Zukunft ist. In dieser Hoffnung trinke ich auf das Wohl des Landes und der Stadt Metz."
8am8tag, äea 21. November 1885.
Asuinebon. Machdruck v-rbot-n.»
Jer Wildschütz.
Eine Geschichte aus den Alpen.
Von P. K. Rossegger.
(Fortsetzung.) ä. Kapitel.
Der Schütz auf der Pürsch.
Dem Erzähler ist Alles möglich und Vieles erlaubt. So faßt er am Abende dieses Sonnenwendentages die Sonne, wie sie eben hinter den fernen Zacken der Alpen niedergehen will, und schleudert sie zurück gegen den Zenith, daß es wieder Mittag ist — die Zeit,'in welcher die Martha das Haus verließ um zum Kreuzfeste aus die Lahmerhöhe zu gehen.
Als sie fort war, und dem Blicke vom Fenster aus entschwunden, da atmete der Gied auf. Hatte er es denn nicht lieb, sein junges, herziges Weib? — Eben, weil er es lieb hat, so gar über Alles lieb hat auf dieser Welt, eben deshalb atmet er jetzt auf. Denn was er sinnt und plant und an diesem Nachmittag wieder aussühren wird, das geschieht ihr zu Lieb'; und wenn er's heimlich thut und es verhüllt mit allem Truge der Welt — so geschieht es ihr zu Lieb'. Sie will das Leben und sie will einen braven Mann — beides soll sie haben. Aber beides kann der arme Holzarbeiter zu dieser Zeit nicht geben.
So geht er oftmals heimlich mit der Büchse in den Wald und kommt dann mit einem toten Reh heim, das er beim Jäger wohlfeil erstanden hat.
Auch heute ist wieder ein günstiger Tag. Die Jagdgehülfen und Jäger
jungen sind allfort gerne dort dabei, wo es lustig zugeht. So sind sie heute beim Volksfest auf der Lahmerhöh'. Der Wald ist menschenleer — aber bei den fünf Lärchen grasen die Tiere.
Aber — der Gied blickte auf das schlummernde Kind. Wer wird einstweilen da sein und es wiegen, wenn es schreit, und es tränken, wenn ihn dürstet? — Was thuts, wenn es schreit, das kräftigt die Brust. Warum soll es nicht einmal ein Bischen dürsten? Wird ihm dann die Ziegenmilch um so besser schmecken. — Das Haus wird gut verschlossen, daß Du mir nicht davonlaufen kannst, kleine Emma. Also, was meinst?" —
Er saß an der Wiege und lehnte sich an die Wand und betrachtete das herzige Köpfchen und schmiedete Ränke. — Wenn ihr Weiber den Gied gesehn hättet in diesem Augenblick, da der Engel und der Teufel stritten um sein Herz: er war schön. Ein dunkler Schatten ging über sein männliches Gesicht; in den Augen brannte nicht allein die Flamme der Opferfreudigkeit und Sorgfalt für die Familie, sondern auch die Leidenschaft des Schützen. Aber Eins war in ihm, das ganz still und bescheiden fragte, ob er's denn über's Herz bringen könne, sein Kind im öoen Waldhause allein zu lasten?
Er hörte die Stimme und antwortete ihr endlich: Nein, ich kann es nicht. Aber ich bleib' auch nicht daheim. Ich geh' in den Wald und das Kind — nehme ich mit. — Es ist ja doch nur ein kleiner Spaziergang bis hinauf zu den fünf Lärchen. Dort setzt er sich auf das Moos; die Kleine ist ruhig und thut oft halbe Tage keinen Laut. Er braucht den Tieren gar nicht nachzulaufen — sie kommen selber auf den Anstand.
Er holte das Schießgewehr von der Oberkammer und stieß den Schaft in den Fußboden. Darüber erwachte das Kind und blickte gar befremdet umher, als wollte es fragen: wozu habt ihr mich geweckt?
Wie oft hat der Gied später diesen fragenden Blick gesehen? —