Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.
.N 75.
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Donnerstag den 24. Juni
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die Srprditisu und Redaktion.
TageS-Nerrigkeiten.
Deutsches Reich.
Tübingen, 22. Juni. (Schwurgericht.) Gestern begann die zwei Tage in Anspruch nehmende Verhandlung gegen den 34 Jahre alten Bauern Jakob Mast von Bou- dorf, O.A. Herrcnberg, wegen Mords. Der Verhandlung wohnte Herr Oberlandcsgerichtsrath v. Köstlin in Stuttgart als Vertreter des Justizministeriums an. Der Andrang von Zuhörern war gestern ein so enormer, daß die anwesenden Gendarmen und Schutzleute Mühe hatten, die nöthige Ordnung zu halten; sogar die Corridorc waren vom Publikum belagert. Die Vernehmung des Angeklagten nahm den größten Theil des gestrigen Tages in Anspruch. Derselbe ist von kleiner, gedrungener Statur, hat schwarze Haare, welche eine niedere Stirne umrahmen, und zeigt ein rundes, ziemlich wohlgenährtes, bartloses Gesicht. Sein Auftreten ist ein ungemein gefaßtes und sicheres, seine Redeweise eine auffallend gewandte. Bekanntlich ist derselbe beschuldigt, in der Nacht vom 23. auf 24. Febr. d. I. auf dem Heimweg von Tübingen bezw. Rot- tcnburg seine 34jährige ledige Schwester Marie Mast an einem Feldwege in der Nähe von Bondorf vorsätzlich und mit Ueber- lequng durch Stöße auf die Brust getödtet zu haben. Was das dem Angeklagten zur Last gelegte Verbrechen betrifft, so gesteht er die That an sich zwar zu, jedoch sucht er dieselbe als eine in hochgradiger Ausregung begangene darznstelleu und bestreitet namentlich entschieden die Absicht der Tödtung. Seine Angaben weichen von denen in der Voruntersuchung wesentlich ab: verschiedene Hauptsakta, welche er dort als Thalsachen erzählte, erklärt er nun selbst als unwahr, während er aus der andern Seite wieder einzelne ganz neue Dinge vorbringt, von welchen er während der Voruntersuchung bei keiner seiner oftmaligen Vernehmungen sprach. Heute früh 8 Uhr wurde die Verhandlung bei gleich großem Zudrange wieder ausgenommen und bis 11/4 Uhr fortgeführt. Um 4 Uhr werden den Geschworenen die bereits sestgestellten 3 Schuldsragen übergeben. An einer Schuldigsprechung im Sinne der Anklage ist nicht zu zweifeln.
Tübingen, 22. Juni. Der 34 Jahre alte Bauer Jakob Mast von Bouborf wurde heut« Nachmittag 4ff, Uhr von de» Geschworene« »ach kurzer Berathnng der vorsätzliche«, mit Neberle- gung ausgeführten Löbtung seiner 38jährige« Schwester Maria Mast schuldig gesprochen««» vom Gericht auf Grund dieses Wahrspruchs zum Tode vernrtheilt. Der Berurtheilt««ahm das Erkenntnis! gefaßt entgegen. (T. Chr.)
Reutlingen. 21. Juni. Die „Kreisztg." berichtet: Auf dem Wasen, wo unsere Turngemeinde gestern ein schönes Waldfest abhielt, zu welchem sich Hunderte von Menschen eingefunden hatten, wurde die Festfreude durch ein zwischen 6 und 7 Uhr Abends ausgebrochenes Gewitter arg zerstört. Wer nicht unter den Bäumen vor dem strömenden Regen Schutz finden konnte, flüchtete sich auf den nahen Gaisbühl, dessen Lokalitäten bald überfüllt waren. Plötzlich zuckte ein Blitzstrahl nieder, begleitet von einem starken Donnerschlag und schlug in dem Hinteren Theil des Gebäudes ein; glücklicherweise zwar ohne zu zünden, allein es wurden in dem oberen Saale eine Anzahl von Personen vom Blitze getrof
fen und zu Boden geschleudert, jedoch ohne lebens
gefährliche Verletzungen. Auch in den unteren Saal nahm der Blitz seinen Weg und schlug ein Loch in den Boden, doch wurde Niemand verletzt. Der Schrecken und die Verwirrung in dem init Menschen gefüllten Hause war fürchterlich, da mau anfänglich nicht wußte, ob der Blitz nicht gezündet hätte. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte ein unabsehbares Unglück entstehen können.
Brandfälle: In Schwenningen am 19. Juni 2 Wohnhäuser und 1 Scheuer.
Waiblingen, 19. Juni. Heute früh ließ ein erst vor einem halben Jahre hieher versetzter Lehrer seine Schulkinder ungewöhnlich lange aus sich warten. Endlich wurde seine Wohnung ausgebrochen, wo man ihn tobt fand. Derselbe hatte sich durch Kohlen- dunst das Leben genommen. Unglückliche Liebschaft soll der Grund dieser unseligen That sein.
Aalen, 19. Juni. In einer der letzten Sitzungen der hiesigen bürgerlichen Kollegien wurde unserem vieljährigen LandtagSadgeordneten Herrn Dr. Moriz Mo hl in Stuttgart das Ehrenbürgerrecht in der Stadtgemeinde Aalen ertheilt und heute wird demselben durch eine Deputation dieser Beschluß mitgetheilt unter Verabreichung eines geschmackvoll ausgeführtcn Diploms.
Neuhansen, 21. Juni. Gestern Abend um 6 Uhr entlud sich über unsere Gegend ein derartiger Wolkenbruch, daß gegen 10 Uhr die Landstraße nach Mezingeu nicht mehr passirbar war und das Wasser auf derselben theilweise bis gegen 3 Fuß tief stand. Die Bahnlinie nach Urach hat einen solchen Schaden erlitten, daß der erste Zug heute früh bei Dettingen stecken blieb und wieder nach Urach zurückfahren mußte. Seit heute früh um 3 Uhr arbeiten eine Menge Leute an der Linie und hofft man, daß das Uebel bis diesen Vormittag beseitigt ist. Das Unwetter hat auf unserer Markung einen enormen Schaden angerichtet, die Kartoffelfelder namenltich stehen jetzt noch über einen Fuß tief im Wässer.
Urach, den 21. Juni. Gestern Abend um 8 Uhr ist zwischen Mezingen und Dettingen ein Wolken- bruch gefallen. Der Schaden, den die Gewässer an Feldern, in Mühlen, Gerbereien u. s. w. anrichteten, soll sehr namhaft sein.
Ulm, 20 . Juni. Heute Nacht wurde in die im Parterre befindlichen Kanzleien der an der Frauenstraße liegenden Oberamtei eingebrochen. In der Sportelkasse fand er etwa 200 »lL und aus dem Schreibtisch des Amtsvorstands entwendete er diesem gehörige Privatgelder und ein Paar Lotterieloose.
Der Musketier Knorr im Jnfanterieregiemcnt »König Wilhelm" (6. Württ.) Nro. 124 in Ulm verfiel nach der „W. L.-Z." kürzlich bei einem Rcisemarsch während einer Ruhepause in einen solch' tiefen Schlaf, daß er zu Wagen in das Garnisonslazareth gebracht werden mußte, wo er erst nach 3 Tagen wieder erwachte; es sollen bereits Einleitungen zu seiner Entlassung aus dem Kgl. Militärdienst getroffen sein.
Ettenheim, 16. Juni. Am 12. d. M. hatte in Schweighausen eine Bauersfrau in der Küche zu thun u. setzte, um desto bequemer arbeiten zu können, ihr einjähriges Kind auf den mit einem Deckel versehenen Waschkessel, in welchem sich kochendes Wasser befand. Die Frau mußte in den Hof, wobei sic das Kind an fraglichem Platze zurücklicß, wurde aber bald durch heftiges Schreien zu schleuniger Rückkehr veranlaßt und fand nun das Kind in dem Kessel siedenden Wassers stehen. Das unglückliche kleine Wesen ist seinem schrecklichen Leiden am 14. d. M. bereits erlegen.
Karlsruhe, 18. Juni. Wenn die Bezirksämter ihre Aufgabe richtig erfassen und durchführen, so ist ihnen jetzt Gelegenheit gegeben, in Baden mit aller Energie gegen das Geheimmittelwesen einzu- schieiten, indem laut Verordnung des Ministeriums
des Innern Geheimmittcl nur noch in Apotheken und nur mit Genehmigung des Ministeriums verkauft werden dürfen.
Ems, 19. Juni. Der Kaiser ist Abends
Uhr eingetrosfcn.
Die Welt ist ein Klatschnest. Kaum ist der G roßherzog von Darmstadt in Wien angekvm- men, um dem Kaiser einen Besuch zu machen, so sagt man, er sei auf Freierssüßen gekommen »nd halte Brautschau. Vorsichts- und Vollständigkeits- Halber lassen wir die Personalien folgen: Großher-, zog Ludwig, Witwer, 43 Jahre alr, Protestant; Prinzessin Isabelle von Asturien, 29 Jahre alt, katholisch, ledig.
Berlin, 19. Juni. Die Fraktion der Fortschrittspartei berieth gestern Abend im Hinblick auf die schlechten Ernte-Aussichten wegen einer an die Regierung zu richtenden Interpellation betreffs Aufhebung resp. Suspendirung der Kornzölle. Die „Vosfische Zeitung" schreibt hierüber: In den letzten Tagen ist in maßgebenden Kreisen die Frage wegen einer Hcrbstsession des Reichstags ernstlich in Betracht gezogen worden, und zwar haben die aus allen Theilen unseres Vaterlandes eintreffenden Berichte, welche einen ganz bedeutenden Erntcaussall in Aussicht stellen, Anlaß dazu gegeben. Man fühlt, daß nran einer Mißernte gegenüber — und daß wir einer solchen entgegcngehcn. zeigen deutlicher als alle Berichte, die andauernd steigenden Getreidepreise — die. Kornzölle nicht aufrecht erhalten kann, und da die Suspendirung derselben, vielleicht auch die vollständige Aufhebung, nicht bis zum Jahre 1881 hinausgeschoben werden kann, so denkt man daran, den Reichstag zum Herbst — vielleicht schon zum September — einzuberufen, um ihm eine diesbezügliche Vorlage zu machen.
Berlin, 20 . Juni. Es verlautet, daß die Regierung bei Ablehnung des Art. 4 der Kirchen- vorlage in der nächsten Session dem Landtag ein Gesetz, bestehend aus einem Paragraphen, betreffend die Rückkehr der Bischöfe unterbreiten werde. Der Kaiser äußerte sich vor der Abreise, er wünsche Frieden gemacht zu sehen, der aber nur durch die Rückberufung der Bischöfe erreicht werden könne.
Berlin, 21 . Juni. Wie in diplomatischen Kreisen verlautet, hat die Konferenz sich über die französischerseits vorgcschlagene griechische Grenzlinie verständigt, so daß nur noch eine Schlußsitzung stattfinden dürfte. Man nimmt an, der moralische Druck der Großmächte werde hinrcichen, die Türkei zur Annahme des Konferenzbeschlusses zu bestimmen. — Der Reichskanzler beabsichtigt, wie cs heißt, in den nächsten Tagen nach Friedrichsruhe und später nach Gastein zu gehen.
Berlin, 21. Juni. Die Baschliks, im letzten russisch-türkischen Kriege bewährt, sollen, wie wir hören, bei uns an Stelle der unvollkommen vor Kälte schützenden Ohrenklappen versuchsweise vorläufig bei einigen Truppenthcilen Angeführt werden.
Berlin, 21. Juni. In parlamentarischen Kreisen gilt das Zustandekommen der Kirchenvor- läge nach den Unterredungen von Bennigsen's mit Bismarck und Puttkammer für ziemlich sicher. (T. Chr.)
Berlin, 21. Zuni. (Abgeordnetenhaus.) Artikel 4 der Kirchenvorlage wegen Rückberufung der Bischöfe wird mit dem Antrag Stengel, betreffs die Anzeigepflicht der Bischöfe, angenommen. Dafür Centrum, Konservative, Freikonservarive und Polen. (T. Chr.)
Man spricht neuerdings mit großer Bestimmt-