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Hlages-WeuigkeiLen.
Stuttgart, 12. Nov. Das württembergische KönigSpaar, welches gestern in Nizza angekommen ist, hat dort wieder die schon im vergangenen Jahre innegehabte, reizend und ruhig gelegene Villa Carabacel bezogen. Die Begleitung des Königspaares ist dieses Jahr zahlreicher wie sonst und besteht aus 42 Personen. Es ist nämlich auch das hiesige Hofküchenpersonal mitgegangen, während in früheren Jahren die Menage des königlichen Hoflagers einem Nizzaer Koch in Regie gegeben war, was jedoch allerlei Jnkonvenienzen im Gefolge hatte, denen man sich nicht wieder aussetzen wollte. Der aus 2 Lokomotiven, 2 Salonwagen, 4 Personenwagen, 2 Güterwagen und einem Küchenwagen bestehende königliche Extrazug kostete circa 7000 ^ Fr. Journ.
Cannstatt, 12. Novbr. Trommel- und Trompetensignale und Zu- sammläuten sämtlicher Glocken kündeten heute abend gegen halb 7 Uhr Großfeuer an. In der Hallvorstadt, etwa in der Haldenstraße, war eine mächtige Feuersäule sichtbar. Die Feuerwehr setzte sich in Bereitschaft, doch ehe sie auf den Brandplatz abmarschierte, kam die Nachricht, daß der vermeintliche große Brand sich auf ein brennendes Petroleumfaß in einem ganz nahe der Stadt gelegenen Weinberge reduziert habe, welches so ziemlich wieder dem Erlöschen nahe sei. Auf welche Art das Faß in Brand geriet, ist noch nicht aufgeklärt.
Vaihingen a. d. F., 13. Nov. Heute morgen halb 4 Uhr brach ein großer Brand in der Leicht'schen Brauerei aus. Das eigentliche Brauergebäude ist beinahe vollständig niedergebrannt. Beim Herauswerfen eines Hopfensackes wurde ein 8jähriger Knabe so unglücklich getroffen, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Ursache des Brandes ist bis jetzt noch nicht bekannt; in der Dörre soll derselbe ausgebrochen sein. Der Schaden ist groß. (Von anderer Seite werden folgende Einzelheiten berichtet: Der obere Teil des Brauereigebäudes ist größtenteils abgebrannt; wie weit der Parterrestock gelitten, ließ sich vorläufig wegen der Unmöglichkeit, hineinzukommen, noch nicht bestimmen. Verbrannt sind, soweit bis jetzt ermittelt, 15 Ballen Hopfen, 1000 Zentner Malz, 100 Scheffel Haber, ebenso 40 Betten im Schlafsaal der Brauereiknechte.)
Tettnang, 12. Nov. In einer Scheuer wurde heute Vormittag Fahrnisversteigerung gehalten, zu der sich eine große Anzahl Kauflustiger eingefunden hatte. Auf einmal brach der durch Trockenfäule morsch gewordene Boden zusammen, und etwa 40 Personen, Männer und Weiber, samt Balken, Dielen und den Verkaufsgegenständen, worunter auch eine Futterschneidmaschine, stürzten etwa 3 Meter tief in den Keller hinab. Glücklicherweise erlitt Niemand gefährliche Verletzungen; blutige Köpfe, verstauchte Hände und Füße gab's jedoch in Menge. Einem Manne durchschnitt die Futterschneidmaschine Stiefel und Socken, ohne ihn am Fuße selbst zu verletzen.
Ulm, 11. Nov. Das „U. Tgbl." schreibt: Wenn die Zahl der in einem bestimmten Zeitraum zugereisten arbeitslosen und der wegen Bettels abgefaßten und eingelieferten Personen als Maßstab betrachtet werden kann für die wirtschaftliche Lage und für Arbeit und Verdienst im Volk, so muß in allen Zweigen der Volkswirtschaft eine wesentliche Besserung eingetreten sein. Denn während noch vor 4 und 5 Jahren die hiesige Stadt mit Eintritt der kälteren Jahreszeit sich der zugereisten Vaganten fast nicht erwehren konnte und das Oberamt die wegen Bettels verurteilten Personen kaum unterzubringen vermochte, sind jetzt erst 300 Personen eingeliefert worden, in einer Zeit, in welcher früher die Zahl derselben die doppelte und dreifache Höhe erreicht hatte.
Frankfurt a. M. Fräulein Schmidt, welche der Frau Schröder-Hanf st ängl die bekannte Ohrfeige gegeben und deswegen zu 8 Tagen Gefängnis verurteilt worden war, wurde vom Kaiser begnadigt. Die Gefängnisstrafe ist in eine Geldbuße von 100 umgewandelt worden.
Werrrnifchtes.
— So mancher Abonnent eines Blattes ärgert sich, wenn der Nachbar, der zu geizig ist, die Zeitung selbst zu halten, aber doch wissen möchte, was in derselben steht, öfter und oft sogar regelmäßig zu ihm schickt mit einem schönen Gruß und man möchte so gütig sein, ihm auf einen Augenblick die
Zeitung zu leihen. Aus Gutmütigkeit, aus Geschäftsrücksichten und, um sich mit dem freundlichen Nachbar nicht zu verfeinden, willfährt man seinem Ersuchen immerfort, wenn auch mit geheimem Grimm über die fortwährende Unverfrorenheit des Herrn Nachbars. Für solche Fälle bringt die Papier- Zeitung das nachstehende Rezept: Man schneide sorgfältig eine beliebige Notiz aus der Zeitung, ehe man sie weitergibt. Kurz, nachdem sie verliehen ist, wird ein Bote des Borgers fortrennen, um ein Exemplar derselben Nummer zu kaufen. Die Leserinnen, unter denen das geliehene Blatt zirkuliert, werden ebenfalls, jede für sich, ein Exemplar kaufen; keine derselben kann ruhig schlafen, ehe sie weiß, was die ausgeschnittene Stelle enthält. Man wiederholt das Experiment den nächsten Tag mit gleichem Erfolg, in hartnäckigen Fällen noch einigemal, dann aber wird es, besonders bei weiblichen Borgern nicht mehr nötig sein.
— Der Münchener vr. Sigl, Red. des „Bayr. Vaterlands", ist wieder einmal in eine sehr dunkle und schmutzige Sache verwickelt. Er war nach Wien gereist und machte die Anzeige, daß ihm seine Haushälterin Anna Buchmaier entflohen sei und bei einer Wiener Kupplerin Hager Aufnahme gefunden habe. Das 18jährige sehr hübsche Mädchen wurde aufgefunden und erhob vor dem Bezirksgericht die schwersten Anklagen gegen Sigl, gegen den sie einen unüberwindlichen Abscheu habe. Sigl läugnete, gab aber dann vieles zu. Er stellte sich aber andern Tages nicht wieder dem Gerichte, wie er gelobt hatte, sondern führte die Entflohene nach München zurück, so daß die Verhandlungen abgebrochen werden mußten. Die Familienverhältniffe Sigl's und der Eltern seiner „Haushälterin" scheinen sehr wüst und traurig zu sein.
— Das Geldzählen, besonders wenn es nicht das eigene Geld ist, das man nachrechnet, ist keine so angenehme Beschäftigung, wie viele Leute es sich vorstellen. In dem Bureau zur Einlösung der Nationalbanknoten in Washington sind etwa 120 Frauen angestellt. Sie haben während der Geschäftsstunden von morgens 9 bis nachmittags 4 Uhr nichts anderes zu thun, als Banknoten zu zählen und erwerben darin eine Gewandtheit, der es selbst der'flinkeste Bankkassierer nicht gleich thun kann. Aber, obwohl die meisten Angestellten jung sind, sehen sie doch vielfach blaß und abgespannt aus; viele haben wunde Hände und bei manchen zeigen sich offene Wunden im Gesicht und kranke Augen. Das kommt von dem Arsenik in der grünen Farbe der Noten. Trotz der größten Vorsicht, welche alle anwenden, kommt das Nebel früher oder später zum Ausbruch. Eine kleine Hautabschürfung an der Hand genügt, um eine Entzündung zu veranlassen, und durch die Hände wird das Gift in's Gesicht und zu den Augen geführt. Jeden Morgen erhält jede Zählerin ein neues Schwämmchen zum Anfeuchten der Finger; aber vor abend ist es schwarz von dem Arsenik. Manche werden durch das Gift so angegriffen, daß sie ihre Stellen aufgeben müssen. Die Besoldung ist 75 Dollars (318 ^) für den Monat.
— Was fesselt den Prinzen von Wales an Budapest, daß er sich so gern dort aufhält? Darüber hat schon Mancher sich den Kopf zerbrochen.' Die Anwesenheit des zukünftigen Königs von England ist sehr einfach. Während seines vorigen Aufenthalts in Budapest spielte der Prinz im National-Kasino Karten und gewann nahezu hunderttausend Gulden. Natürlich versprach er den Verlustträgern, ihnen so bald als möglich Revanche zu geben. Diese Revanche-Politik hat ihn jüngst wieder in Ungarns Metropole geführt. Natürlich setzte er sich bald in Bereitschaft, im Kasino die gewonnenen hunderttausend Gulden als Gentleman wieder zu verlieren. Er spielte und spielte und als er endlich an die Abreise denken mußte, hatte er eine halbe Million Gulden — gewonnen. Das Unglück will, daß er im Spiel immer Glück hat, und nun bleibt ihm nichts Anderes übrig, als nächstens einen neuen Revanchezug nach Budapest zu unternehmen. Dabei kann es ihm passieren, eine ganze Million zu gewinnen, so daß er vielleicht zum Schluffe sich bleibend in Budapest niederlaffen muß, um dort abzuwarten, ob es ihm nicht doch gelingt, seine Gewinnste zurückzuverlieren. Noblesse obli§e, was in manchen Fällen sehr unangenehm ist.
Ich vrn ihn tos! wird Jeder vergnügt ausrufen, welcher sofort nach den ersten Symptomen eines herannahenden Schnupfens, Hustens oder Katarrhs d.e rühmlichst bekannten Apotheker W. Voß'schen Katarrhpillen anwendet, welche in überraschend kurzer Zeit die Ursache des Schnufens, Hustens re. — die Entzündung der Schleimhäute beseitigen. Voß'sche Katarrhpillen sind erhältlich in den Apotheken. Jede ächte Schachtel trägt den Namenszug vr. nmä. Wittlinger's.
zusammen auf ewig. Das, Ihr Geliebten, sei unser Glauben, Hoffen und Lieben. Diese Kreuze, die wir heute segnen, werden uns wieder segnen. Es möge sie auf einsamer Höhe das liebe Sonnenlicht umstrahlen, es mögen die finsteren Winterstürme sie umhüllen — allerwege seien sie uns eine dreifache Stimme des Glaubens, der Hoffnung und Liebe! Sie mögen niederblicken auf lachende, gesegnete Thäler voll fröhlicher Menschen, oder sie mögen niederschauen auf Drangfal und Not — wie Gott es will! Immerdar seien sie uns ein mahnender Ruf des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Amen."
Vergelts Gott!" murmelte es durch die Versammlung, ein Beweis, daß die Worte des Priesters den Leuten zu Herzen gegangen waren.
Daun folgte der eigentliche Akt der Kreuzeinweihung, den das Krachen von Böllern weit in die Thäler hinaus verkündete. Hierauf sangen die Stimmen der Menge vereint das Lied:
„Heiliges Kreuz, sei unsre Fahne,
In des Lebens jeder Not,
Die uns wecke, die uns mahne,
Treu zu sein, bis in den Tod.
Sei mit Mund und Herz verehret Ruhestätte meines Herrn!"
Das Volk lag auf den Knieen vor den drei Stämmen, und der Zimmermann, der noch wenige Tage zuvor mit der Pfeife im Munde und irdischen Sinnes voll die Pfähle ausgehackt hat, küßte nun dieselben mit frommer Inbrunst. Denn von heute an ist diefes Holz geheiligt durch den Segen ers und durch den Glauben des Volkes.
Unter der Menge kniete auch das Weib des Meisters Gied. Sie war viel" leicht die einzige, wahrhaft Andächtige unter Allen. Sie verrichtete ihr Dankgebet für die Rettung vom jähen Tode. Nicht für ihr eigenes Kindes Leben dankte sie so heiß. Dabei war es ihr angst und bang. Es war ihr, als dürfe sie sich nicht erheben von ihren Knieen, bevor sie ein Großes erbeten habe. Und sie wußte nicht, was. Sie blickte in die Richtung des Schirmthales hin, ob doch nicht etwa eine schwere Wetterwolke lag über ihrem Hause. Der Himmel war heut klar und rein, aber die Beklemmung ihres Herzens wurde immer schwerer. Sie hob ihr Auge zum Kreuzbilde auf und erschrack. Vom Mittelpunkt des Kreuzes, dort, wo des Heilands Haupt geruht hatte, ging ein blendender Glanz aus.
Es war nicht blos die innere Erscheinung eines gläubigen Gemütes, es war Wirklichkeit. Gerade hinter dem Kreuzbilde stand die Sonne, deren Strahlen also vom Stamm auszugehen schienen. Des Kreuzes Schatten lag über der Brust und über dem Angesichte unserer armen Beterin.
Schon ruhte dieser Schatten gedehnt über die Ebene hin, und die Leute hatten die Kreuze verlassen und sich den Freuden des Volksfestes zugewendet, welche weiter unten mit Gesang und Musik erschallten, als die Martha noch immer auf der Anhöhe kniete. Wie, daß sie heute trotz des innigsten Gebetes nicht beruhigt werden konnte? — Lag denn eine schwere Sünde im Hinterhalte ?
(Fortsetzung folgt.)