6». Jahrgang.
Ara. 136.
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Dienstag, äen 1?. November 1883.
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Der Nrieg zivilen Serbien umi Nnlgarien.
Das seit Zeit längerer Befürchtete ist nun doch eingetreten: die serbische Armee ist in Bulgarien eingedrungen. Und zwar handelt es sich in dem Konflikte zwischen den beiden benachbarten Balkanstaaten nicht um eine jener Feindseligkeiten, die unter den verschiedensten Vorwänden ausgeübt wurden, sondern es ist ein wirklicher, inallerForm erklärter Krieg, der am 14. um 6 Uhr morgens zwischen Serbien und Bulgarien zum Ausbruch gelangte. Es hat fast den Anschein, als würde sich im Süden das Schauspiel des slavischen Nordens wiederholen, wo zwei nahe verwandte benachbarte Völker, Russen und Polen, seit Jahrhunderten in tödlicher Feindschaft leben. Bis in die jüngste Gegenwart konnte sich eine Gegnerschaft zwischen Serbien und Bulgarien nicht wohl entwickeln, da beide Völker im osmanischen Reiche vereint unter dem gleichen Drucke schmachteten. Kaum befreit und zur Selbstständigkeit gelangt, die bei den Bulgaren nicht einmal eine vollkommene ist, beginnt sich — eine seltsame Illustration menschlichen Lebens — die Feindschaft zwischen ihnen zu regen, und noch ist kein Jahrzehnt verflossen, seit Serbien die volle, Bulgarien eine bedingte Freiheit erlangt, und schon hat die rasch erwachte gegenseitige Abneigung zu einem Kriege geführt, der besonders bei den Bulgaren einen tiefen Eindruck hinterlassen dürste, weil er ser- bischerseits den Beigeschmack eines Verrates, einer hinterlistigen Ausnützung einer gefährlichen Lage des „Brudervolkes" besitzt.
Die Wünsche und Ansprüche Serbiens auf weitere türkische Gebietsteile wurden durch Vereinigung der beiden Bulgarien in keiner Weise berührt. Im Gegenteil, die beiden stammverwandten Staaten konnten, da die nationale Einigung der Bulgaren auch nach der Union nicht als abgeschlossen angesehen werden konnte und Bulgarien gezwungen ist nach dem Meere zu streben, in Zukunft sehr wohl Hand in Hand gehen. Der erste Fehler, den Serbien in dieser Angelegenheit beging, war, wie allgemein bekannt ist, die Mobilisierung seiner Armee. Nachdem dieselbe einmal anbefohleu wurde, war eine Rückkehr zur alten Ordnung in Anbetracht der erregten nationalen Gefühle nur schwer möglich. Von da ab ging es immer mehr herab auf der schiefen Ebene, bis sich nun König Milan außer Stande sieht, sein den Mächten gegebenes Wort, das Ergebnis der Konferenz abzuwarten, einzulösen. Denn daß die angeblichen Grenzverletzungen von bulgarischer Seite, die wie es scheint, gar nicht von bulgarischer Seite ausgegangene Bezeichnung der auf bulgarisches Gebiet übergetretenen serbischen Soldaten als „Räuber" die Serben schließlich in den Krieg getrieben haben, ist eine doch zu einfältige Behauptung. In
Bulgarien ist man überzeugt, daß dies nur ein falscher Vorwand ist. Die
Bulgaren thaten vielmehr, wie der Philippopeler Berichterstatter der „Köln. Ztg." versichert, alles, was nur irgend möglich war, um einen Zusammenstoß zu vermeiden und Grenzverletzungen wurden fogar oft geduldet , um keinen
Vorwand zu Feindseligkeiten zu geben. Jetzt sei es klar, daß diese
Verletzungen nur den Zweck hatten, die Bulgaren zur Wiedervergeltung Hinzureißen und so den Serben einen Kriegsgrund zu verschaffen. Da die Bul
garen dieser Verlockung auswichen, erfolgte die Kriegserklärung kurzweg und ohne wirklichen Grund.
Die naheliegenden Fragen, die sich aus Anlaß des Ausbruchs dieses Krieges aufdrängen; wie sich die Konferenz zu dieser neuen Wendung der Dinge stellen, ob Griechenland und die Türkei in den Konflikt hineingezogen werden, ob wir am Beginn einer großen unabsehbaren Orientkrise stehen, lassen sich jetzt auch nicht annähernd beantworten. Nur scheint es unwahrscheinlich, daß die Konferenz in Folge dieses ernsten Zwischenfalls resultatlos auseinandergehen werde. Fr. Journ.
'UottLische WachinchLen.
Deutsches Reich.
Berlin, 14. Wovemver. Aus Wisch wird offiziell gemeldet: Der Minister des Aeußeren Garaschanin wies den Gesandten in Sofia an, zn erkläre«, daß die seröische Megierung auf die Kerausforderung von Seiten Bulgariens mit der Kriegserklärung geantwortet Hake. Der König ist in der vergangenen Wacht «ach Wirst aögereist, um den Werbefehl über die Truppen zu übernehmen.
— In Karlsruhe ist der badische, in Dresden der sächsische Landtag am Donnerstag eröffnet worden. Dort that es der Großherzog, hier der König; beide betonten in den Thronreden den festen Zusammenhalt der deutschen Staaten mit dem Reich und gaben ihrer lebhaften Freude über die gedeihliche Fortentwicklung der Einzelstaaten unter dem mächtigen Schutz des gemeinsamen Vaterlandes rückhaltlos Ausdruck. Zwei neue Beweise dafür, daß gegenwärtig bei den deutschen Fürsten der deutsche Patriotismus warme Pflege findet. Das war zu Zeiten des deutschen Bundestages anders.
— Bisher wurden die deutschen Panzerschiffe während des Winters vollständig abgetakelt und in die Docks gebracht; in diesem Jahr ist aber der Befehl gekommen, daß die 5 schweren Panzerschiffe „Bayern", „Württemberg", „Baden" und „Hansa" in Kiel in Reserve gesetzt werden sollen, Bayern und Hansa behalten sogar ihre Mannschaft vollständig an Bord. Man bringt diese Maßregel mit den Verwicklungen im Orient in Zusammenhang.
Türkei.
Konstantinopel, 13. Nov. In der gestrigen Konferenz schlug die Pforte vor, daß sie gemeinsam mit den Mächten den Fürsten Alex an- der zum Verlassen Numeliens ausfordern solle; der Sultan würde sodann Rumelien bis zur definitiven Wahl eines Gouverneurs kommissarisch verwalten lassen und eine gemischte Kommission inzwischen die Wünsche der Rumelioten prüfen. Eine Einigung der Mächte bezüglich der letzteren Punkte ist wahrscheinlich; hinsichtlich des ersten dürften England und Frankreich verlangen, daß die Pforte allein eine Sommation erlasse.
(Nachdruck verboten.)
Der NM-Mtz.
Eine Geschichte aus den Alpen.
Von P. K. Rossegger.
(Fortsetzung.)
Der Priester begann so zu sprechen:
„Andächtige Versammlung!
Unsere Gemeinde liegt in einer Gegend, die leider Gottes so häufig von verheerenden Elementen, als Sturm und Blitz, Wildwaffer und Hagel heimgesucht wird. Die Aeltesten der Gemeinde haben sich daher entschlossen einem alten Brauch und Glauben gemäß, Wetterkreuze aufzurichten; sie hoffen, daß sich die Gewalt der Stürme brechen werde in diesem Zeichen unserer Erlösung, sie hoffen, daß uns Gott gnaden werde, wenn wir ihn anrufen im Kreuze. — Möge diese fromme Hoffnung nicht zu Schanden werden! — Da uns jedoch, meine Lieben, das Jammerthal dieser Erde als Prüfung bestimmt ist, so mag es wohl geschehen, daß auch in Zukunft die Geisel des Herrn nicht spurlos an uns vorübergeht. Wir wollen unsere Zuversicht nicht verlieren, wollen beten zum Kreuze, denn jedes Gebet findet Erhörung, es wäre denn, daß eine große Sünde im Hinterhalt liege; diesen Fluch freilich kann weder
das Kreuzbild, noch das innigste Gebet in Segen wandeln. Möge Keiner von uns in der Drangsal die Zuversicht verlieren zum heiligen Kreuze. Mögen wir durch die Erinnerung dessen, was der Unschuldigste, der Göttliche selbst auf diesem Stamm gelitten hat,. in den Wiederwärtigkeiten diefes Lebens Trost und Stärke finden! Das Kreuz ist ohne Heilandsbild, um uns zu mahnen, daß der, welcher einst verblutend seine Arme ausgestreckt hat, nun" in der ewigen Herlichkeit thront und das Kreuz jetzt seine leeren Balken ausbreitet, um uns zu umfangen. Denn, wollen wir einst seiner Glorie teilhaftig werden, so müssen wir unentwegt dem Pfade seiner Leiden und seiner Tugenden folgen. Doch müssen die drei göttlichen Tugenden, welche in dieser Dreizahl des Kreuzes versinnlicht werden, nicht blos auf Gott, sondern auch auf die Mitmenschen angewendet werden. Glauben wir an unsere Fähigkeit, immer vollkommener und gottähnlicher zu werden, glauben wir, daß unsere Mitmenschen besser sind, als sie Ais dargestellt werden von Neid, Selbstsucht und Verleumdung. Hoffen wir, daß das Menschengeschlecht sich immer mehr entwinden werde dem Rohen und Tierischen dieser Welt und Allem, was wir Teufel nennen; hoffen wir, däß der Mensch, seines Gottes Ebenbild, einst noch weit mächtiger als heute, die Elemente beherrfchen und zu seinem Dienste machen werde — ein Teil jenes Geistes, der den Stürmen gebietet, dem das Meer gehorcht. Und lieben wir demnach diese Welt, die wie ein heiliges Feuer das Menschengeschlecht läutert, und die dem Geläuterten so reich ist an Glück und Seligkeit. Lieben wir die Mitmenschen, die gleich uns ringen und leiden; richten wir uns gegenseitig auf. Ist erst die Menschenliebe allgemein, dann ist die Welt erlöst, und das Kreuz bricht