Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagstd.

M 69.

i Erscheint ivvchciillich 3mnl und kostal halbjährlich ! bicr sohiic Träqcrlohnj I 60 ^, in dcm Bezirk j 2 . 2 , auhtrhalb des Bezirks 2 .E 40 <1.

Donnerstag den 10. Juni.

! Jnsertionsgebüdr fiir die lsp,Nl!z> Fcilc an-.- ge- i wohnlicher Schrif! bei cininaliger Einriirknn.z 0 4, j bei !nehriiin!ie;er je »> 4.

1880.

Amtliches.

Tie OrtSvorstehcr

von Altenüaig Stadt, Bcihingeu, Berncck, Beuren, Bösingc», Ebhanscu, Wringen, Emmingen, Euzthal, Ettinannswcilcr, Fünfbronn, Garrweilcr, Gaugcn- wald, Gültlingcn, Haiterbach, Jsclshnusen, Minders- bach, Rohrdors, Rvthfeldcn, Schönbronn, Spielberg, Unterschwandors, Walddorf und Wurth Huben um­gehend anzuzcigcn, ob das zur Anschaffung empfoh­lene Werk:Handbuch des Pfandrechts von Lang" sür die bctr. Gemeinde gewünscht wird oder nicht. Bag old, den 7. Juni l880.

Obcramtsrichter Daser.

N a g o l d.

Aushelmngs-Geschiift pro 188 V.

Die Militär-Aushebung Seitens der k. Ober- Ersatz-Eommissivu findet am

Donnerstag den 24. Juni 1880 in Nagold statt und cs haben sich zn diesem Zweck spätestens und bei Vermeidung der in Z. 67» Ziffer 3 der Wehr- Ordnung angcdrvhtcn Rechts - Nachtheile auf dem hiesigen Rathhaus

Morgens 7 ll.hr

alle diejenigen Militärpflichtige» der Altersklasse 1860 sowie der früheren Jahrgänge, welche von der Ersatz- Commissioi! bei der Musterung

1, als tauglich und aushcbung sfähig bezeichnet u.

2) zur Ersatz-Reserve I. Classe vorgcschlageu wor­den sind, zu stellen.

Im klebrigen ist jeder in der Grundliste einge­tragene Militärpflichtige berechtigt, am Aushebungs- tcrnlin zu erscheinen und der k. Ober Ersatz-Commis­sion etwaige Anliegen vorzutragen.

Die Militärpflichtigen haben ihre Losuilgs- und Gestellungs-Scheine mitzubringen.

Die Vorsteher derjenigen Gemeinden, aus wel­chen Militärpflichtige beordert werden, haben behufs der Mitwirkung bei der Vorstellung und Rangirung der Militärpflichtigen gleichfalls zu obiger Stunde sich hier einzufinden und die Militärstammrollen mit- zubringen und dafür Sorge zu tragen, daß nicht nur den genannten Militärpflichtigen diese Bekanntma­chung urkundlich eröffnet wird, sondern daß auch die zur Vorstellung berufenen Militärpflichtigen rechtzeitig erscheinen.

Den Militärpflichtigen ist hiebei einzuschärfen, mit reiner Wäsche und reingewascheuem Körper vor der Commission zu erscheinen.

Den 3. Juni 1880.

_ K. Overamt. Güntner.

Bekanntmachung, betreffend die Aufnahme in die Gartendanfchnte zn Hohenheim.

Auf den 1. Oktober d. Js. können in die mit der hiesigen Anstalt verbundene Gartenbauschule wieder 6 Zöglinge eintreten.

Zweck dieser Anstalt ist, junge Männer mit der Theorie und Praxis des ländlichen Gartenbaus be­kannt zu machen.

Die Aufnahme erfolgt auf ein Jahr und zwar unter folgenden Bedingungen :

1) die Aufzunehmendcn müssen das 17. Lebens­jahr zurückgelcgt haben,

2) vollkommen gesund und körperlich erstarkt sein, um die bei dem Gärtnereibetrieb vor- kommcnden Arbeiten anhaltend aussührcu zu können,

3) im Lesen, lLchreiben und Rechnen gute, im Zeichnen wenigstens einige Fertigkeit, auch genügende Befähigung zu Auffassung von populären Lchrvorträgen haben.

Hierüber müssen sie sich bei der Aufnahme­prüfung ausweisen.

Solche Bewerber, welche eine Lehrzeit in einer Gärtnerei oder an einer Ackerbauschule erstanden oder sich sonst mit Garten- oder Weinbau beschäf­tig! haben und hierüber die erforderlichen Ausweise vorlegeu, werden vorzugsweise Benicksichligung bei der Ausnahme finden.

Kost, Wohnung und Unterricht erhalten die Zöglinge frei. Dagegen haben sie alle in der Schule und beim praktischen Gartenbau vorkvmmenden Ar­beiten zn verrichten und die Verpflichtung zu über­nehmen , den einjährigen Kurs vollständig mitzu­machen.

Weiter besteht die Einrichtung, daß je nach Umstünden zwei Gartenbauschüler, welche sich beim unmittelbar vorausgegangenen Jahrcskurs durch Strebsamkeit und gutes Verhalten ausgezeichnet haben, ein weiteres Jahr mit entsprechendem Tag­geld beim praktischen Obst- und Gartenbau beschäf­tigt werden, auch in Gartenbauschulc wohnen und au dem Unterricht Theil nehmen können.

Die Bewcrver werden ansgesordert, unter Dar­legung ihrer bisherigen Laufbahn, sowie guter Än- schlutz eines Taufscheins, Impfscheins, gemeinderäth- licher Zeugnisse über Hcunarhrecht, Prädikat und Vermögen, einer Urkunde über Einwilligung des Vaters beziehungsweise Vormunds, sowie, soweit sie im militärpflichtigen Älter stehen, unter Nachweis ihres Militärveryattnisses, sich bis spätestens 30. Juni dss. Jahrs

schriftlich bei der Unterzeichneten Stelle zu melden und sich sodann, wenn sie nicht durch besonderen Erlaß vorher zurückgewiescn werden sollten, zur Auf­nahmeprüfung am

Montag den 12. Juli d. Js.,

Morgens 7 Uhr

hier einzufinden.

Hohenheim, 1. Juni 1880.

K. Instituts-Direktion.

__ Rau. _

Zunft oder Gewcrbefreiheit.

Der jüngste Verbandstag der pfälzischen Ge­werbevereine zu Kaiserslautern hat sich mit über­wiegender Mehrheit gegen die Beschränkung der Gewerbefreiheit ausgesprochen und in den Verhand­lungen wurde diese als das Palladium des Ge­werbestandes hingestellt. Ein Redner behauptete sogar, die Gegner der Gewerbefreiheit wollten uns in das Mittelalter zurückführen, wo man blos Meister werden konnte, wenn man die Tochter oder Witwe eines Meisters heirathete. Der Redner scheint vom Mittelalter seltsame Begriffe zu haben. Wir verkennen durchaus nicht die Berechtigung der Gewerbefreiheit, gegenüber den ungeheuerlichen Zu­ständen, wie sie allerdings schon zu Ausgang des Mittelalters sich heranzubilden begannen, die aber erst in der späteren Zeit ihre volle Ausgestaltung erhalten hatten. Als der mittelalterliche Geist der bürgerlichen Freiheit, des Christenthums und der de­mokratischen Gleichberechtigung, wie er gerade das städtische Leben der späteren mittelalterlichen Zeit kennzeichnet, noch in seiner vollen Wirksamkeit war, da konnte Jeder ohne Rücksicht auf Vermögen und Verwandtschaft Meister werden, der die Bedingungen dazu erfüllte. Die Zahl der Meister, Gesellen und Lehrlinge war allerdings beschränkt und auch jeder Meister durste blos eirie bestimmte Anzahl Gesellen halten, allein in die leer gewordenen Räume inner­halb der Zunft konnte Jeder eintreten, nur mußte er sich der vorgeschriebencn Lehrzeit und den strengen

, Prüfungen unterziehen. Dies war die Zeit, in welcher das Handwerk in Deutschland und Frankreich in höch­ster Blüthc stand und das Bürgerthnm sich durch seine Arbeit bereicherte. Erst allmälig verwandelte sich die Zunft, wie ja alles Menichlichc entartet, in eine monvpvlisirtc Produktionsgenossenschaft der reich gewordenen Meister und ihrer unter sich verschwä­gerten Familien. Der Durchbruch dieses verwerflichen Geistes kam gleichzeitig mit dem Niedergang des Hand­werks, besonders im I-x und 16. Jahrhundert unter Begünstigung durch den fürstlichen Despotismus, der. wie ganz vorwiegend in Frankreich, die Zunft als Steucrobjckt verwendete. Gleichzeitig erblaßte der christliche Sinn und die kapitalistische Produktion kam aus. Diese Zustände wurden allerdings immer trüber und schlimmer, und so bildete sich das, was wir Zunftzopf nennen und mit vollem Recht verwer­fen. Dieser verrottete» Zunft gegenüber war aller­dings die Gewcrbefreiheit eine Norhwendigkeit und eine Wohlthat geworden. Anders aber ist die Frage zu beantworten, ob die Gcwerbcfrciheit auf die Dauer mit Segen bestehen kann. Wir vermögen uns der Erkenntnis; nicht zu verschließen, daß die Gewerbefreiheit vorwiegend dem Kapital zu Gute ge­kommen ist, während der Arbeiter- und der Hand­werkerstand von ihr nur geringe Vortheile gehabt haben. Der mittellose Handwerker, der früher in der Zunft, falls sie richtig organisirt war, eine Stütze fand, konnte jetzt gar nicht mehr coneurriren, der mittelmäßig mit Geld versehene Handwerker wurde durch die Reichen hcrabgedrückt und schließlich zum mittellosen Handwerksprolctariat geworfen, der rei­chere wie kapitalskräftigcre aber kam vorwärts, sam­melte sich immer größere Kapitalien und wurde mit der Zeit zum kleinen und dann zum großen Fabri­kanten. Dadurch aber versperrte er den Zurückge­bliebenen vollkommen den Weg zum Vorwärtskommen. Diese sind unter der Herrschaft der Gewerbefreiheit, die ja keinen Kampf mit gleichen Waffen schafft, sondern dem Vermögenderen die Oberhand gibt, für immer in das Handwerker-Proletariat gefesselt. Aus­nahmen gibt es dabei selbstverständlich immer, je nachdem die persönliche Begabung und die Wirkung des Zufalls verschieden ist. Die Regel aber ist der Zustand, wie wir ihn geschildert haben.

Gegen diese Scheidung des Handwerks in we­nige kapitalistische Fabrikanten und zahllose proleta­rische Existenzen bot die Zunft früher Sicherheit. Erst mit ihrer Entartung, ihrer Verrottung und ihrem Verfall sank das Handwerk und mit ihm der Wohl­stand des Bürgerthums. Kein Meister durfte damals mehr Gesellen und Lehrlinge halten, wie ihm erlaubt war, und nieist war ein Meister darin dem andern gleich. Die Zunft bildete ferner zugleich die Genos­senschaft für billigen Bezug von Rohstoffen und an­derem Material, wie sie auch Schutz und Schirm ihren Angehörigen war für das ganze Leben. Wer sich ehrenhaft benahm und tüchtig arbeitete, dessen Existenz und die seiner Familie war durch die Zunft für immer gesichert. Einer für Alle, Alle für Einen! das war der Wahlspruch der Zunft. Wir Iialten es nicht für gut, diese großen Vortheile, welche die alten Zünfte in ihren guten Zeiten dem Handwerk boten, durch unverständige Ausfälle auf dasfinstere Mittelalter", durch Bemerkungen über den Zunftzopf oder als Angriffe auf die Gewerbe- Freiheit abzuweiscn. Gegenüber dem Kapitalismus bedeutet diese Gewcrbefreiheit vielfach nur die Frei­heit, für immer verlassen zu bleiben. Was gut war an dem Zunftprinzip soll wieder ausge­nommen, was schlecht ist, ferngehalten werden.