Der Gesellschafter.
Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.
N 68.
Erscheint wöchentlich 3mal und kostet halbjährlich hier (ohne Trägerlohn) 1 KV -I, in dem Bezirk 2 außerhalb des Bezirks 2 40
Dienstag den
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Inierlionsgebiihr üir die tspcttige Zeile wöbuliclier Schrift bei einmaliger Einrück: bei mehriueliger je K 4.
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1880.
Amtliches.
N n g v l d.
Die Ortsvvrstchcr werden nufgesordert, für den Staats-Anzeiger pro 1. Juli 1880/81 8 40 ^
an die Obcramtspftcgc hier cinznscndcn.
Den 4. Jnni 1880.
K. Oberamt. Güntner.
ist a g o l d.
A«shebmrgs-Geschäft pro 1880.
Unter Beziehung auf die Bekanntmachung vom 8. d. MtS. ist noch nachzutragen, daß alle diejenigen Militärpflichtigen der Altersklasse 1880 sowie der früheren Jahrgänge, welche von der Ersatz-Commission bei der Musterung
zur Ersatz-Reserve 11. Classc vorgcschlagen worden sind,
mit ihren LoosungsScheincn versehen am Mittwoch den 23. Juni d. I., Vormittags 8V« Uhr, präeis ans dem Rathhaus hier vor der kgl. Ober- Ersatz-Commiision zu erscheinen haben.
Den ö. Jnni 1880.
K. Obcramt. Güntner.
Diejenige» K. ev- Pfarrämter,
welche mir Einsendung des Trinitatisopsers für die Veteranen von 1810 lAmtsbl. dir. 339), sowie der Oppositionen für die diesjährige Disputation noch im Rückstand sind, werden dringend an dieselbe erinnert.
Nagold, 7. Juni 1880.
K. Dekanatamt. Kemmler.
Tages-Nerrigkeiten.
Deutsches Reich.
* Nagold, 7. Jnni. Heute Nacht wurde ans dem Rathhause hier ein frecher Einbruch verübt. Der noch unbekannte Thäter stieg von hinten durch ein kleines eingebrochenes Fenster in das Gebäude, hob die äußere Thüre zu der Canzlei des Stadt- Pflegers aus und die innere erbrach er durch ein Stemmeisen. Die eiserne Kasse hatte hiebei ihre Probe bestanden; denn trotz alles Meißelns am Schloß und anderen Stellen derselben blieb die Absicht des Thüters vereitelt. Auch die Sportelkassc in der Canz- lci des Stadtschultheißen widerstand den Ocsfnungs- versuchcn, so daß ihm nur noch die Tischschubladen zur Durchsuchung übrig blieben, welches Geschäft er gründlich ansführte und wodurch ihm ungefähr 8 <46. in die Hände kamen. Da er beim Einsteigen den Weg über einen Düngerhaufen genommen, so suchte er die Spuren desselben an der Fußbekleidung durch eine in Tinte eingetauchte Bürste zu entfernen. Die Aufregung der Gemüther über diese unerhörte That ist eine allgemeine. — Die zur praktischen Einübung der Löschmannschaften hieher beorderten Delegirten hatten am letzten Samstag ihren Jn- strnktions-Cnrs zur vollen Zufriedenheit des Bezirks- feuerlösch-Jnspektors Herrn Ehr. Schuster beendigt und zeigte auch die gestrige Probe, daß dieselben vollständig ihrer Aufgabe gewachsen sind.
Stuttgart, 4. Juni. Heute ist Se. Majestät der König abgereist, um Ulm sowie die dortige Kreisausstellung der Landwirthschaft und die neue Anlage für Wasserversorgung auf der Alb zu besuchen. Der König, die begleitenden Kavaliere und die Dienerschaft trugen sämmtlich die vom Hofcere- moniel vorgeschriebenc Traucrkleidung.
Balingen, 4. Juni. (Gesegneten Appetit!) Leute, die an fixen Ideen leiden und sich und Anderen das tollste Zeug glauben machen, gibt es allerorts: ein ganz seltener Kauz lebt aber in Ostdorf- derselbe war 1876 krank im hiesige» Spital, wo er gesehen haben will, wie unser Herr
Spitalvater einen andern Kranken getödlet und sodann mit seiner Gemahlin und Gehilfen den llmgebrachie» mit größtem Appetit verspeist bat. Ilm Alles in der Welt läßt sich der BedauernSwerthe nicht von seiner wahnwitzigen Idee abbringen, vielmehr ist er bestrebt, den in seinen Augen als eioilisteten Menschensresser dastehenden wallere» Herrn dem Arme der Gerechtigkeit zu überliefern. >N. Blkssr.i
Ettlingen. Vom hiesigen Schöffengericht wurden 4 Bäckermeister wegen Abgabe von Brod mit unrichtigem Gewicht, bezw. Betrugsversuchs zu 5 und 8 Tagen Gefängnis) und Kostentragung vcr- urtheilt. (Von Rechtswegen!)
Als Luriosum wird dem „Bad. Bevb." mitgetheilt, daß am Sonntag in einer größeren Waschanstalt i» Beiertheim voi> den dortigen Wäscherinnen ein Fest mit Tanz, deklamatorischen und humvristischen Vorträgen arrangirt wurde aus dem gewiß curioseu Anlaß, „weil bei der letzten grim migen Kälte keine von den Wäscherinnen erfroren ist." Das Fest wurde ans eitler Wiese in der Nähe der Waschanstalt gefeiert; bei dem guten „Mundstück", daS Wäscherinnen zu besitzen pflegen, ist es natürlich bis spät in die Nacht ziemlich lebhaft hergegangen.
Vou der baierischcu Grenze, 3. Juni. In Miltenberg spielte ein Kind mit dem Deckel eines Züudholzschächtelchens und leckte daran mit der Zunge. Trotz sofortiger ärztlicher Behandlung starb aber das Kind an Vergiftung. - In Kronach fand ein fünfjähriger Knabe ein Fleischen Erdöl, bestrich mit letzterem sein vierjähriges Schwesterchen und zündete es an, so das; dasselbe total verbrannte.
In Cham ist eine Frau im Alter von 102 Jahren gestorben.
Frankfurt a. M., 4. Juni. Gestern wurde an der hies. Börse für einen alten Mann gesammelt, dem Sachs und Co. 1000 Mark, seinen ganzen Sparpfennig abgcschwindclt haben. Heute Morgen ging bei einem der ersten hiesigen Bankhäuser ein Brief eines Lehrers bei Hanau ein, welcher jammert, sein aus 2000 c46. bestehendes Vermögen bei genannter Firma verloren zu haben. Auch ihm wurde eine beschwerte Rückantwort zu Theil. — Dem „D. Volksblatt" schreibt man von hier: „Jüngst hatte unser Oberbürgermeister Dr. Miguel Audienz beim Kaiser in Wiesbaden. Der Monarch erkundigte sich mit lebhaftem Interesse nach den Frankfurter städtischen Verhältnissen, auch nach dem Bau des neuen Theaters, der seiner Vollendung cntgegensieht. Der Oberbürgermeister trug bei dieser Gelegenheit die Bitte vor, der Kaiser möge der Eröffnung beiwohnen. Nach kurzer Ileberlegung sagte der Kaiser das direkt zu. Dr. Miguel bat nun um die Er- laubniß, daß die Stadt eine ständige Hvfloge errichten dürfe und meinte, die Loge könnte ganz nach Wunsch und Geschmack des Kaisers eingerichtet werden. Daraufhin antwortete der Kaiser: Die Stadt soll keine unnützen Ausgaben machen u. ich kann mir auch keinen Luxus erlauben, wie ein Frankfurter Bankier."
Am 17., 18. und 19. Juli findet in Dresden der 11. deutsche Feucrw ehrtag statt.
Mainz, 2. Juni. Ein hiesiger Geschäftsreisender, geborener Mainzer, war vor einiger Zeit in Warschau, wo er Geschäftsverbindungen »»knüpfe» wollte, verhaftet und in's Gesängniß gebracht worden. Es wurde eine Untersuchung wegen nihilistischer Umtriebe gegen ihn eingeleitet. Der Gefangene suchte sich auf jede Weise zu rechtfertigen und seine völlige Schuldlosigkeit klarzustellen, denn daß hier eine Verwechslung der Person vvrliegen mußte, war ihm gewiß. Die russische Regierung in Warschau setzte sich alsbald mit der deutschen Behörde in Verbindung, ja der Telegraph spielte sogar bis hieher, um die Unschuld des Verhafteten klar zu stellen. Daß dies vollständig gelang, brauchen wir wohl nicht weiter zu bemerken, aber immerhin brachte unser Mainzer einige Tage als Nihilist im Gesängniß zu. Für seine unschuldige Verhaftung beansprucht nun aber der junge Mann eine Entschädigung, welche ihm auch durch Unterstützung der deutschen Behörden von der russischen Regierung zugesagt wurde. Daß die Russen auch ihr Wort hielten, beweist der Umstand, daß
er vor einigen Tage» eine nicht unbedeutende Lumme durch ein hiesiges Bankhaus auSbezahl: erhielt.
Magdeburg, 4. Juni. Das heurige 200jäh- rigc Jubelfest des hiesigem Erzsrisrs wurde gestern Nachmittag mir Geläute sämmtlicher Glocken feierlich eiugeleitct. Heute Vormittags 10 Uhr traf der Kaiser hier ciu und begab sich vom Bahnhose mit dem Kronprinzen unter den enthusiastischen Zurufen der ungeheuren Volksmenge durch die festlich geschmückten Straßen nach dem Domplatze. Der Kaiser äußerte sich in lebhafter Anerkennung und Freude über den Fesizug. Es haben zahlreiche Ordensverleihungen stattgefuudcn. (N. Z.i
Berlin, 3. Juni. Die Nachricht vom Tode der Kaiserin vou Rußland hat den Kaiser aufs schmerzlichste berührt. Wahrscheinlich wird der Kronprinz zum Begräbnis; nach St. Petersburg gehen. Die heute früh hier angelangtcn Kinder des Herzogs von Edinburgh sollten Abends nach St. Petersburg Weiterreisen, werden aber jetzt wahrscheinlich die Ankunft ihres Vaters abwarten, uin dann gemeinsam mit ihm die Reise nach St. Petersburg zu machen.
Die Abhaltung einer Konferenz der Mächte in Berlin, und zwar ausschließlich zur Schlichtung des griechischen Grenzstreites, ist jetzt beschlossen. — Nach dem bisherigen Gange der Kommissionsberathung über die kircheupolitischc Vorlage ist die Ablehnung derselben schon in der Kommission wahrscheinlich geworden. Die Regierung hofft trotzdem auch in diesem Fall auf Annahme des Entwurfs durch das Plenum des Abgeordnetenhauses. lSt.--A.)
Berlin. 3. Juni. Der Kanzler des russischen Reiches, Fürst Gortschakoff, besuchte am Mittwoch Nachmittag gegen V-5 Uhr die permanente Ausstellung des Vereins Berliner Künstler im Jndustrie- gebäude. Der gebrechliche Mann war nicht im Stande, aus eigenen Kräften den Wagen zu verlassen, er mußte vielmehr von seinen beiden Begleitern aus demselben gehoben werden. Auf die Schultern der Letzteren gestützt, gelangte er bis an den Treppenaufgang zum Ausstellungssaal, hier aber verließen ihn die Kräfte und wußte er in Folge dessen die Treppe förmlich hinaufgetragen werden.
Zwischen Deutschland und Frankreich ist am 16. Mai zu Berlin ein vom Fürsten Hohenlohe und dem Grafen St. Ballier unterzeichnetes Abkommen getroffen worden, wonach dieselben sich gegenseitig verpflichten, durch Schiffbruch oder sonstiges unverschuldetes Unglück in Noth gekommenen Seeleuten beider Länder Unterstützungen an Kleidungsstücken, ärztlicher Pflege und Mitteln zur Heimreise, im Todesfälle auch ein anständiges Begräbniß zu gewähren.
Die Nachkonsercnz wird nun definitiv in Berlin zusammentreten, doch ist der Tag des Zusammentritts noch nicht fcstgestellt. Die Konferenz wird sich, dahin sind die Mächte übcreingekommcn, ausschließlich mit der griechischen Grenzfrage beschäftigen. Der König Georg von Griechenland weilt augenblicklich in London, um der dortigen Regierung die Ansprüche Griechenlands auf Vergrößerung nach Maßgabe des Berliner Vertrages geltend zu machen, nachdem er vorher bei der französischen Regierung in gleicher Weise sich bemüht. Wie er dem Pariser Korrenspon- dentcn der „Daily News" bei einem Interview mitgetheilt, haben die Herren de Frchcinet und Gambetta die griechischen Ansprüche vollständig anerkannt. Der König vertraut, daß die Wünsche Griechenlands in Erfüllung gehen werden, weil dieselben mäßig und vernünftig seien. Griechenland verlange kein Territorium, dessen Einwohner nicht Griechen sind. Er-