sotten, gefärbt und genossen werden. Was sollen die Buchhändler mit den lausenden Auflagen machen? Ins Feuer werfen, wie Luther in Wittenberg die Bannbulle? Und daS alles um eines h oder c zu viel oder eins ß statt eines s willen? Haben sich doch die Preußen und die Bayern noch nicht ein­mal über die Hauptsache vereinigt, ob man mit Preu­ßen Offizier oder mit Bauern Officier »oder umge­kehrt» schreiben und drucken muß. Und wenn sich nun Coburg Bayern anschließt und Meiningen Preu­ßen und Rudolstadt und Reuß der österreichischen Orthographie, was dann? »Auch über das Defizit und Deficit liegt mant sich noch in den Haaren oder Haren. Der Reichstag erwartet eine Borlage, nach welcher eS ganz abgeschafst wird?.

Die neuliche Meldung der Blätter, das; der Reichskanzler bei der anderthalbstündigen Unterre­dung mit dem Kaiser zu Bett gelegen habe, war nicht ganz richtig, insofern der Patient aufgestanden war. Auch da? vielverbreitete Gerücht, er sei be­denklich krank, ist nicht richtig. Ans bester Quelle erfährt man, daß er sich ieit einige; Zeit leidlich wohl befindet, den Vorschriften des Arztes Folge leistet, den Einen Punkt ausgenommen, daß er nicht die Nacht zum Tage machen iolle. Spät aufbleiben und spät aufstchen ist nun einmal des Fürsten Lebensge- wvhnheit. Der Reichskanzler itt in der letzten Zeit etwas magerer geworden, was bei ihm immer ein gutes Zeichen ist.

TicNordd. Allgem. Zkg." meldet: Durch den schwankenden Gesundheitszustand und die übergroße Arbeitslast des Fürsten Bismarck werde die zeit­weilige Vertretung des Reichskanzlers in den Ge­schäften des Auswärtigen durch den Fürst Hohen­lohe veranlaßt, welcher nach einigen Monaten nach Paris znrückkehrcn werde, wo inzwischen v. Radowitz ihn sn Mission extra orclinairs vertreten werde. Gegenüber derTimes bemerkt dieNorddeutsche": Gelte Hohenlohe in Paris für den Ausdruck fried­licher und freundschaftlicher Gesinnung, so sollte er­es doch noch mehr gelten, wenn er in seiner neuen Stellung vermehrten Einfluß auf die Politik Deutsch­lands habe und Instruktionen selbst gebe statt erhalte.

DieKöln. Zkg." will mittheilen können, der Papst habe sichdein Standpunkt des preußischen Staats beqnemt und werde die Geistlichkeit auffor­dern, die unter allen llmllöndsn bestehen bleibenden grundlegenden kirchenpvlitischen Gesetze (Maigesetze) in Preußen zu befolgen, und die Befugnisse des Staates, seine Rechtssphäre der Kirche gegenüber aus eigener Machtvollkommenheit zu bestimmen, stillschweigend anerkennend oder doch über sich er­gehen lassen. Der Staat werde lediglich solche Zu­sätze zu den bestehenden Gesetzesbestimmungen neu erlassen, welche im Geiste derselben liegen, aber der nunmehr geänderten Haltung deS päpstlichen Stuh­les dem Staate gegenüber Rechnung tragen. Wann dies geschehen werde, lasse sich genau nicht vorher bestimmen. Im Vatikan hoffe man, daß der Aus­gleich noch in diesen; Sommer zustande komme." Schweiz.

Bern, 1. März. Gestern, als am fünften Sonntage des Monats Februar 1880, Morgens Punkt neun Uhr, ist der Durchschlag des Gott­hard-Tunnels erfolgt. Die Arbeit ist in günstig­ster Weise vorgeschritten, und die Arbeiter von dies­seits und jenseits der Alpen, welche in gewaltigem Ringen und großartiger unermüdeter Arbeit während eines Zeitraums von acht Jahren durch den Fels- coloß hindurch sich einen Weg bahnten, konnten sich gestern die Hände schütteln. Nicht lange, dann wird nun das Dampfroß diese neuerschlossene Straße, die für die Verbindung Deutschlands mit Italien und für den gesummten Weltverkehr von allergrößter Bedeutung ist, dnrchbrausen. Als die Montcenis­bahn ihrer Vollendung entgegenging, tauchte bereits der Gedanke an die Durchbrechung des St. Gotthard auf : derselbe kam aber aus den Erwägungen in technischen Kreisen vorerst nicht heraus. Dies ge­schah erst im Jahre 1869, nachdem die Ausführbar­keit des Projects von den Technikern unbedingt be­jaht war; die Angelegenheit wurde Gegenstand diplomatischer Erwägung zwischen Deutschland, Italien und der Schweiz, die zu einer Einigung in der Finanzfrage und zum Beginn des Baues führte. Die technischen Vorarbeiten begannen bereits 1870, die eigentlichen Bohrarbeiten aber erst 1872, und zwar auf schweizerischer Seite bei Göschenen am 4. Juni, auf italienischer Seite bei Airolo am 1. Juli.

Au der Spitze des Unternehmens stand der Genfer Ingenieur L. Favre, ein für die Durchführung des großartigen Unternehmens außerordentlich befähigter Mann, kenntnißreich, energisch und thatkräftig, den ein neidisches Geschick leider die Vollendung seiner ungeheuren Arbeit nicht erleben ließ. Mitten in seiner Thätigkeit, im Tunnel selbst, traf ihn am 19. Juli vorigen Jahres cm Schlagflnß: seine Arbeiter, die mit größter Ehrfurcht und Liebe an ihren; Chef hingen, konnten nur noch einen entseelten Leichnam zu Tage fördern. Äufgehalten wurde durch diesen Unfall die Förderung des Werkes weiter nicht. Der umsichtige Leiter hatte seine Maßnahmen zu gut getroffen, und da auch durch die Beschaffenheit des Gesteins keine weiteren ernsten Schwierigkeiten mehr entstanden, so konnte das Werk rasch zu seiner Vol­lendung gefördert werden. Beschäftigt waren bei der Arbeit täglich etwa 3500 Arbeiter. Die Länge des Tunnels beträgt 14,92 Kilometer, die Bahn läuft hier mit Ausnahme einer 240 Meter langen Curve in gerader Linie. Die Tunnciwcitc beträgt ungefähr 8, die Scheitelhöhe 6 Meter.

Bern, 1. März. Auf die Mittheilnng des Bundespräsidcnten vom Durchbruch des Richtstollens im Gotthard-Tunnel haben der deutsche Kaiser und der König von Italien, ferner der Großhcrzog von Baden, Fürst Bismarck und der italienische Mini­sterpräsident Cairoli Glückwunsch-Telegramme an den Bundcsrath gerichtet.

Frankreich.

Paris, 25. Febr. Der Minister des Innern hat bestimmt, daß alle Beamten seines Dep., die 60 Jahre alt sind und 30 Jahre dienen, pcnsionirt werden. Dieselben gehören fast alle der bvnaparti- stischen Partei an.

Paris, 4. Mürz. Die Kommission sprach sich in der Rekrntirungs-Vorlage für Aufhebung des Frciwilligendienstes aus und stimmte der Verlänge­rung der aktiven Dienstzeit auf vierzig Monate bei.

Paris, 4. März.Lantcrne" undMot d' ordre" veröffentlichen eine Proklamation des russi­schen revolutionären Exekntivkomitös an daS franzö­sische Volk; in welcher gefordert wird, den verhafteten Hartmann nicht an Rußland anszuliefern.

Belgien.

Brüssel, 4. März. In der heutige»; Kain- mersitzung erklärte der Finanzminister, die gestrige Detonation trage nicht den Charakter eines Attentats.

England.

Kaiserin En gerne reift in den nächsten Tagen nach Capland ab. Königin Victoria hat ihr einen Abschiedsbesuch geinacht und auf die Gräber Napo­leons und seines Sohnes Kränze niedergelegt. Den Capitän, der ihren Sohn im Stich gelassen, hat Eugenie durchaus nicht sehe»; wollen; er ist ein Feigling, sagt sie, und lügt. Nur eines glaube ich ihm, daß mein Sohn um 10 Minuten Zeit zum Aufbruch gebeten hat; denn das war immer sein Wort von Jugend auf; nur 10 Minuten Zeit, bat er immer.

Die Rede Moltke's in; deutschen Reichstage gibt in Londoner öffentlichen politischen Kreisen Veranlassung, die Friedensliebe Deutschlands nicht nur anzuerkennen, sondern auch als eine durch die Verhältnisse gebotene zu betrachten. DieTimes" kommt zu dem Schluß, daß Moltke die Militärvor­lage auf eine natürliche Basis stellte, welche eine durchaus sichere und harmlose sei und keine Veran­lassung biete, den. beantragten militärischen Maßre­geln, eine politische Bedeutung beizulegen.

Der Möglichkeit gegenüber, daß ein Bündnis; zwischen Frankreich und Rußland zu Stande käme, wird zwar in dem deutsch-östrcichischcn Bündnis; das beste Gegengewicht zu suchen sein, allein einen nicht zu unterschätzenden Einfluß besitzt unter solchen Ver­hältnissen namentlich England. Obgleich die Trup­penmacht dieses Landes gleich Null zu rechnen, so vermag es doch mit seiner Flotte den kriegführenden Mächten Vortheil und Nachtheil zu bringen. Daß England die deutsch-östreichische Verständigung freudig begrüßte, ist begreiflich, aber damit wird der Friede noch nicht gesichert. Dies geschieht erst dann, wenn England in Paris darüber keinen Zweifel läßt, daß es einem französischen Angriffskrieg gegen Deutsch­land nicht ruhig zusehen würde. Ob England eine derartig feste Politik Anschlägen wird, dürfte sich erst nach den bevorstehenden Parlamentswahlen zeigen. Wenn dieselben aber, wie mit ziemlicher Sicherheit

vorauszusehen, dem gegenwärtigen Ministerium auf's Neue eine entschiedene Majorität sichern, so dürfte dasselbe nicht zweifelhaft darüber bleiben, daß eine derartig entschlossene Haltung die beste Garantie jedes Friedens ist und die Kauslentc Englands besitzen Schlauheit genug cinzuschcn, daß sie ans einem dauernde»; Frieden auf dem europäischen Kontinente z», ihre»»; Theile sellvt den besten Vvrtßeil ziehen. Rußland.

Gt. Petersburg, 2. März. Nach der rus­sische»;Petersburger Zeitung" ist die Nachricht vo»; der Anwesenheit und Verhaftung der Vera Sassn- litsch hicrselbst unbegründet. Man nimmt an, daß die Nachrccht geflissentlich verbreitet wird, um irre- znleitcn.

Petersburg, 3. März. Heute Mittag gegen 2 Uhr wurde ans den General Loris-Melikvff beim Eingang i», dessen Wohnung ans der großen Morskv», als der General vor seinen; Hanse ;,; den Wagen stieg, vo»; einen; jungen etwa 30jährigen Man»; ans »rächster Nähe ein Revolver-schuß abge- fcncrt. Loris-Melikosf blieb unverletzt. Seine Uniform wurde durchschossen. Er selbst ergriff den Verbrecher. General Loris-Melikosf ist der jetzige allvcrinögende Diktator Rußlands, der Manu / in den; der Kaiser und die Gesellschaft ein.- Art von Retter erblicken.

Petersburg, 4. März. Es heißt, der Atten­täter habe noch einen zweiten Schuß ans General Loris-Melikvff abfeuern wollen, dieser habe denselben durch einen Schlag auf den Arm daran gehindert und unterstützt von den begleitenden Kosaken densel­ben ergriffen. Der Thäter war gut gekleidet. Pe­tersburg war anläßlich deS Kaiser-Jubiläums gestern Abend abermals illuminirt. »N.-Ztg.)

Petersburg. 4. März. Das erste Vcrhör deö Verbrechers, der auf den Grafen Loris-Meli- toff schoß, wurde von den; Stadchauptmauu vor- gcnommen. Der Attentäter sagt aus, er sei getauf­ter Israelit auS dem Gonvcrneinent Minsk, wo er das Gymnasium absolvirte und heiße Hippolit Mladctzky. Der Verbrecher sagte uutcr'audere»;, Loris-Melikvff werde durch seine Genossen'getöd- tet werde»;, wann nicht durch ihn, dann durch'einen Zweiten, wann nicht durch den Zweiten, dann durch eine»; Dritten. Loris-Melikoff begab bald sich nach den; Atteniat znm Kaiser nuö empsiug so­dann zahlreiche Besuche zunächst des Thronsvl'gers »ind anderer Großfürsten. »Schw. B?>

Das Kabiuetsschrcibeu des deutschen Kaisers a»; de»; Kaiser Alexander wird von der russische»; Presse sympathisch begrüßt.Gvlos" findet dasselbe im gegenwärtigen Augenblicke besonders geeignet, die russische Gesellschaft zu beruhigen. An; meisten wird wohl die Stelle bemerkt werden, wo Kaiser Wilhelm die Zuversicht aussprichtj, daß die Freundschaft zwi­schen ihm und dem russische»; Herrscher bis an sein (des Schreibers) Lebensende ungetrübt bestehen blei­be»; werde.

Türkei.

Kvnstantinvpel, 3. März. Der russische Oberst Komarvff ist in Folge seiner Wunden gestorben.

Landet L Werkeyr.

Rottcnburg, 1. März. Am heutigen Jahrmarkt kamen deS schönen Wetters halber viel Landlente zur Stadt. Im Handel merkte man cs auffallend, daß eben das liebe Geld sehr rar ist. Doch waren, angesichts dieses Umstandes, die Verkäufer so ziemlich zufrieden. Sehr lebhaft ging es auf dein Biehmarkt zu: es wurde zu normalen Preise»; gekauft und verkauft. Der Ziuricb an Vieh war sehr groß. Ans dem Schweinmarkt entwickelte sich der lebendigste Verkehr. Milch- schwcinc fanden trotz der ungeheuren Mehrforderuug gegenüber dein lebten Markt rasch Abnehmer. Das Paar kostete 2230

Karlsruhe, 28. Febr. Bei der heute stattgehabten Serienziehung der Großh. bad. 35 fl.-Loosc wurden folgende 160 Nummern gezogen: ISS 349 483 501 560 589 669 721 744 764 803 891 959 962 979 1028 1116 1177 1200 1247 1258 1357 1396 1421 1448 1457 1491 1512 1536 1542 1591

1602 1672 1674 1709 1724 1752 1781 1975 2007 2128 2137

2149 2162 2195 2200 2257 2313 2314 2325 2326 2488 2530 2539 2569 2591 2850 2670 2709 2828 2895 2939 2941

3010 3078 3192 3202 3245 3251 3334 3470 3592 3860 3666

3697 3731 3825 3828 3856 3890 3895 3907 3972 4005 4056

4112 4139 4150 4174 4178 4205 4221 4272 4399 4423 4488

4550 4553 4680 4733 4776 4804 4832 4899 4917 4940 5111

5156 5162 5179 5247 5254 5272 5288 5347 5354 5380 5453

5474 5659 5688 5696 5706 5783 5871 5897 5915 5927 5930

5998 6152 6251 8321 6331 6353 6368 6471 6551 6554 660«

6828 6845 6674 6707 6727 6823 8872 6988 7039 7068 7S88

7336 7397 747l 7515 7599 7617 7822 7901 7952.

Goldkurs der K. Staatskaflen-Verwaltung

vom 23. Februar 1880.

20-Fratlkenstücks.16 18 4.