Stuttgart
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Bestellungen ans den „Gesellschafter" für das I. Quartal werden von allen Postämtern resp. Postboten immer noch entgegengeuommen.
"" Nagold. — Altenstaig.
A» die K. Pfarrämter.
Dieselben wollen die Berichte in Betreff der blinden nnd taubstummen Kinder, beziehungsweise Fehl-Anzeigen, je abgesondert in Bälde hieher entsenden.
Den 3. Februar 1880.
Kgl. Gemeinsch. Obcramt.
Güntne r. M ezge r.
Ein Blick in die Zukunft.
(Forts, aus Nr. 3.)
Wir stehen jetzt an einer Schwelte, wo ein verflossenes Jahrzehnt von unS scheidet und ein neues an uns heran tritt!
Kaum hat cs gewichtigere zehn Jahre gegeben in der Geschichte des deutschen Volkes als die von 1870—1880! Welche Fülle von gewaltigen historischen Momenten liegt nicht in diesem für die Geschichte so knappen Zeitraum?
Wird das neue Jahrzehnt uns eben solche Geschicke bringen?
Schwerlich wohl!
Hinter uns liegt ein sichtlicher Abschnitt. Die Zeit, wo deutsche Truppen die Schlünde ihrer Kanonen gegen deutsche Bollwerke kehrten nnd die Ba- yonettc gegen ihre eigenen Stammesbrüder richteten, gehört der Vergangenheit an. Glücklicherweise sind die Angehörige deutscher sNation zn der vernünftigen Ansicht gekommen, daß innere Kämpfe nicht mehr mit Krupp'schem Gußstahl, sondern mit der überzeugenden Schärfe des Geistes ausgesuchten werden müssen.
Der Zeitgeist, die herrschende Meinung des Tages, heut' eines der mächtigsten Factoren im Völkerleben, erstickt die ersten Anfänge einer zn blutiger Zwietracht führenden Zwietracht im Keime, und auch alle politischen Verhältnisse sind vorerst noch kräftig genug, uns vor der Wiederkehr solcher bereits vielfach erprobter Leiden zu bewahren.
Die Geißel des Menschengeschlechtes hat uns in Gestalt der Kriegsfurie oft genug im verflossenen Jahrzehnt heimgesucht. Wird sie auch in Zukunft wiederkehren?
Das Bestreben Aller, vom völkerlenkenden Staatsmann, vom speculirenden Börsenjobber herab bis zum einfachsten Manne aus dem Volke, der sich nur ein Wenig um die Politik kümmert, gipfelt in dem Wunsche, in diesem einen Punkte klar zu sehen. Tatsächlich richtet sich unser ganzes Zeitalter nur nach den Aussichten, die Krieg und Frieden für sich gewinnen, und die Erfindung der Dampfkraft, die doch den Menschen in wenigen Tagen weiter brachte, als ein ganzes voraufgegangenes Jahrtausend es gethan, erregte bei Weitem nicht das Aufsehen, wie die orientalische Frage, über die unser jetziges Jahrhundert überhaupt wohl noch nicht hinwegkommen wird.
Es wird wohl kein großer Seherblick dazu gehören, um dem deutschen Reiche zu prophezeihen, daß es im Laufe der nächsten zehn Jahre von den Wirren des Krieges nicht allzuviel zu leiden haben werde.
Zwar ist ein Reich vor den Angnffen seiner Nachbarn nie sicher gestellt, allein die Wege unserer Politik, und die Anhäufung unserer Machtmittel sind zwei Faktoren, die in den Rechnungen der Neider einen vortheilhaften Schluß nicht recht aufkommen lassen.
Darf dem „gesunden Menschenverstände" ver
traut werden, so kann sich Deutschland vor dergleichen unliebsamen Ereignissen ziemlich sicher fühlen. Freilich passireu in der Politik oftmals Dinge, die sich mit dem gesunden Menschenverstände nicht immer vereinbaren lassen.
Weniger zuversichtlich sehen wir der Zukunft unseres inneren Friedens entgegen, der augenscheinlich nicht immer auf den guten Füßen stehen bleiben wird, aus die wir ihn jetzt gestellt sehen.
Der Zank zwischen den beiden Zweigen, in die sich die christliche Religion gespalten, scheint nunmehr glücklich beigelegt worden zu jein. Aber wer bürgt dafür, daß derselbe im Lause weniger Jahre anss Nene nur mir um so hellauflodcrnder Flamme entbrennen wird ? Der nächste sich darbietende Streitfall bietet schon Klippen des Anstoßes genug.
Wie die socialistische Bewegung sich in Zukunft gestalten wird, darüber herrscht eine gänzliche Unklarheit. Gegenwärtig sehen wir dieselbe ganz verschwunden, nachdem sie aus gesetzlichem Wege für die nächsten Jahre zum Schweigen gebracht. Zwar werden hier und da sich Anstrengungen bemerkbar machen, den Buchstaben des Gesetzes zn umgehen, allein der Geist des Gesetzes, der in der Gegenwart glücklicherweise allein maßgebend, wird diese, wie bisher, auch in Zukunft mit Erfolg unterdrücken.
Große Projekte harren noch ihrer Verwirklichung. Der Verstaatlichung der Eisenbahnen des gesamten Deutschen Reiches sind bereits in der letzten Session des preußischen Abgeordnetenhauses die ersten Bahnen geebnet, und es ist kein Zweifel, daß eine energische Hand diese Idee zur Durchführung bringen wird.
Es bleiben daun noch die großen Ströme, die vornehmsten Verkehrsadern unseres Landes, miteinander durch ein großes Canaluetz zu verbinden. Dieser Plan ist bereits seit 1870 mehrmals entworfen und berathen worden, allein es gab noch so viel Anderes, viel Wichtigeres im Staatshaushalt zu thun, daß wir erst im Lause der nächsten Jahre an kostspielige Kanalbauten werden denken können. „Kostspielig" werden sie wohl für den Staatsschatz sein, wohlthuend aber für den Fleiß und die Betriebsamkeit des Volkes, weil die Geldmittel dadurch in einen vermehrten Umlauf kommen, und weiter die Thütigkeit befördern helfen. _ (Schluß folgt.)
Tages-Neuigkeiten.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 3. Januar. Wie wir aus guter Quelle erfahren, wird der Landtag allerdings in Bälde und wohl noch im Januar zusammenberufen werden, doch nur zum Zweck der Schließung der Session. Die Berathung in Betreff der neuen Anleihe und Convertirung der alten Sprozentigen Obligationen in ckprozentige wird einstweilen nicht im Plenum vorgenommen, sondern erst beim nächsten Zusammentritt der Kammern bei Gelegenheit der Durch- berathung des Rechenschaftsberichtes des ständischen Ausschusses erörtert werden. Im Oktober oder Anfang November dürfte der Landtag übrigens wieder zusammentreten und seine Thütigkeit dann mit der Berathung des Etats pro 1882/83 wieder aufnehmen.
Stuttgart, 5. Jan. Der dritte Bruder Waibel, Mechaniker in Biberach, sowie eine Schwester des Ermordeten u. des Mörders; ferner Bruder u. Schwägerin der Ermordeten, Frau Waibel, aus Leonberg, die am Samstag Vormittag dem Leichenbegängniß der vier Opfer des Verbrechens anwohnten, machten zusammen am Samstag Nachmittag den schweren Gang auf den Schauplatz des Verbrechens, wo sie noch die Zerstörung nnd die Blutflecken mit ansehen konnten. Auch
diese Personen wurden zu Rskognoseiruug des Verhafteten demselben gegenüber gestellt. Angesichts so vieler ihn Erkennenden vermochte er seine Behauptung, daß er nicht Christian Waibel, sondern Kurz von Hall sei, woraus er sein Ableugnungssystem gründete, nicht mehr aufrecht erhalten, und so soll er sich am Samstag zu einem vollen Bekcmitniß seiner entsetzlichen Blntihat herbeigelassen haben. Uebrigcns hatte der Mörder nicht all des Geldes sich bemäch- tigen können, das sein ermordeter Bruder im Hause hatte. Es fanden sich bei seiner Verhaftung in der Bardili'schen Parterrewirthschaft nur noch etwa drei Mark au Geld bei ihm vor. — Raubmörder Waibel war im Feldzug 1870, wie wir hören, eine im ganzen Offizierskorps der württembergischen Kavallerie wohlbekannte Persönlichkeit. Er stand in dem Zug des damaligen Oberstlicntenants, jetzigen Kgl. Stallmeisters, Frciherrn v. Wöllwarth und zeichnete sich durch tollkühne Verwegenheit aus. Er war am Tag der Schlacht von Wöhrt einer der Ersten, die in das Lager Mac MahonS eindrangen und legte damals unter großem Spektakel seiner Kameraden die erbeutete Toilette einer der in Begleitung des französischen Höchstkommandircndcn mit ins Feld gezogenen „Damen", welche die billige Rcisegelegenheit einer Promenade nach Berlin" benützen wollten, an. — Der Raubmörder Waibel benimmt sich in seinem Arreste wie toll und droht fortwährend, daß er noch mehr Unheil anrichten wolle. Er ist in seinem Arreste mit Ketten augefesselt und zwei Mitgefangene befinden sich bei ihm, um ihn gleichsam zu überwachen. Der Gauner fängt jetzt an, sich als verrückt zu stellen. Das Fallbeil wird ihm hoffentlich die Verrücktheit austreiben. (W. L.)
Stuttgart. In dem Verleumdungsprozeß Karl Mayer oontra „Norddeutsche Allgemeine" ist vom kgl. Stadtgericht zu Berlin Schlußtermin auf den 23. Febr. festgesetzt.
Karlsruhe, 2. Jan. Der frühere großherzgl. Ministerpräsident. Geh.Rath Franz v. Roggenbach, soll zu einer hervorragenden Stellung im Reichskanzleramt berufen worden sein. Herr v. Roggenbach war bekanntlich im vorigen Jahre dem Erbgroßherzog von Baden als Begleiter zur Reise nach England beigegeben worden und man hatte schon damals die Vermuthung ausgesprochen, daß die politische Rolle Roggenbachs noch nicht abgeschlossen sei.
Pforzheim, 2. Jan. Das war ein bewegter Neujahrsanfang, der sich unserem Gedächtnisse tief eingeprügt hat. Sämmtliche Brücken, welche über die Nagold führen, sind nun zerstört und nur noch eine ist vorhanden, welche die Stadt mit der Au verbindet. Einen schauerlichen Anblick gewähren die Ufer; mannshoch liegen die Eisschollen aufeinander, zum Theil von gewaltiger Ausdehnung, Bäume an den Uferu wurden theils umgerissen, fortgeschwemmt, theils unten abgeschält. Unserer Stadt erwächst durch dieses Ereigniß ein Schaden von mehr als 20,000 cstL, in der That kein willkommenes Neujahrsgeschenk. Heute ist der Lauf der Nagold ruhiger und der Wasserstand bedeutend niedriger. — Ein Mann, welcher gestern Treibholz fischte, fiel ins Wasser, gerieth unters Eis und ertrank. Bis jetzt ist die Leiche noch nicht aufgefunden. (N.-Ztg.)
Pforzheim, 3. Jan. Die Leser dieses Blattes erinnern sich vielleicht noch an den entsetzlichen Mord, welcher im verflossenen Jahre an dem hiesigen Jagdaufseher Britsch verübt wurde. Gestern wurde sein Nachfolger, der Jagdaufseher Weiß von Bauschlott fast von demselben Schicksal ereilt. Als Letzterer am Nachmittage sein Revier begieng, traf