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Italien.
— Der Papst soll, wie ein Telegramm der „Germ." meldet, seine Entscheidung in der Karolinen-Angelegenheit getroffen haben und die vatikanische Note über die Karolinensrage bereits fertiggestellt sein. Einige Blätter wollen sogar schon wissen, der Entscheid sei zu Üngunsten Deutschlands ausgefallen.
Hages-WeirrgkeiLen.
Ellwangen, 26. Okt. Vor einigen Tagen starb in Thannhausen Barbara Rambach, im Alter von 106 Jahren. Sie war in ihrem Leben nie bettlägerig, nicht einmal an ihrem Todestage/ '
Vom oberen Brenzthal, 28. Okt. Gestern schneite es aus den Albmarkungen bedeutend und heute nacht fiel auch im Thal Schnee. Auf den Höhen war der Schnee noch heute vormittag sichtbar. Auch heute fielen große Schneeflocken.
Ulm, 28. Okt. Gestern nachmittag beim Nachhausegehen von der Schule gerieten einige Volksschüler miteinander in Streit, in dessen Verlauf der eine derselben, ein Bürschchen im Alter von noch nicht 13 Jahren, sein Messer zog und seinem Gegner einige Stiche hinter das linke Ohr und auf die Wange versetzte. Dieselben gehen zwar nicht tief, doch mußte von den Eltern des verletzten Knaben ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Die Sache ist, da der Thäter über 12 Jahre alt ist und deshalb bestraft werden kann, dem Gerichte übergeben.
— Man schreibt der „Ulmer Schn." aus Biberach, 27. Okt.: Es ist überraschend, welche große Ausdehnung die Einfuhr von Obst in unser Land gewonnen hat. In den letzten Wochen kamen auf dem hiesigen Bahnhof 88 Eisenbahnwagen mit ca. 18,000 Ctr. ausländischem Obst an, das teils in der Stadt, teils in der nächsten Umgegend schnelle Abnahme fand. Auch heute ist der Güterbahnhof von Obstkäufern belagert, und man wird wohl nicht fehl gehen, wenn man die Menge des in diesem Herbst hier verkauften Obstes auf mindestens 20,000 Ctr. schätzt. Diese stellen einen Wert von 90—100,000 -/-L dar, welche allein vom hiesigen Platz aus für ein Genußmittel ins Ausland gehen. Und doch ist das Hauptgetränke in hiesiger Gegend nicht Most sondern Bier.
Nördlingen, 27. Oktober. Gestern abend 7 Uhr entgleiste der Nürnberg-Augsburger Zug auf dem hiesigen Bahnhofe. Einige Personen erhielten unbedeutende Verletzungen. Infolge der Entgleisung hatte der Zug drei Stunden Verspätung.
WerrnrifchLes.
— Für die Hinterbliebenen der mit Sr. Majestät Korvette „Augusta" verunglückten Besatzung sind dem Komite des in Berlin gegründeten Vereins bisher zugegangen: 48,800,45 von denen die Kaiserin 4000 gespendet hat.
— Der einzige Ueberlebende von der „Augusta"« Mannschaft. Aus Swinemünde schreibt man: Für Viele wird es von Interesse sein, in Betreff des einzigen Ueberlebenden von der Besatzung der „Augusta", eines Matrosen, etwas Näheres zu hören, namentlich, welchem Umstand er es zu verdanken hatte, daß er dem traurigen Schicksal, welchem die gesamte Besatzung außer ihm anheimgefallen ist, entronnen ist. Dieser Matrose ist 22 Jahre alt, hier geboren, wo seine Eltern noch leben. Er hatte bereits 6 Jahre auf Kauffahrteischiffen gefahren und drei Strandungen mitgemacht, wobei er immer glücklich gerettet wurde; das erstemal an der mexikanischen Küste, wo das Schiff verloren ging und er acht Wochen am Land verbleiben mußte, bevor er in seine Heimat zurückkehren konnte. Am
1. Februar d. I. wurde er zur Marine ausgehoben und der Besatzung der „Augusta" zugeteilt; später wurde er Stewart (Restaurateur) auf derselben. Als die „Augusta" auf der Fahrt nach Westafrika bei Gibraltar angelangt war, wurde er von einem Offizier beauftragt, noch einige Gegenstände für ihn zu kaufen; es war das letzte Boot, mit welchem er an Land fuhr. Nachdem er den Auftrag ausgeführt hatte, ging er nach der Landungsstelle des Bootes, legte die gekauften Sachen zu den von dem Koch, welcher mit ihm zusammengefahren war und einen gleichen Auftrag erhalten hatte, bereits angekauften Gegenständen hinzu und kehrte wieder nach der Stadt zurück, um den Koch, welchen er nicht antraf, zu suchen. Als er nach einiger Zeit wieder bei der Anlegestelle ankam, wurde er zu seinem Schrecken gewahr, daß das Boot bereits nach der „Augusta" abgefahren war. Nun suchte er ein Boot und einen Bootsfahrer zu erlangen, der ihn nach dem Schiff rudern sollte, er konnte aber eines solchen nicht habhaft werden und irrte die ganze Nacht danach vergeblich umher. Als er am anderen Morgen sich nach der „Augusta" umsah, hatte dieselbe bereits die Anker gelichtet und war fortgesegelt. Unter diesen Umständen blieb ihm weiter nichts übrig, als zu dem deutschen Konsul zu gehen und ihm mitzuteilen, wie es ihm ergangen sei. Dieser sorgte dafür, daß er mit der ersten Geledenheit nach Wilhelmshaven befördert wurde. Daß die Eltern überglücklich sind, ihren einzigen Sohn von der Katastrohe verschont und am Leben zu wissen, bedarf wohl keiner Versicherung.
Kgl. Standesamt ßatm.
Vom 23. bis 27. Oktober 1885.
Geborene.
27. Okt. Hans, S. d. Traugott Schiler, Kaufmanns hier.
Getraute.
27. „ Karl Heinrich Zahn, Uhrcnmacher von hier mit Rosine Karoline Eisen- mann von hier.
Gestorbene.
23. , Christian Friedrich Hill er, S. d. Bernhardt Hi Iler, Schifswirts hier, 3 Monate alt.
25. » Katharine geb. Wahl, Ehefrau des Christian Bernhardt Schlotterbeck,
Schuhmachers von hier, 69 Jahre alt.
26. , Lina Klara Schwämmle, T. d. Wilhelm SchwLmmle, Glasers von
hier, 10 Wochen alt.
26. » Otto Gustav S ch w arzm a ie r, S. d. Karl Friedrich S ch w arz ma i e r,
Bäckers von hier, ^ Jahre alt.
Calw.
EanäwiiMckaMekee Oezirksverem.
Der längst bekannte und beliebte Kalender von Fritz Möhr!in: „Der schwäbische Bauernfreund" ist für 1886 wieder erschienen und enthält auf vielfachen Wunsch wieder, wie früher, belehrende Aufsätze und kleinere Erzählungen aus dem Leben, für den Bauernstand besonders berechnet; die bisher mit dem Kalender verbunden gewesene landwirthschaftliche Buchführung ist dagegen in einem besonderen Hefte erschienen.
Die Centralstelle ersucht die landwirthschaftlichen Bezirksvereine für Verbreitung dieser nützlichen Schriften zu sorgen und nimmt deshalb das Sekretariat Bestellungen an. Der Kalender kostet 25 H, das Schreibebuch, in Umschlag geheftet, 15 L. Sammler von Bestellungen würden sich ein Verdienst erwerben.
Calw, 16. Oktober 1885. Der Vereinssekretär:
E. Horlacher.
Lina drohte das Herz stille zu stehen vor entsetzlichem Weh. Was hatte man mit ihrem Kinde angefangen, welches sie so vertrauend dem bittenden Vater gesandt?
Ihr Herz sprach i h n frei von jeglicher Schuld, es mußte etwas ohne seinen Willen geschehen sein. Düstere, schwermütige, bittere Gedanken bemächtigten sich Lina's; das Bild ihrer Schwiegermutter und ihrer Nebenbuhlerin erstieg vor ihrem geistigen Auge und die Stimme ihres Herzens schrie auf: „Die haben Dein Kind hinausgestoßen, gleich wie sie Dich einst hinaus, trieben, — welch' entsetzliche Herzen, welch' ein Abgrund von Grausamkeit und Härte.
Sie stöhnte tief auf unter diesen Vorstellungen und Gedanken. Das war mehr als ein Mutterherz ertragen konnte.
Frau Falkenstein hatte sich leise entfernt, um das Abendessen anzuordnen. Sie berichtete den schweigenden Männern über Jetty's Zustand und sprach die Hoffnung aus, daß der Blutsturz vielleicht keine schlimmen Folgen nach sich ziehen würde. Dann sprachen sie mit halblauter Stimme ihre gegenseitigen Vermutungen über diese rätselhafte Thatsache aus und rieten hin und her.
Lina dagegen saß unverweilt am Bettchen des schlummernden Lieblings. Thränenlos starrten die brennenden Angen vor sich hin; der Schmerz war zu groß, zu entsetzlich für ein vertrauend Mutterherz, das aus innigstem Mitleid mit dem unglücklichen, ruhelosen Gatten sein Teuerstes, sein einziges Kleinod den Händen ihrer Feindinnen ausgeliefert hatte. Und was war der Dank dafür — der Tod I Tod für — Liebe!
In wildem Schmerz fuhr Lina mit den Händen nach den Haaren — in diesem Augenblicke fühlte sie, daß ihr sanftes Herz auch glühend Haffen konnte — da-ein Schreckensruf entfuhr ihren Lippen, sie streckte ab
wehrend die Hände gegen die Gestalt aus, die im Rahmen der Thür erschienen war — ein geisterbleiches Antlitz, in dem sich Verzweiflung, Schmerz und flehendste Bitte zugleich abspiegelten.
„Lina!" bebte es von Feodor's Lippen, die Gestalt des jungen Weibes erzitterte heftig.
Es lag ein herzzerreißendes Weh, so trostlose Verzweiflung in dem einen Laut, daß Lina unwillkürlich ihre Blicke auf ihren einstigen Gatten richtete.
Stumm wies sie auf das schlummernde blasse Kind und verhüllte ihr Angesicht.
Feodor trat näher. Mit langem, ängstlich forschendem Blick umfaßte er die kleine Gestalt und sank dann vor Lina auf die Kniee nieder.
„Lina", fragte er leise, „um Gottes Barmherzigkeit willen, wie kam mein Kind nach Hause, welches ich glücklich und froh bei der Großmutter verlassen hatte?"
Lina erzählte stockend, daß der Pfarrer Dornbusch es bewußtlos und blutüberströmt gebracht.
„Glaubst Du, Lina, daß ich mein heißersehntes Kind auch nur einen Augenblick aus meinen Augen gelaffen hätte, wenn nicht sehr dringende Vorfälle mich weithin abgerufen hätten?"
Seine Stimme klang heißer vor innerer Aufregung, die Augen richteten sich angstvoll auf Lina's Antlitz, als müßte er von ihrem Munde nun die Entscheidung über Leben und Tod erwarten.
Ich weiß, — daß Du schuldlos an unserem armen Kinde bist!" tönte es endlich sanft zu ihm herab.
Er ergriff stürmisch ihre Hand und preßte sie an seine Lippen, dabei fühlte Lina zwei heiße Tropfen auf sie niederfallen.
Die kleine Hand zitterte heftig in der seinen. Thränen — Thränen aus Feodor's Augen?!
Lina fühlte unter diesen Tropfen all' die Bitterkeit, den Haß und Groll, der noch vor wenigen Augenblicken ihr Inneres zerissen hatte, dahinschmelzen und mit weicher Stimme, aus dem Erbarmen und innigstes Mitgefühl sprach, sagte sie:
„Stehe auf, Feodor, ich habe vergeben."
Langsam richtete sich Feodor auf. Seine Augen senkten sich lange und tief in die milden, blauen Augensterne seines ersten Weibes, er mußte in ihnen wohl die Bestätigung ihrer Vergebung geschaut haben, denn seine Züge drückten plötzliche leidenschaftliche Freude aus. Mit schneller Bewegung zog er wieder Lina's Hand an seine Lippen.
(Fortsetzung folgt.)