gleich mit der Führung des clsäßischen Armeekorps betraut werden wird.
In den Kreisen der Berliner Eiseniudustri eilen sieht man großen Bestellungen aus Rußland entgegen.
Lasker dürfte dem preußischen Landtage diesmal ferne bleiben, da er sich nach seiner Niederlage in Frankfurt a. M. um kein anderes Mandat bewerben wird.
Der „Moniteur universel" schreibt: „Man bekräftigt uns die Nachricht, Fürst Bismarck habe die Absicht, im Dezember nach Paris zu kommen". (?)
Gegen den Hofprediger Stöcker in Berlin wird, wie man der Trib. mittheilt, in Bälde das Schöffengericht zu enschciden haben, ob die Form, in welcher er gegen seine jüdischen Mitbürger zu Felde zieht, die erlaubte ist, oder ob er sich dadurch strafbar macht. Dr. Straßmann, der sich durch eine der jüngsten hofpredigerlichen Reden beleidigt fühlt, geht gegen Herrn Stöcker vor.
Der Präparator des k. anatomischen Museums der Berliner Universität, Herr I. Wickersheimer, hat vor einigen Jahren eine sehr wichtige Erfindung gemacht, indem er eine Flüssigkeit zusammenstellte, vermittelst welcher es möglich ist, thierische Körper und Körpertheile jeder Art dauernd so zu konserviren, daß sie ihre vollständige Beweglichkeit und das natürliche Aussehen behalten. Die preußische Regierung hat in Anbetracht der außerordentlichen Tragweite dieser Erfindung sür anatomische Zwecke das ihr von Wickersheimer angebotene Geheimniß der Herstellung dieser „Konservirungs- flüssigkeit" vor wenigen Tagen durch Kauf au sich gebracht, nachdem sie vorher durch eine wissenschastliche Kommission, deren Thatigkeit Jahre dauerte, die Sache hatte prüfen lassen und nachdem jetzt nicht nur das Deutsche Reich, sondern auch England, Frankreich, Belgien, Oesterreich-Ungarn und die Vereinigten Staaten von Amerika dafür ein Patent ertheilt haben. Diese Erfindung ist nach vielen Richtungen hin epochemachend, sie wird nicht nur die alte Methode, nach welcher die Skelet- Iheile durch Draht zusammengehalten werden, verdrängen, da man mit ihrer Hilfe vollkommen bewegliche L-kelette Herstellen kann, an denen die Sehnen und Gelenkbänder ihre natürliche Geschmeidigkeit behalten, sondern sie wird uns auch voraussichtlich von den meisten der bekannten Spirituspräparate der anatomischen Museen befreien. Aus Wunsch einer medizinischen Autorität kvnservirte der Erfinder eine Kinderleiche, welche, nachdem sie sich 15 Wochen in freier Luft befunden hatte, sezirt wurde und die noch so frisch erhalten war, als sei sie erst 24 Stunden alt, ja bei der sogar zum Erstaunen der Aerzte noch gänzlich u»zersetzte Blutkörperchen gesunden wurden.
Italien.
Rom, 4. Okt. Der deutsche Kronprinz ist heute in Benedig angekommen und geht nach Mvnza zur Begrüßung des Königs. Die deutsche Kronprinzessin reist indeß direkt nach Pegli. Mitte November werden die kronprinzlichen Herrschaften auf 3 Wochen nach Rom gehen und kehren zn Weihnachten nach Berlin zurück.
Schweiz.
Zürich, 3. Okt. In hiesiger Stadt soll fortan ein neues wöchentliches sozialdemokr. Blatt: „Der Sozialdemokrat", erscheinen, als offiziöses „Centralorgan der sozialdomokr. Partei deutscher Zunge". Mit schweizerischen Verhältnissen soll sich das Blatt wenig befassen. Eine Nummer wiegt nur 12 Gramm, so daß das Blatt als einfacher Brief nach Deutschland versandt werden kann.
England.
London, 4. Okt. Die Nahrungslosen Glasgow's hielten gestern einen Umzug durch die Hauptstraßen der Stadt. An der Spitze des von 30 Constablern escortirten Zuges wurden große Plakate getragen mit der Inschrift „Wir brauchen Arbeit, keine Wohthätigkeit oder Beschäftigung im Armenhause." Die Ruhe wurde nicht gestört.
Einen eigenthümlichen Verlauf nahm eine Be- rathung der Jury in Hereford letzten Samstag. Von den 12 Geschworenen hatten 11 sich dahin geeinigt, daß der Angeklagte, ein junger Mann, am Tode seiner Frau „schuldig" sei. Sie wollten daher ihren Wahrspruch in diesem Sinne und als durch Stimmenmehrheit erzielt abgeben. Dagegen widersetzte sich der Coroner, der behauptete, sie müßten einstimmig sein und die Jury ward auch wirklich in den Be- rathungssaal eingeschloffen, „ohne Speise, Trank oder Feuer", bis sie sich geeinigt hätte. Die Mehrzahl versicherte, den widerspenstigen Kollegen .bald zu Verstand zu bringen. Aber es kam anders. Trotz aller Schmähungen und Drohungen blieb dieser eigensinnige Geschworene bei seiner Meinung, so daß schließlich den andern 11 nichts übrig blieb, als sich seiner Ansicht zu fügen und ein nnn wirklich einstimmiges „Nichtschuldig" auszusprechen. — In dem Prozesse in Birkenhead für massenhaften und Jahre lang betriebenen Kindermord ist es ein besonders grausiger Umstand, zu vernehmen, daß das den Kindern
von einem Kloster und anderen Personen verabreichte Brod denselben von den Angeschuldigen weggenommen und zerstört wurde, um sie nur so schnell wie möglich zum Tode zu bringen. Es ist nun sicher, daß die beiden Scheusale weit über hundert Kinder, theil- weise schon in etwas vorgerückterem Alter, umgebracht haben. Da aber die Eltern in den meisten Fällen Mitschuldige waren, so ist es äußerst schwer, Zeugen zu finden : die Anklage lautet daher nur auf 3 Fälle, was bezüglich des Strafmaßes die nämliche Wirkung thut.
Rußland.
Eine schreckliche Katastrophe ereignete sich in der russischen Fabriksstadt Biescheck. Es ist dort nämlich in der Eisenfabrik des Komanvn ein großer Dampfkessel explodirt, wobei nicht weniger als 33 Arbeiter getödtet und über 20 schwer verwundet wurden. Amerika.
Philadelphia, 19. Sept. Daß die Geschäfte im Großen und Ganzen heute besser gehen, wie seit vielen Jahren, ist wahr. Aber eben so wahr ist es, daß der sog. Kleine Mann, der Arbeiter und der Ackerbauer, von dieser Geschäftsbesserung bis jetzt nur sehr wenigen Nutzen zieht. Die Löhne der Arbeiter sind noch immer sehr niedrig, und der Bauer löst keineswegs so viel als er sollte. Und doch müssen die Geldmassen irgendwo bleiben, die fast jeder europäische Dampfer für unsere Nahrungsmittel über das Atlantische Meer bringt. Sind doch nach einer Zusammenstellung der Newyorker Tribüne während der letzten Wochen 21515 543 Doll, in Edelmetallen von Europa nach Newyork angekommen. Freilich bleibt das Geld irgendwo: aber nicht in der rechten Tasche, sondern größtentheils in den Schränken der Eisen- bahnmaguaten, die von diesem Stoff ohnehin schon zu viel haben.
Kandel L Werkeljr.
Stuttgart, 6. Okt.. (La nd c s p rv d nkte nb ö rse.) An heutiger Börse blieb der Verkehr ziemlich beschränkt, da die vvu Seiten der Verkäufer höher gestellten Forderungen vvu den Käufern nicht bewilligt wurden. Wir notiren per 100 Kilvgr.: Weizen, russ. .4L 25, dto. daher. ^ 24.75—^ 25.75, dto. amerik. 25.75. Kernen 23—^ 24.50. Dinkel ^ 15. Haber 13.30—14. Mehlpreise pro 100 Kilvgr. bei Wagenladungen: Mehl Nro. 1: 85.50—^ 37. dto. Nrv. 2: ^ 33
34. dto. Piro. 3: AL 23.50 - 20.50. dto. Nro. 4: AL 24.50 - AL 25.50.
Stuttgart, 7. Oktbr. Kartoffel-, Obst- und Krantmarkt. Leonhardsplatz: 500 Säcke Kartoffeln -6L 3 bis 8.20 pr. Ztr., Alles abgesetzl. Wilhelmsplatz: 700 Säcke Mostobst, ^ 5—5.30 pr. Ztr., Alles verkauft. Marktplatz: 6000 Stück Fildcrkraut, AL 7—8 pr. 100 Stück.
Eßlingen, 6. Okt. Die Obstpreise von Mostobst auf dem Bahnhof bewegen sich zwischen 3 bis 4 ^<L 30 per Centncr: auf den Filialien werden 6 AL und mehr verlangt. Die Nachfrage ist aber unter diesen Umständen nicht groß. Zudem ist unser Mostobst noch gar nicht vollkommen reif und dürfte bis zur völligen Reife noch gerne 8—10 Tage auf den Bäumen hängen bleiben.
Heibroun, 7. Okt. (Ledermarkt.i Starke Zufuhren in Oberleder haben eine Preisbesserung nicht aufkommeu lassen, doch ist der größere Theil bereits verkauft. Von Sohlleder ist nur wenig zugcführt.
(Falsche 2 0 - - 2 tücke.) Ein Karlsruher Haus hatte in voriger Woche eine größere Anzahl 20-^-Stücke, die es in Rollen erhalten, unerösfuet zur llmwechslung an die dortige Reichsbankstelle gesandt und dieselben durchschnitten zurückbe- kommcu. Die betreffenden Stücke sind sämtlich als unecht befunden worden. Das Falsifikat trägt die Jahreszahl 1875, ist von schmutziggrauer Farbe und fühlt sich sehr fettig an. Das Münzzeichen ist 6. Es scheint sich um einen mehrfach ansgeübten Betrug zu handeln, da auch die Eiseubahnkasse bekannt gibt, daß bei nicht weniger als 53 Stationskassen falsche 20-^!-Stücke in großer Anzahl Angegangen sind.
Prinzeß Uothhaar.
Erzählung von Max v. Schlaegcl.
(Fortsetzung.)
„Ich weiß wohl, was ich sage," fuhr das Mädchen mit fester lauter Stimme fort: „Der Schleier, der so lange über Eures Schreibers Herkunft lag, ist heute gelüftet worden."
„Jst's möglich!" rief Leberecht erfreut, dürft ihr endlich reden?"
„Sprecht!" befahl Hilda den finster vor sich Hinstarrenden, „oder wollt Ihr länger läugnen, daß der Athlet bei den Seiltänzern und jenes kranke Weib Eure Eltern sind?"
„Es ist nicht wahr!" schrie Hunold in wilder Erregung auffahrend, „wollt Ihr dem ersten besten betrunkenen Gaukler Glauben schenken?"
„Kind, besinne Dich," stammelte Leberecht schreckensbleich, „unser Hunold ist ja der Sohn unseres . . und scheu deutete er auf das Bild an der Wand.
„Eines Seiltänzers Sohn ist er!" rief Hilda
stammend; „von Anbeginn wußte er, daß er es war — mit kaltem Blute hat er uns jahrelang getäuscht."
„Es kann nicht sein," flehte Leberecht mit erhobenen Händen. „Sagt, daß Alles erlogen ist."
„Es ist erlogen," rief Hunold wild, „das Weib ist eine elende Betrügerin; aus der Stadt sollte man sie peitschen!"
„Ihr seid eben so frech, als Ihr schlecht seid," entgegnete Hilda eisig — „da nehmt, mein Vater, es sind die Papiere, die seine Mutter mir vor einer Stunde fast schon sterbend übergab."
Mit bebenden Händen griff der Bürgermeister nach dem Päckchen, doch ehe er es erreichen konnte, hatte Hunold es an sich gerissen:
„Elende Lügen sind's," schrie er schäumend vor Wutb und riß die Papiere in Fetzen, daß sie in alle Winkel flogen, „aber wartet, sie soll mich kennen lernen!" Wie ein Rasender stürzte er aus dem Gemache.
In hülfloser Betäubung starrte Leberecht ihm nach. Da trat Hilda neben ihn und legte ihren Arm um seine Schulter:
„Verzeiht mir, Vater!" bat sie innig, „ich wußte lange, daß er ein schlechter Mensch war. Gern hätte ich Euch diesen Schmerz erspart, aber mir blieb keine andere Wahl."
„Laß mich! laß mich!" wehrte Leberecht die Tochter ab. „Wenn er mich betrogen hat, wem soll ich noch glauben?" — Ach, ich bin ein geschlagener Mann!-- — Hunold war ein so tüchtiger Schrei
ber" — setzte er nach einer Weile kläglich hinzu.
Am nächsten Tage war Hunold nirgends zu finden. Die Kisten und Schränke in seinem Zimmer waren offen und zum Theil ausgeräumt, und das Bett war unberührt. Aber man suchte ihn nicht lange; Leberecht selbst schien froh, ihn so leichten Kaufes los- gewordcn zu sein, so schwer er ihn auch entbehren zu können glaubte. Bald darauf zog ein anderer Schreiber in das Rathhaus ein, und Hunolds Name ward nicht mehr genannt.
Und wieder sind Jahre über das Städtchen dahingezogen. Noch dröhnt der Wetterhahn grau und verrostet über dein Annenthurm, noch fliegen Schaaren von Krähen um das spitze Kirchenbuch, und die alte Glocke ertönt allabendlich unter der Hand eines andern Thürmers. Aber im Rathhaus ist Manches anders geworden. l
Walpurga schläft den ewigen Schlaf im Schat- !
ten der Kirchenmauern unter einem künstlich ausge- j
hauenen Denkstein mit goldenen Lettern, und die kind- '
liche Liebe ihrer Tochter schmückt ihn stets mit Grün !
und Blumen. !
Leberecht ist alt und gebrechlich geworden und i
bemerkt es nicht, daß fremde Hände seines Amtes !
walten. Denn man ehrt sein jahrelanges Wirken für ! seine Vaterstadt und läßt ihn unangefochten in Amt !
und Würden. Hilda ist seine unermüdliche geduldige i Pflegerin. Sie ist ernster und bleicher, aber nicht (
weniger schön wie vordem; ihr prachtvolles Haar hat (
noch seinen alten Goldglanz, und die Veilchenaugen >
blicken rein und kindlich wie immer unter den dunklen !
Wimpern hervor. !
Prinzeß Rothhaar ist unverheirathet geblieben, !
obwohl so mancher Freier noch am Rathhaus ange- !
pocht hat; sie will für ihren Vater sorgen, der ihrer >
so sehr bedarf, und auf dem Friedhofe sind zwei Grä- ' ber, die sie nicht verlassen kann. i
Auch heut' hat sie den Weg dahin eingeschlagen. !
Es ist Abend, ein milder klarer Herbsttag ist !
zur Rüste gegangen, und nur der Westen strahlt noch j
golden vom Abschiedsgruß der scheidenden Sonne. (
Hilda hat eben den Herbstblumenschmuck auf den Hüg el ! ihrer Mutter geordnet; das Tüchlein ist dabei von (
ihrem Haar auf die Schultern geglitten und leichtes ! Roth färbt die zartgerundeten Wangen. Jetzt nimmt sie den letzten Kranz und schreitet zwischen den Hügeln ! einem andern Grabe zu. Nur ein einfaches Holzkreuz ! verkündet, daß hier der Thürmer von St. Annen von seiner Erdenwanderung ausruht. Hilda beugt sich hinab und schlingt den Kranz um das schlichte Kreuz; !
dann faltet sie die Hände und flüstert mit gesenkten Augen ein stilles Gebet. Darum sieht sie nicht, daß ! unter einer Trauerweide, fast verhüllt vom grünen ! Blätterschleier, eine Männergestalt lehnt, deren Blicke in athemloser Erregung auf dem Mädchen ruhen. Der ! Mann ist noch jung; dichtes dunkles Haar lockt sich ! um eine unbedeckte weiße Stirn, und ein voller Bart umrahmt die schönen etwas bleichen Züge.
Jetzt hat Hilda ihr Gebet beendet und schlägt