Der GMschaster.

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oderamts-Bezirk Nagold.

.W 70.

Erscheint wöchentlich 3ma! nnd kostet halbjährlich hier (ohne Trägcrlohn) 1 60 K, in dem Bezirk

2 außerhalb des Bezirks 2 40 -!.

Donnerstag den 19. Juni.

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Gesellschafter.

Mit dem 1. Juli beginnt wieder ein neues Abonnement, iveßhalb wir zu zahlrei­chem Beitritt freundlich einladen und dieje­nigen Abonnenten, die das Blatt bisher durch die Post erhalten haben, ersuchen, ihre Be­stellung baldigst zu erneuern, wenn auf eine ununterbrochene Zusendung gerechnet werden will. Abonnementspreis (siehe am Kopf des Blattes) unverändert.

Redaktion des Gesellschafters.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

tz Nagold. Am Sonntag den 15. d. Mts. hielt der hiesige Militär- nnd Veteranen-Verein im Gasthaus zum Lamm eine Plenarversammlung ab, wobei Vorstand A. über die Verhandlungen und Be­schlüsse des 3. Delegirtentags ausführlich Bericht er­stattete. Nach Erledigung einiger weiteren VereinS- angelcgenheiten wurde nachträglich auch der goldenen Hochzeit Sr. Majestät des deutschen Kaisers in wür­diger Weise gedacht. Der dabei von dem Ehrenmitglied St. gemachte. Vorschlag, Allerhöchstdcmsclben ein Hochzeitsgeschenk in Form des Ausdrucks treuer An­hänglichkeit und hoher Verehrung darzubringen, so­wie der daraus ausgebrachte Toast auf das hohe Jubelpaar fanden begeisterte Aufnahme.

* Am nächsten Sonntag den 22. Juni feiert der Beteranen-Verein in Pfalzgrafenweiler seine Fahnenweihe.

Die Eröffnung der neuen Bahn Stuttgart- Freudenstadt wird nach dem D. V. nicht, wie früher von der königl. Regierung in ihrer Eisenbahnvorlage in Aussicht gestellt wurde, am 1. oder 15. Juli er­öffnet werden. Der Tag kann noch nicht festgestellt werden, jedenfalls verzögert sich die Eröffnung durch unvorhergesehene Schwierigkeiten bis Mitte August oder Anfang September.

Stuttgart, 16. Juni. Der König hat sich heute zum Besuche des Großfürsten und der Groß­fürstin Michael von Rußland nach Baden-Baden begeben. (Fr. I.)

Stuttgart, 16. Jiiui. Die Einweihung der neuen Garnisonskirche gieng gestern unter großer Theilnabme des Publikums in der feierlichsten Weise vor sich.

Stuttgart. Am Samstag wurden in meh­reren Wohnungen von Arbeitern, die der Verbreitung verbotener sozialistischer Druckschriften verdächtig sind, theilweise mit Erfolg Haussuchungen vorgenommen und einige der betreffenden Personen in Untersuchungs­haft genommen.

Stuttgart. (Toleranz.) Einer Thatsache. welche es verdient, in den weitesten Kreisen bekannt zu werden, Mag in diesem Blatte Erwähnung ge­schehen. Bei dem gestrigen Festzng von der alten Garnisonskirche in die neue gingen Stadtpfarrer Zimmerle und Kirchcnrath Dr. Wassermann ne­ben einander. Wenn der katholische Geistliche und der israelitische Rabbiner einträchtig zur Einweihung einer evangelischen Kirche sich begeben, so ist das sicher ein schönes nnd erhabenes Bild konfessionel­len Friedens. (Ldsztg.)

Mit dem 1. Oktober d. I. nimmt die Thätig- keit der Schöffen bei den Gerichtshöfen ein Ende; es wird dann nur noch bei dcn Obcramtsgdrichten

(den künftigenAmtsgerichten") Schöffen geben. Aber auch hier werden nicht mehr 3, sondern nur noch 2 Schöffen in einer Sitzung thätig sein und nur ein einziger Richter fnngirt mit itznen. Dieses Drcimänncr-Kolleginm urtheilt über Beleidigungen, leichtere Körperverletzungen, geringere Betrügereien, Diebstähle und Sachbeschädigungen, überhaupt nicht nur so ziemlich über alles das, was seither die Obcr- amtsgerichte besorgten, sondern auch über sämmtliche Ucbertretungen und eine Reihe von Vergehen, welche ihnen die Landgerichte zuweisen können. Nach einer Verfügung des K. Justizministeriums, welche heute derStaatsanzeiger" enthält, haben die Schultheißen ein Verzeichniß sämmtlicher in der Gemeinde wohn­hafter Personen, welche sich zu diesem Amte eignen, sofort zu fertigen. Dieses Verzeichnis;, die sog. Ur liste, ist zu Jedermanns Einsicht spätestens vom 1. Juli an 8 Tage auf dem Rathhause auszulegcn. Jeder kann dann die Eintragung oder den Durch­strich seines Namens fordern. Auf den 15. Juli sind die Urlisten an das Oberamtsgcricht einzuscnden: nnd Anfangs August hat der Siebener-Ausschuß aus der Urliste die nöhthige Anzahl von Schöffen zu wählen und die Vorschlagsliste der Geschworenen zu fertigen. Die für jedes Amtsgericht erforderliche Anzahl von Schöffen bestimmt das Justizministerium; ein Schöffe soll höchstens zu 5 ordentlichen Sitzungs­tagen herangezogen werden.

Reresh eim, 16. Juni. Ein Akt der abscheulichsten Rohheit und Brutalität wurde gestern zwischen Stetten und Neresheim vollzogen. Ein 14jähriges Mädchen wurde von einem Strolch überfallen und in der entsetzlichsten Weise miß­braucht, so daß die Arme bewußtlos auf dem Platz liegen blieb, als eine von Elchingen heimkehrcnde Frau sie anffand. Der Unhold hatte dem Mädchen, das sich mit dem Math der Ver­zweiflung gewehrt, Steine in die Mundhöhle gepreßt nnd den Hals mit einem Tuche zusammcngeschnürt. Möge es der in voller Thätigkeit befindlichen Fahndungsmannschast gelingen, das Scheusal zu ergreifen und der verdienten Strafe zu über­antworten! Wären für einen derartigen Schlingel die verpönten 25" nicht vollkommen am Platz? Ein ähnliches Verbrechen fand dieser Tage in der Nähe Dresdens statt, nur suchte hier das Scheusal sein Verbreche» noch durch einen Mord des I3jäh- rige» Kindes zu vertuschen. >W. Ldsztg.)

Ulm, 15. Juni. Als gestern Abend das 12jährige, mit langen, schönen Haarzöpfen ansgestattete Mädchen eines ans dem unteren Knhberg wohnenden Wirths von einem Ausgang aus der Stadt zurückkehrtc, gesellte sich beim Berschönerungs- garten am Ehinger Thor ein etwa 40 Jahre alter Mann zu demselben, sich nach dem nach Ehingen sühnenden Weg erkun­digend. Als dieselben eine kleine Strecke nebeneinander gegangen waren, sah das Mädchen dcn Mann auf einmal über das Feld springen, zu gleicher Zeit aber ihre Zöpfe vermissend, welche, ohne daß sie das Geringste verspürt hätte, vollständig wegge- schnitcn waren.

Stockheim, 14. Juni. Ein artiges Stücklein spielte bei einem hiesigen Gant. Ein Weingartner nahm bei einem Israeliten ca. 200 aus, rückzahl­bar in einem Jahr. Jede Woche Verzugs aber sollte 5 cfh Rabatt kosten. So entstand aus den ursprünglichen 200 ZL in etwa 3 Jahren die respek­table Summe von gegen 800 ^ Da sollte man dcn Schuldner strafen für seinen Leichtsinn'.

In Nürnberg wurden 2 Compagnons einer dortigen Firma wegen je 36 Vergehen gegen die Reichsgewerbeordnung zu einer Geldstrafe von je 108 Mark verurtheilt. Die Beschuldigten hatten 36 Ar­beiterinnen, welche theils daS 14. Lebensjahr, thcils das 16. Lebensjahr nicht erreicht hatten, in ihrer Fabrik 1tO/s Stunden täglich ohne Einhaltung der vorgeschricbenen Ruhepausen arbeiten lassen.

Berlin, 13. Juni. Bon der Cour im König­lichen Schlosse wird noch folgende Einzelnheit nach­getragen: Als Fürst Bismarck sich dem Kaiserthrone nahte, wollte er dem Kaiser die Hand küssen. Der Kaiser duldete es nicht, er küßte ihn leicht auf die

Wauge, währeud die Kaiserin den Handkuß des Für­sten entgegeunahm.

Berlin, 14. Juni. DerRcichsanzeigcr" ver­öffentlicht einen Erlaß II. MM. des Kaisers und der Kaiserin an den Reichskanzler, welcher hervorhebt, wie die Begehung des 50jährigen Vermählungsjubi- läums in ganz Deutschland nnd weit hinaus über dessen Grenzen zu Festtagen von allgemeiner Bedeu­tung sich gestaltet und mehr als je kundgegebcn, von welcher Liebe und Anhänglichkeit das deutsche Volk für seinen Kaiser und dessen Haus erfüllt sei. Der Erlaß gedenkt des tiefen Eindrucks, welchen die be­glückwünschenden Huldigungen in mannigfachster Form und die Begründung des über das gesamte Reich sich erstreckenden Netzes von Stiftungen zu dauern­den Zwecken der Humanität hcrvorgerufen, wodurch die mit besonderer Wärme von dem Kaiscrpaar ge­hegten Wünsche ihre Erfüllung erhielten und allen Nahen wie Fernen für ihre Aufmerksamkeiten dankt. Der Reichskanzler ist beauftragt, diesen Erlaß sofort zu veröffentlichen.

Berlin, 16. Juni. DieNordd. Allg. Z." erfährt, auch Italien habe sich nunmehr nachträglich dem Proteste gegen die Finanzdekrete des Khedivc angeschlosse».

Graf Wilhelm v. Bismarck läßt erklären, daß daS in der letzten Zeit verbreitete Gerücht, er wolle bei der Berathung der Petitionen gegen die Civilehe seine Jungfernrede halten, völlig aus der Luft gegriffen sei.

Unter denen, welche die goldene Hochzeit des Kaisers am schönsten gefeiert haben, stehen die Beam­ten der Reichspost und des Reichstelegraphen voran. Sie haben zum Besten der Kaiser Wilhelm- Stiftung nicht weniger als 55 703 ^ 75 gesam­melt und übersandt. Der Kaiser hat ihnen dafür in besonderem Erlaß vom 9. Juni seinen Dan? dafür ausgesprochen.

Der Kaiser hat am Tage seiner goldenen Hochzeit u. A. den Grasen Herbert v. Bismarck-Schönhauscn, den ältesten Sohn des Reichskanzlers, welcher erst im vorigen Jahre zum Premier-Lieutenant ä ja suite der Armee ernannt worden war, zum Rittmeister befördert.

Der Reichstag wird voraussichtlich nur fünf Wochen tagen: man nimmt allgemein an, spätestens der 20. Juli werde den Schluß der Session bringen. Bis dahin läßt sich der Zolltarif-Entwurf feststellen und das Tabaksstcuer-Gesetz erle­digen. Der Reichskanzler ist mit dem langsamen Gang der Dinge sehr unzufrieden nnd soll beabsichtigen, im Reichstage eine Rede über die Lage der Zoll- und Stcuervorlagen zu halten.

Der Protesterklärnng der deutschen Regierung gegen die einseitig erlassenen Finanzdckrete deS Khcdive haben sich nunmehr sämmtliche Großmächte angcschlossen: und es traf auch bereits die Meldung ein, daß der Vizekönig sich dem Protest gefügt hat und demnächst die Zustimmung der Mächte zur Herstellung eines allgemeinen rechtsverbindlichen Aktes sür die Ordnung der eghptischen Finanzverhältnisse nachsucben wird.

Rach derKöln. Ztg." verhielt sich der preußische Fi- nanzminisrcr Hobrccht in der Tabaksteuer-Kommission gegenüber dem Antrag aus Verwerfung der Licenzsteucr schweigend. Der badische Ministerpräsident Turban wies darauf hin, daß Baden bereits im Bnndesrathe, ivenfn auch vergeblich, bemüht gewesen, belästigenden Kontrolvorschri ten für die Tabaks-Industrie ent- gegenzntreten. Am Montag wird die Kommission in die Be­rathung der Nachsteuer cintretcn. Nach derPost" wurde der die Licenzsteucr ablehnende Beschluß von dem Äbg. v. Sch mid ! Württemberg) durch folgende Gesichtspunkte motivirt: 1) Der Finanzeffekt mit 3 Mill. Mark stehe in keinem Bcrhältniß zu der Summe des Odiums, welches diese Steuer mit ihren vexn- torischcn Maßregeln und ihrem Erhcbungs- nnd Kontrolapparat Hervorrufen müsse: 2! die Licenzstener enthalte eine Doppelbe­steuerung: 3) dieselbe berühre daS den einzelnen Bundesstaaten intakt belassene Gebiet der Gewerbesteuer: 4) Ergänzungen des TabakcngnetematerialS könnten auch auf anderem Wege erzielt werden. Von anderer Seite, den Abgg. Frhr. v. Marschall, Gras v. Galen wurde als für sic entscheidender Gesichtspunkt hervorgeboben, daß die Licenzstcuer eine monopolistische Tendenz habe und aus diesem Grund unannehmbar sür sie sei.