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Oesterreich-Ungarn.
Wien, 6. Okt. Die „N. Fr. Presse" meldet: In serbischen Dipls- matenkreisen herrscht die Anschauung, daß die Mächte die bulgarische Union anerkennen und Serbien eine Gebietseutschädigung auf Kosten Bulgariens zugestehen werden. Einige Botschafter in Konstantinopel sollen die Instruktion besitzen, Alexander als König von Nordbulgarien anzuerkennen unter der Bedingung, daß er die Verbindung Ostrumeliens durch Personalunion mst Bulgarien unter Tributpflicht an die Türkei gewährleistete. Das „Montenegriner Amtsblatt" dementiert kategorisch ein montenegrinisch-türkisches Bündnis. Der Zar versprach in Kopenhagen der bulgarischen Botschaft, bei den Berliner Vertragsmächten für eine friedliche Lösung der Unionsfrage zu wirken. Die Rüstungen in Bulgarien dauern fort. Das „Tageblatt" in Rustschuck meldet von einem Gerücht, nach welchem Rumänien eventuell das Mandat erhalten werde, in Bulgarien die Ordnung herzustellen. Bratiano wird den König einzuholen suchen, hierauf Ministerrat.
Hfages-Weuigkeiler^
C.ri-t w , 7. Okt. Der Brand in Sta m m heim, der uns in vergangener Nacht Am 11 Uhr gemeldet worden, hat bedauerlicherweise große Dimensionen angenommen. Das Feuer war ausgebrochen in einer dem Gr- meinderat Roller gehörenden, vis-ö-vis dem Gasthaus zum „Rößle" stehenden Scheune. Der stark wehende, beinahe zum Sturm ausartende Wind trug das Feuer auf weite Entfernungen, so daß binnen kurzem nicht nur die umstehenden Gebäude, sondern auch ganz unvermutet die über der Straße hinter dem erstgenannten Gasthaus befindliche Scheune in Brrud geriet. Das Feuer fand auch hier außerordentlich viel Nahrung und nach kurzer Zeit stand auch das Gasthaus z. Rößle in vollen Flammen. 8 Häuser, 4 Wohngebäude und 4 Scheunen waren gegen morgen auf den Grund niedergebrannt. Im Pfarrhaus, das eine große Strecke seitwärts vom Brandplatz entfernt steht- entzündete sich durch Flugfeuer sogar der aus dem Boden lagernde Hopfen. Trotz des durch die Windstöße begünstigten enorm raschen Umsichgreifens des Feuers ist glücklicherweise kein Unglückssall zu beklagen, auch das in den Ställen befindliche Vieh konnte noch alles gerettet werden. In Thätigkeit waren die Feuerwehren und Löschmannschaften von Stamm- heim, AUyengstett, Gechingen, Holzbronn, Gültlingen und Calw. Bei dem, Mangel au Wasser verwendete man schließlich das wenige übrige üur noch zur R.^ -g der anstoßenden Gebäude. Die Abgebrannten sind alle versichert.
— Der Verwaltungsrat der hies. freiwilligen Feuerwehr hat gegen die Redaktion des Schwäb. Wochenblatts Strafklage erhoben wegen Veröffentlichung eines, diesen in hohem Grade beleidigenden Artikels, der der Redaktion von einigen Mitgliedern von hier zur Ausnahme zwzesandh w-rden ^
StUtigari, 4. Okt. Bei der am SamMg siättgesunddnen Jubiläumsfeier des „Schwäbischen Merkurs" zu dessen lOOjährigem Bestehen, überreichte der Chefin—."'" vr. Otto Elben, der Enkel des einstigen Gründers des Merkurs (Christian Gottfried Elben) den Angestellten des Geschäfts zur Gründung einer Altersversorgungskasse in einer Stiftungs- Urkunde nebst Statut die ansehnliche Summe von 40,000 Herr Eduard Elben überreichte ferner den beiden Redaktionsmitaliedern vr. Lang und vr. O. Romme» für 25jährige treue Mitarbeit je eine Dankurkunde und eine Ehrengabe, während vr. K. Elben zwei seit nahezu 50 Jahren im Geschäft thätige Arbeiter ebenfalls mit Ehrengaben erfreute. Durch Staatsminister v. Höeder wurde Herrn vr. O. Elben von Sr. Mch. dem König die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft an dem
Bande des Kronenordens. In einem ebenfalls zur Feier eingelaufenen Ka- binetschreiben aus Sigmaringen wurde Herrn vr. O. Elben von Fürst Leopold das Ehrenkreuz des Hohen;. Hausordens. Die Stadt Stuttgart gratulierte ebenfalls. Ein Festmahl vereinigte alle Teilnehmer der Feier, deren Schluß die Aufführung von lebenden Bildern rc. bildete.
Stuttgart, 6. Oktober. Am Sonntag feierte Bierbrauereibesitzer Wulle hier mit dem Feste seiner silbernen Hochzeit und des 25jährigen Bestehens der von ihm gegründeten Brauerei auch das 25jährige Jubelfest seines Braumeisters, der vom ersten Tage an bei ihm war. Derselbe erhielt vor einer festlichen Versammlung im oberen Museum die Ehrengabe von 5000 von Herrn Wulle und vom Personal einen silbernen Bierhumpen Das Braupersonal wurde im Saale des Etablissements, Neckarstraße, bewirtet. Die Brauerei, welche im Jahr 1860 noch 8000 Hektoliter braute, produziert jetzt jährlich 50,000 Hektoliter.
Stetten i. R., 3. Okt. Gestern abend gegen 11 Uhr brach in der gefüllten Scheuer des Bauern Merz hier Feuer aus. Die hiesige Feuerwehr war alsbald, zur Stelle und später traf auch die Löschmannschaft von Strümpfelbach an/ dem Brandplatz An; (jedoch gelvng es «en vereinten Anstrengungen beider Feuerwehren nicht, das Feuer zzs dämpfen und sie mußten sich darauf beschränken, das Wohnhaus und ein weiteres dicht daneben angebautes Gebäude zu schützen. Die Entstehungsursache ist bis jetzt unbekannt.
Tuttlingen, 29. Sept. Am letzten Sonntag feierte die hiesige Erziehungsanstalt mit ihrem Jahresfest zugleich das Fest ihres 60jährigen Bestehens. Dekan Jäger eröffnete als Anstaltsvorstand die Feier mit Gebet. Hausvater Binder legte den Rechenschaftsbericht ab. Die Anstalt wurde am 27. September 1825 mit der Aufnahme von 5 hilfsbedürftigen Kindern gegründet. Seit ihrem Bestehen hat sie erst den zweiten Hausvater. Im ganzen hat die Anstalt bis jetzt 565 Kindern das elterliche Haus ersetzt. Auch Ihre Königl. Majestäten wandten diesem gemeinnützigen Institut Ihre Huld zu. Ein früherer Zögling der Anstalt, Rosine Schwarzwälder, dient bereits 25 Jahre lang in diesem Hause, ein Umstand, der als seltene Ausdauer eines Dienstboten der Erwähnung wert ist. Die gegenwärtige Zahl der Zöglinge beträgt 65, worunter 39 Knaben und 26 Mädchen. Im laufenden Jahr wurde der Ertrag der Felder und Wiesen teils durch Hagel und Frost, teils durch andauernde Trockenheit stark beeinträchtigt. Zum Schluß, sprach Diakonus Knapp von hier und hob hervor, daß diese Anstalt eine' Erfüllung der Bibclworte sei: „Ich will Euch nicht Waisen lassen" und daß- sie eben dämm der Aufmerksamkeit edler Menschenfreunde würdig sei.
Kißlegg» 30. Sept. Das gestern dahier abgehaltene landwirtschaftliche Fest des Bezirks Wangen wurde von dem Schneefall sehr beeinträchtigt. Zum Ergötzen des Publikums war für die Nachmittagsstunden ein Hundewettrennen vorgesehen. Ein annonciertes Jgelwettrennen ging in der Weise vor sich, daß 2 verdeckte Käfige auf einem Wagen in einige Entfernung vom Publikum gebracht wurden. Beim beginnenden Wettlauf entpuppten sich die Igel als die 5 und 7 Jahre alten Söhnlein des benachbarten Bahnwärters Igel, was des Spasses genug brachte.
Ulm, 2. Okt. Bei de. rr.^c" Psi > ".st.igc.ung des Dragoner- Regiments Nr. 26 hat der vermögenslose Pferdehändler Grünwald von Stuttgart 4 Pferde ersteigert und eines davon sofort gegen bar an Pferdehändler Wassermann von Laupheim um die Hälfte des Kaufpreises wieder verkauft. Von dem Erlös schaffte er sich Reitzeug und Stiefel an. Als der den Verkauf beaufsichtigende Offizier den Kaufschilling für die 4 abgeführten Pferde erheben wollte, war der Käufer verschwunden, wurde aber kurz nachher ermittelt. Aufgefordert zu bezahlen erklärte er, keinen Pfennig zu besitzen. Natürlich wurden ihm die 3 Pferde abgenommen und das vierte mußte um 50 Mark zurückgekauft werden. Als die Polizei den Schwindler festnehmen
gebettet hatte. Mit halblauter Stimme begann»... Wiegenlied, dessen weiche, schmeichelnde Melodie Feodor's Lider zu leichtem Schlummer schloß.
Nun schwieg Aglaja und sah mit seltsamem Blick auf den Schlummernden nieder. Es war nicht Liebe, was sich in ihrem Blick kundgab, vielmehr kaltes Grübeln und Berechnung. Liebe hatte ihr dieser Mann, — der schwärmerische Schwächling, wie sie ihn stets in ihren Gedanken bezeichnte, nie eingeflößt, wenn bei ihrem nur nach Sinnreiz und Ueppigkeit trachtenden Herzen überhaupt von Liebe die Rede sein konnte. Er war ihr zu wenig mit bestechenden, glänzenden Körperschönheiten ausgestattet, sie betrachtete ihn vielmehr nur aks Mittel zum Zweck, als Mittel, um wieder eine gesicherte, glänzende, soziale Existenz zu erringen.
Vor ihren Augen erstand ein anderes Bild, das Bild eines bestrickend schönen Mannes, voll Glut und wildem Feuer, das ihre Pulse höher schlagen ließ. Es waren aber schon mehrere Jahre vergangen und sie hatte ihn nicht wieder zu Gesicht bekommen.
Jetzt mußte sie heiße Liebe zu Feodor heucheln — als seine rechtmäßige Gemahlin würde sie dieser Maske nicht mehr bedürfen und vielleicht führte ihr das Schicksal noch einmal Boris Pavlowitsch, den glänzenden Cavalier, in den Weg und dann — dann-
Da sie» ihr Blick wieder auf den Schlummernden, und sie gewahrte, daß sein Atem rasch und stoßweise ging; seine Lippen öffneten sich halb und murmelten abgerissene, unverständliche Laute.
Plötzlich stieß er einen Schrei aus, fuhr mit einem Ruck in die Höhe und schu-.. wirren, entsetzten Blickes um sich. Erschreckt fragte Aglaja:
„Was ist Dir, mein teuerer Freund? Dich hat wohl ein böser Traum erschreckt?"
„Ach, es war gar zu schrecklich", seufzte Feodor tief auf und fuhr sich wiederholt über Stirn und Augen, wie um das ihn beängstigende Traumbild zu verscheuchen, welches ihm noch vor Augen schwebte.
„Erzähle mir's, mein Geliebter", bat Aglaja, „damit wir durch heiteres Lachen den bösen Traum in die Flucht schlagen!"
F-odor schüttelte den Kopf: „Lachen kann ich nicht über ihn, Aglaja, ich wünsche nur, dieser Traum wäre nichts als Gebilde der Phantasie, denn wenn .. ^ Wirklichkeit nahe käme, dann, — dann —"
„Aber, teuerster Feodor", unterbrach Aglaja den düster vor sich Hinstarrenden, was kann denn dtks sein, was Dich so sehr erschreckte? Bitte, bitte, erzähle!"
Und schmeichelnd erfaßte sie seine Hände und zwang ihn mit sanfter Gewalt, sich in einen Sessel niederzulassen.
Feodor seufzte wiederholt tief auf, dann begann er mit matter Stimme:
„Mir träumte, ich sei auf der Heimreise begriffen und nähere mich meinem Besitztum. Es war schon dunkel, und ich schaute nach den Fenstern meines Hauses, um Licht zu erblicken. Aber finster und unheimlich starrte mir das Gebäude entgegen. Ein unerklärliches Grauen überkam mich und ich eilte, sobald der Wagen hielt, um schnell in das Haus und zu meiner Mutter zu gelangen. Die schwere eichene Thür war unverschlossen und öffnete sich meinem Druck. Aber kaum hatte ich einen Blick in den Korridor geworfen, als ich entsetzt zurückprallte. Meinen Blicken bot sich ein schauerliches Bild dgr.
Auf einem schwarzen Katafalk stand ein einfacher, schlparzer Sara. Zu Häupten des Sarges brannten zwei rotglühende Kerzen und ihr flackernder Schein fiel auf eine schwarze Gestalt im Sarge, deren Antlitz sich gespenstisch weiß von der schwarzen Umgebung abhob. Und dieses Antlitz — o Aglaja —" kam es wie gebrochen von seinen Lippen — „dieses starre Antlitz trug — Lina's Züge und die Augen starrten weitgeöffnet mit anklagendem Blick mich an. Und als ich wie durch eine geheime Macht gezwungen, immer wieder starr auf sie Hinsehen mußte, da glänzten mir noch zwei Augen entgegen, große, seltsame, dunkle Augen. Ich starrte genauer hin und sah, daß diese Augen einem winzig kleinen Wesen angehörten, das gleichfalls starr und stumm in den Armen der toten Gestalt ruhte. Mein Haar siräubte sich vor Entsetzen in die Höhe, ich wollte nach meiner Mutter rufen — aber kein Laut kam über meine Lippen; ich wollte fliehen — aber meine Füße waren wie am Boden festgewachsen! Endlich that sich die Thür auf, und eine majestätische Gestalt mit weißem, langen Haar und Bart trat heraus, streckte die Rechte nach der Toten hin und donnerte mir zu:
„Elender Gatten- und Kindermörder! Da siehe Dein Werk!"
Mit gellendem Schrei stürzte ich zu Boden und — sah mich hier!" — (Fortsetzung folgt.)