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6«. Jahrgang.
Amt»- mul Intelkigenzbkatt für äen Aezirfl
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Donnerstag, äen 1. Oktober 1885.
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KoMische Wcrchvichterr.
Deutsches Reich.
Berlin, 28. Sept. Wie aus Baden-Baden verlautet, hatte der Kaiser sich auf der Fahrt von Stuttgart nach Baden in Folge der starken Abkühlung, die gegen Sonnenuntergang einzutreten pflegt, einö leichte Erkältung zugezogen, die sich durch Heiserkeit äußerte, aber wieder völlig beseitigt zu sein scheint und keineswegs dazu angethan war, dem hohen Herrn den freudig erhebenden Eindruck zu verringern, welchen die Stuttgarter Kaisertage sowohl bei dem Kaiser selbst, wie im ganzen Reiche hervorgerufen haben.
— Die Einzel-Unfall-Versicherung. Das Reichsgericht hat kürzlich in Ansehung der Haftpflicht der Eisenbahnen bei Körperverletzungen eine sehr bemerkenswerte Entdeckung gefällt, welche dem reisenden Publikum die Notwendigkeit einer besonderen Versicherung gegen Reiseunfälle recht nahe zu Gemüts führt. Nach dieser Entscheidung gewährt nämlich nicht jede durch die Verletzung beeinträchtigte Arbeitsfähigkeit, sondern nur die Beeinträchtigung der Erwerbsthätigkeit einen Schadenersatzanspruch an die Eisenbahn-Verwaltung. Hat beispielsweise die Verletzung ein dauerndes körperliches Gebrechen zur Folge, welches den Verletzten in der Fortsetzung seines wissenschaftlichen, kaufmännischen oder amtlichen Lebensberufes nicht stört und auch nicht später zu stören geeignet ist, oder wird von einem solchen Unfall ein Rentner betroffen, der gar kein Gewerbe betreibt, so begründet die Verletzung, auch wenn sie den Verletzten zum Krüppel gemacht hat, keinen Anspruch auf eine Entschädigungsrente. Diese Entscheidung des Reichsgerichts mag den gesetzlichen Bestimm
ungen über die Haftpflicht der Eisenbahnen vollkommen entsprechen, kann aber das Publikum, welches der Eisenbahn seine gesunden Glieder anvertraut, ganz und gar nicht befriedigen, denn nach dieser Entscheidung wird die Eisenbahn-Verwaltung in vielen, wenn nicht in den meisten Fällen nicht genötigt seiih, einer Ersatzforderung nachzugeben. Um dieser Eventualität zu entgehen, gibt es blos ein Mitttel, die Versicherung gegen Unfälle bei einer soliden Versicherungs-Gesellschaft. Hier hindert weder den Beamten oder Gelehrten noch den Rentner Jemand, eine Entschädigung für den Fall eines Unfalles zu stipulieren, gleichviel ob seine Erwerbsfähigkeit durch denselben tangiert wird oder nicht. (B. B. Z.)
— Wiederum ist ein wichtiger Teil des ostafrikanischen Gebietes in deutschen Besitz übergegangen. Aus dem Bureau der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft wird Berliner Blättern mitgeteilt, daß der Regierungsbaumeister Hörnecke, welcher mit einer großen Expedition an den Tana beordert und durch die feindselige Haltung des Sultans während längerer Zeit am Vormarsch gehindert war, durch eine Reihe von Verträgen die Gebiete nördlich des Kilimandscharo bis an den Tana hin in den Besitz der deutsch-ostafrikanischen Gesellschaft gebracht und dadurch den Anschluß der Gebiete dieser Gesellschaft bis an das ebenfalls deutsche Witu im Wesentlichen vollzogen hat. Diese neueste Erwerbung erweitert die Besitzungen der deusch-ostafrikanischen Gesellschaft bis etwa an den 2. Grad nördlicher Breite, so daß dieselben sich nunmehr durch mehr als sechs Längengrade oder gegen 100 geographische Meilen von Norden nach Süden erstrecken. Damit ist das Besitzergreifungsprogramm der Gesellschaft nach Norden hin im Wesentlichen zum Abschluß gebracht. Besonders erfreulich ist diese Thatsache deshalb,
(Nachdruck verboten.)
Gin Krauenleöen.
Roman aus den baltischen Provinzen Rußlands.
Von Milly Pabst.
(Fortsetzung.)
In demselben Augenblick wurde an die Thür gepocht. Auf ihr leises „Herein!" erschien Diejenige, die vom ersten Augenblicke ihres Eintritts in das glückliche Heim der beiden Gatten mit unausgesetzten Quälereien und Stichelreden das Herz der jungen Frau verwundet hatte.
Auf dem kalten Antlitz lagerte heute etwas wie Freundlichkeit, aber diese Freundlichkeit flößte Lina eine geheime Angst ein. Eine Ahnung sagte ihr, daß die Schwiegermutter nur gekommen sei, um sie von Neuem zu peinigen. Lina bezwang das leise Zittern ihrer Glieder und trat ihr ruhig entgegen.
„Nun, Lina, wie geht es Dir?" fragte Frau Harders. „Fühlst Du Dich noch sehr schwach? Haben Dich die bösen Krämpfe wieder gemartert?"
„Ich danke, Mama", antwortete Lina. „Ich fühle mich schon völlig gesund. Von Krämpfen kann bei mir nicht die Rede sein! Das Zucken meines Körpers damals war nur eine Folge allzu großer seelischer Erschütterung, die in meiner damaligen hochgradigen Nervosität diesen krampfartigen Zustand hervorbrachte!" —
„Nein, nein, Lina, Du irrst Dich", entgegnete hastig die Schwiegermutter, der es unendlich viel daran gelegen war, Lina von dem Dasein der Krämpfe zu überzeugen. „Der Arzt selbst nannte die Zuckungen Krämpfe und fügte hinzu, daß solche oft in langen Zwischenräumen erst sich wieder zu erholen pflegen, aber doch niemals ganz zu bekämpfen sind und sich immer auch auf die Nachkommen vererben! Was macht das Kind?" schloß sie und trat schnell zur Wiege heran.
Das Kind schlug in diesem Augenblicke gerade die Augen aus, und als es das fremde Gesicht über sich gebeugt sah, fing es heftig zu schreien an. Beruhigend legte die Großmutter ihre Hand auf des Kindes Köpfchen und setzte die Wiege in schaukelnde Bewegung. Das Kind schrie aber immer fort
und fort und beruhigte sich erst wieder, als die Großmutter zur Seite trat und Lina mit leisen Schmeichelworten es wieder in den Schlaf wiegte.
Mit bösem, zornigem Blick schaute Frau Harders auf das hübsche Bild von Mutter und Kind. Sie haßte beide — auch das unschuldige Geschöpf- chen, das noch nicht zum Bewußtsein seiner selbst erwacht war. Ihr war es nur ein neues Hindernis an der Lösung des Ehebündnifles, ein Hindernis, welches möglicherweise der Mutter große Vorteile gewährte und die Scheidung verzögerte.
Jeder Schimmer von Freundlichkeit war nun vom Antlitz der Schwiegermutter gewichen und kalte Entschlossenheit lagerte nur noch auf ihren harten Zügen. Sie war gekommen, um Lina auf die Scheidung vorzubereiten — sie war nun fest entschlossen, es ohne weitere Einleitungen zu thun.
Ungeduldig wartete sie, bis das Kind wieder ruhig schlief und hob dann an:
„Feodor hat geschrieben!" —
„So?" entgegnete Lina, indem ein flüchtiges Rot ihre blassen Wangen färbte. „Darf ich wissen, wann er wiederkommt, um sein Kind zu küssen?"
„Hm", machte Frau Harders mit einer leichten Verlegenheit, „so bald wohl nicht, wie aus seinen Zeilen hervorgeht, er —"
„Wie, nicht?" unterbrach Lina. „Was könnte ihn jetzt dort von seinem Kinde fern halten?"
Ihre Augen richteten sich starr auf das undurchdringliche Antlitz ihr gegenüber. „Was hält ihn von seinem Kinde zurück?" fragte sie dringender.
„Aglaja!" — tönte es mit kaltem Hohne ihr zurück.
Wie von einer Natter gestochen, schnellte die junge Frau empor.
„Aglaja" , keuchte sie, „o hat dieser Dämon sich wieder an seine Ferse geheftet? Fürchtet sie denn den Zorn des Himmels nicht, wenn sie den Gatten von seinem ihm angetrauten Weibe, von seinem neugebornen Kinde reißt?" -
Die zarte Gestalt hatte sich höher und höher aufgerichtet und sta jetzt mit flammenden Augen vor ihrer Quälerin. Mit Staunen sah > auf das junge Weib. Solchen Mut, solche Energie hatte sie ihrer schrr Schwiegertochter nicht zugetraut. Sie sah sofort ein, daß Lina sich r leicht verstoßen lassen würde und rüstete sich zum Kampfe. War ihrer Waffen gar zu sicher.
„Was redest Du von einem Dämon, Lina? Aglaja war