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große Rennen des Klubs und des Württ. Rennvereins, Volksbelustigungen, Alles bei prachtvoller elektrischer Beleuchtung des Platzes. Montag Turner­übungen und Produktionen und abends großes Feuerwerk, das mit der Beschießung einer Festung endigen und so gleichsam den interes­santen Abschluß der Kaisermanöver bilden wird.

VV. 6. In der nächsten am 30. d. M. beginnenden Schwurgerichtssession werden mehrere ganz interessante Fälle zur Verhandlung kommen, unter anderen der Falschmünzerprozeß, dessen Voruntersuchung in diesen Tagen geschloffen worden ist. Diesmal präsidiert Landgerichtsrat Frank.

Ein Akt edler Pietät vollzog sich am gestrigen Sonntag früh auf dem Pragfriedhof. Die Militärbevollmächtigten und Atta­ches der in Berlin vertretenen fremden Staaten, Major Frhr. v. Stein- inger (Oestreich), Oberstlieutenant Swaine (England), Major Le Loup de Sancy und Kapitän Colard (Frankreich), Oberstlieutenant Chevalier Bisesti (Italien), Oberst Fuentes (Spanien), Kapitän du Bocage (Portugal) und Oberstlieutenant Butakoro (Rußland) hatten sich in einigen Wagen nach dem Pragfriedhofe begeben, um ihrem kürzlich in Berlin verstorbenen und hier be­erdigten Kollegen, dem württ. Militärbevollmächtigten in Berlin, General­lieutenant v. Faber du Faur einen prachtvollen Kranz aufs Grab zu legen. Auf der Atlasschleife, die den Kranz schmückte, standen die Worte: Ihrem hochverdienten Kameraden die Militärattaches in Berlin.

In der Nacht vom Samstag auf Sonntag wurde auf dem Kamin eines im Bau begriffenen Fabrikgebäudes in der Schwabstraße durch unbe­kannte Hand eine rote Fahne aufgehißt, die jedoch morgens von der Polizei wieder entfernt wurde.

Die Herren Langfinger scheinen bei der Kaiserparade wieder ihre Kunst gehörig ausgeübt zu haben. Einem Herrn wurde die Geldtasche mit einer beträchtlichen Geldsumme, sowie der Operngucker von dem Umhänge­riemen abgeschnitten.

Cannstatt, 21. Sept. In der Hofenerstraße lockten gestern Ange­hörige einer durchreisenden Zigeunerbande ein sechsjähriges Kind zu sich in der Absicht, es mitzunehmen; schon war dasselbe in ihrem Wagen untergebracht, als durch das Weinen des Knaben einige Vorübergehende auf­merksam gemacht wurden, welche die Zigeuner zur Herausgabe des Kindes mit Gewalt zwangen. Die Bande zog nun schleunigst weiter, da sie von der sehr aufgebrachten Stimmung der Hinzugekommenen nichts Gutes hoffen durften.

Waldsee, 19. Sept. In Aenach, OA. Waldsee, starb ein Kind im Alter von 3 Jahren, welches mit zwei anderen Kindern in den Wald ins Beerensuchen gegangen war und hiebei Tollkirschen als vermeintliche Braunbeeren gegessen hat, an den Folgen dieser Vergiftung.

Heidenheim, 20. Sept. Gestern nachmittag 1 Uhr brach in dem Dachstock der Hartmann'schen Baumwollspinnerei in Herbrechtingen auf bis jetzt unbekannte Weise Feuer aus. Der energischen Thätigkeit der Feuerwehren von Herbrechtigen, Bolheim und Heidenheim gelang es jedoch, das Feuer auf den Dachstsck zu beschränken, so daß die weiteren Teile des. großen Fabrikgebäudes mit den wertvollen neuen Spinnmaschinen im 1. und 2. Stock verschont blieben und voraussichtlich keine Betriebsstörung eintreten wird.

Karlsruhe, 20. Sept. In allen evangel. und kathol. Kirchen des Landes wurde heute des frohen Ereignisses der Vermählung unseres Thronerben gedacht, während dasselbe schon gestern in den Synagogen gefeiert wurde. In der hiesigen katholischen Kirche wurde ein feierliches Hochamt mit Tedeum gehalten und vom Kirchenchor eine besondere Messe gesungen. In Stadt und Land haben auch weltliche Feiern, wie Fackelzüge, Bankette, Festessen, Volksbelustigungen, Festtheater stattgefunden. Heute abend wird im Hoftheater bei festlich erleuchtetem Hause die Oper Iphigenie in Aulis gegeben. Für den Einzug des erbgroßherzogl. Paares wird in Schloß und Stadt eifrig gearbeitet. Die Beleuchtung des Marktplatzes u. s. w. soll so großartig werden wie im Jahr 1881. Das Programm für die Einzugs­feierlichkeiten kündet das Eintreffen der hohen Neuvermählten auf 26. d. M.,

nachmittags 31/4 Uhr an, nachdem dieselben in Mühlacker von dem Oberst­kammerherrn v. GemmiNgen und dem Kammerherrn v. Reck im Auftrag des Großherzogs begrüßt werden. Der Zug in die Stadt wird von einer Ab­teilung Kavallerie eröffnet und geschlossen. Die großh. Herrschaften empfangen die Neuvermählten im Schloß, nachdem sie dieselben zuvor mit den Spitzen der Behörden am Bahnhof begrüßt hatten. Abends 6 Uhr bringen die Ge­sangvereine ein Ständchen, um 7 Uhr ist Feuerwerk im Stadtgarten. Am 27. Sept. ist um 11 Uhr Kirchgang, um 3 Uhr Fest der Stadt (Huldigung der Landestrachten), um 8 Uhr Festtheater (Sylvana). Am 28. September werden Abordnungen empfangen; abends ist Defilierkour im Marmorsaal und hierauf Hofkonzert; am 29. Sept. findet wieder Empfang von Abord­nungen und gegen 2 Uhr die Abreise nach Baden statt. Zu den Bällen der Gesellschaften Museum am 1. Okt. und Eintracht am 2. Okt. werden die Herrschaften wieder hier seiy, worauf dieselben zu dem Konzert am 3. und zum Feuerwerk am 4. Okt/abermals in Baden eintreffen werden. Die Ab­reise nach der Insel Mainau soll am 6. Okt. erfolgen.

Leipzig, 15. Sept. Die sämtlichen Buchbinder der Firma F. A. Brockhaus, ihrer ca. 80, streiken seit Samstag.

Wevnrifctztes.

Militärdien st-Versicherungs-Anstalten. Wir ent' nehmen der Nro. 31 der Allgemeinen Vers.-Presse in Berlin untenstehende Aufstellung über den Policenstand der div. Anstalten per ultimo 1884. Bei dem Interesse, welches in neuerer Zeit mit Recht in allen mit Söhnen geseg­neten Familien für diese Versicherungsart rege geworden ist, dürften diese Zahlen auch für viele Leser unseres Blattes von Wert sein, weil die mathe­matisch-statistischen Grundlagen, Unkostenberechnungen rc>, auf welchen die Versicherungs-Anstalten auf Gegenseitigkeit aufgebaut werden, bekanntlich nur dann zutreffen können, wenn die Anzahl der gleichartig bei einem Institut Versicherten viele Tausende beträgt.

Policenbestand. Vers.-Sum.

Deutsche Militärdienst-V.-A. in Hannover 35,844 vIL 37,921,390 (früher Hamburg),

Reichsversicherungsbank in Bremen 3,164 8,255,000

Bremer Lebens-V.-Bank 3,564 3,960,250

Allg. Deutscher Vers.-V. in Stuttgart 1,472 866,840

Württ. Militärdienst-Vers.

Hannovera" Milit.- und Ausst.-V. in Hannover

(erst im Dezember 1884 eröffnet, daher noch unbekannt.)

KcrnöeL L WevkeHv.

Calw, 23. Sept. Der heutige Viehmarkt war mit 1053 Stück Rindvieh befahren. Der Handel in fetten Ochsen ging lebhaft bei kleiner Preisrevuktion, der sonstige Umsatz war flau zu gedrückten Preisen. Auf den Schweinemarkt war wenig zugebracht und fanden Ferkel und Läufer raschen Absatz.

Stuttgart, 21. Sept. Hopfen markt. Bei einer Zufuhr von 72 B., die aber erst Nachmittags zum Teil zur Halle kamen, war das Geschäft anfangs wenig belebt, hob sich aber gegen mittag, so daß, bis auf einige nicht limitierte Posten, alles schlank verkauft wurde. Preise gingen von 4560 Eine Partie feuchte Ware erzielte 40 ^, ein Ballen la. Ware 63 Am Einkauf beteiligten sich außer Händlern 4 Brauer. In Trocknung läßt die Ware manchmal noch zu wünschen übrig, Qualität und Farbe befriedigt.

Heilbronn, 22. Sept. Obst-und Kartoffelmarkt. Aepfel 4.50 bis 5., Birnen 3.25 bis 3.90, gem. Obst 3.70 bis 4.20, Kartoffel gelbe 1.60 bis ^ 1.80, blaue 1.80, Wurst­kartoffel cM 2.

(Nachdruck vrrboten.)

Ein Irauenkeben.

Roman aus den baltischen Provinzen Rußlands.

Von Milly Pabst.

(Fortsetzung.)

Höre, mich an, mein Sohn! Nichts ist unmöglich, wenn man nur den richtigen Weg einschlägt, der zum Ziele führt. Ich habe schon an alle Even­tualitäten gedacht. Wir warten ruhig das Ende der Krankheit ab, die ent­weder ihren Tod (es überrieselte ihn eiskalt bei dem kalten Ton der Mutter) oder ihre Genesung bringt. Im letzteren Falle behandelst Du sie mit ruhiger Freundlichkeit bis zu ihrer Niederkunft und erwähnst mit keiner Silbe Aglaja's und des Vorgefallenen. Dann, wenn auch das glücklich vorüber ist, setzest Du ihr in aller Ruhe auseinander, wie durch ein ferneres Beisammenleben ihr Beide nur unglücklich sein würdet, weil sie ja mit eigenen Augen gesehen, daß Dein Herz einer Anderen gehört (Schamröte trat auf Feodor's Stirn) und schlägst ihr schließlich die Scheidung vor!"

Es wird ihr das Herz brechen", murmelte er dumpf,denn sie liebt mich noch!"

Sie h a t Dich geliebt", unterbrach sie schnell,jetzt, da sie Aglaja in Deinen Armen gesehen, wird ihre Liebe sich wohl in Haß verwandelt haben, und die Scheidung ihr nur erwünscht sein!"

Lina, und Haffen?" fragte er, ungläubig und kopfschüttelnd,das paßt nicht zu einander. Sie wird nur weinen und das werde ich nicht ertragen können! Und dann, Mutter, was für einen Grund soll ich denn vor Gericht angeben?"

Auch daran habe ich gedacht! Lina hat durch den Schreck Krämpfe

bekommen, und es ist wahrscheinlich, daß dieselben in gewissen Zeiträumen wiederkehren und sich auch auf das Kind übertragen werden. Du sagst nun, daß die Krankheit Dir Abscheu einflöße, und die Furcht, Deine Nachkommen auch von dieser Krankheit befallen zu sehen , zwinge Dich zur Scheidung. Wenn Lina dann auch einwilligt, so genügt das, und Du bist in kurzer Zen Deiner Fesseln ledig."

Und wenn sie nun nicht einwilligt, Mutter?"

A bah, sie wird einwilligen, verlasse Dich darauf! Sie hat ja kaum einen eigenen Willen und sagt zu AllemJa". Sie kann dann wieder zu ihren zärtlich geliebten Pflegeeltern zurückkehren, nach denen sie sich immer so schmerzlich gesehnt hat, und die werden sie jedenfalls mit offenen Armen ausnehmen", sprach sie spöttisch.

Aber das Kind!" fuhr er auf,was wird mit dem, mit meinem ersten Kinde", schloß er leise.

Nun, wenn das Kind am Leben bleiben sollte, so wird das Gericht entscheiden, welchem Teile es überlassen bleibt! Und nun, Feodor, höre auf, so düster vor Dich Hinzustarren! Es ist die einzige freundliche Lösung dieser unhaltbaren Verhältnisse und wird alle Teile befriedigen. Denke an Aglaja und fasse neuen Mut! Sie hat Dir ihr Herz geschenkt und damit auch ihr Geschick in die Hände gelegt; sie vertraut Deiner Ritterlichkeit! Du bist nach dem Vorgefallenen verpflichtet, ihr Deinen Namen zu geben!" schloß sie mit äußerst bestimmtem Tone und rauschte davon, den Sohn seinen wider­sprechenden Gefühlen, die wild auf ihn einstürmten, überlassend.

Bald schien ihm der Plan der Mutter ausführbar, und er überredete sich, daß Lina, nachdem sie von seiner Treulosigkeit den Beweis erhalten, willig auf die Scheidung eingehen werde; dann aber rief wieder die Stimme seines Gewissens:Du bist ein Elender, erst verrätst Du Dein schuldlos Weib und dann willst Du es herzlos von Dir stoßen!"

(Fortsetzung folgt.)