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möchte sich dann genöthigt sehen, ihre Haltung zu än dern und die Evangelisten, deren Kirche unter dem Drucke des Kulturkampfes fast noch mehr gelitten hat, als die katholische, werden der Regierung eine feste und sichere Stütze sein. Allerdings muß man dabei dem doktrinären und kirchlich indifferenten Liberalismus entschieden den Rücken kehren.
Berlin, 8. Nov. Die Zeitungen melden die Verhaftung von 5 hier sich aufhaltenden Russen, welche, außer einer lebhaften Korrespondenz mit Rußland, innigen Verkehr mit den hiesigen sozialdemokratischen Führern unterhielten. 3 von ihnen sind Mediziner, einer Theolog und einer Gewerbe-Akademiker.
Der Kaiser, welcher in 4 Wochen nach Berlin zurückzukehren gedenkt, wird nach den jetzigen Dispo sitionen, wie die „Köln. Zig " „mit vollster Bestimmtheit" melden kann, in den ersten Tagen nach seinem Eintreffen in Berlin die Regierung in vollem Umfange wieder übernehmen.
Der Kaiser hat zur Hochzeit der Tochter des Fürsten Bismarck ein Unikum von einem Orden gestiftet und denselben in Gestalt von Krone, Szepter und Schwert zum rothen Aslcrorden dem Fürsten Bismarck verliehen.
Die „Nat.-Ztg." iheilt weiter mit, daß der Kaiser der Fürstin Bismarck ein Armband schenkte, Lurch dessen Arabesken sich der Ruine Marie schlingt; der Neuvermählten widmete der Kaiser einen sehr kostbaren Soli- taire. Zwei eigenhändige Handschreiben, mit denen der Kaiser die Beweise von Huld gegenüber der Bismarck- fchen Familie begleitete, sind in gnädigster und herzlichster Form abgesaßt.
Das Berliner Fremdenblatt berichtet Folgendes über die Trauung des Grafen Rantzau und der Com lesse Marie v. Bismarck: „Die kirchliche Trauung des Brautpaares fand im Congreßsaale heute Nachmittag 3'/, Uhr durch den Prediger der St. Bartholomäuskirche, Herrn Vorberg, statt, nachdem kurz zuvor durch den Standesbeamten, Herrn vr. plül. Noht, der standesamtliche Akt in einem Privatzimmer vollzogen worden ist. Um 5 Uhr war Familiendiner von 60 Gedecken im Kleinen Saal und um 7 Uhr beabsichtigt das junge Ehepaar nach Wien abzureisen. Der Trau ung folgte im engsten Familienkreise ein Diner, an welchem außer den Mitgliedern der Häuser v. Bismarck und v. Rantzau der Staatssekretär v. Bülow, der württembergische Gesandte, Frhr. v. Spitzemberg, der Wirkt. Geh. Legationasrath Bücher, der Chef der Reichskanzlei, Geheime Regierungsrath Tiedemann und der Legationsrath v. Holstein theilnahmen.
Der einst außerordentlich einflußreiche Geheimrath Wagener in Berlin war einst ein reicher Mann, ist aber durch Gründungen rc. ein armer Mann geworden. Dieser Tage wurde vom Gericht in Altona der Concurs über ihn erklärt, weil er eine Forderung von 1500 nicht bezahlen konnte.
„Auf der Höhe." In luftiger Höhe wurde, nach der „Tribüne", im Grunemald bei Berlin ein Selbstmörder, ein Mann in anständiger Kleidung, der etwa ein Alter von 40 Jahren erreicht haben mochte, an einer Kiefer erhängt gefunden. Der Lebensmüde mar auf eine etwa 40 Fuß hohe Kiefer geklettert, hatte in der Krone derselben seinen feinen Cylinderhur auf einen Ast gehängt und war wieder etwa 6 Fuß hinabgestiegen. Hier hatte er sein Taschentuch an einem Zweige befestigt, das andere Ende zu einer Schlinge gedreht und sich dann erhängt. Die Leiche mußte mit Leinen herabgelassen werden.
Remscheid, 4. Nov. Wie sehr eine unausgesetzte Beaufsichtigung der Schüler seitens des Lehrers während des Unterrichts Noth thut, lehrt der folgende Unglücksfall, welcher sich, nach der „Elbf Z.", dieser Tage zugetragen hat. Ein Mädchen, wollte eine schlechte Feder aus dem Halter entfernen. Statt dieselbe aber oben an der Spitze zu fassen, faßte es sie von unten links, also die Spitze frei. Wie es nun gewöhnlich bei Entfernung eingerosteter Federn geschieht, ließ die Feder nicht gleich los, bis sie endlich bei etwas vermehrter Kraft-Anstrengung nachgab, das Kind die Herrschaft über seine Hand verlor, und diese mit solcher Gewalt und so unglücklich in das Gesicht des neben ihm sitzenden etwa 10jährigen Mädchens fuhr, daß die Feder sich tief in dessen einem Auge vergrub, von wo sie seitens des Lehrers nur mit Mühe zu entfernen war. Die Kleine ist sofort einer Augenklinik übergeben worden, jedoch soll wenig Hoffnung vorhanden sein, das lädirte Auge zu erhalten, vielmehr steht der Verlust der ganzen Sehkraft sehr zu befürchten.
Oesterreich —Ungarn.
Wien, 6. Nov. Wir haben in Bosnien einstweilen offtciell keinen „Krieg" mehr. Ein Erlaß des
Kriegsministeriums erklärt das Kriegs jähr mit dem 31. Okt. als geschlossen.
Pest, 7. Nov. Der Kaiser empfieng heute eine Deputation, welche die Adresse des kroatischen Landtags überreichte; er nahm wohlgefällig die Versicherung ihrer Loyalität entgegen, bemerkte jedoch, daß sich der Landtag auch mit den auswärtigen Angelegenheiten beschäftigte, welche außerhalb seines gesetzlichen Wirkungskreises sielen. — Im Oberhause gab Tisza betreffs der Ministerkrise eine analoge Erklärung ab wie im Unter- Hause und legte den Berliner Vertrag vor. In der Adreßdebatle erklärte Gras Szecsen, es sei unbillig von dem Minister des Aeußern ein Programm zu verlangen ; wenn die Sicherheit der Monarchie und militärische und kommerzielle Rücksichten Aenderungen der Grenzen erheischen, so acceplire er dieselben. Sodann wurde der Adreßenlwurf angenommen.
Der ungarische Reichstag hat am 5. d., wie wohl Niemand anders erwartete, den Antrag auf Anklage- Erhebung gegen Tisza mit 170 gegen 95 Stimmen verworfen.
lDer Kampf mit dem Ballons Dem Berliner Luflschisser Damm ist es dieser Tage schlimm ergangen. Er unternahm mit seinem Luftballon vom Schützengarten in Krakau aus eine Luftfahrt und ließ sich, nachdem er eine ziemliche Höhe erreicht hatte, auf die Felder des Dorfes Krowodrza nieder. Die Bauern des genannten Ortes, welche hörten, daß „der Teufel von Krakau aus einen Hexenrüt durch die Lüste unternehmen will," versammelten sich recht zahlreich, mit eisernen Hacken und Stangen bewaffnet, zum Empfang .des verhexten Dings". In dem Augenblicke, als der Luftballon die Erde berührte, warf sich unter Geheul die abergläubische Menge auf den Ballon hin und zerstörte denselben im buchstäblichen Sinn des Wortes. Damm erleidet dadurch einen Schaden von ungefähr 6000 -sL, doch ist er froh, selbst mit dem Leben davon gekommen zu sein.
Ein tragisches Ereigniß hat die Stadt Muskau in Aufregung versetzt, indem eine junge Dame in einem Anfall von Schwermuih ihren Tod gesucht und gefunden hat. Man sagt, die Unglückliche hätte am bezeich neten Tage von auswärts einen Brief empfangen, dessen Inhalt sie zum Selbstmorde getrieben habe. Mit weicher Konsequenz das traurige Ziel ins Auge gefaßt worden, beweisen die Vorbereitungen zum Sterben. Sie bezog ihr Beit frisch, legte sich selbst die eleganteste Toilette an, bestieg dann das Bett, nahm Watte vor ihren Mund und ersuchle dann das Aufwartmädchen und noch eine herbeigerusene Dame, die Walt mit einer bcreilstehenden Flüssigkeit, es war eine Flasche mit 200 Gramm Chloroform, von 5 zu 5 Minuten zu befeuchten, bis die Flasche leer sei. Leider ist der Befehl nur zu genau befolgt worden. Nachdem der größte Theil der Flasche verbraucht, war die Unglückliche längst eine Leiche.
Italien.
Nom, 2. Nov. In den hiesigen Regierungs- kreisen ist man seit gestern in einer gewissen Aufregung über ein im Postwege von Livorno aus an verschiedene Blätter zur Versendung gelangtes und von einem Theile der Presse als acht angesehenes Rundschreiben, durch welches die Gcüudung eines „Karl Nobiling- V «reines unier den Livorneser Studenten" zur Kenntniß des Publikums gebracht wird. Selbst ernste Blätter, wie die Florentiner Nazione halten das Schriftstück für echt. Der offiziöse Diritto glaubt, daß, wie aus den angestellten behördlichen Erhebungen hervorgehe, in Livorno kein Verein des Namens „eireolo MbilmZ" begründet wurde. Die Liberia hält das Rundschreiben für einen von irgend jemand erfundenen Spaß der übelsten Sorte. Auch die Rfforma hält dafür, daß es sich um einen Scherz handle, welcher nicht die Bedeutung habe, die ihm andere Blätter zuschreiben.
Frankreich.
Der französische Bischof Dupanloup, der sein Testament von der Kanzel verlesen ließ, war von Kindesbeinen an ein interessanter Mann. Man wußte nur, daß er von einem schönen Bauernmädchen geboren war und stritt sich lebhaft, ob er ein Sohn des ersten Napoleon oder des berüchtigten Cardinals Rohan sei, der eigentlich gar keinen Sohn haben durfte. Dieser Streit schadete ihm durchaus nichts. Seine Aktien stiegen gewaltig, als es dem blutjungen Abbe gelang, den alten hartgesottenen Sünder und weltberühmten Diplomaten, Lügner und Spötter Talleyrand auf dem Sterbebette zur Beichte und zum Widerruf zu bringen. Dagegen mißlang ihm sein Lieblingsplan mit der Jungfrau von Orleans. Schiller hatte sie mit seinem Schauspiel unsterblich gemacht, er wollte sie heilig sprechen lassen, aber Rom sagte beharrlich: nein! — Mit Gam-
betta theilte er die Einäugigkeit, aber auch den Vorzug, mit einem Auge mehr zu sehen, als andere Leute mit beiden Augen.
In Chapelle Saint-Sauoeur bei Louhans (Soöne- et-Loire) wurde vor einigen Tagen ein Ehepaar verhaltet, welches von seinen 16 Kindern 12 umgebracht hat.
Spanien.
In Spanien erwägt man in Folge des letzten Attentats bereits sehr eifrig die Frage, ob es sich nicht empfehle, ähnliche Ausnahmegesetze wie in Deutschland zu erlassen. Im Allgemeinen scheinen jedoch die vorhandenen spanischen Gesetze derart zu sein, daß sie weitere Verfügungen rc. wohl überflüsstig machen.
England.
London, 8. Noo. Reuter meldet aus Konstantinopel: 4000 Bulgaren verbrannten 14 Ortschaften im Distrikte von Demotika. Die Pforte stellte dem Fürsten Lobanoff eine Note zu, worin konstatirt wird, daß die Russen unfähig seien, den bulgarischen Aufstand zu unterdrücken. Eine andere türkische Note behandelt die Frage, daß die von den Russen besetzten Gebiete immer noch nicht geräumt werden. — In Adrianopel fand ein Kriegsralh statt, woran alle Befehlshaber der Truppen in Bulgarien und Rumelien theilnahmen. Die Russen machen die Rückgabe der rumelischen öffentlichen Kassen von der Rückerstattung der bedeutenden Kosten abhängig, welche für die Organisation Rumeliens aufgewendet worden sind. Die Pforte bereitet die Ueber- gabe von Podgoritza an Montenegro vor, gemäß dem Berliner Vertrag.
Handel Verkehr rc.
Aus dem Oberamt Horb, 6. Nov- In unserem Bezirke sind Hopsenkänse zu 40—80 pro Zentner abgeschloffen worden. Wenigstens bekommen vie Landieute doch baares Geld in die Hände, dessen sie, um ihren Verpflichtungen ordentlich nachzukommen, so sehr bedürfen. Mit dem Verlause von Frucht geht es nämlich schlecht, da nur weni^ Handei darin ist.
Böblingen, 7. Noo. In den letzten Tagen wurden mehrere Portionen heurigen Hopfens per Ctr. zu 20 sage 20 Mark, hier angekauft.
Sulz a. N., 7. Nov. Gestern hat die diesige Stadtgemeinde die städtischen Hopfen verkauft um 45 .L pro Ctr. an «schwanenwirth Bühler in Freubenstadt. (N. T.)
Nürnberg, 6 Nov. (Hopsen.) Die wenigen am Markt vertretenen Käufer blieben zurückhaltend, weil die ausgcbotenen Qualitäten dem Bedarf für Brauerkundschaft nicht genügten. Hierdurch wurden Eigner nachgiebig, das Ausgebot von gelblichen und trübfarbigen Mittelbopfen dringend, und so manche Partie derselben, für welche früher 50—60 gefordert wurde» , ging zu 38—45 als bessere Exportware ab. Bei Mangel an seinen Sorten kamen darin nur kleine Abschlüffe einzelner Ballen zu 90, 100—120 vor; der Umsatz betrug 600 Ballen.
Mittlere Fruchtpreise per Centner vom 1. bis 5. November.
Giengen
Kernen.
»I. ?!.
. 9. 50.
Roggen.
LI. kk.
9. —.
Gerste.
LI. kl.
7. 90.
Haber. LI. kk.
5. 40.
Geislingen.
. 10. 46.
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Hall . .
. 1t. 21.
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6. 36.
Nagold . .
. 11. —.
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9. —.
6. 53.
Urach . .
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9. 50.
8. 40-
5. 46.
Kirchheim .
. 12. 52.
8. t.
6. 11.
Leutkirch
. 10. 47.
8. 45.
8. 20.
6. 5.
Tuttlingen .
. 9. 78.
—. —.
6. 3.
Waldsee
- 10. 31.
8. 47.
5. 98.
Reutlinger Alb, 5. Noo Trotz der eingetretenen Kälte sind die Holzpreise durch die iiä kere Nachfrage nicht, wie erwartet wurde, gestiegen. In Reu> ingen und Tübingen werden immer noch 42—15 fürs M lerklaster Buchenholz bezahlt. Dagegen sind die Preise für Dinkel und Haber zurückgegangen. Alter Dinkel gilt 7 50 bis 8 neuer
6 50 bis 7 letzterer läßt an Qualität manches zu
wünschen übrig. Neuer Haber gilt 5 50 -4 Pr. Ztr. und
ist zu diesem niedrigen Preise die Nachfrage nicht einmal stark. Der meiste wird von Händlern zum Lagern aufgekauft. Kartoffeln, deren wir sonst in Menge zu Markte bringen, müssen wir diesen Winter selbst von auswärts beziehen. Händler bringen Elsässer Kartoffeln zu 4 20 ^ ins Ort;
dieselben sind wohl schön und groß, aber weit nicht so mehlreich, wie unsere Albkartoffeln. Unsere Viehmärkte sind immer noch recht stark befahren, aber es wird wenig gehandelt; es scheint als ob in den Preisen der höchste Punkt erreicht sei, aber zurückgehen wollen die Verkäufer noch nicht. (S. K.)
Falsche goldene Fünfmarkstücke mit badischem Gepräge und der Jahreszahl 1878 sind neuerdings in Umlauf gesetzt worden. Die Falsifikate sind so weich, daß Rä- geleindrücke ganz leicht bemerklich erscheinen. (N- T.)
Ein origineller Leibschneider.
(Der selige Leibschneider des Herzogs von Coburg.)
Nachdruck verboten.
Im Frühjahre 1877 entfloh dem irdischen Jam- merthale eine jener origenellen, absonderlichen Persönlichkeiten, die, früher in größerer Anzahl vorhanden, immer seltener werden, darum aber nur umsomehr die Aufmerksamkeit Aller auf sich lenken. Der Leibschneider Bertram, aus dem Bambergischen gebürtig, den der selige Herzog wegen feiner großen Kunstfertigkeit im Hosemnachen vor etlichen 40 Jahren aus Frankfurt am Main mit nach Coburg gebracht hatte, war eine der bekanntesten und populärsten Persönlichkeiten der
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