Der GeseWaster.

AmtsökaLt für den Höerarnts-Aezirk WagoL'd.

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2 außerhalb des Bezirks 2 40

Dienstag den 12. November.

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1878.

W 134.

Der Zweck und die Bedeutung der Krieger-Vereine.

In Folge eines Aufrufes des Generals v. Glümer macht sich unter den deutschen Kriegervcrciuen eine außergewöhnliche Bewegung bemerklich. General v. Glümer ist von dem Kaiser Wilhelm beauftragt, diese Vereine zu einem großen Bunde zu vereinigen, über welchen der Kaiser persönlich das Protektorat übernehmen wird. Hier etwas Näheres über die Entstehung und den Zweck dieser Vereine. Die Kriegervereine verdanken ihre Entstehung der Zeit nach den glorreichen Feldzügen von 1813/15. Die damaligen Kampfgenossen schaarten sich zusam­men und lebten der Erinnerung an jene stolzen Tage. Allein mit der Zeit schmolzen die Häuflein der Kämpfer von Leipzig und Waterloo gewaltig zusammen und ihre Vereine starben schließlich aus. Was ihnen fehlte war: junge Reserve frisches Blut. Anders mit den Kriegervereinen heutigen Tages. Abermals hat das deutsche Volk eine Zeit heißen Ringens hin­ter sich und abermals hat die Erinnerung an die gemeinsam bestandenen Kämpfe die glücklich Heimgekehrten zu Hnnderttausen- den zusammengeschaart. Ueberall in Deutschland, in jeder Stadt und jedem Dorf sind Kriegervereine entstanden und sind noch im Entstehen. Nur wenige derselben huldigen dem Grund­satz der alten Vereine von 1813/15: nur Eombattanten eines Feldzugs als Mitglieder aufzunehmen. Fast in allen jetzigen Kriegervereinen findet jeder brave Kamerad, einerlei ob jung oder alt, ob Feldzügler oder nicht, wenn er nur des Kaisers Rock in Ehren getragen hat, freundliche Ausnahme. Der Hauptzweck der Kriegervereine besteht in: Pflege der Ka­meradschaft. Mit ihren bescheidenen Mitteln suchen sie dem armen und kranken Kameraden zu helfen, sorgen, wenn er ge­storben, sür ein anständiges, ehrenhaftes Begräbniß und stehen seiner Wittwe und jungen Waisen nach Kräften zur Seite. Ihr Ideal, welches sie pflegen, ist in dem Wahlspruch ausgedrückt: Für Fürst und Vaterland für Kaiser und Reich! Mit Be­geisterung feiern sie die großen Gedenktage des deutschen Va­terlands, mit inniger Liebe verehren sie ihren Kaiser und obersten Kriegsherrn. In dem Begriff der Treue gegen Kaiser und Reich liegt auch der Kampf gegen die Umsturzparteicn, sic mögen Namen haben, wie sie wollen. Durch Lehre, That und Beispiel wird jeder Kriegerverein in seinem Kreise zur Befesti­gung und Fortpflanzung ächtcr Vaterlandsliebe, sowie dazu beitragen, die reichsfeindlichen Wühlereien unschädlich zu machen und auf ihren Herd zu beschränken. An vielen Orten haben sie sich den Behörden zur Verfügung gestellt und versehen bei Feuersbrünsten den Ordnungsdienst. Auch bei der Beseitigung von Aufruhr haben sie sich bereits den Behörden mit Erfolg dienstbar bewiesen und es ist zu erwarten, daß sie jeder Zeit bereit sein werden, sich den Gemeinden nützlich zu machen, wann und wo dies erforderlich ist. Politische Ziele verfolgen die Kricgervcreine durchaus nicht, begegnen aber leider trotzdem in gewissen politischen Kreisen einem Mißtrauen, als ob sie eine Art freiheitsfeindliche Organisation bildeten. Wie alle Freunde der Ordnung vertrauensvoll auf das Heer blicken, so sollten ihre Blicke auch mit Wohlgefallen und nicht mit Miß­trauen ans den Männern ruhen, welche im bürgerlichen Rocke kriegsgcübt bereit stehen, wenn das Vaterland bedroht ist. Be­wußt und unbewußt sind die Kriegervereine und deren Mit­glieder die Träger einer sittlichen Idee und Mitarbeiter am Staatenbau. Sie sind berufen zur Bildung einer Gesellschaft, die einen Wall bildet gegen alle Diejenigen, welche das feste Gefüge des Deutschen Reiches zu lockern bestrebt sind. Vielfach noch in ihrer Entwickelung begriffen, werden sie unter dem Schutz eines kaiserlichen Protektors heranreifen: tüchtig in ihrem Beruf, treu in der Pflicht, ein Stolz der deutschen Nation!

Gestorben: Den 7. November zu Hall O.A.Pfleger Vogel, Abg. sür Hall seit 1877.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Herrenberg, 8. Noo. Heute Nacht gegen 1 Uhr ist in Deckenpfronn, ca. 2 stunden von hier, ein größerer Brand ausgebrochen. Es sollen 3 Ge­bäude niedergebrannt, Mobilien rc. jedoch gerettet wor­den sein. In Bondorf brannte gestern morgender

Dachstuhl eines Hauses (also nicht das ganze Gebäude, wie wir im letzten Blatt berichteten) weder.

Stuttgart, 7. Noo. DerStaatsanzeiger" enthält eine Bekanntmachung betr. das Verbot der in Württemberg bestehenden Mitgliedschaften dec sociali- stischen Arbeiterpartei Deutschlands.

Die neuen Reichsj ustizgesetze in Württem­berg. Im Bürgerverein zu Ulm hielt verr Rechtsan­walt länger einen eingehenven und instruktiven Vortrag über die Etnjüh.ung der Reichsjustizgesetze am 1. Oktober 1879 und die ,üc Württemberg sich varan knüpfenden Aen- derungen. Zunächst berichtigte der Redner die in Volkskrelsen gäng und gab geworbene, aber irrlhümitche Auffassung, daß die Relchsjnstizgesetze ein neues materielles Recht begründen eine Auffassung, die sich namentlich bezüglich der ehelichen Güterverhällntsse und des Erbrechts gellend gemacht halte. Dieser Thei! dec Relchsgcsetzgebung liege vielmehr noch in den Händen einer Reichsjusttzkommiiiion, die bet den großen Schwierigkeiten, welche in dieser Beziehung zu »verwinden seien, zu dieser Arbeit noch Jahre brauchen werde Rur das Vorzugsrecht der Ehefrauen für ihr Beibringen, soweit es nicht in natura vorhanden sei, werbe auihöcen. Ritt lebhafter Befriedigung hob der Redner hervor, daß >ür Württemberg die Ortsgerichte beibevallen werden. Dleletben seien volksthümlich, das Verfahren sei ein wohlieiles i hauptsächlich komme aber in Betracht, daß sie die Geschäftslast der an die «stelle der Overamtsgerichte tretenden Amtsgerichte vermin­dern; denn es seien jährlich 10-15,000 Bagatellprozesse von den Ortsgerichten, davon r/z durch Vergeich, erledigt worben. Mit nicht geringerer Genugthuung konstante der Redner, daß daS dem sranzösischen Recht entlehnte Institut vec Gerichtsvollzieher, das bisher nur in Hannover, Ryeinpreußen, Hetzen, Bayern und in den Reichslanden bestanden und nir­gends viele Freunde erworben habe, ln Württemberg weniger lästig werde empfunden werben, weil seine Funktionen, welche im ZusteUungs- und Bollziehungsdienft bestünden, vorzugs­weise auf die Orlsoorsteher übertragen und daher bet uns wohlfeiler ausgeübt werben würden, als z. B- in Bayern. Großes Aussehen erregte der Redner durch teine Ausführun­gen über Vas Gerichiskostengesetz, welches die . Prozesse exorbitant vsrtheure und somit die Rechtsverfolgung beein­trächtige. Bei Besprechung vec Rechtsanwaltsordnung hob der Redner seine Bedenken hervor über bas in derselben aufgestellte Prinzip der Lokalisirung, welches nur die am Sitze des Gerichts wohnhaften Anwälte an eben diesem Ge­richte zulasse.

Von den 1790 Ganten, welche 1877 in Würt­temberg angcsallen sind, fallen auf die Wirthe 183 und auf Kaufleuie und Händler jeder Art 182, also nahezu 10 Proz. Sodann folgen die Schuhmacher mit 90 Fällen, die Maurer und Steinhauer mit 79, die Bäcker mit 73, die Schreiner mit 57, die Metzger mit 55, die Zimmerleute mit 46 Fällen.

Nach dem Vortrag deS Finanzministers v. Renner über den Hauptfinanz-Etat sollen im nächsten Jahr folgende neue Bahnen in Betrieb kommen: Stuttgart- Freudenstadt mit 87 Kilom. am 1. Juli, Murrhardl- Hessenthal mit 26 Kilom. am 1. Noo. und Backnang- Bietigheim mit 25 Kilom. am 1. Noo. Die Bahn Kislegg-Wangen mit 16 Kilom. soll am 1. Juli 1880 eröffnet werden. Da die Einnahmen aus der Eisenbahn sich stetig vermindern, so sollen Ersparnisse durch Ver­minderung der Zahl der Züge erzielt werden.

Reutlingen, 7. Noo. Den bürgerlichen Kol­legien wurde am Schluffe der letzten Sitzung durch den Stadtpfleger die unerfreuliche Mittheilung gemacht, daß gegenwärtig der Eingang der Steuern ein solch' schwa­cher sei, daß die Stadtpflege sich außer Standes sehe, ihren Verpflichtungen ordnungsmäßig nachzukommen, wenn ihr nicht ein größeres Betriebskapital zur Ver­fügung gestellt werde. Von den bis jetzt verfallenen Steuern pro 1878/79 im Betrag von etwa 72,000 «9k seien trotz aller Monitorien kaum 18,000 einzu­bringen gewesen, außerdem seien vom vorigen Jahre noch 20,000 Steuern rückständig. In anderen Städten sei es ebenso, wie auf Anfrage mitgetheilt worden sei. In Folge dieser unangenehmen Finanzlage wurde die Stadtpflege zur Aufnahme einer schwebenden Schuld von 20,000 bis zum Beginn des neuen Etatsjahres ermächtigt

Aalen. Am 27. v. Mts. haben die bürgerli­chen Kollegien die Einführung der Bier-Verbrauchs­steuer beschlossen.

Auch in Aalen hat sich dieser Tage ein Bäcker­lehrling erhängt.

In Wolsschlugen, OA. Nürtingen, ist am 7. Nov., Nachmittags, ein Wohnhaus samt Scheuer fast ganz abgebrannt.

Ulm, 7. Nov Dem Kommerzienrath Dr. P. L. Adam, der bekanntlich zu einer Gefängnißstrafe von 6 Mon verurlheilt worden ist, wurde der Rest der Strafe im Wege der Gnade nachgelassen.

Ulm, 7. Novbr. Ein Unlersuchungsgefangener war auf hiesigem Oberamtsgericht im Verhör. Die ganze Geschichte schien ihn zu langweilen, weshalb er plötzlich französischen Abschied nahm. Die beiden Ge­richtsbeisitzer eilten ihm nach, aber der Flüchtling war viel schneller denn sie und ist bis jetzt noch nicht wieder gesehen worden.

Große Augen mag der Bürgermeister vo» Dackenheim gemacht haben, als er am 28. Oktober mit vielen ArbeikS- leuten zur Lele seiner Weinberge auszog und fanv. daß eine DiedSgcsellichait das Geschäft bereits erledigt hatte, und zwar so gründlich, daß nicht eine einzige Traube mehr zu finden war. Der erwartete Ertrag von 600 Liter kommt also diesmal in die Unrechte Kehle. Der Herr Bürgermeister ärgert sich am meisten, baß er nicht rinmak weiß, wieviel der Most nach Oechsle wiegt.

Frankfurt, 7. Noo. Der Bankier Jakob Frank hat viele Familien durch seine Börsenspekula­tionen, die er mit deren Geld, das ihm anoertraul war, unternommen, in unberechenbaren Schaden ge­bracht, so verliert neben einer Witlwe in Mainz ein hier bekannter Offizier a. D. 200,000 -a, Derselbe hatte Frank mit der Anschaffung der Effekten betraut und sie ihm während einer längeren Reife im Besitz gelassen. Dieselben sind nun verschwunden.

Breslau, 5. Nov. Die aus der in Teschen erscheinenden Zeilung Ekiesia in fast olle deutschen Blätter üvergegangene Nachricht, die Kaiserin Augusta habe dem vom Kgl. Staatsgerichlshofe für kirchliche Angelegenheiten abgesetzten Fürstbischof vr. Förster anläßlich dessen neulichein 25jährigen Bischofsjubiläum ein kostbares Geschenk und ein sehr huldvolles Hand­schreiben übersandt, erweist sich nachträglich als eine Erfindung ohne jeglichen thalsächlichen Hintergrund.

In Bernau hat eine schwachsinnige unverhei- rathete Person, welche kürzlich Mutter geworden war, ihr Kind in die Kochmaschine gesteckt und dann Feuer angemacht. Die Mutter der Person wurde durch den Geruch aufmerksam und entdeckte das Verbrechen zu spät; das Kind war schon todt.

Berlin, 5. Novbr. Fürst Bismarck will kurz nach der Hochzeit seiner Tochter sich nach Varzin be­geben und dort bis zum Beginn der Reichslagssession verbleiben. Der Kanzler richtet sich in Hinterpommern ein vollständiges Arbeitsbureau ein; er geht also nicht auf Urlaub, sondern er will sich nur dem Lärm der großen Stadt und dem Verkehr mit Menschen entziehen. Graf Hebert v. Bismarck begleitet den Fürsten als dessen Geheimsekretär; in diesen Funktionen steht der Sohn des Kanzlers seit dem Tode des jungen Grafen zu Eulenburg.

Berlin, 5. Novber. Großes Interesse erregt Busch's Buch über Bismarck, noch größeres aber die Folgen, welche dasselbe nach sich ziehen und die wohl in einer beträchtlichen Anzahl von Beleidigungs- Processen gipfeln dürften; will doch derB. B.-C." schon aus sicherer Quelle wissen, daß durch die Mit­theilungen der scharfen, den ehemaligen preußischen Gesandten in Paris, Grasen v. d. Goltz, betreffenden Aeußerungen, welche Busch dem damaligen Grafen Bismarck in den Mund legt, sich die Familie des in­zwischen verstorbenen Gesandten in ihrer Ehre gekränkt fühlt und beabsichtigt, einen Preßprozeß gegen ihn anzustrengen. Man darf sich dabei wohl aus unge­wöhnlich interessante Zwischenfälle gefaßt machen.

Berlin, 7. Nov. Die ,,Kreuzzeitung" forder die Regierung auf, die Initiative zur Revision der Maigesetze zu ergreifen. Die Centrumspartei selbst