Amtsblatt für den Hberamts-Aezirk Hagold.
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Samstag den 2. November.
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1878.
Für die Monate November und Dezem-! ber ninunt jedes Postamt und die Postboten Bestellungen auf den „HelelstHafter" an.
Zur allgemeinen politischen Lage.
V.V V. Die Ausführung deS Berliner Vertrags stößt je langer, ans desto mehr Schwierigkeiten, und zwar gerade von Seiten derjenigen, welche dabei am nächsten betheiligt sind. Oesterreich hat das ihm anfgetrngene Occupationswerk in der Hauptsache dnrchgesührt, die Türkei und Rußland machen dagegen alle möglichen Winkelzüge, um sich ihren Verpflichtungen zu entziehen. Die Pforte säumt noch immer mit der Abtretung der Serbien und Montenegro zngesprvchenen Districte: statt mit Griechenland die empfohlene Grenzberichtignng zu vereinbaren, schickt sie vielmehr Truppen nach dem Westen und begünstigt die „albanesischc Liga", welche sich gebildet bat, um eine Losreißnng thcssalischcn und cpirotischen Gebietes mit Gewalt zu hindern. An die Ausführungen der Reformen in den europäischen Provinzen denkt die türkische Regierung natürlich noch weniger als an die in Kleinasien, für welche sie sich England gegenüber noch besonders verbürgt hat.
Unter diesen Umstünden benutzt Rußland begreiflicher Weise jeden Vorwand, den ihr die Pforte durch ihre Berlrags- untrene bieter, um auch seinerseits die Erfüllung der ihm obsiegenden Verbindlichkeiten hinansznschieben. Schon hat es bestimmt erklärt, daß es seine militärische Stellung bei Kon- stantinopcl nicht eher nnfgeben werde, als bis die Pforte Vorsorge für die seiner Armee folgenden Flüchtlinge getroffen, daß es überhaupt seine Truppen nicht über Adrianopcl znrück- zichen werde, bevor der endgültige Friede zwischen Rußland und der Türkei geschlossen sei.
Das Schlimmste ist, daß in Rnmelien und Makedonien, d. h. in denjenigen Ländern, welche durch den Vertrag von St. Stefano zu Bulgarien geschlagen, durch den Berliner Frieden aber von demselben getrennt worden waren, kürzlich ein neuer Aufstand ansgebrochen ist, welcher die Vereinigung aller von Bulgarien bewohnten Gebiete zu einem grvßbnlgarischen Reiche bezweckt, sich also offen gegen den Berliner Vertrag richtet.
In Folge dessen hat die Spannung zwischen Rußland und der Türkei einen so hohen Grad erreicht, daß die Pforte in einem amtlichen Rundschreiben Rußland rückhaltlos die Schuld an dem Aufstande beimißt und die Mächte sogar auffordert, die nordische Macht zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten. Gleichzeitig wird auf beiden Seiten von Neuem gerüstet: die Pforte concentrirt ihre Truppen und befestigt Eonstantinopel, und Rußland führt seiner Armee nicht bloß Verstärkungen zu, sondern unterhandelt auch mit Rumänien über ein Dnrchzngs- pecht durch die Dobrutscha.
So geht denn die allgemeine Meinung schon wenige Monate nach Abschluß des Berliner Friedens dahin, daß an eine strikte Durchführung nicht mehr zu denken, vielmehr eine Modifikation desselben ernstlich ins Auge zu fassen sei. Am bedenklichsten wird bei dieser Sachlage den Engländern zu Mn- the, welche vom Berliner Congresse den Lvwenantheil davon getragen hatten und sich durch den drohenden Verlust des Sie- gesprcises um so peinlicher berührt fühlen, da sie sich durch die Asfaire mit Afghanistan selbst die Hände gebunden haben und nicht im Stande sind, in Asien und in Europa gleichzeitig mit Aussicht auf Erfolg Krieg zu führen. An Worten läftt's freilich Albion nicht fehlen, um die Widerspenstigen einzuschüchtern. Nachdem sein Schatzkanzler zuerst Rußland vor den Ohren Europas einen Mahnzettel überreicht, hat es nachträglich auch dem Sultan öffentlich die Pflicht der Vertragstreue eingcschärft Und die ernste Warnung hinzngefügt, daß die letzte Aussicht auf Erhaltung des osmanischen Reiches auf der pünktlichen Ausführung der Bestimmungen des Berliner Friedens beruhe.
In der That scheint der große Proceß der Auflösung des türkischen Reiches durch den Berliner Congreß nur auf kurze Zeit zum Stillstand gebracht zu sein und im nächsten Frühjahr von Neuem vor sich gehen zu sollen. Glücklicher Weise mindert sich aber auch gleichzeitig die Befugnis;, als ob ans dieser Fortsetzung des Prozesses ein Weltbrand entstehen würde. Der Umstand, daß Oesterreich sich, wie voransznsehen, durch weiteres
Borrückcn nach Süden an dem Zerstücklnngswcrk betheiligen wird, schließt die für den Weltfrieden schlimmste Gefahr, einen Zusammenstoß der Kaisermächte ans. Eine Tripelallianz der j Westmächte mit Oesterreich ist für den Realpolitiker noch mehr s „Offenbachsche Musik", als der Berliner Friede, mag auch Graf l Beust in Paris noch so stark intrigniren. Frankreich wird schon > durch seine natürlichen Interessen im Mittelmeer abgehalten, ! sich allzu eifrig ans die Seite Englands zu stellen. Italien f hat soeben noch durch den Mund seines Ministerpräsidenten wie durch den eines Führers der Opposition erklärt, daß es ihm fern liege, sich ans gewagte Unternehmungen einznlassen, und eine Wiedererlangung der UUia irrelleiua nur auf dem Wege freundschaftlicher Verständigung mit Oesterreich erhoffe. Wenn sich das Gerücht bestätigen sollte, daß der mit England und Deutschland gleich befreundete Graf Schnwaloff, der den Aus- s brnch eines europäischen Kriegs im vorigen Frühjahr zu ver- : hindern verstanden, berufen sei, fortan die auswärtigen Ange- ! legenheiten Rußlands zu leiten, so würde das eine friedliche Entwicklung der Dinge mächtig leiten.
; Bor Allem aber ruhen unsere Friedenshoffnnngen nach
; wie vor auf derjenigen Regierung, deren Politik der deutsche Kronprinz so eben deutlich dargelcgt hat, als er dem Berliner Magistrat versicherte, der Kaiser trage keine höhere Sorge als die, den durch ihn geeinten und erstarkten deutschen Landen Glück, Wohlfahrt und dauernden Frieden zu sichern. Die europäischen Mächte werden den versöhnlichen Rathschlägen Deutschlands ein um so geneigteres Ohr leihen, da alle noch mehr oder minder unter dem wirthschastlichen Druck der Zeit seufzen und das Attentat auf König Alfons von Neuem gezeigt hat, wie weit die.socialistische Untergrabung der Grundlagen staatlicher Ordnung schon in allen Ländern vorgeschritten ist.
T a g e s - N e u i g k e i t e n.
Deutsches Reich.
** Nagold, 1. Noo. Kommenden Sonntag den 3. ds. Mts., Nachm. 3 Uhr, wird Missionar G. Lodholz aus Afrika einen Vortrag in der hiesigen Kirche halten, wozu die Mrssionsfreunde von Stadt und Umgegend freundlich eingeladen werden.
In Göttelsingen (OA. Freudensiadk) hat ein Mann seiner besseren Ehehälne, mit der er in Unfrieden lebte, durch einen Schuß die Fuße stark verwundet. Die gerichtliche Untersuchung ist im Gange, der zärtliche Ehegatte natürlich gefänglich eingezogen.
Wildbad, 27. Okt. Gestern feierten wir den Abschied unseres gemülhvollen Sladtschullheißen Mittler in würdiger und herzlicher Weise.
Wildbad, 29. Okt. Die bürgerlichen Kollegien haben einstimmig beschlossen, dem kürzlich pens. Oberlehrer Plank einen jährlichen Zuschuß von 200 zn seiner Pension ans der Gemeindekasse zu verabreichen, weil derselbe seit 40 Jahren mit aneckenncns- werlher Tüchtigkeit und Treue auf einer und derstlbeu Stelle als Lehrer in Wildbad ansharrle und wirkte. Zur Ehre der Gemeinde wird diese Mittheilung Hiemil veröffentlicht.
Stuttgart, 29. Okt. Dem Vernehmen nach ist der preußische Gesandte am hiesigen Hofe, Frhr. v. Magnus, zum deutschen Gesandten in Kopenhagen designirt.
Lu d ivi g s b urg, 30. Okt. Wie aus sicherer Quelle verlautet, ist die Brauerei zum englischen Haus (.vormaliger Besitzer Schwaier) in den Besitz des Hrn. Cluß ans Heilbronn um den Preis von 108,000 übergegangen.
Rortweil, 29. Okt. Bei der gestrigen Wahl der Handelsgerichtsschöfsen haben von 530 Stimmberechtigten des Kreisgerichtssprengels 6, sage mit Worten sechs von der „freiheitlichen Errungenschaft des all gemeinen Stimmrechtes" Gebrauch gemacht Die Han- delsgerichtsschöffen kommen mit Einführung der neuen Gerichtsorganisalion in Wegfall, was unier den obwaltenden Umständen in den betreffenden Kreisen nicht allzulief empfunden werden dürste.
In Börtlingen, OA. Göppingen, ist am 28.
j O l., Abende, ein Wohnhaus samt Scheuer mitten im j Dois total abgebrannt.
Oberndorf, 30. Okt. Gestern Vormittag ist > in Hochmöisingen ein größeres Bauernhaus mit sämt- ! Uchen Frucht- und Fultervorrälhen gänzlich abgebrannt. - Gaildorf, 29. Okt. .Heute früh 6 Uhr ent- z stand hier Fcuerlärm. In der Nähe der Stelle, wo vor 10 Jahren der große Brand ausgebrochen, stand ein von drei Familien bewohnles, 2stockiges Haus mit Scheuer unter Einem Dach in Flammen, als die Feuerwehr aus den Brandplatz kam. Die Mutter eines Mlteigenlhnmers stand brennend an einer Fensteröffnung deS'oberen Stocks, schrie gräßlich um Hilfe, wurde aus einer hohen Leiter herabgebracht, erlag aber ihren fürchterlichen Brandwunden nach einigen Stunden. Die Maller des andern Mileigenthümers, welche hinten hinaus wohnte, erlitt inzwischen den Erstickurrgstoo, und konnte aus den Flammen nicht mehr gerettet werden. Eine weitere Frau verunglückte durch-Beinbrüche. Nach einer halben Stunde stürzte das Hans zusammen, wodurch es den Anstrengungen der Feuerwehr um so eher gelang, die Nachbarhäuser auf beiden Seiten vor dem Brand zu retten. Wie die Nachforschungen ergaben, entstand der Brand dadurch, daß einer von drei Elsenvahnarbeilein, welche in dem abgebrannte» Haus eine Schlafkammer halten, beim Arrsstehen um halb 6 Uhr ein Licht anzündete und das brennende Zündhölzchen wegwarf, welches durch eine Spalte des Bretterbodens hinab aus unten gelegenes Stroh fiel und dteses entzündete. Wegen Herbeiführung eines Brau des durch Fahrlässigkeit, wodurch zwei Menschen den Tod erlitten, wurde der Eisenbahnarbeiter, ein Zimmergeselle aus dem Bezirk, in Hast genommen und dem Gericht übergeben.
Karlsruhe, 29. Okt. Der Landtag ist heute wieder zusammengelreten. Beide Kammern beschlossen Deputation an den Kaiser und den Großherzog, um ihre Theilnahme an den Ereignissen dieses Jahres zu bekunden. Geh. Rath Lamey wurde wieder zum Präsidenten gewählt, i Der Brand in der Stadt Lengsfeld hat eine furchtbare Verwüstung über den unglücklichen Ort gebracht. Alle öffentlichen Gebäude, mit Ausnahme der Kirche, einer Schule und einer Synagoge, sind abgebrannt. Die so säh ans dem Schlafe erweckten Bewohner haben meist nur das nackte Leben gerettet; durch Verheerung des Postgebäudes war auch auf einen Tag die telegraphische Verbindung abgeschnitten, und man konnte nicht telegraphisch um Hilfe bitten. Ein Feuerwehrmann aus Schweina bei Liebenstein ist schwer verletzt.
Die Meldung, daß Fräulein Margaretha von Rothschild zur katholischen Kirche übertreten wolle, entbehrt, wie dis „Franks. Ztg. versichert, jeder that- sächlichen Begründung.
Berlin, 28. Okt. Einzelnen Andeutungen aus Wien zufolge wäre in vertraulicher Weise dem Grafen Harry von Arnim, welcher jetzt sein Zelt in Oesterreich aufgeschlagen, zu bedenken gegeben worden, daß er der Regierung durch eine unzeitgemäße publicistische Thätigkeit die Pflicht der Gastfreundschaft nicht erschweren möge. Es scheint danach, daß man in Wiener Regierungskreisen der oft bezeigten Empfindlichkeit des Fürsten Bismarck in allem, was mit der Arnimfrage im Zusammenhang steht, im vollsten Maße Rechnung zu tragen willens sei. Die Broschüre „Der Nuntius kommt!" scheint eine Thätigkeit zu sein, welche man in Wien als dem deutschen Kanzler unangenehm erachtet. Die österreichischen Blätter legen selbstverständlich sehr energisch Protest gegen eine solche Preß-Beschränkung seitens ihrer Regierung ein.
Berlin, 28. Okt. Nach der Tribüne hegt man in parlamentarischen Kreisen den Wunsch, daß Admiral a. D. Werner sich zur Annahme eines Mandats für den Reichstag bereit finden lasse, da der Mangel einer