eilage zum Gesellschafter.
124 .
Samstag den 19. Oktober.
1878 .
Statistisches.
Die von der Kpl, Cenlrnlstelle für Gewerbe und Handel hercmSgegebenen „Jahresberichte der Handels und Gewerbe- kümmern in Württemberg" pro 1877 bringen unter anderem auch eine Zusammenstellung vv» Durchschnittspreisen der Bic- iualien in einer Anzahl wnrttembergischer Städte. Es heißt da: t Kgr. sänvarzes Hausbrod kostete 16 -4 in Gmünd: 2k in Calw: 22 in Ellwangen: 23 in Lndwigsbnrg, Kirchheim: 24 in Heilbronn. Hall: 25 in Aalen, Crailsheim, Heidenheil», Reutlingen: 26 in stnnzelsan, Urach, Nürtingen: 27 in Rott weil, Balingen : 26 in Giengen: 28 in Tübingen, Eßlingen, Cannstatt, Tlntlgart,
Wenn in den letztgenannten Städten das Tchwarzbrod beinahe nvchmat so viel kostet, wie in Gmünd, so muß man sich doch fragen: Woher kommt das? Frucht und Niehl sind in Gmünd schwerlich billiger als in Stnllgarl und Tübingen, Angenommen sogar, das Gmünder Schwarzbrod enthalte ein gutes Quantum Gerstenmehl, sei also geringerer Qualität, so ist der Preisunterschied doch noch ungerechtfertigt. In Etlwam gen bäckt man vorzügliches Roggenbrod, das entschieden besser ist als in Stuttgart und Eßlingen und doch betrügt die Differenz noch -r! Pkw P d.
Tie Statistik jagt weiter: 1 Kgr, weißes Kernenbrvd kostet 26 <4 in Kirchheim: 27 in Ellwangen, Heilbronn: 28 in Lndwigsbnrg, Crailsheim, Calw, Eßlingen, Gmünd, Heidcnheim, Hall; 29 in Aale», Künzelsan, Urach, Nürtingen, Reutlingen: 31 in Rottweil, Cannstatt, Stuttgart; 32 in Tübingen, Gien gen: 33 in Balingen,
1 Wecken » 3 ü wog 62 Gr, in Ulm, (1 Hcrrenbrvd s 3 <! wog 52 Gr.): 61 in Heilbronn; 55 in Kirchheim, Künzelsan; 53 in Nürtingen; 52 in Lndwigsbnrg, Reutlingen, Urach; 50 in Eßlingen, Stuttgart, Hall; 47 in Balingen: 46 in Tübingen: 45 i» Rotlweil: 40 in Cannstatt.
Auch hier zeigen sich wieder sehr auffällige Unterschiede: welche jene» Lehrsatz des Manchesterthnms, daß die Konkurrenz alles ansglciche, geradezu Lügen strafen. Die Gewichtsdifferenz eines Krenzerwcckens in Stuttgart und Cannstatt beweist, daß nicht die Konkurrenz, sondern die Verabredung der Konkurrenten zu Ungnnsten des Publikums die Preise regulirt. Diese Zahlen beweisen die Nvthwendigkeit, daß die Brodpreise wieder wie früher von der Polizei regulirt werden. Freilich sind während der Brodtaxen die Bäcker etwas langsamer reich geworden und konnten weniger reiten und auf die Jagd gehen.
Bezüglich der Fleischpreise notirt die Zusammenstellung: 1 Kgr. Ochscnfleisch kostet 1,20 in Künzelsan: 1,21 in Urach; 1,25 in Reutlingen; 1,26 in Hall: 1,27 in Heilbronn, Nürtingen; 1,28 in Kirchheim; 1,29 in Lndwigsbnrg: 1,30 in Calw; 1,32 in Eßlingen, Tübingen, Rottwcil; 1,33 in Cannstatt; 1,34 in Ulm; 1,41 in Stuttgart,
1 Kgr. Kalbfleisch kostete ^ 1,10 in Ulm; 1,11 in Reutlingen; 1,12 in Heidcnheim; 1,13 in Urach; 1,14 in Calw; 1,16 in Tübingen; 1,18 in Ellwangen: 1,20 in Rottweil; 1,22 in Heilbronn; 1,24 in Eßlingen: 1,28 in Ludwigsbnrg, Nürtingen; 1,31 in Gmünd; 1,33 in Cannstatt, Stuttgart,
1 Kgr, Schweinefleisch kostete -L 1,12 in Reutlingen: 1,23 in Hall: 1,24 in Urach: 1,27 in Heilbronn: 1,28 in Welzheim: 1,31 in Ulm; 1,32 in Aalen: 1,33 in Heidenheim, Calw; 1,34 in Tübingen, Lndwigsbnrg: 1,37 in Eßlingen: 1,38 in Gmünd: 1,40 in Rottweil, Stuttgart,"
In Ulm ist bekanntlich die städtische Cvnsnmstener ans das Fleisch genau so groß, wie in Stuttgart und doch ist das Pfund Kalbfleisch um 11>/- per Pfund in Stuttgart thenrcr als in Ulm, Man wird vielleicht cinwenden, cs kommen hier Transport- und Schlachthanskoste» in Betracht, Allein das zugegeben, so können diese Mehrkosten doch unmöglich 23 Lei jedem Kgr. Fleisch ansmachcn.
Der „Segen des Zwischenhandels", der für das kon- sumirende Publikum ein Unscgcn ist, zeigt sich in den Durchschnittspreisen für Butter, Kartoffeln, Milch und Eier: 1 Kgr. Butter kostete „L 1,87 in Künzelsan; 1,88 in Ulm: 1,91 in Kirchheim: 1,96 in Cannstatt; 2,00 in Balingen, Urach, Hall, Ludwigsbnrg; 2,18 in Reutlingen; 2,21 in Calw; 2,22 in Nürtingen; 2,28 in Tübingen; 2,32 in Eßlingen; 2,41 in Stuttgart.
1 Ctr, Kartoffeln kostete 3,27 in Lndwigsbnrg; 3,35 in Rottweil; 3,37 in Künzelsan: 3,57 in Stuttgart; 3,64 in Eßlingen; 3,95 in Cannstatt.
1 Liter Milch kostete 13 -4 in Lndwigsbnrg: 14 in Eßlingen; 15 in Calw; 16 in Stuttgart, Hall, Künzelsau; 18 in Cannstatt.
Eier 1 Stück 5 ^ in Balingen; 6 in Reutlingen, Kirch-
hcim, Urach, Heilbronn, Hall, Künzelsan, Calw, Stuttgart,
Eßlingen, Cannstatt, Ludwigsbnrg; 7 in Tübingen,
Während das Kgr, Butter in Cannstatt um 45 ^ billiger ist als in Stuttgart, kostet umgekehrt das Liter Milch in Cannstatt 2 mehr als in Stuttgart, obgleich täglich mehrere tausend Liter aus dem Remsthal und aus Qber- und Unter- türkheim an Cannstatt vorbei nach Stuttgart pr, Bahn geführt werden, Tübingen ist mit dem nahen Balingen durch die Eisenbahn verbunden und doch kostet ein Ei in Tübingen 2 mehr als in Balingen, Ein ähnliches Mißverhältnis? für die beiden letztgenannten Städte zeigen auch die Bntterpreise, Die Differenz bleibt vsfenbar in den Händen der Zwischenhänd- l e r. Die W, Corr,, der wir diese Zusammenstellung entnehmen, fragt schließlich: Sollten Cvnsnmvereine nicht im Stande sein, derartigen Uebelständen des Zwischenhandels abznhelfcn?
Der verlorene Schatz.
Novelle von Friedrich Hagen.
(Nachdruck verboten.)
Die Sonne war eben untergcgaugen und der Abend bcrcttete langsam seine dunNca Schatten über die Fluren, nach und nach über Berg und Thal, Wald und See seine Schleier webend. Louise und Ferdinand standen noch immer an der Burgruine.
„Ader ich muß jetzt gehen, Ferdinand, es ist be reiis dunkel geworden und der Vater harrt meiner," hob Louise nach langem Schweigen an. „Ich habe ihm versprochen, in einer Siunde wieder da zu sein. Du weißt selbst, daß der Vaier Dir nicht gewogen ist, weil Du arm tust, Ferdinand, Ich wüßte jetzt keinen andern Ausweg, aiS wenn Du ihm nochmals Deine Lage vorstelllest. Der Vaier ist geidstolz, er verlangt von seinem Schwiegersohn, daß er reich sei. Da weißt, er hat dem Schulmeister deßwegen angedcutet, jede Bewerbung um meine Hand aufzugebeu, denn einen armen Schlucker könnte er nicht brauchen "
„Aber, liebe Louise, was soll ich lhun? Du weißt, ich bin arm, ich lebe von meinem Unlerrich!, den ich aus dein Gute ertheile, aber ich glaube doch, wenn ich Deinem Vater die Aussichten klar lege, die ich habe, so wird er nichts gegen unser Verhättniß einzuwenden haben. Ich glaube, daß dein Valcr nicht so schlimm ist, wie Du ihn schilderst,"
„Ach, er ist viel schlimmer, als Du meinst. Seitdem die Mutter gestorben, ist gar kein Auskommen mehr mit ihm. Ich habe ost meine Noch, um den jähzornigen, aufgebrachten Mann zu besänftigen. Dabei verkehrt er auch immer mit dem Pfarrer, den er ganz in sein Herz geschlossen hat. Du weißt, ich kann den salbungsvollen, srömmelnden Mann nicht ansstehen. Es durchschneidet mir immer das Herz, wenn ich ihn sehe; der Valcr hat mir schon oster angedeutel, daß es wohl ein geeigneter Mann für mich sei; er habe Geld genug, ein schönes Einkommen und ein stattliches Aeußere. Da habe ich denn immer taut auflachen müssen, und der Vater hat dann nichts weiter davon gesprochen,"
„Aber ich muß handeln, liebes, einziges Mädchen ; die Zeit vergeht und wer weiß, welche Ereignisse ein trete», die vielleicht unser ganzes Verhättniß vernichten Doch will ich morgen zu Deinem Vater gehen und mit ihm reden, ich will ihm Alles anseinandersetzen, denn wenn Dein Vater nicht ganz und gar von Voruriheilen eingenommen ist, so wird er nichts gegen unsere Verbindung haben. Ich bin noch jung, habe Lust und Liebe zur Arbeit, und habe durch die großen Empfeh lungen, die ich von der Universität mitgebracht habe, Hoffnung, bald eine günstige Stellung zu erlangen. Freilich viel werde ich in der ersten Zeit nicht erwerben können, aber wenn Dein Vater uns Einiges mit in den Ehestand giebt, so werden wir schon zusammen leben können."
„Aber ich fürchte, daß der Vater zu gar nichts zu bewegen ist. Du weißt, er ist Dir auch nicht hold wegen Deinen politischen Ansichten, ich weiß nicht, wie er es nennt, ich glaube demokratisch, und weil Du ihm immer widerlegst und eine gewandte Znnge hast. Der Vater ist natürlich immer ausgebracht und Hai mir neulich gesagt, er möge Dich gar nicht mehr sehen. Wenn er sogar wüßte, daß wir Beide ein Verhältnis hältcn, ich stürbe vor Angst; ich glaube, er jagte mich sogar wieder aus dem Hause,"
„Innig geliebtes Mädchen, fürchte das nicht, Dein Vaier wird nicht so inhuman, nicht so schrecklich sein;
aber vor Allem laß Niemand in der Welt von unserem
Verhältniß merken. Aber nun leb wohl, mein einziger Schatz, morgen erwarte ich Dich. Rede einmal recht offen und bestimmt mit Deinem Vater; schaden kann dies auf keinen Fall. Lebe wohl, mein Herz,"
Die beiden Liebenden schlossen sich innig in die Arme, und dann trat jeder den Heimweg an.
Louise ging direkt auf dem Fußpfade zum Thal hinab, wo die Mühle ihres Vaters lag, indeß Ferdinand über den Berg dem Gute zuging, wo der Freiherr von Franken wohnte, —
Es war ain Vormittag des folgenden Tages, als Feidinand in die Wohnung des reichen Müllers Oskar Haufen tral, um nach allen Regeln der Sitte um die Hand seiner Tochter zu werben.
Der Müller cmpfieng den jungen Mann auffallend kalt und fragte in kurz angebundenem Tone, was sein Begehr sei.
Ferdinand saßte sich ein Herz. Ihr werdet es schon lange gemerkt haben, lieber Herr Haufen, daß mir Eure Tochter Louise nicht gleichgültig ist, denn ich kann Euch versichern, daß auch von ihrer Seite Gegenliebe vorhanden ist. Meine Verhältnisse kennt ihr ganz genau, ich habe mich um eine Lehrstelle in der Provinz beworben; beiden Empfehlungen, die ich habe, wird es mir vielleicht nicht schwer werden, den Posten zu erhalten. Es dürste allerdings ein ganzes Jahr damit vergehen, bevor ich diese Stellung antreten könnte. Aber diese Zeit würde ja genügen, daß Ihre Tochter und ich zusammen im Brautstande leben könnten. Meine Aussichten sind zwar vorläufig nicht glänzend, aber ich hoffe doch so viel erwerben zu können, daß ich eine Frau ernähren kann. Ich frage Euch daher offen und ehrlich, wie es meine Art ist, und ob Ihr damit einwilligen und mir Eure Tochter zur Frau geben wollt," „Ei, ei, sieh mal an," hob der alte Müller in elwas höhnischem Tone an; „das wäre noch das Richtige, habe mir schon längst so etwas gedacht; weiß Galt, so ein junger Mann, wie Ihr, der den Kopf voller gelahrter Hirngespinste hat, konnte des reichen Haufen Tochter freie», so mir nichts, Dir nicht; das wäre eine schöne Geschichie, solchen Schwiegersohn, wie Euch, zu bekommen. Ich schlage Euch das rundheraus ab, aus der ganzen Geschichte kann gar nichts werden ; so wahr ich hier in der Stube stehe, Ihr bekommt meine Tochter zum Weibe nicht, Punktum, das Mädchen ist für einen Andern bestimmt, nicht für Euch, und damit schweigt mir von der ganzen Geschichte, Die Sache ist ein für allemal abgethan, Ihr kriegt das Mädchen nicht, oder Ihr müßtet dann reich sein, Geld haben, wie ich cs brauche in meinem Geschäft; arme Schlucker kann ich nicht brauchen, basta I"
„Bedenkt, was Ihr sprecht; glaubt nicht, daß Eure Tochter jemand anders liebt und jemand anders zum Manne nehmen wird, als mich; ich bin ihrer gewiß, sonst wäre ich nicht hierher gekommen. Aber ich glaube, daß Ihr dieses noch einmal bereuen werdet, man weiß nicht, wie die Verhältnisse kommen. Aber ich will Euch nicht zwingen, Ihr werdet selbst wissen, was Ihr zu thun habt; aber es ist nicht wohlgethan, Herzen, die sich einander lieben, so herzlos zu trennen, und das Alles des elenden Geldes wegen, zumal Ihr, der Ihr steinreich seid. Weiß Gott, es wird sich Alles rächen; lebt wohl, hoffentlich werdet Ihr Euch noch eines Besseren besinnen."
„Ich bleibe bei meiner Ansicht," gab der Müller barsch zur Antwort; ,,was ich Euch heute gesagt habe, werde ich Euch immer sagen: Ihr paßt mir nicht zum Schwiegersöhne."
Ferdinand erhob sich, „Nun, so werde ich mich mit dem traurigen Bescheide verabschieden müssen, aber ich glaube ganz bestimmt, daß noch einmal die Zeit kommen wird, wo Ihr diese Worte bitter bereuen werdet. Damit lebt wohl,"
Der Alte nickte herablassend mit dem Kopfe. Ferdinand empfahl sich und ging aus der Stube,
,,Ha, ha," lachte der Müller, „so ein verhungerter Magister, so ein gelehrter Federfuchser, der denkt wohl, daß ihm die ganze Welt gehörte; weiß Gott, einen solchen Gesellen zum Schwiegersohn zu erhalten, das wäre mir eben recht,"
Dann ging er zu seinem Pulte, nahm einen Sack mit Geld heraus und fing langsam an, die klingenden Thaler zu zählen ; ein Geschäft, das er jeden Morgen