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jahrte Schuhmachers-Wittwe, deren äußere Lebensverhältnisse die bitterste Armuth zur Schau trugen. Sie klagte über Mangel am Allernothwendigsten und verschmähte selbst ein kleines Almosen nicht, um sich ein warmes Mittagessen zurichten zu können. Die Ver- lassenschafls-Commission war daher nicht wenig erstaunt, in der Wohnung dieser Armen eine Summe von 10,000 Gulden baar und in Werthpapieren zu finden, welche sie wohl geordnet in einem Testamente ihren Verwandten bestimmt hatte.
In Regensburg wurden wegen Herstellung und Verlcitgabe von mit Wasser verdünntem Biere 2 Bierbrauer um 45 -S und 50 gestraft und in die Kosten verurttzeilt.
Gotha, 28 Aug. Schon am 1. Oktober d. I. werden hier alle Vorbereitungen beendigt sein, um mit der fakultativen Verbrennung von Leichen beginnen zu können. Fast ist die ziemlich kostspielige, aber geschmackvolle Leichenhalle nebst Verbrennungsofen und Kolum barium auf dem hiesigen neuen großen Friedhofe schon sertiggestellt. Die Leiche des vor einiger Zeit verstorbenen Ingenieurs Stier, welcher auf einem der hiesigen Friedhöfe beigesetzt ist, wird die erste sein, die in der Anstalt verbrannt wird. Auch die sterblichen Ueberreste Fremder werden unter den festgesetzten Bedingungen hier aus dem Wege der Verbrennung bestattet werden können.
Berlin, 27. Aug. Wie bereits gemeldet, war cs den beim Wrack des ..Großen Kurfürsten" beschäftigten Tauchern gelungen, einen schweren Anker vom Schiffe klar zu machen. Gestern ging nun einer der Taucher, Namens Thomas, hinab, um den Anker mit dem Hebungsponton in Verbindung zu setzen. Nach circa anderthalb Stunden ward er auf ein von ihm gegebenes Zeichen herausgezogen. Als ihm darauf der Helm und die übrigen Taucherkleider abgenommen waren, verfiel er in Bewußtlosigkeit, das Gesicht war purpurroth und Schaum trat ihm vor den Mund. Ec ward sofort ans Land und unter ärztliche Pflege gebracht, ist indeß noch nicht zum Bewußtsein gekommen. Nach Ansicht der Aerzte hat er durch zu langes Verbleiben unter Wasser einen Schlagfluß und inneren Bluterguß erlitten. An seinem Aufkommen wird ge- zwciselt. (Fr. I.)
Berlin, 29. Aug. Die Nationalliberalen des I. Berliner Wahlkreises beschlossen gestern, o. Staufsen- berg als Kandidaten aufzustellen. Die lForlschritts- partei desselben Wahlkreises beschloß, Ludwig Löwe aufzustellen. Eine Versammlung nationalliberaler Wähler des ll. Berliner Wahlkreises beschloß gestern mit 165 gegen 101 Stimmen, ein Kompromiß mit der Fortschrittspartei nicht einzugehen, sondern selstständig einen Kandidaten auszustellen.
Schulze-Delitzsch feierte am 29. August seinen siebzigsten Geburtstag.
Die Nachricht, daß der Meuchelmörder Nobiling behufs Erforschung seines Geisteszustandes nach einer Irrenanstalt überführt werden solle, ist nach dem B. Tagbl. unbegründet. Nobilings körperlicher Gesundheitszustand hat sich, obwohl die Kopfwunde noch nicht ganz geheilt, derartig gebessert, daß er alle Nahrung mit einem nicht zu verkennenden Appetit zu sich nimmt und seit einigen Tagen unter Aufsicht von Gesängniß- beamten in dem an der Spree gelegenen Garten der Stadtvogtei Spaziergänge unternimmt. Sein Zustand ist derart, daß eine Vernehmung wohl bald möglich sein wird.
In sozialdemokratischen Kreisen liegt nach einer Mittheilung Berliner Blätter die Absicht vor, an demselben Tage, an welchem das erwähnte Gesetz in Kraft tritt oder vielmehr, an welchem es im Reichstag angenommen wird, ein Verbot ihrer Zeitungen nicht erst abzuwarten, sondern ihr Erscheinen freiwillig zu sistiren und eben so ihre gesammten Vereine, Hilfskassen rc. auszulösen, damit für die Verfolgungen und Konfiskationen kein greifbares Objekt übrig bleibe. Die Partei hält sich für hinreichend erstarkt, um die Agitation heimlich von Haus zu Haus fortsetzen zu können, ohne dabei Handhaben für die Anwendung des Ausnahmegesetzes zu bieten. Da man jedoch auf die Dauer der Hilfe der Presse nicht gut entrathcn kann, so beabsichtigt man, Parteiblätter im Ausland drucken zu lassen und gleich von vornherein Einrichtungen zu treffen, welche die Vorbereitung dieser Zeitungen trotz Verbots und trotz Entziehung des Postbetriebs ermöglichen wird.
Oesterreich—Ungarn.
Wien, 30. Aug. Der „Pest. Lloyd" meldet: Geringerer Schätzung nach stehen Szapary 22,500 Mohamedaner gegenüber. Die Gesammtzahl der in der Herzegowina befindlichen Insurgenten beträgt 30,000
Mann, darunter Rhedifs, Nizams mit 16 Geschützen. Unser Gesammtverlust bei der Einnahme von Sarajewo betrug 624 Mann. (Fr. I.)
Frankreich.
Paris, 30. Aug. Das .Journal offiziell" sagt: Die Münzkonferenz hat ihre Arbeiten geschlossen. Da die Mitglieder der Konferenz nicht die Aufgabe hatten, ihre Regierungen zu verpflichten, konnte eine internationale Abmachung aus den Berathungen nicht hervorgehen, aber der staltgehabte Jdeen-Austausch und die von den Delegirtc» entwickelten Anschauungen werden immerhin den Erfolg haben, die Regierungen auszuklären und das Studium und die Lösung der Fragen, betreffend den Geldumlauf der verschiedenen Länder, zu erleichtern.
Vor dem Zuchtpolizeigericht von Sens erschien kürzlich ein gewisser Danloine, 20 Jahre alt, weil er 2 Speisewirlhen mit der Zeche durchgebrannt war. Als er aufgerufen wurde, fragte ihn der Präsident: Wie heißen Sie? — Das wissen Sie ganz gut, erwiderte Dantoine. Sie haben es ja vor sich. — Ihre Beschäftigung? — Ich bin Dieb wie Sie, antwortete Dan- toine. — Und kaum hatte er geendet, als er seinen Schuh auszog und ihn dem Präsidenten an den Kopf warf. Glücklicher Weise traf der Schuh nicht sein Ziel, er flog gegen das Tintenfaß, welches umsiel und alle Richter bespritzte. In Folge dieses Zwischenfalles hat das Gericht sein Urtheil gegen Dantoine, der früher einer geistlichen Brüderschaft angehörte, aber wegen Unzucht aus derselbe» ausgeschlossen wurde, vertagt.
England.
London, 28. Aug. Der jüngste Friedenskongreß in Paris veranlaßt die Times zu einigen sehr verständigen und beherzigenswerthen Sätzen. Sie schreibt: „Keine Regierung existirt, die es wagen würde, einen Krieg im Widerstande mit dem nationalen Willen zu führen. Sind die Nationen für den Frieden, so werden die Negierungen auch für den Frieden sein. Bis jetzt ist die Schwierigkeit die gewesen, daß Krieg und nicht Friede immer in der Volksgunst gewesen ist. Der Antrieb dazu ist von unten, und nicht von oben ausgegangen. Die Regierungen haben Krieg erklärt und die Verantwortlichkeit der Führung übernommen, sie sind aber nur sozusagen die Werkzeuge der kriegerischen Einflüsse gewesen. Unter der Bevölkerung sicherlich hat das Kriegsfieber immer am stärksten gebrannt." Wenn das Volk nun seine eigene Vergangenheit richte, so sei das ein hoffnungsvolles Zeichen. Habe es jemals einen Krieg gegeben, für den das Volk und nicht seine Lenker verantwortlich waren, so sei es der Krieg von 1870. Gewiß sei es im höchsten Grade verbrecherisch von der franz. Regierung gewesen, den Volkswünschen nachzugcben, über die wahre Ursache des Unheils aber könne kein Zweifel bestehen. Ebenso sei der Krieg Rußlands gegen die Türkei ein Krieg nicht des Zaren, sondern des russischen Volkes gewesen. Und wenn jüngst die Gefahr eines englisch-russischen Krieges Vorgelegen, sei dies hauptsächlich der Volkserregung zuzuschreiben. (Schw. M)
London, 31. Aug. „Daily Telegraph" meldet aus Pera, 29. Aug.: General Totleben empfing die Weisung, die Einschiffung der russischen Truppen zu sistiren, weil die britische Flotte noch vor den Prinzeninseln liegt.
Türkei.
In der Umgebung von Sarajewo ist der Aufstand im Erlöschen begriffen, viele Insurgenten sind heimgekehrt. Die Insurgenten haben ihre Hauptmacht in der Nähe von Tuzla concentrirt.
Nunmehr bestätigt auch ein Berichterstatter der Allgemeinen Zeitung aus Philippopel die maßloßen Gräuelthaten gegen Mahomedaner im neuen Ost-Ru- melien. Nicht weniger als dritthalbtausend friedliche türkische Bauern — die geringste Ziffer angenommen — sammt Frauen und Kindern wurden im Juli von der bulgarischen Bevölkerung in entsetzlicher Weise verstümmelt und ermordet; ganze türkische Ortschaften und alles nicht tragbare Eigenthum wurden vernichtet. „Ich habe dies", fährt der Berichterstatter fort, „im Vereine mit dem verdienstvollen englischen Konsul Blunt in verschiedenen von dem Vali des Adrianopeler Vilajets ausgenommen amtlichen Protokollen bestätigt und darüber auch dem englischen Botschafter Layard Mittheilungen gemacht, welche später in dem englischen Blaubuche Aufnahme fanden."
Amerika.
(Ein Beispiel der Größe nordamerikanischer Fabrike n.) Die Tabak- und Cigarrenfabrik von Laurillard und Co. in New-Uork gebraucht alljährlich an 25,000 Fässer Virginy- und Kentucky- Tabak und entrichtet alljährlich ca. 4 Mill. Doll.
Steuern, eine Summe, die den jährlichen Tabakzoll- Ertrag in Deutschland nicht unwesentlich übersteigt.
Die „Jllinois-Staats-Zeitung" ist durch Vergleichung der in Stuttgart und in Chicago gegenwärtig bezahlten Preise für Lebensmittel, als: Brot, Fleisch, Butler, Schmalz, Kartoffeln rc, zu dem Resultate gelangt, daß alle diese Artikel sowohl in Chicago als auch in St. Louis, also in den zwei größten Städten des Westens, weit niedriger sind als in der genannten süddeutschen Stadl.
Handel Verkehr rc. Mittlere Fruchtpreise per Centner
vom 2l. dis 27. August.
Backnang
Kernen.
et
Roggen.
Gerste.
^ ei
Hader.
7. 37.
Biberach
. 11. 9l'.
8. 47^
8. 11.
7.
63.
Winnenden.
. 10. 69.
7.
19.
Isny . .
. 12. 35.
9. 74.
8.
1.
Bopsingen .
. 11. 6.
8. 50.
9. —.
7.
20.
Giengen
. 10. 90.
8. —.
8. 45.
6.
35.
Ebingen . .
. 12. 35.
9. 68.
7.
20.
Gelslingen .
. 11. 65.
—. —.
_ , _
Hall . . .
. 11. —.
8. 13.
6. —'.
6-
30.
Heidenheim.
. 11. 85.
8. —.
8. 76.
7.
50.
Nagold . .
. 10. 80.
9. 37.
9. 50.
8.
56.
Rottweit
. 12. 39.
— . — .
—. —.
7.
69.
Ulm . . .
. 10. 16.
8. 60.
8. 70.
7.
24.
Urach . .
. —. —.
9. —.
,—. —.
7.
58.
Kirchheim .
. 11. 50.
—. —.
7. 38.
5.
63.
Leutkirch :
. 11. 39.
9. 85.
— . _.
7.
57.
Tuttlingen .
. 12. 17.
—. — .
—. —.
7.
59.
Waldsee
. 11. 34.
—. —.
8. 80.
7.
42.
sSl.-Anz.)
Stuttgart. Ob st markt auf vem Wilhelmsplatz, 31. Aug. Mostobst Zufuhr 500 Säcke, Verkauf langsam. Preis pro Ctr. 3 50 ei. Kartvsielmarkt: Zufuhr
300 Säcke, Verkauf lebhaft. Preis pro 100 Kilo 7 SO «k.
Tübingen, 30. Aug. Auf vem heutigen Obstmarkt machte sich ein lebhafter Handel bemerkbar und kamen die Preise etwas in die Höhe; Birnen galten 11—12 Pr. Sack, Aepsel 6—8 pr. Sack; I hundert Kraut 11—12 .L, Kartoffeln 7—7 50 e! Pr. Sack.
Horb, 27. Aug. Einsender halte dieser Tage Gelegenheit, dis schönen Hopfenanlagen, sowohl an Draht als Stangen zwischen Göttelfingen und Bollmacingen zu sehen. Wenn man von manchen Orten über den Stand derselbigen Klagen hört, verschwinden hier dieselben ganz. Man sieht Gärten, besonders Drahlaniagen, die ausgezeichnet stehen und mit den reichsten Dolden versehen sind, frei von jedweder Krankheit, mit massenhaft überhängenden Oderzähnen, die schwer beladen über die Stangen und Drähte herunter hängen. Hopsenhändler werden hier eine gehaltreiche Maare in großer Masse finden und mögen die Produzenten dafür einen schönen Preis erzielen.
Tübingen. Hopfe »bericht vom 27. Aug. Mit Beginn dieser Woche hat die Frühhopfenernte auch in anderen Gegenden Deutschlands als der unsrigen ihren Anfang genommen. Auf dem Markt zu Nürnberg wurden gestern beiläufig 50 Ballen 1878er Waare, zum größten Theit Tstt- »anger Gewächs, umgesetzt und gingen die Preise von 120 bis 150 .6, während 1877er Gewächs fast gar keine Nachfrage fand. In Tettnang wurden 100-120 für den Ctr. bezahlt. Es wird sich jetzt bald zeigen, ob auch im übrigen Deutschland, wie in der Tettnanger Gegend, die Erwartungen in der Größe deS diesjährigen Ernteertrags zu hoch gespannt gewesen sind. Ist man in der gedachten Beziehung noch nicht einmal in Absicht auf Deutschland im Reinen, wie wenig wird solches in Absicht auf England und Amerika der Fall sein. Aber soviel ist jetzt schon gewiß, daß, wie in Aussicht gestellt wurde, der Ctr. Hopsen nicht auf 300 -L zu stehen kommen wird; man wird vielmehr zufrieden sein dürfen, wenn sich die gegenwärtigen Preise zu halten vermögen. Indessen gilt auch in dieser Beziehung, was so oft im Leben: „Nichts gewisses weiß man nicht".
Paris, 27. Aug. (Th cur es Brod.) Man liest in der „Patrie": Der Preis des Brodes ist in einigen Stadtvierteln von Paris gestern gestiegen, was bei der Mittelmäßigkeit der Getreideernte nicht Wunder nehmen kann. Der Ertrag der letzteren ist beinahe überall hinter den Erwartungen zurückgeblieben und weit unter einem mittelguten. Frankreich, welches schon seit einigen Jahren mehr einsührt als aussührt, wird also genölhigt sein, seine Einkäufe im Auslande noch zn vermehren, ein Umstand, der dem öffentlichen Wohlstands aber auch keinen sehr erfreulichen Winter ver» __ (Neue Ztg.)
Der Wilderer.
Erzählung von W. v- Strachwitz.
(Fortsetzung.)
Am Rande der Lichtung, welche das Forsthaus umgab, bemerken wir trotz der inzwischen hereingebrochenen Dunkelheit den Ziehbrunnen, welcher die Försterei mit dem nöthigen Wasser versorgt.
Als die Andern sich zum Abendbrot niederließen, trat Anna mit dem Wassereimer ins Freie und schlug den Weg nach dem Brunnen ein. Als sie sich demselben näherte, trat hinter dem Brunnen, der ihn bisher verborge», ein junger Mann hervor und ging dem Mädchen einige Schritte entgegen. ,,Guten Abend, Anna," sagte er und nahm ihr den Eimer ab, um sie der Mühe des Füllens zu überheben. Sie erwiderte den Gruß, aber mit so tonloser Stimme, daß ihr Begleiter ihr betroffen ins Gesicht schaute, und in ihren Zügen zu lesen versuchte. Sie gingen die wenigen Schritte stumm neben einander her, der Bursche ließ
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