seinen Träger macht, stürzt der Eommerzienrath hin, er hebt die Haspe und reißt die Thür auf, im selben Moment drei Schritt zurückschnellend und sich in Ver- theidigungsstand setzend.
Da purzeln sie heraus, vorweg Baron Schindelberg, schwarz wie der Teufel, das prachtvolle Rosen- bouquet vorsichtig balancirend, den langen, flatternden Schnurrbart gepudert mit Nuß; Otto, womöglich noch schwärzer, aber nicht im Stande, seine Heiterkeit zu unterdrücken; Wilhelm, der schwärzeste, einen Blick weißglühender Wuth aus Minna werfend, die, ihren Othello kennend, mit Kopf und Hand allerhand beschwichtigende Zeichen gibt.
„Alle Wetter!" Der Commercienrath läßt den schußbereiten Revolver sinken und prallt einen Schritt zurück. „Herr Baron! Herr Wildermuth! Sehe ich recht?"
„Eh, eh! mein lieber Herr Commercienrath, eh, eh, mein gnädiges Fräulein —" er wendet sich und sucht Hedwig, erblickt sich aber der Tante gegenüber, „eh, eh, die Ueberraschung — Ehre — das Vergnügen, eh, eh, mein gnädigstes Fräulein —"
„Ja, welch' reizende Ueberraschung, diese wundervollen Rosen, o, wie zart, wie sinnig, wie romantisch! o, bester Baron, diese Aufmerksamkeit an meinem Wiegenfeste —"
„Ihr Wiegenfest, meine Gnädigste? Eh, eh ja, ja, verzeihen Sie, die ungewöhnliche Situation verwirrt mich vollständig —"
„Ja, liebster Baron, heut vor acht und zwanzig Jahren
„Oh. oh, oh!" Der Eommerzienrath kämpft mit einem wahren Erstickungsanfall, er prustet und hustet, daß ihm die dicken Thränen über die Backen rollen.
Die Tante wirft ihm einen Blick voll tiefster Entrüstung zu. Schindelberg sieht erstaunt von Einem auf den Andern; da gewahrt er, was sein Blut erstarren macht: Otto hat sich Hedwig genähert. Sie tauschen einen Blick innigen Einverständnisses, sie neigen sich einander zu; sie — Schindelberg schließt die Augen — sie küssen sich.
Im nächsten Augenblick wendet sich der Commercienrath nach dem jungen Paare um. „Alle Wetter, Kinder," lacht er noch immer und betrachtet neugierig Hedwig, die auf der Nase einen schwarzen Fleck trägt, „erst habt Ihr, wie es scheint, Verstecken gespielt und nun amüsirt Ihr Euch wohl gar mit schwarzem Peter?"
Ein Geräusch hinter seinem Rücken zieht seine Aufmerksamkeit dorthin. Minna har die Eifersüchtigen Blicke Wilhelms nicht länger ertragen. Sie ist zu ihm getreten, und mit einem bittenden Aufschlag der schwarzen Augen bietet sie ihm die Lippen zum Versöhnungskuß. Wer könnte da widerstehen? „So, so! So wird das gemacht?" Das Lachen des Commercienraths klang nicht mehr ganz so herzlich. Minna bemerkt mit Schrecken, daß der Commercienrath die Versöhnung beobachtet, und daß auch sie einen verrätherischen Fleck auf der Nasenspitze trägt. Der Commercienrath wendet sich zu Hedwig zurück, die mit tiefem Erröthen die schönen Augen senkt.
„Ja, so haben wirs gemacht, Herr Commercienrath." Otto tritt rasch dem Angeredeten näher und blickt ihm frei und fröhlich ins Auge.
„Es war der erste Kuß, der den Bund unserer Herzen besiegelte und für welchen wir um Ihren väterlichen Segen bitten. Ein schelmischer Zufall läßt mich freilich mein Gesuch in einer etwas sonderbaren Situation Vorbringen —" und Otto erzählte dem Papa Luckwaldt, was wir schon wissen, Hedwig schmiegte sich schmeichelnd an den Alten, seine Hände mit Küssen bedeckend. Und deS alten Herrn Zügen erheiterten sich wieder, wenn ihm auch eine Thräne der Rührung ins Auge trat, als er, die Hände der Beiden zusammenlegend, sprach:
Bö sin gen.
Gläubiger-Aufruf.
Um di« Verlassenschaftssache deS Christian Kübler, Sägers, bereinigen zu können, werden dessen Gläubiger, insbesondere auch etwaige " Bürgschaftsgläubiger, aufgefordert, ihre Ansprüche bis 1. September d. IS. bei Unterzeichneter Stelle anzumelden, da sie im Unterlassungsfälle nachher nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
Den 15. August 1878.
Schultheißen-Amt.
„So seid glücklich Kinder, mit meinem vollsten, besten Segen.
Baron Schindelberg ist wie betäubt, als ihm die reizende Erbin von der Million so vor der Nase weggeschnappt wird.
„Nun," wendet sich der Commercienrath in heiterster Laune an ihn und die Tante, „sind sie die Herrschaften nicht auch von der Partie?"
„Eh, eh," stammelt der hagere Lieutenant, — ein versengeender Strahl aus dem Auge der Tante trifft ihn und macht ihn schier wieder verstummen. Die — alte — Schachtel?
„O, Du mein Waldemar!" seufzt sie, die er mit diesem unehrerbietigen Namen belegt, und „Heil dem Jüngling, der belohnet wimmert, Sonnen sind ihm aufgedämmert," flötet sie, indem sie die Arme sehnsuchtsvoll ausstreckt.
Des biederen Barons Antlitz wird noch um einige Linien länger, die Enden des langen Schnurrbartes sinken vor Schreck schlapp an den Mundwinkeln herab. Au! der Angstschweiß bricht ihm aus. Aber er denkt an den Eitel Isidor Hannoch und an die zwei Millionen in sichern Staatspapieren und, — halb zog sie ihn, halb sank er hin — er klappte die langen Arme auseinander und klappte sie wieder zusammen.
„Ja, seid umschlungen —" rief der alte Luckwaldt und drückte Hedwig und Otto an sich.
„ — Millionen!" fiel Schindelberg gedehnt ein und zog Tantchen etwas inniger an seine Brust.
Die Gruppen lösten sich wieder. Die Schwester zieht's in ihrem Glücke zum Bruder. Mit ausgebreiteten Armen eilt sie ihm entgegen. Da machen sie Beide plötzlich Halt, starr richtet Tante den Blick aus die Nase des Bruders, dieser den seinen auf die runde Erhöhung im runden Gesichte der Schwester, dann senken sich ihre Blicke unwillkürlich und schielen nach der eigenen Nasenspitze, wo sich bei Beiden ein dunkler Fleck bemerkltch macht.
„Oh, oh, oh," lacht der Commercienrath aus voller Brust: „Hi, hi, hi," fällt zimperlich die Tante ein. „Eh, eh!" macht der lange Baron.
„Ha, ha, ha! stimmen Hedwig und Otto herzlich mit ein, „ha, ha, ha! Schwarzer Peter!"
Allerlei.
— (DerPapst und dieBonne.) Kürzlich hatte der Papst eine deutsche Reisegesellschaft, bestehend aus ungefähr 30 Personen, in Audienz zu empfangen. Unter denselben befand sich auch eine Bonne, welche die Hände voll hatte mit Kreuzen, Rosenkränzen u. dgl., um sie segnen zu lassen. Bei seinem Rundgange kam der Papst auch zu ihr und war nicht wenig erstaunt, als er aus ihrem Munde vernahm, daß sie aus Berlin sei und der protestantischen Kirche angehöre. „Ja, warum lassen Sie denn diese Dinge von mir segnen?" frug er. — „Ich habe von mehreren katholischen Familien den Auftrag dazu", erwiderte die Bonne. Leo lächelte und segnete auch richtig die erwähnten katholischen — protestantischen Darbietungen.
— (Ein Kleid für vier Küsse) Einige Wochen nach Neujahr entließ eine Beamtenfamilie in Graudenz, wie der dortige „Gesellige" erzählt, ihr Dienstmädchen wegen groben Benehmens und verrech- nete den rückständigen Lohn aus die gemachten Weihnachtsgeschenke. Das Mädchen ließ sich dies nicht gefallen, sondern machte ihre Ansprüche gerichtlich geltend. In der öffentlichen Verhandlung bestritt die Klägerin alle Einreden des Beamten, namentlich die Beschuldigung wegen groben Benehmens, und was das Weihnachtsgeschenk in Gestalt eines Kleides anlangt, so erklärte sie, daß sie der gnädigen Frau vier Handküsse gegeben habe und sich das Kleid erst dann anrechnen lassen würde, wenn sie die vier Handküsse zurückerhalte.
— Gegen Mottenschäden. Das wirksamste Mittel, Pelzwaaren und andere dergleichen Sachen gegen Motten zu schützen, ist der Sumach, den man in jedem guten Drogueriegeschäst bekommt und womit man die Sachen, nachdem sie zuvor tüchtig geklopft ind, ziemlich dick einstreut. Die Erfahrung hat gezeigt, daß sogar Gegenstände, die bereits vom Mottenfraß gelitten, nach Anwendung des genannten Mittels nicht weiter beschädigt worden sind. — Es ist außerdem zu empfehlen, auch Sumach in die Kisten und Schränke zu streuen, in denen man dem Mottenfraß ausgesetzle Gegenstände zu verwahren pflegt.
— Der 82jährige Förster Gaste! erklärt in der Leipziger Zeitung: Ich will mein viel bewährtes Mittel gegen den Biß toller Hunde nicht mit in das Grab nehmen, sondern es veröffentlichen; es ist der letzte Dienst, den ich der Welt thun kann. „Man nehme warmen Weinessig und laues Wasser, wasche damit die Wunde rein aus und trockne sie. Dann gieße man einige Tropfen Chlorwasserstoffsäure auf sie Wunde, weil Mineralsäuren das Gift des Speichels zerstören."
— Ein aufrichtiger Gatte. Die in Bur- ington, Iowa, erscheinende „Tribüne" veröffentlichte unter dem Titel „Warnung" folgende interessante Anzeige: „Ich warne hiermit Jedermann, meiner Frau Mary Melcher, die mich am letzten Samstag, den 15. Juni, böswillig verlassen, alles Hausgeräth und Lebensmittel mitgenommen, die mir gehörenden Gelder erhoben und eingesteckt hat, kurz, mir nur die leeren vier Wände zurückgelassen hat, irgend etwas auf meinen Namen zu borgen, oder ihr irgend welche Gelder auszuzahlen, welche man mir schuldet. Ich werde keine von der Frau gemachten Schulden bezahlen und werde die an sie gemachten Zahlungen nicht anerkennen. Wo die Frau ist, weiß ich nicht, wer sie hat, mag sie behalten. Den, welcher sie mir bringen will, verklage ich um fünfundzwanzig Dollars Schadenersatz. Josef Melcher, Butcher."
— (Ein Junge, der sein eigener Großvater ist.) Auf der Schule zu Norwich befand sich vor Kurzem ein Knabe, der wirklich sein eigener Großvater war. Wie ist das möglich? fragt unser geneigter Leser und unsere liebenswürdige Leserin. Wir wollens erklären. ^Eine Wittwe, die einen Sohn hatte, hei- rathete gleichzeitig mit ihrer Schwiegertochter. Letztere nahm den Vater des Gatten ihrer Schwiegermutter. In Folge dessen war die Wittwe die Mutter des Vaters ihres Mannes, d. h., dessen Großmutter. Sie war ihres Sohnes Groß-Großmutter, folglich war dieser ein Großvater und zwar sein eigener, und der Großonkel ihrer Schwiegertochter.
— sGuter Grund.) Ein Bauer hatte beschlossen, mit seiner Familie auszuwandern. Der Tag zur Abreise nach Amerika war bereits festgesetzt. Da tritt am Vorabend dieses Tages des Bauern zweiter Sohn Wilhelm vor den Vater hin und sagt: «Vota, i geh net mit in'S Amerika. „Je, warum denn net?" fragt der Bauer erstaunt. „Ja wißt'tz, Data," entgegnete der Bursche mit bedenklichem Gesicht, „i Hab rumerzählen g'hört, daß, wenn bei uns Mittag g'läut' wird, so ist's in dem Amerika dreuben erst Mitternacht; da müäßt i ollemal viel z'lang auf's Esten warten!"
— Abgeführt. In Stuttgart bestand vor einigen Jahren ein Lügenklub, in welchem manche Lüge fabrizirt wurde. Kommt ein Freiwilliger eines Abends und sagt, er habe soeben eine Dresch-Backmaschine gesehen: oben werfe man die Garben hinein und unten kommen gebackene Brod- laibe heraus. Flugs erhebt sich ein kleiner Dicker: „Meine lieben Brüder", begann er, „das ist noch gar nichts, ich habe schon eine Weintraubenmaschine gesehen, da wirft man oben die Trauben hinein und unten wirft ein Hausknecht die vom neuen Weine Besoffenen zur HauSthüre heraus!"
**» Wähle Deinen Freund nicht ohne reife Ueberle» gung! Freundschaft muß auf einer gewissen Gleichheit der Gemüthsanlagen, der Ansichten, Wünsche und Zwecke, sogar deS Alters und Standes beruhen.
Auflösung der Charade in Nr. 97: „Schlachtbank."
Amtliche und Privat-Bekanntmachungen.
Stadt Altenstaig.
Stamm- und Klafterholz- Berkauf.
Am nächsten Samstag den 24 August kommen Vormittags 10 Uhr auf dem Rathhause hier zum Verkauf:
1) Aus dem Stadtwald Langenberg Abth. 3: 460 Stück Lang» u. Klotz» Holz mit 350,86 Fstm.;
2) aus dem Stadtwald Priemen Abth. 3, 4 nebst Scheidholz : 924 Stück mit
Me
1001,3 Fstm., 2 Rm. eichene Scheiter, 161 Rm. tannenes Anbruchholz.
Den 16. August 1878.
A. A.:
Stadtförster Pfister.
Nagold.
ZMungssperre.
Nachdem gegen
Johann Michael Stahlmann,
Spinnereibesitzer in Rohrdorf, das Gantverfahren eingeleitet worden ist, werden dessen Schuldner hiedurch ausaefordert. ihre Schuldigkeiten bei Ge
fahr doppelter Leistung nur an den Güterpfleger, Fabrikant Hugo Koppler in Rohrdorf, abzutragen.
Den 17. August 1878.
K. Oberamtsgericht. v. Wider, J.»A.
Lotterie-Loose
des landwirth. Bezirks-Hereins Wagold
L s«
sind zu haben in der
G. W. Zaiser'schen Buchh.