Amts- rrnä InteüigenMatt für äen Bezirk
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 ^ p. Spalte im Bezirk, sonst 12 2».
'Aotttifche WcrcHvrchLen.
Samstag, äea 5. September 1885.
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H ganz Württemberg 2 70 H.
Deutsches Reich.
— Allmälig wird Genaueres bekannt über diejenigen Vorlagen, mit denen der Reichstag sich in seiner nächsten Session zu beschäftigen haben wird. Daß dazu die Unfallversicherung der Seeleute gehören wird, steht, nach der Frkf. Z. jetzt fest. Die Vorlage ist bereits ausgearbeitet und den Regierungen zur Begutachtung übergeben worden. Auch der Auslieferungsvertrag zwischen Deutschland und Rußland wird dem Reichstag bestimmt wieder zugehen. Er ist bekanntlich in der letzten Session wenige Tage vor dem Schluß eingebracht worden, aber nicht mehr zur Beratung gelangt.
Straßburg, 2. Sept. Heute früh traf, von Paris kommend, der zum Statthalter in Elsaß-Lothringen designierte kaiserl. Botschafter Fürst Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst zu kurzem Aufenthalt hier ein. Die förmliche Ernennung Seiner Durchlaucht zum Statthalter ist, so viel wir wissen, zum 1. Oktober d. I. beabsichtigt, jedoch gedenkt der Fürst, dem Vernehmen nach, alsdann noch einige Wochen Urlaub zu nehmen, so daß derselbe das von Seiner Majestät ihm zugedachte hohe Amt erst gegen Ende des Monats Oktober wirklich antreten wird. Bis dahin werden die verschiedenen zur Wiederinstandsetzung der Statthalterwohnung nötigen Arbeiten vollendet sein.
Hages-WeuigkeiLen. ^
* Calw. Bei dem Konzert, welches der hiesige Kirchengesangverein am kommenden Dienstag zu geben beabsichtigt, wird Frl. A. Federhaff zum letztenmal vor ihrer Abreise von hier die Güte haben, einige der schönsten Arien zu singen: „Höre Israel" , „Dann werden die Gerechten leuchten" u. And. Neben Stücken für Klavier und" Flöte und Violine werden mehrere größere Chöre aus Mendelssohns Ellas voll Kraft und Feuer zur Aufführung kommen. Ferner wird der Verein zum erstenmal eine ganze Cantate von I. S. Bach vortragen, über welche sich Spitta folgendermaßen äußert: „Du Hirte Israel" ist ein kirchliches Pastoral, das Lieblichkeit und Ernst, Anmut und Tiefe in selten schöner Vereinigung zeigt. Der erste Chor ist neben seinem bezaubernden melodischen Reiz zugleich ein Meisterwerk kunstreichen Satzes. Einen ähnlichen Charakter trägt die liebliche Baßarie: „Beglückte Heerde", wogegen die Tenorpartie jener beklommenen Empfindung Ausdruck gibt, welche Psalmstellen wie: „Und ob ich schon wan
delte im finstern Thal" anzuregen geeignet sind. — Die Melodie des Chorals: Der Herr ist mein getreuer Hirt (Allein Gott in der Höh sei Ehr) ist die im Jahre 1539 erstmals gedruckte, liedmäßige Umbildung einer Weise aus dem Gregorianischen Choralgesang."
L iebenzell, 2. Sept. (Nationalfest.) Bei grauendem Morgen eröffnten bas Blasen der Tagwache und krachende Böllerschüsse die Feier. Dann wurde in einem Frühgottesdienst die Bedeutung des Tages in das rechte Licht gestellt und eine ansprechende Schulfeier gehalten. Nachmittags, nachdem die Sonne den dichten Nebel überwunden hatte, versammelte sich die liebe Schuljugend zu einem vom herrlichsten Herbstwetter begünstigten Spaziergang, dessen Ziel unsere Burg war. Dort wurde auf hoher Warte die von einigen patriotischen Herren gestiftete Turmfahne, welche stolz ihre schwarzweiß-roten Farben im Wind entfaltete, mit Festgesängen eingeweiht und hieraus eine Reihe von Spielen mit Preisverteilung veranstaltet. Als die Nacht hereinbrach, entflammte auf dem Berg ein mächtiges Freudenfeuer, die Stadtmusik ließ die schöne Weise „Lobe 7>en Herren, o meine Seele" erklingen und mit einem Bankett, zu dem ein kleiner Teil sich vereinigte, schloß der Tag ab. Schw. Merk.
Von der Murr, 1. Sept. ' In Steinheim wurden dem Gemeinderat Trautwein 82 Rebstöcke abgeschnitten. Dieselben hingen voll mit Trauben. Die Stöcke nstrrden in die Weinberge der Nebenlieger geschleift.
Weinsberg, 2. Sept. Das Sedanfest wurde hier diesmal zwar nicht, wie in früheren Jahres, mit dem Kinderfeste verbunden, aber doch würdig gefeiert. Um 7 Uhr morgens war Festgottesdienst , zu welchem sich der Veteranenverein und die Schüler der hiesigen Lehranstalten in festlichem Zuge begaben. Später fand eine von den beiden Lateinkehrern geleitete Schulfeier statt, bestehend in Gesängen, Deklamationen und Rede des Präzeptors Hirzel. Nachmittags unternahmen mehrere Lehrer mit ihren Klassen Ausflüge. Abends veranstaltete der Veteranenverein ein Festbankett, bei welchem eine gehobene Stimmung herrschte.
Friedrichshafen. U Septbr. Heute mittag wurden hier zwei gutgekleidete, der Lehre entlaufene junge Leute angehalten, die beide mit Schrot geladene Pistolen bei sich trugen. Dieselben hatten auf der Brücke in Langenargen den Sohn des Oekonomen und Schiffmanns Wocher von da unter Bedrohung des Lebens durch Vorhalten der Pistolen zwingen wollen, sein Geld herauszugeben, jener konnte sich jedoch hinter einen Baum flüchten. Im Vorbeigehen stahlen die beiden Gutedel einem Arbeiter einen Laib Brot aus seinem Korb. Die Burschen sind einstweilen hier untergebracht, um nach Tettnang expediert zu werden.
Feuilleton.
Zm Abgründe.
Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans: „Ein Vainpy r.')
(Schluß.)
Ein neues Geräusch unterbrach die herrschende unheimliche Stille; hinter der aufgeregt durch das Gebüsch heranstürzenden Jrrsinigen eilten, schwer und mühsam, Biaritz und Katharina einher, welche unversehens bemerkt hatten, daß die Unglückliche entflohen war, und befürchteten, derselben möge im Gebüsche oder am Strom ein Unfall begegnen. Ueberrascht sah die Wahnsinnige sich im KPeise der vielen Menschen um, und als sie Therese gewahrte, eilte sie auf diese zu. So war sie dicht bis vor den Grafen und Leo gelangt, und wollte eben ihre Hand auf Theresens Schulter legen, als ihr Blick das Gesicht des Grafen streifte. Dieser erblaßte. Aufmerksamer, forschender sah die Irre in diese Züge, und ihr eigenes Gesicht verzerrte sich in einem heftigen Schrecken und in sichtlicher Angst.
Leo sah, welche Veränderung mit seinem Vater vorging, und in peinlichem Gefühle ließ er denselben unbewußt los; dagegen hatte der Graf unbeabsichtigt seine Hand auf Theresens Arm liegen lassen. Das gewahrte die Wahnsinnige, und der Ausdruck von Entsetzen, den bis jetzt ihre Mienen gezeigt, ward plötzlich zum Ausdrucke einer unbeschreiblichen Wut.
„O, Du Teufel! Mein Kind! Das Kind ist mein!" zischte sie, und indem ihre Zähne knirschten und blutiger Schaum auf ihre in der Raserei
zerbissenen Lippen trat, fuhr sie dem Grafen mit den Händen ins Gesicht
und zerfleischte cs wie mit eisernen Krallen, so daß er, von Blut triefend und vor Schmerz laut aufschreiend, zurückwich, ohne zu wagen, sich gegen die Rasende zu verteidigen. Scheu wichen die Banditen aus; wie eine Furie
verfolgte die Irre ihr Opfer, und plötzlich warf sie sich ihm unter tierischem
Geheul um den Hals und suchte ihn mit den Zähnen zu verwunden. Von Grausen gepackt floh der Graf weiter rückwärts; ein geller Schrei aus Vieler Munde erscholl, Baltimore flog mit einem riesigen Satze bis zu den Ringenden heran, — es war zu spät — rücklings waren sie den steilen Abhang hinabgestürzt in den Strudel! — Drunten im Wasser noch versuchte der Graf, sich von der schrecklichen Umhalsung zu befreien; und rang gegen die Irre, die nicht losließ; droben am Rande starrte mit verlorenem Blicke Baltimore hinab und ehe ein Mensch es verhindern konnte, stürzte er den Beiden nach, sie beide, mit seinen starken Armen ergreifend; in der nächsten Sekunde hatte sie Alle drei der Strudel hinabgerissen, um erst nach Verlauf einer ganzen Minute sie in fester Umarmung alle drei wieder an die Oberfläche zu wirbeln und als Leichen stromabwärts gleiten zu lassen.
Therese war bei diesem entsetzlichen Schauspiele leblos auf den Boden gesunken, und ein wenig hätte gefehlt, daß Leo neben sie hinstürzte. Biaritz und Juan schrien und heulten vor Schmerz über den Tod Baltimores; Katharina allein war geistesgegenwärtig genug, an Therese zu denken. Sie setzte sich auf den Erdboden, nahm das ohnmächtige Mädchen in den Schooß und bemühte sich, dasselbe zum Bewußtsein zurückzurufen; das gelang ihr jedoch erst nach langen Anstrengungen.
Therese fühlte einen heftigen Schmerz über den Verlust ihrer Eltern. Was sollte nun aus ihr werden? Sie schluchzte wie ein Kind und verbarg ihr Gesicht an Katharinas Brust. Plötzlich fühlte sie leise eine Hand sich auf ihre Schulter legen, nnd da sie aufblickte, sah sie in Leos thränengesüllte Augen.
„Therese", sagte er leise; „uns verfolgte ein gemeinsames Unglück; das Leben hatte unsere Väter getrennt, der Tod sie vereint; soll er nicht auch uns vereinen? Willst Du gestatten, daß ich Dir Schutz und Schirm für Dein Leben sei, und am Kinde gut mache, was vielleicht mein Vater an den Eltern gefehlt hat? Es möge seine Sühne, ihre Aussöhnung sein, Therese!"
Das Mädchen hatte ihm weinend die Hand gereicht und auf diese Weise