Amtsblatt für den Aberamts-Aezirk Nagold.

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Dienstag den 9. Juli

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1878 .

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Zur Feuerversicherung.

Die herangekoinmene warme Jahreszeit wird uns wie gewöhnlich wieder'Brandunglücke in Menge bringen und mit ihnen dann die gewohntenAusrufe" in den Zeitungen, worin die Honoratioren des abgebrannten Ortes, meistens der Geist­liche an der Spitze, die öffentliche Mildthätigkeit angehen, weil die Beschädigtentheils wenig, theils gar nicht versichert" waren.

Es versteht sich von selbst, daß die Hilfe Aller da ent­springen Mllß, wo durch ein großes Brandunglück der Erwerb und die Ernährung auf viele Monate gestört sind, und es oft an den nothwendigsten Bedürfnissen von Nahrung, Kleidung und Wohnung für de» Augenblick mangelt. Aber das Richt­oder Schlechtversichertsein sollte lieber nicht zum Rühren der menschlichen Herzen herangezogen werden. In ihm liegt eine strafbare Fahrlässigkeit. Die Versicherungskosten sind heute so gering, daß Jemand, der sie aus Trägheit oder^Unverstand nicht- anlegen will, mit Recht die Folgen zu tragen hat. Wäre Hau und Gut eines Jeden versichert, so würden sich jene Kosten noch niedriger stellen. Es ist demnach eine eigene Zumuthung, welche der Klingelbeutel an den Versicherten stellt, auch noch die ihm schon an und für sich nachtheilige Thorheit des Nicht - versicherten zahlen zu helfen. Die aufrufenden und sammeln­den Honoratioren aber thäten besser, durch Ermahnung u. Be­lehrung vor dem Brennen die Bevölkerung vor Schaden zu bewahren.

Es ist noch nicht lange her, daß man die Blitzableiter als eine gottlose Einrichtung betrachtete, die dem Willen der Vorsehung entgegenarbeiten wolle. Seit man einsehen lernte, daß die Kirchthürme der Frommen vom Blitz öfter getroffen werden als die Versammlungsorte der Bösen, sieht man fast keinen Thurmhahn mehr ohne die schützende Stange. Eben­dahin müßte es auch kommen mit dem Hause und den Mobi­lien eines jeden Stadtbewohners in Bezug auf die Feuerver­sicherung. Der dies schreibt, hat weder Aktien einer solchen Gesellschaft, noch sonst auch nur das kleinste indirekte Interesse an derselben. Nur ist er der Ueberzeugung, daß in dem Leicht­sinn, womit die Mehrzahl der Besitzenden ihr bewegliches Ei­genthum dem vernichtenden Elemente noch immer Preis geben, eine öffentliche Calamität liegt, an die man durch jeneAuf­rufe" im Sommer immer wieder erinnert wird.

Tages-Neuigkeiten.

Deutsches Reich.

Nagold, 8. Juli. Telegramm der Telegra­phendirektion Stuttgart: Berlin, 6. Juli, 3 Uhr 4b Min. Nachm. Bei Sr. Majestät dem Kaiser und König nimmt Beweglichkeit der Arme in erfreulicher Weise zu. Das allgemeine Befinden ist unverändert gut. gez. Dr. v. Lauer. Dr. v. Langenbeck. Dr. Wilms.

Pfalzgrafenwetler, 3. Juli. Vor einigen Tagen wurde einem Bürgersohn im Alter von 21 Jahren in Schopfloch, OA Freudenstadt, in Folge eines Wortwechsels von einem italienischen Eisenbahn­arbeiter der Bauch aufgeschlitzt, daß das Eingeweide heraushieng, was besten augenblicklichen Tod zur Folge hatte. (N. T.)

Stuttgart, 4. Juli. Heute Morgen 8 Uhr erschoß sich aus dem Fangelsbachkirchhof ein hiesiger Einwohner auf dem Grabe seiner ersten Frau. Einem uns vorliegenden, an seinen Nachbar gerichteten Briese des Unglücklichen, wel­chen er am Abende vor der That schrieb, entnehmen wir folgende Stellen:Gestatten Sie mir, lieber Freund und Nachbar, auch Kamerad, wenn ich Sie so nennen darf, Ihrer als eines der Häupter meiner Lieben zu gedenken aus dem Abschiedswege meiner irdischen Laufbahn zur Ewigkeit. Dank, herzlichen Dank für all' Ihr mir erwiesenes Wohlwollen er­laube ich mir Ihnen am letzten Abend meines Lebens aus­zusprechen für alle Liebe und Theilnahme, mit der Bitte, mir diese Liebe auch im Tode durch ein stilles Gebet zu

bewahren. Gott erhalte, schütze und segne vie unv all' die

1. Ihrigen au Leib unv Seele.-Auf besseres

Wiedersehen grüßend im Lande des Lichts, wo kein Leid mehr fein wird. Jbr Sie und Ihre I. Frau stets ehrender Freund **" (St.-A.)

Zur Reichstagswahl in Württemberg sind bis jetzt an Candidaturen bekannt: Im 1. Wahlkreis (Stadl unv Amt Stuttgart) v. Holder; die Socialdemokraten stellen als Gegner vr. Dulk «wohnt in Untertürkheim) auf. Im

2. Wahlkreis (CannstattLudwigsburg) tritt Frhr. v. Baru- düier, Staatsminister a. D. auf. Im 3. Wahlkreis (Heil- brvnn Besigheim) hat sich eine Deputation nochmals an Herrn Direktor v. Huber wegen Annahme des Mandats gewendet: nachdem derselbe jedoch nun entschieden abge­lehnt, läßt sich augenblicklich ein Candidat nicht nennen; einige Zeitungen brachten schon in voriger Woche Notizen, daß ein boyer Gelehrter der hies. Universität, auch Hr. Stadtschulthciß Wüst von Heilbronn in Vorschlag gebracht worden seien. Im 4. Wahlkreis (BöblingenLeonberg) wird Oberfinanzrath v. Knapp (Reichspartei) annehmen. Im 5. Wahlkreis (Eßlingen-Nürtingen) hat es eine Deputation zu Stande gebracht, den Herrn v. Werner, Präsident der Centralstelle, zur Annahme der Candidatur zur bewegen. Die demokratische Partei ersucht Retter von Ellwangen um Annahme. Auch von den Sociaidemokraten dürfte ein Can­didat ausgestellt werden. Im 6. Wahlkreis (Tübingen .ReutlingenRottenburg) treten Obertrib. Rath v. Geß und Rechtsanwalt Payer II. auf. Im 7. Wahlkreis (Calw- Herrenberg) ist es unseres Wissens noch nicht entschieden, ob C. Stälin von Catw annehmeu wird. Im 8. Wahlkreis (FreudenstadtHorb) war anfänglich Obertrib.-Rath v. Geh im Vorschlag; eine Deputation von Tübingen gewann diesen Herrn als Candidaten sür Tübingen unv will nun Frhr. Hans v. Ow im 8. Wahlkreis candidiren. Im 9. Wahl­kreis (BalingenRottweil) hat sich die Fortschritts- und die demokratische Partei aus Schwarz von Ebingen vereinigt. Im 10- Wahlkreis (GmündSchorndorf) lehnte v. Diesen- dach ad; man nennt jetzt Max Römer von Stuttgart. Der Süvd. Volksztg." zufolge ist hier von sozialdemokratischer Seite Motte ler als Candidat für den Reichstag ausgestellt worden. Im 11. Wahlkreis (BacknangHall) candidirt Hvs- rath v. Bühler. Im 12. Wahlkreis (CrailsheimKün- zelsan) wird Fürst v. Hohenlohe-Langenburg nicht fehlen. Im 13. Wahlkreis (AalenEllwangen) wird der bekannte Nationalökonom und Tabaksmonopolist Moriz Mohl einen nochmaligen Wahlgang gegen den Centrumsmann Rektor Leon Hardt nicht wagen Vielleicht nimmt Frhr. v. Wöllwarth in Hohenroven die Gegen-Candidatur auf. Im 14. Wahlkreis (UlmHeidenheim) wird auf die Bitten der konservativen- rc- Partei Oberbürgermeister Heim nun doch annehmen. Im 15. Wahlkreis (EhingenLaupheim) tritt Oberfinanzrath v. Schmid (Reichspartei) auf. Im 16. Wahlkreis (BiberachWaldsee) wird das Centrumsmitglied Graf Bissingen allein auftrelen und auch im 17. Wahl­kreis (RavensburgTettnang) bleibt dem Grafen Zeil (Cent­rum) das Feld überlassen.

Tübingen. (Schwurgericht.) Der 56 I. alte, gut beleumundete Schreiner Joh. Martin Gul- brod von Mägerkingen, OA. Reutlingen, wurde wegen Beleidigung des Kaisers zu 7 Monaten Gefängniß verurtheilt.

Tübingen. (Schwurgericht) Die 26 I. alte ledige Dienstmagd Marianne Schach von Poll- ringen, OA. Herrenberg, wurde wegen Kindsmord zu 5 Jahre Gefängniß und Tragung sämmtlicher Prozeß­kosten, verur.lheilt. (T. Ehr.)

Ql-'Eßlingen, 4. Juli. (Schwurgericht) In der - "Heutigen Sitzung kam die Anklagesache gegen den 44 Jahre alten, verheiratheten, in Gablenberg ansäßigen Schreiner Johs. Hauser von E bhausen , O.A. Nagold, wegen Belei­digung des Kaisers zur Verhandlung. Derselbe steht nach dem Zeugniß des Gemeinderaths von Ebhausen in keinem guten Rufe, ist auch schon zweimal gerichtlich bestraft worden, im Jahre 1874 wegen Diebstahls, im Jahre 1877 wegen Beleidigung. Der Thatbsstand ist folgender: Am Abend des 2- Juni d. Js. brachte der Angeklagte in die Wirthschaft des Gottlob Friedrich Haisch in Gablenberg, in der sich eine große Anzahl Gäste befand, die Nachricht von dem Nachmit­tags in Berlin auf den Kaiser gemachten Attentat und fügte noch hinzu, der Kaiser sei tobt. Gut prädizirte Bürger von Gablenberg bezeugen übereinstimmend, baß der Angeklagte mit Beziehung auf den Kaiser und Vas Attentat beleidigende Ausdrücke gebraucht habe. Der Angeklagte will von diesen Aeusserungen nichts wissen, jedoch ohne sie geradezu zu be­streiten. Vielmehr will er seine Theilnahme ausgesprochen haben, was ihm der Fabrikarbeiter F. K. Vogt bezeugt, der angibt, Hauser habe sich dahin geäussert:Er sage nur von denen, die nach dem alten Mann schießen! Da sollten sie noch warten können, bis er stirbt." Durch diese Aussagen werden aber die belastenden Zeugnisse nicht beseitigt, zumal

Vogt nicht behaupten kann, daß der Angeklagte die ander- . weitig behaupteten Aeusserungen nicht gethau habe- Die ! Anklage geht nun vabin, Hauier habe am 2. Juni Abends in der Wirthschaft von G. F. Haisch in Gablenberg den deutschen Kaiser vorsätzlich beleidigt. Der Zeuge Vogl wurde von dem Herrn Präsidenten aufs Ecnstlichste ermahnt, die Wahrheit anzugeben und überdies über eine am letzten Sonntag in einer Wirthschaft zu Gablenberg gethane Aeusserung,er habe den Skadirichter in Stuttgart angelogen und das Schwurgericht zu Eßlingen werde er auch anlügen" zu Rede gestellt. Zeuge giebt zu, dieses gesprochen zu haben; allein er habe bloßSpaß gemacht" und unüberlegt gesprochen; was er vor dem Stadtrichter angegeben, sei wahr. Wegen seiner sonstigen zweideutigen Angaben behielt sich Staatsan­walt Schönharbt vor, weitere Schritte gegen ihn zu thun. Nach Begründung der Anklage durch Staatsanwalt Schön­hardt von Stuttgart plaidirte der Bertheitiger, Rechtsanwalt Camerer von hier, auf Freisprechung, da nicht erwiesen, daß der Angeklagte sich bewußt gewesen, eine Beleidigung ausgesprochen zu haben, indem er stark betrunken gewesen sei. Auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen, welche im Sinne der Anklage einSchuldig" ausgesprochen, wurde der Angeklagte zu der Gesängnißstrase von 1 Jahr verurtheilt^

Ulm, 6. Juli. Dem im vorigen Sommer auf dem hiesigen Bahnhose verunglückten Ankuppler Kurtz ist gestern, Dank der Bemühungen seines Anwalts, Rechtsanwalt Oßwald, die Entschädigungssumme von 4500 ausbezahlt worden, und sieht sich Kurtz in die Lage versetz!, ein Geschäft zu gründen, welches ihm und seiner Familie das tägliche Brvd gewähren wird.

Mainz, 5. Juli. Ein scheußliches Verbrechen hat sich der Schullehrer der rheinhessischen Gemeinde Wolss- heim bei Alzey zu Schulden kommen kaffen. Der Lehrer ist des Verbrechens gegen die Sittlichkeit angeklagt, begangen an einer ganzen Reihe von noch schulpflichtigen Kindern. In dem Verhör, welches der Angeklagte vor dem hiesigen Untersuchungsrichter zu bestehen hatte, hat er bereits sein Verhäktnlß zu acht Schulmädchen eingestanden. Wie jedoch verlautet, soll sich der Angeklagte gegen 15-20 Mädchen vergangen haben. Die Aufregung in der Gemeinde ist eine ganz außerordentliche. Die beiden Raubmörder Müller und Göttelmann sind heute früh um halb 8 Uhr nach der Strasanftait Marienschloß zur Verbüßung der lebenslänglichen Zuchthausstrafe verbracht worden. (Fr. I.)

Berlin, 5 Juli. In der gestrigen Sitzung des Congresses zog die Pforte ihren Protest gegen die Besetzung Bosniens mit der Erklärung zurück, daß sie auf die Loyalität der Mächte vertraue. Auf Andrassys Antrag ward beschlossen, der neue Staat Bulgarien müsse alle zwischen den Mächten und der Pforte be­stehenden Verträge beibehalten und dürfe keine Transit- Zölle erheben, sowie keinem Staat, also auch Rußland nicht, besondere Bevorzugung gewähren. Waddington überreichte eine Denkschrift des Patriarchen von Jeru­salem, welche die Freiheit der heiligeu Grabes-Kirche fordert; Andrassy eine solche des päpstlichen Staats- Sccreläcs, worin freie Religionsübung für die orienta­lischen Katholiken gefordert wird. Heute gelangt die griechische und die Meer-Engen-Frage zur DiScussion. Balums Schicksal ist noch immer unentschieden. Der Bundesrath stimmte gestern dem Gesetz wegen Ab­änderung der Gewerbeordnung zu. In nächster Woche wird sich der Bundesrath bis Mitte August vertagen. Der Reichstag wird voraussichtlich in der ersten Septemberwoche einberufen. Prinz Friedrich Karl wurde zum Chef der Zieten-Husaren ernannt. Bisher war dies der König von Hannover. Die Verhand­lungen mit dem Kronprinzen von Hannover werden eisrig via Windsor sortgeführt.

Berlin, 5. Juli. DieNordd. Allg. Ztg." schreibt: Fürst Hohenlohe verbleibt bis Ende der Welt- Ausstellung in Berlin, um die Nachconferenze» zu leiten. Die Truppen der Pforte beginnen angeblich die Räumung Bosniens (?). Betreffs Griechen­lands wurde heute in Abwesenheit der griechischen Delegieren beschlossen, daß die Regelung der griechischen Grenzfrage späteren Special-Sitzungen Vorbehalten bleibe. Bezüglich Balums erklärte Beaconssield, Eng­land überlasse es Rußland, wenn dieses keinen Kriegs- Hafen daraus machen wolle. Die türkische Bevollmäch­tigten erklärten der Gebietsabtretung an Griechenland