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Räume und üppige barocke Neubauten aufgesührt. Ziergärten im französischen Zeitgeschmack mit Wasserkünsten und mechanischem Theater wurden angelegt, reich bedacht mit Lusthäuschen, Säulengängen u. dergl. mehr. Das Schloß selbst wurde mit allem Luxus der Rokokozeit vollendet und die ungezählten Prachtgemächer mit hastig zusammengerafften Gemälden, Nippes und Gobelins auch im Innern reich ausgeschmückt. Die Entfaltung der größten Prunksucht blieb dem Lehensaal Vorbehalten, der heute noch in alter Herrlichkeit mit dem baldachinüberragten Thronseffel der Lehensherren, den stilgerechten Stühlen der Beisitzer des Lehensgerichtshofes, dem Lehensbuch — einem Stammbuch säst des gesamten Landesadels — mit Bildern und Emblemen keinen schlechten Eindruck macht. Der Stolz des heutigen Kremsier ist der ausgedehnte, vom Fürst-Erzbischof Sömmeran in unserem Jahrhundert angelegte englische Park. Mit außerordentlichem Geschmack und weiser Raumökonomie sind da wahre Waldparadiese, lauschige Verstecke, prächtige Parterres, Fischweiher und Teiche zu stände gebracht. Auch zahme, äsende Rehe fehlen nicht.
Hcrges-Weuigkeiten.
* Calw. Mang. Kirchenbau. Am Donnerstag, den 20. ds., wird, nachdem unsere Kirche aufgeschlagen ist, altem Brauch entsprechend eine Richtfeier stattfinden: Abends 5 Uhr Gesang und einige Ansprachen bei der Kirche, hierauf gemeinsames Mahl für Meister und Arbeiter im Bierbrauer Dreiß'schen Saale.
^ — Ein seltener Fall ereignete sich dieser Tage inOttenbronm Ein
11 jähriger Knabe hängte sich in einem Holzschuppen mit einem Strick an einer Leiter auf. Obwohl derselbe diese Absicht schon früher geäußert haben soll und zudem die Schulferien sich unerbittlich ihrem Ende nahten, dürfte es doch eigentlich nur ein Versuch gewesen sein. Der arme Tropf hatte sich verkalkuliert, das Probieren kostete ihm leider das Leben.
Leonberg, 17. August. In Eltingen ist gestern nacht 9 Uhr Feuer ausgebrochen, welches 2 Scheuern mit dem ganzen Ernteertrag zerstörte; 2 andere Scheuern nebst einigen Wohnhäusern wurden mehr oder weniger beschädigt. Man vermutet Brandstiftung.
Stuttgart, 16. August. Der Ausschuß des württ. Kriegerbundes hielt heute vormittag in der Liederhalle eine Sitzung, um sich über das Programm bezüglich Mitwirkung der Kriegervereine bei der Kaiserparade am 19. September schlüssig zu machen. Anwesend waren gegen 100 Vertreter der Kriegervereine und Einzelmitglieder des württ. Kriegerbuudes aus allen vier Kreisen des Landes. Man beschloß, alle Kriegervereine des Landes mittelst Rundschreiben zur Beteiligung aufzufordern. Die Anmeldungen der einzelnen Vereine müssen bis zum 5. September geschehen. Es ist bestimmt, daß die Kriegervereine sich am 19. September bis 8 Uhr morgens in der Allee zwischen Kornwestheim und Ludwigsburg aufzustellen haben, uni von dort nach dem Paradeplatz abzumarschieren. Die Vereine werden ersucht, ihre Fahnen mitzubringen. Der Abmarsch der Vereine vom Paradeplatz geschieht wieder geschloffen und sind in Ludwigsburg in einigen Brauereien gesellige Vereinigungen vorgesehen. Wegen gemeinsamer Benützung der von der Eisenbahnverwaltung zu ermäßigten Preisen zur Verfügung gestellten Extrazüge sollen sich die Vereine ins Einvernehmen setzen. Zum Uebernachten wird den Mitgliedern entfernterer Vereine in Ludwigsburg und Umgegend Gelegenheit geboten sein. Am Schluffe gedachte der Vorsitzende des dem Sohne des Herrn Ehrenpräsidenten des Bundes zugestoßenen Unglücksfalls und drückte den Wunsch der baldigen Genesung aus. In einem speziellen Beileidsschreiben wird die Teilnahme des württ. Kriegerbundes Sr. Hoh. ausgedrückt werden.
Cannstatt, 17. August. In voriger Woche wurden einem Stuttgarter Käsehändler durch die Landjägermannschaft 7 Kisten Käse konfisziert, nachdem derselbe in mehreren Ortschaften des Bezirks ganz verdorbenen und verfaulten Backsteinkäs an Wirte und Private verkauft hatte.
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Cannstatt, 18. Aug. Zu dem Gauturnfest haben sämtliche hiesige Gesangvereine ihre Beteiligung zugesagt, um auf dem Festplatz einen gemeinschaftlichen Chorgesang aufzusühren. Die Anmeldungen von auswärtigen Turnvereinen laufen jetzt schon lebhaft ein, sogar von Pforzheim, Ulm rc. sind Preisturner angemeldet; die Turner von den näher liegenden Ortschaften werden sehr stark vertreten sein. Nach einem Beschluß in der gestrigen Ausschußsitzung müssen mindestens 4000 Sitzplätze in den Wirtschaftsbuden errichtet werden. Um noch um 5 Uhr abends mit der Preisverteilung beginnen zu können, wird das Wettturnen schon vormittags seinen Anfang nehmen.
Großbottwar, 14. Aug. Ein Fuhrmann aus Bissingen, welcher aus den benachbarten Revieren Beilstein und Kleinaspach schon einige Zeit Eichen dorthin abführte, fiel auf dem Heimwege, als er auf der Pleidels- heimer Neckarbrücke eben gesperrt hatte, so unglücklich unter den schwerbeladenen Wagen, daß ihm beide Beine vom Hinteren Wagenrad abgedrückt wurden. Er hatte zwar noch so viel Besinnung, daß er um Hilfe rufen konnte, wurde aber eben nicht gehört und mußte unter den gräßlichsten Schmerzen von nachts 10 Uhr an bis morgens 5 Uhr bei empfindlicher Kälte auf der Straße liegen bleiben. Der Sohn nämlich, durch das Ausbleiben des Vaters beunruhigt, machte sich auf den Weg, um ihn aufzusuchen, und traf ihn in seinem bejammernswerten Zustande an der Unglücksstätte. Die Pferde, die den gesperrten Wagen noch bis zu einer Stelle gezogen, wo die Straße beträchtliche Steigung hatte, wurden daselbst ebenfalls vom Sohne angetroffen. Es ist wenig Hoffnung vorhanden, daß der Verunglückte noch mit dem Leben davonkommt.
Heilbronn, 16. August. Das Kommando der hiesigen Feuerwehr erläßt im Schw. Merk, folgende Bekanntmachung: Die Generaldirektion der König!. Württbg. Staatseisenbahnen bewilligt anläßlich des 8. W. Landesfeuerwehrtages in Heilbronn eine Verlängerung der am 21, 22. und 23. August d. I. nach Heilbronn zu lösenden gewöhnlichen Retourbillete des internen Verkehrs, sowie der internen Retourbillete bis einschließlich 26. d. Mts., sofern sich die Teilnehmer auf der Rückreise dem Fahrpersonal gegenüber durch Vorweisung ihrer Festkarten legitimieren. Die Absendung der Festkarten für sämtliche angemeldete Teilnehmer erfolgt in den nächsten Tagen unter Postnachnahme, soweit die Beträge nicht schon einbezahlt sind; wovon wir unsere Kameraden im Interesse einer geregelten Geschäftsordnung Vormerkung zu nehmen bitten. Da schon 6000 Mann angemeldet sind, können die vorgebrachten Wünsche nicht alle befriedigt werden, gleichviel werden wir aber bemüht bleiben, auch die nach Ablauf des Termins eingekommenen Anmeldungen bezw. die damit Angemeldeten unter Ablehnung einer Verpflichtung, nach Möglichkeit noch unterzubringen. Extrazüge werden am Sonntag abend noch nach allen Bahnrichtungen von hier aus abgefertigt werden.
Reutlingen, 15. Aug. Die Entstehungsursache des Brandes vom Donnerstag wurde durch die Untersuchung festgestellt. Es liegt eine allerdings durch leichtsinnige Spielerei verursachte Brandstiftung von Seiten des eigenen 11 ^jährigen Mädchens des brandbeschädigten Kohlenhändlers Benz vor. Dasselbe war mit seinem jüngeren Schwesterchen in die Scheuer und von hier in den Futterraum gegangen, hatte daselbst ein Streichholz entzündet, das ihm entfiel und sofort die herumliegenden, leicht entzündlichen Stoffe in Braun steckte. Aus Schrecken und Furcht liefen beide Kinder davon.
Rottweil, 14. Aug. Die Legung der Gasleitung in hiesiger Stadt und auf die Pulverfabrik ist beendet, die Gasfabrik fertiggestellt. Seit gestern sind die Kessel und Retorten geheizt und Mitte nächster Woche wird mit der Bereitung begonnen. Am Dienstag den 25. ds. wird die Stadt erstmals mit Gas beleuchtet werden, ein Tag, dessen Herannahen sehnlichst gewünscht wird. Die Beleuchtung des Bahnhofes wird erst in zwei Monaten bewerkstelligt werden können.
Niederstetten, 16. Aug. Der Knabe, der vor einigen Wochen zu früh nach geschehener Impfung im Flußwaffer badete und hiedurch sich eine Blutvergiftung zuzog, ist nun nach langen, schmerzlichen Leiden am vorigen Donnerstag gestorben. An seinem Körper zählte man nicht weniger als 56 offene Wunden.
ihm die Strafe zu vollziehen, versprach er mir, daß er Genugthuung in der Verheiratung unserer Kinder gewähren wolle; sein Geständnis und seine Einwilligung tragen seine Namensunterschrift und sein Siegel. Hier sind sie; ich zeige sie Euch, damit für alle Fälle außer mir noch ein Zeuge Kenntnis davon habe, da ich befürchte, daß der Graf auf Mittel sinnen wird, sich den Folgen dieser Schriftstücke zu entziehen."
Mit diesen Worten breitete Baltimore vor Jsmaels Blicken die beiden Papiere auf dem Tische aus; der Alte schien den Inhalt derselben mit den Augen auffangen zu wollen, und eine besondere Aufmerksamkeit widmete er der ihm wohlbekannten Hand- und Unterschrift.
„Die kann er nicht leugnen", murmelte er mit leuchtendem Blicke, und kän Zug boshafter Freude flog über sein hageres, häßliches Gesicht.
„Sollte er einen Anschlag auf meine Freiheit versuchen und dadurch vielleicht hoffen, mich zu verhindern, daß ich Gebrauch von seinem Schuldbekenntnis mache, so wird Euch Biaritz als Vermittler mit mir dienen, damit ich mit Eurer Hilfe trotzdem ihn vor den Gerichten zur Verantwortung ziehen kann. Wollt Ihr das? Ich werde Sorge tragen, daß Ihr dabei könnt auf königlichen Lohn für den Fall rechnen."
„Ich sagte Ihnen, daß Sie auf mich unbedingt bauen können; es ist gut, daß Sie mir die Papiere zeigten. Auch ich habe mit dem Grafen eine Rechnung zu begleichen, die mir freilich teuer werden könnte; denn ich bin nicht gegen die Gefahr versichert, daß ich fast mein ganzes Vermögen bei ihm einbüßen und zum armen Mann werde. Das ist freilich eine entsetzliche Aussicht für einen alten Mann, wie ich, aber — wenn Sie mich einigermaßen entschädigen wollten, so will ich vor Allem daran denken, daß ich Ihnen eines Tages mein Leben zu verdanken hatte."
„Ich sagte Euch, Jsmael, heute bin ich Euer Schuldner; solltet Ihr an dem Grafen um meinetwillen Geld verlieren müssen, so könnt Ihr Euch für Euern Verlust, wenn es sein muß, doppelt an meinem Reichtum erholen;
Ihr wißt, derselbe ist so angelegt, daß sein Verlust nicht zu befürchten ist, was auch immer mir selbst begegnen mag."
Jsmael, welcher genau wußte, daß Baltimore bei ihm selbst ein Guthaben besaß, welches die Zwangsschuld des Grafen überstieg, nickte mit dem Kopfe, während er sich bemühte, seine Freude darüber zu verbergen, daß ihm die Erreichung seines Zweckes so wohl gelungen war.
„Der Graf war seiner Geldverhältnisse wegen bei Euch?" fragte Baltimore, indem er Gantz aufmerksam beobachtete.
„Er versuchte, mich um mein Guthaben zu prellen, indem er mich glauben machen wollte, es hinge von ihm ab, ob ich als der Genosse Jnigo Torre- guys vor den Assisenhof gestellt würde und nach Toulon wandere", versetzte entschlossen und mit verschmitztem Lächeln Jsmael.
„Ha, der Schurke!" rief Baltimore aufspringend; und er ließ Euch erraten, daß er meinen Aufenthalt in Paris kannte?"
„Nicht im entferntesten . ."
„Und was habt Ihr ihm geantwortet?"
„Daß ich ihm Nichts Nachlasse, und daß ich seine Drohungen verachtet weil er mir eine Komplicität mit Jnigo Torreguy nicht beweisen könne."
Baltimore sann einige Momente nach; dann wandte er sich zum Weggehen und sagte, indem er Jsmael die Hand bot:
„Ich gehe nach Hause; es gilt, die Augen offen zu halten. Ich erwarte fast mit Bestimmtheit binnen ein oder zwei Tagen eine Katastrophe, der ich Vorbeugen will. Erfahrt Ihr etwas über das Treiben des Grafen, so laßt es mich unverweilt wissen; Ihr braucht es nur Biaritz oder Juan mitzuteilen, deren Wohnungen Ihr kennt, und habt nicht nötig in meinem Hause gesehen zu werden." —
Baltimore hatte kaum seine eigene Wohnung erreicht und seinem ergebenen Biaritz Auftrag gegeben, für den gleichen Abend noch die Frauen in ein entlegenes Hotel zu führen, wohin er selbst folgen wolle, als Graf Villefleur