Comite, das Willens sei, den Arbeitern, ohne den Staat vorher zu stürzen, Hilfe zu bringen. Er verlange zunächst möglichste Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit und soweit es nicht absolut nolhwen dig gänzliches Verbot der Sonntagsarbeit. Er könne nicht begreifen, warum man diese von Herzen dargcreichte Hand nicht acceplire und warum man, ohne jeden Beweis von der Unrichtigkeit des christlichen Glaubens, den Arbeitern auch noch das Vertrauen auf die göttliche Hilfe rauben wolle. (Stürmischer Beifall und lebhaftes Zischen.) Ihm entgegnete der bekannte Sozialdemokrat Most. Es kam nichts zu Stande.

Ist die Bezeichnung Sozialdemokrat eine Beleidigung? Diese Frage wird nächstens den Jnjurienrichter des Berliner Stadtgerichts beschäf­tigen. In einem Nestaurationslokal, das auch mitunter von einem Berliner bei seiner Gemeinde sehr beliebten Geistlichen besucht wird, entspann sich zwischen dem Letzteren und einem Tischlermeister ein Disput über Politik und soziale Verhältnisse. Schließlich verließ der Geistliche mit den an den Tischlermeister gerichteten, übrigens sehr freundlich gesprochenen Worten:Lieber Freund, Sie sind ja durch und durch Sozialdemokrat," das Lokal. Der Tischlermeister fühlt sich dadurch ganz außerordentlich beleidigt. Er hat 2 Söhne, die frei willig in die Armee getreten sind, und beruft sich darauf, daß die sozialdemokratische Partei von fast allen Blättern als Umsturrpartei bezeichnet werde, und daher fei er gekränkt. Falls es dem Schiedsmann nicht gelingt, den feinfühlenden Meister zu beruhigen, wird der Richter zu befinde» haben, ob eine Beleidigung vorliegt. In diesem Falle dürfte man auf die Entscheidung höchst gespannt sein.

Ist Bier ein Nahrungsmittel? Diese Frage wird in demKorrespondenzblatt des rheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege" von dem Stabsarzt vr. von Kraus in Wesel eingehend erörtert. Nachdem derselbe die Zusammensetzung und die Be- standtheile des Bieres vom chemisch-physiologischen Standpunkte des Näheren beleuchtet hat, kommt er zu dem Schluffe, daß der Nährwerth des auß Malz be­reiteten bayerischen Schenkbieres durch seinen Eiweiß­gehalt keineswegs unbeträchtlich, der der schweren Biere, so des englischen Porters, besonders aber des englischen Ales, sowie der Bock- und Salvatorblere, recht erheblich genannt werden müsse. Es sei somit der mäßige Genuß eines reinen kräftigen Bieres zur Unterstützung der Ernährung Jedermann zu empfehlen, der eines reinen schweren Bieres für Genesene aber ganz besonders werthvoll. Einen recht großen Theil der dem Genesenden nothwendigen Eiweißstosfe könne er auf diesem Wege einnehmen, während gleichzeitig durch den Hopsengehalt die Verdauung befördert und durch den Alkoholgehalt der Verbrennungsprozeß der in die organische Thätigkeit anderweitig und über­haupt eingebrachten Nahruugswerlhe als Brennstoffe zu betrachtenverlangsamt und so die Gelegenheit zu ihrer besseren Ausnutzung gegeben sein dürfte. Wenn die Brennereien sich unter die Aufsicht von vereidigten, staatlich angestellten, in jeder Beziehung zuverlässigen nnd soweit wie nöthig chemisch befähigten Kontroleuren stellten oder gestellt würden, welche so­wohl den Betrieb überwachen als auch das Ergebniß ihrer Analysen dem Reichs-Gesundheitsamte einschickten, und wenn dieses vierteljährig die Namen der Brauereien mit den entsprechenden Zusätzen veröffentlichte, so wür­den die Wirthe von den Biertrinkern geradezu gezwungen werden, ihr Bier daher zu beziehen, wo es rein und gut gebraut wird, weil die Trinker in kurzer Zeit dahin gehen würden, wo ihnen der vollgültigste Beweis geliefert wird, daß das Bier aus einer der rcichsge- snndheillich empfohlenen Brauereien herstammt. Die Biertrinker würden sehr bald den Sinn der chemischen Analyse verstehen lernen. Die Bier verfälschenden Brauereien würden dann entweder eingehen müssen, oder sich zu einem ehrlichen und rechtschaffenen Betrieb gezwungen sehen.

Von einem scheußlichen Verbrechen berichten die Zeitungen aus Morgenrot OS-, 3. Jan. wie folgt: Als ein auf der nahen Godullahntle beschäftigtes Mädchen nach Empfang ihres Lohnes am letzten Löh­nungstage ihren Heimweg angetreten hatte, wurde sie von 2 Strolchen angehalten und ihrer Baarschafl von 26 Mark, des ganzen vierwöchentlichen Lohnes, beraubt. Hierauf band man sie an einen Baum. Nach kurzer Zeit kam einer der Strolche zurück und frug die Be­raubte, ob sie die beiden Männer wiedererksnnen würde. Auf die bejahende Antwort stach der ruchlose Kerl der Beraubten beide Augen aus und überließ sie dann ihrem Schicksale. Als man die Unglückliche fand, lebte sie noch.

OesterreichUngarn.

Wien, 10. Jan. DiePresse" meldet aus Pera 9. d.: Der Minister des Auswärtigen Server Pascha hat dem diplomatischen Corps oificiell mitge- theilt, daß die Pforte beschlossen habe, bei Rußland direct um Waffenstillstand nachzusuchen, und daß Reuf Pascha mit einem Mitgliede des Kriegsralhs fojort nach Einireffen der zustimmenden Antwori aus Peters­burg in das russische Haupiquartier sich begeben werde. Achmed Kaiserli aus Ruslschuk und in dessen Verhiu derung Fazli Pascha aus Rasgrad wird sich ebenfalls in Bogor einfinden.

Ztalirn.

Rom, 9. Jan. Der deutsche Kaiser, der Kaiser von Oesterreich und Rußland, wie die meisten anderen regierenden Häupter, auch das deutsche Krouprinzeu- Paar und viele andere Fürstlichkeiten haben telegra­phische Anfragen über das Befinden des Königs hieher gerichtet. Auch der Papst drückte den Wunsch aus, über den Zustand des Königs unterrichtet zu werden. Die Mitglieder des diplomatischen Corps beeilten sich gestern im Quirinalpalast bezügliche Erkundigungen einzuziehen. Prinz Amadeus und der Prinz von Carignan werden hier erwartet. Voraussichtlich treffen auch die Königin von Portugal und Prinzessin Clotilde demnächst ein. Von zahlreichen Municipal- und an­deren Behörden gehen Telegramme mit Wünschen für die baldige Genesung des Königs ei». (Fr. I.)

Rom, 9. Jan. Der König ist heute Nachmit­tag 2'/r Uhr, mit den Tröstungen der Religion ver­sehen, verschieden.

Rom, 10. Jan. Der König empfing gestern Nachmittag den Priester, welcher ihm die Slerbfakra- menie spendete, in sehr ruhiger Stimmung; er ließ den Kronprinzen und dessen Gemahlin rufen, mit welchen er einige Minuten sprach. Einige Momente darnach nahm der Frtefeiausfchtag zu; der König ließ sodann seine Umgebung zu sich berufen, richtete an jeden einige Worte und wenige Augenblicke darauf starb der König. Die Rachricht, weiche sich alsbald verbreitete, verursachte eine allgemeine große Bewegung, die Kaufläden wurden geschlossen. Kronprinz Hu mb er t wurde zum Könige von Italien proklamirt und bestätigte die Minister in ihren gegenwärtigen Stellungen.

Rom. 10. Jan. Der neue König hat folgende Proctamalion an die Italiener gerichtet:Das größte Unglück hat uns plötzlich getroffen! König Vicior Emanuel, der Gründer des Königreichs Jialien und feiner Einheil, ist uns entrissen worden! Ich war Zeuge feines letzten Athemzvgcs, der der Nation galt, seiner lctzien Wünsche für das Glück des Volkes und feiner letzten Worte, die in meinem Herzen stets widerhallen werden. Es fällt mir schwer, den Schmerz zu be­kämpfen, wie es durch meine Pflicht geboten ist. In diesem Momente ist nur der einzige Trost möglich: uns feiner würdig zu zeigen, indem ich in seine Fuß­tapfen trete, ihr, indem ihr bei den Bürger-Tugenden verharrt, mit deren Hilfe er das schwierige Unterneh­men zu vollbringen vermochte, Italien groß und einig zu machen. Ich werde feinen großen Beispielen der Anhänglichkeit an das Vaterland, der Liebe zum Fort­schritt und des treuen Festhaltens an den freien Insti­tutionen, die der Stolz seines Hauses sind, folgen. Mein einziger Ehrgeiz wird sein, die Liebe meines Volkes zu verdienen. Italiener! Euer erster König ist todl! Sein Nachfolger wird euch beweisen, daß die Institutionen nicht sterben. Stehen wir einig zusammen! Befestigen wir in dieser Stunde des großen Schmerzes jene Eintracht, die stets das Heil Italiens war!"

Frankreich

Paris, 10 Jan. Bei Uebernahme des Vorsitzes im linken Centrnm hielt Leon Renault eine Rede, in welcher er sagte: Die Republik wird den Vertretern Frankreichs im Auslande vorschreiben, zu erklären, daß Frankreich unabhängig ist von ultramontanen Doktrinen, daß es dem Geiste der Eroberung abhold ist und den sozialistischen Umtrieben feindlich gegenüber steht. Das Ministerium muß darüber wachen, daß die Armee niemals ihrer Aufgabe, das Vaterland und die Gesetze zu vertheidigen, entfremdet werde. Wir müssen be­weisen, daß die Republik fähig ist, dem Lande Frieden nnd Wohlstand zu verschaffen. (St.-A.)

DerTemps" hatte gestern gemeldet, daß die Gründer der katholischen Universität von Paris bei der Regierung eingekommen seien, dieselbe solle für ein gemeinnütziges Institut erklärt werden, daß der UiNerrichisrath ein dem Anträge günstiges Gutachten abgegeben habe, und dem Staatsralh bereits ein ent­sprechender Decret-Entwnrf unterbreitet fei. Die Re- publique srancaise" möchte den Unterrichtsminister Bardoux noch bei Zeilen vor einem solchen gefährlichen

Mißgriffe warnen. Bardoux schreibt sie mag wissen, daß das Cabinet vom 14. Dezember sich ver­geblich bemühen werde, dem Lande eine Politik der Gefälligkeit und des Wohlwollens gegen eine Partei annehmbar zu machen, die Frankreich an den Rand des Abgrunds gebracht Hai und in ihiem unauslöschlichen Groll seine theuersten Jnleressen und Rechte noch lange bedrohen wird.

(Lesen »nd Schreiben.) Aus Marseille gehen uns folgende Mitteilungen zu: Vom l. Inn. 1370 bis 1. Jan. 1877 wurden in hiesiger Stadt 16,729 Trauungen vorgenommen. Von diesen 16 729 Paaren oder 33,468 Verbundenen konnten 27,403, d. h. 14,746 Männer und 12,667 Frauen ihren Namen unterzeichnen, wogegen 6065, d. h. 1983 Männer und 4072 Frauen wegen Unkenntniß des Schreibens ein Kreuz machen mußten. Die Zahl derjenigen, die nicht schreiben konnten, ist somit ca. 18"/o der Gesammt- verheiratheten. (Sch. M.)

Rußland.

St. Petersburg, 10. Jan. Den russischen Erfolgen im Balkan legt die öffentliche Meinung, nach­dem auch der Trojanpaß erzwungen ist, große Bedeutung bei; man.glaubt, die Widerstandsfähigkeit des Feindes sn gebrochen; feine Verluste gelten für unersetzbar, während die unferigen, obgleich groß, weit weniger als die Hälfte des normalen Jahreskontingenls betragen; um so mehr ist die Hoffnung vorherrschend, daß fremde Aufmunterung nicht einlreten, und so weiteres Blut­vergießen vermieden werde.

Von der polnischen Grenze berichtet die E. Z>g- folgendeWaffenthat" eines russischen Grenz- foidaten. Derselbe traf mit zwei bei der Feldarbeit beschäftigten Mädchen zusammen. Nach einigem Hin- und Herreden meinte der Grenzsoldat:Mädchen sind auf dieser Welt überflüssig nnd ich werde Euch deshalb todtschießeu." Dabei steckte er in gemütlicher Ruhe eine Patrone ins Gewehr, zielte und schoß das eine noch immer nichts Böses ahnende Mädchen todt. Das andere entfloh. Dem tapfern Mädchenvertilger sind für diese Uebung in der Kriegskunst 20 Jahre unterirdische Sibirien-Arbeit zudictirt worden.

England.

London, 9. Jan. Der deutsche Botschafter Graf Münster empfing gestern eine Deputation von hier arbeiienden deutschen Maurern, welche mehrere Beschwerden vorbrachten. Graf Münster äußerte sein Bedauern darüber, daß die deutschen Maurer sich hätten bestimmen lassen, in London Arbeit zu nehmen, und erklärte, er werde in Deutschland vor weiterem Zuzug warnen lassen. Midhat Pascha ist hier eingetroffen.

London, 9. Jan. Morningpost erfährt: England empfahl, um die Bedingungen Rußlands kennen zu lernen, der Pforte den Vorschlag Rußlands, wegen der Waffenruhe direkt mit dem Haupiquartier zu unterhandeln, anzunehmen.

Türkei.

Aus Konstantinopel, 21. Dez., wird dem Genf. I. geschrieben: Seit 3 Tagen durchstreift das Heer Suleiman Paschas die Straßen von Stambul und Pera. Nichts ist herzzerreißender, als der Anblick dieser abgemagerten und abgematteten Soldaten, die auf dem abscheulichen Pflaster unserer Straßen im Platzregen Herumwanken, der das grobe nnd fadenscheinige Tuch ihrer Uniform dnrchdringt und sie bis auf die .Haut durchnäßt. Die meisten haben zur Fußbekleidung nichts als abgekantete und durchlöcherte Sandalen, die alles Wasser durchlassen nnd den Straßenkoth einsaugen, einige sogar nur eiende, leinene und wollene Lumpen um Bein und Fuß gewickelt. Ihre bleigrauen Gesichter erzählen von ihren schrecklichen Strapazen und Entbeh­rungen, und ihre ganze Erscheinung ist ein lebendes Bild der Niederlage. In der muselmännischen Bevöl­kerung Stambuls ist die Stimmung sehr verschieden. Es ist die reine Wahrheit, daß die türkischen Grund­besitzer sich über die russischen Siege heimlich freuen. Sie berechnen den höheren Werth, der dabei für ihre Besitztümer herauskommt. Sonst kann man sagen, daß der einzelne Türke für sich heiß den Frieden wünscht, einmal beisammen, predigen sie den Krieg bis ans Messer, und dieselben Prahler, die nie ein anderes Feuer, als das ihrer Küche gesehen, behaupten mit Nachdruck:Eher verbrennen wir Konstantinopel, als daß wir es den Russen Äuslieserten; es soll kein Stein auf dem andern bleiben, ttind wenn wir Europa ver­lassen müssen, lassen wir eine Wüste zurück!"

Konstantinopel, 9. Januar. Der gestrigen Sitzung der Deputirtentammer wohnten die Minister, mit Ausnahme des Kriegs- und des Marineministers, bei. Mahmud Damat Pascha ergriff zur Verteidigung der Militäradminisiration das Wort. Der Minister