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des Sultans die Stimmen ihrer Geschütze ertönen zu lassen. Dem Sultan fehlt es an Macht, um irgend einen ernstlichen Widerstand zu leisten. Ueber- haupt wird die deutsche Sendung wohl einen durchaus friedlichen Verlauf nehmen, denn England, die einzige Macht, welche ihr entgegentreten könnte, wird sich hüten, zu dem afghanischen Zwist noch einen Kampf mit dem mächtigsten Reiche Europas heraufzubeschwören. Noch besser, wenn, wie verlautet, England deutscherseits ins Einvernehmen gezogen worden' und dadurch Schwierigkeiten im Voraus begegnet worden ist. Schw. Merk.
England.
London, 10. Aug. Die St. James Gazette schreibt: „Das gegenwärtige Stadium dessen, was, wie wir fürchten, bald als die Sansibar - frage bekannt sein wird, kann nicht ohne Besorgnis betrachtet werden. Die Deutschen haben in der leichten neuerdings gebräuchlichen Weise Gebiete in der Nähe von Kilimanjaro annektiert. Dieses Gebiet ist indes angeblich unserem Bundesgenossen Said Barghasch von Sansibar unterthänig, der durchaus den deutschen Anspruch bestreitet. Um ihn von der Grundlosigkeit seiner Argumente zu überzeugen, haben die Deutschen 5 Kriegsschiffe nach dem Hafen von Sansibar gesandt. Einer solchen Kundgebung s 1» Dulcigno, wie der Times-Korresp. sie nennt, würde der Sultan nachzugeben haben. Aber der Sultan hat bis jetzt, wie verlautet, unter den Ratschlägen der engl. Regierung gehandelt, so daß es in Wirklichkeit scheint, als ob wir uns in einem sehr unangenehmen Dilemma befinden und nur die Wahl haben, entweder das Ersuchen einer Macht, die wir am allerwenigsten zu beleidigen wünschen, mit Nein zu beantworten, oder unfern Bundesgenossen unter einem anscheinend ungerechtfertigten Angriff leiden zu lassen. Im Ganzen genommen ist dies eine unbehagliche Stellung, die vielleicht eine Kleinigkeit weniger unbehaglich durch die Kenntnis wird, daß wir in England ein Kabinet am Ruder haben, dem Fürst Bismarck, wie jeder Grund zu glauben vorhanden ist, nicht unnötigerweise Verlegenheiten bereiten würde."
Gages-Weuigkeiten.
Calw, 15. August. Zum VIII. württbg. Feuerwehrtag in Heilbronn werden nach den Anmeldungen bis heute von der hies. Feuerwehr ca. 30—40 Mann abgehen. Die Beteiligung wird voraussichtlich eine noch größere werden.
— Die freie H il f s k r a n ke n k a s s e, die von Arbeitern in Calw und vom Bezirk zu gründen beabsichtigt ist scheint dadurch, daß Vorstand und Kassier bereits gewählt und die Statuten auf Grundlage der Stuttgarter beraten werden konnten, an Lebensfähigkeit zu gewinnen. Eine Hauptversammlung soll am 23. ds. stattfinden.
Reutlingen, 9. Aug. Seit letzten Herbst erfreut sich unsere Stadt bekanntlich einer Hochdruckwasserleitung. Dieselbe wurde in den letzten Tagen einer Untersuchung unterzogen, äußerst leistungsfähig befunden und aus den Händen der Unternehmer in das städtische Eigentum übernommen. Das Hochreservoir ist auf dem nahe gelegenen Steinenberg 36 am über dem Pumpwerk errichtet und steht auf einer starken Betonsohle mit kräftiger Umfassungsmauer. Es hält 2355 cbm oder 8000 württ. Eimer. Die Wassertiefe des Reservoirs ist 3 m. Das Reservoir ist in 2 Kammern geteilt, wovon jede 4000 Eimer faßt, über welchen ein auf Pfeilern und Tragbogen sich stützendes Gewölbe ruht, das mit einer hügelartigen Erdschichte bedeckt ist. In dem Maschinenraum befindet sich das Pumpwerk, welches, durch eine Turbine in Bewegung gesetzt, in jeder Sekunde 30 Liter Wasser in das Hochreservoir schafft. Die gußeisernen Saug« und Druckröhren haben eine Lichtweite von 300 mm, ebenso die Hauptleitungsröhren bis zum Burgplaz am ehemaligen Albthor. In der Stadt sind jetzt außer mehreren Hunderten Privathauswasserleitungen, deren Zahl sich täglich mehrt, 250 Hydranten verteilt, welche vermöge des Hochdrucks und der reichlich bemessenen Röhrenlichtweite ausgiebige Wasserstrahlen spenden und bei Brandfällen sich bereits sehr nützlich erwiesen haben. Die Gesamtkosten belaufen sich mit Güterankäufen
und der Beck'schen Fabrik, behufs der Wasserkraft, die 83000 kostete, auf 428,000 ,-M Die Wasserzinsen der Häuserbesitzer für Wasserleitung decken bereits die Verzinsung des Anlagekapitals. Nimmt man an, daß die Hauswasserleitungen sich verdoppeln oder verdreifachen, so hat die Stadt ein Werk geschaffen, das sich im Verlauf der Jahre selbst bezahlt macht und von den hiesigen Bewohnern als die größte Wohlthat betrachtet wird.
Tübingen, 11. August. Hier und in der Umgebung ist jetzt die Fruchternte im vollen Gange. Die Qualität fiel befriedigend aus; dagegen läßt die Quantität in der Regel zu wünschen übrig. Der Getreidebau hat trotz der geringen Rentabilität in den letzten Jahrzehnten im hiesigen, Bezirke so gut wie gar keine Einschränkungen erlitten, dagegen hat der Futterbau gegen früher um '/a zugenommen; die relativ größte Ausdehnung haben Luzerne und Esper aufzuweisen; auch der Bau von Futterrüben hat sich gesteigert. Der Repsbau ging um die Hälfte zurück, der Flachs« und Hanfbau haben eine Reduzierung von 2 /g erfahren; hingegen ist wieder bezüglich der Hopfenbaufläche eine Zunahme um 2/g zu verzeichnen. Seit neuerer Zeit wird auf einer Fläche von 18 Morgen auch Pferdezahnmais gebaut. — Um die Fa rren Haltung hat sich der landwirtschaftliche Bezirksverein sehr verdient gemacht, indem er beim Inkrafttreten des Gesetzes über die Farrenhaltung in der Schweiz eine stattliche Anzahl zur Nachzucht in jeder Hinsicht geeigneter Farren aufkauste und solche den Gemeinden, welche ihre Beteiligung an dem Unternehmen zugesagt hatten, gegen den Ankaufspreis überließ. — Bis jetzt besteht im hiesigen Oberamtsbezirk nur eine landwirtschaftliche Darlehenskasse, nämlich in Derendingen. Obgleich die günstigen Erfolge dieser Kaffe sichtlich sind, so ist es trotz verschiedener Versuche noch nicht gelungen, weitere ähnliche Kassen ins Leben zu rufen. Doch bestehen in den meisten Gemeinden Viehversicherungs-Vereine.
Aus dem Oberamt Hall, 12. August. Von dem gestern abend von Crailsheim nach Heilbronn kursierenden letzten Bahnzuge wurde bei eingetretener Dunkelheit ein unbekannter etwa 30 Jahre alter Mann auf freier Bahn bei Kupfer überfahren. Der Tod muß sofort eingetreten sein. Der Verunglückte hat eine Kopfwunde, auch ist ihm der eine Fuß über dem Knöchel abgefahren. Dem Bahnpersonal ist lediglich keine Verschuldung beizumessen.
Ulm, 12. August. Unter dem gestern Abend um 7 Uhr ausgebrochenen Hagelwetter, das an der Ulmer Markung verhältnismäßig gnädig vorüber ging, haben namentlich die benachbarten Alborte und die der Donau entlang gelegenen bayrischen Bezirke, welche nun im Laufe dieses Sommers wiederholt durch Hagelschlag heimgesucht wurden, zu leiden. Ein Glück ist's zu nennen, daß ein großer Teil der Ernte schon eingeheimst, war. Der das Unwetter begleitende Gewittersturm hat besonders den Obstbäumen Schaden zugefügt. Nachts 10 Uhr entlud sich abermals ein schweres Gewitter, jedoch ohne Hagel.
— Der schon seit Wochen aus dem Quellengebiete des Kongo zurückerwartete deutsche Afrikareisende Paul Reichard, der letzte überlebende Europäer der „deutschen ostafrikanischen Expedition" hat endlich dieser Tage seinen in Wiesbaden lebenden Angehörigen Nachrichten zugehen lassen, aus welchen die Gründe der verzögerten Ankunft hervorgehen. Danach hat (so schreibt der A. Z.) der kühne Forschungsreisende auch nach dem Uebersezen über den Tanganika-See noch mancherlei Fährlichkeiten zu bestehen gehabt. Auf dem Marsch nach Tabora, woselbst Reichard am 13. Mai eintraf, wurde die Expedition durch Krieger des Nachfolgers von Kaiser Mirambo angegriffen, bei welchem Kampfe 4 Leute der Reichardschen Expedition verwundet wurden während auf gegnerischer Seite 5 Mann fielen. Reichard beklagt sich, daß ihm seit 2'/- Jahren keinerlei Nachrichten aus Deutschland zugegangen seien; es liegt der Grund zu der Annahme vor, daß sämtliche an ihn adressierte Schriftstücke in Sansibar zurückbehalten wurden. Der Reisende gedenkt noch in diesem Monate in Sansibar einzutreffen und dann sich sofort nach Europa einzuschiffen.
Kairo, 10. Aug. Der Nil fährt fort, mit fast beispielloser Schnelligkeit
Menschen festnimmt? Oder ist das geschehen? Sonst darf nicht mehr damit gezögert werden!"
Die gute Dame, so wenig sie sonst in Folge all ihrer bitteren Lebenserfahrungen mehr fähig scheinen mochte, sich noch aufzuregen, war in diesem Momente thatsächlich im höchsten Grade erregt. Galt es doch die Ruhe und das Glück ihres Sohnes, des Einzigen, was sie noch ans Leben fesselte, vor einer Gefahr sichern und schirmen, die um so größer sein konnte, als sie sich. unter eigenartigen, seltsamen Formen darstellte. In größter Spannung hingen ihre Blicke an den Zügen des Grafen, der sich bemühte, seine Mitteilungen in der gleichen geschickten Weise fortzusetzen, wie er sie begonnen, obwohl jetzt erst der schwierige und mißliche Teil seiner Mission beginnen mußte.
„Das alles, was Du mir da sagst, meine Teure, habe ich selbst mir bereits sofort nach dem Abenteuer und die Nacht über gesagt, und die Ueber- zeugung, daß der Bandit mit der von ihm erpreßten Unterschrift nichts würde beginnen können, war es hauptsächlich, welche mich, und zum Glücke, es auf heute verschieben ließ, die Polizei von dem Verstecke des Banditen zu unterrichten. Ich hatte eben meine Vorbereitungen getroffen, um den Polizeikommissar aufzusuchen, als mir die Ankunft Leos gemeldet wurde; was Leo uns über das Entweichen seines Gefangenen erzählte, sollte mir eben zur Vervollständigung der Anzeige dienen, welche ich wegen des Räubers zu erstatten im Begriff stand. Unglücklicherweise aber brachte Leo zugleich eine Meldung, die mich im höchsten Maße erschütterte und mich zwang, von meinem Vorhaben, den Räuber zu denunzieren, für den Augenblick abzustehen und die Verwirk, lichung desselben von dem Resultate eines Schrittes abhängen zu lassen, den ich seitdem gethan habe, und, wie ich hinzufügen muß, vergeblich gethan habe."
Der Graf machte eine Pause, um Worte für eine fernere Auseinandersetzung zu finden; in den Mienen der Gräfin las sich eine heftige Angst, da ihr die ganze Art der Mitteilung ihres Gatten wie die Einteilung zu einer schlimmen Neuigkeit vorkam; daß der Graf die Unterbrechung seiner Rede
so sehr lange währen ließ, bestärkte ihre bösen Ahnungen, und fast flehend ersuchte sie ihn fortzufahren.
„Rede, rede schnell! Ich bin auf Alles gefaßt!"
„Du hast gehört", sagte Graf Villefleur, indem seine Stimme und sein Ton weit weniger Sicherheit und Befriedigung verrieten, als vorher, „daß es in Folge der Dazwischenkunft des Jsmael Gantz dem Banditen gelungen war, sich der Gefangenschaft zu entziehen, und daß auch den Gantz unser Sohn hat laufen lassen, weil derselbe sich auf meine Beziehungen zu mir berief."
Die Gräfin that einen tiefen Seufzer und deutete mit der Hand ihren Gatten, der eine neue Pause eintreten ließ, über diesen Punkt hinwegzugehen und fortzufahren.
„Was ich Dir jetzt noch mitzuteilen habe", nahm der Graf tonloser das Wort, „ist so drückend und schwer für mich auszusprechen, daß nur der furchtbarste Zwang mich veranlassen konnte, mit dem Entschlüsse zu Dir zu komme«, daß Du Alles von mir wissen solltest."
„Ich weiß, daß ich bei Unterredungen, die Du von Zeit zu Zeit mit mir wünschest, nur das Unangenehmste zu erfahren habe. Es wird sich wieder um eine Spiel- und Wechselschuld handeln, wie stets bisher. Du kennst meine Entschließungen in diesen Angelegenheiten."
„Wenn es nichts weiter als das wäre, so hätte ich Dir und mir die Aufregung dieser Minuten erspart. Leider ist die Sache schlimmer."
„Rede!" sagte leise die Gräfin.
Ihr Gatte machte eine äußerste Anstrengung; ihm war, als müßten ihn die Worte, welche er sprechen sollte, erwürgen; Jsmael hatte nicht nur ihn in der Gewalt, sondern indirekt auch die Zukunft seines Sohnes, und das war noch weit unerträglicher, als dieses Geständnis der Schmach vor seiner Frau.
(Fortsetzung folgt.)