60. Jahrgang.

Aro. 96.

Amts- uml Intelligenz lrtutt für äen Kezir^.

Erscheint Menstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrücklmgsgebühr beträgt 9 ^ p. Spalte im Bezirk, sonst 12

8amstag, äen 15. Äugust 1885.

Abonnementspreis halbjährlich 1 «L 80 durch die Post bezogen im Bezirk 2 ^ 30 sonst in ganz Württemberg 2 70 H.

Amtliche Wekcrnntmachurrgen.

Calw.

Die Herren Grtsrwrsteher

derjenigen Gemeinden, welche aus Anlaß der diesjährigen Manöver Ein­quartierung erhalten, werden unter Bezugnahme auf den oberamtlichen Erlaß vom 20. v. Mts. daran erinnert, am 15. d. M. den Vollzug der Unteraus­teilung des Quartiers in ihren Gemeinden zu berichten.

In diesen Anzeigen ist die Zahl der in den einzelnen Gemeinden unter­zubringenden Offiziere, Mannschaften und Pferde speziell unter Benennung der Quartiertage nahmhast zu machen.

Calw, den 13. August 1885.

K. Overamt.

Müller, A.-V.

politische Wcrchvichtsn.

Deutsches Reich.

Ueber die bevorstehenden Herbstübungen, die mit demKaiser- manöver" schließen, erfährt derSchw. Merkur":Se. Majestät der Kaiser trifft voraussichtlich am Freitag 18. Sept., abends, in Stuttgart ein. Am darauffolgenden Samstag wird große Kciserparade stattfinden. Am Sonntag den 20. d. M. werden, wie anzunehmen, dem Kaiser Festlichkeiten- bereitet. Am Montag, Dienstag und Mittwoch 21. bis 23. einschließlich sind Manöver des Korps westlich von Stuttgart an beiden Ufern der Glems, mit zwei Biwaks des ganzen Armeekorps. Der Kaiser wird nach den bis jetzt getroffenen Anordnungen 5 volle Tage in der schwäbischen Hauptstadt verweilen. In seinem Gefolge werden sich zahlreiche fremdländische Offiziere befinden. Das Regimentsexerzieren beginnt zuerst bei der Ulmer Garnison, und zwar am 13. d. M."

Ga st ein, 11. August. Der Kaiser verließ um 1 Uhr 20 Min. nachmittags die Gemächer im Badeschlosse. Im Vestibüle erwarteten ihn zahl­reiche Kurgäste, von denen er in leutseliger Weise Abschied nahm, die Hoff­nung auf glückliche Wiederkehr aussprechend. Von der auf dem Straubinger Platze angesammelten Menge enthusiastisch begrüßt, begab sich der Kaiser so­dann in das Hotel Straubinger, um der Großherzogin von Weimar einen Abschiedsbesuch abzustatten. Hier verweilte er etwa 20 Minuten, worauf er im Wagen Platz nahm; neben ihm der Flügeladjutant von Plessen. Die Musik spielte die preußische Volkshymne; das Publikum brachte endlose be­geisterte Hochrufe aus. Der Kaiser dankte, aufrecht im Wagen stehend, nach

Feuilleton.

Im Abgrun-e.

Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans:EinVampy r.-)

-m- (Fortsetzung.)

Die Miene, welche Graf Villesleur zeigte, als er das Boudoir seiner Gemahlin betrat, bestärkte sofort die Vermutung und den Entschluß derselben; sie erinnerte sich nicht, ihn je so unsicher und befangen gesehen zu haben, und da er im Augenblick auch noch zu zögern schien, so drängte sie ihn zu einer möglichst schnellen Erklärung seines Besuches mit der Frage, was ihn zu demselben veranlaßt habe.

Du hast heute morgen aus Leos Munde gehört, daß der Bandit Jnigo Torreguy, den wir in den Händen der Gerichte wähnten, sich aus seiner Gefangenschaft zu befreien gewußt hat. Ich habe Dir bereits kürzlich mit­geteilt , daß dieser Bandit und ein gewisser BMmore, der eines Tages die Hand Leos für seine Tochter von mir verlangte, ein und dieselbe Person ist, sowie, daß ich den Baltimore, als er dieses Ansinnen an mich stellte» vor die Thüre gewiesen habe. Ich brauche daher nicht hiuzuzufügen, daß Balti­more, dessen Identität mit dem Banditenhauptman« mir erst in den Pyre­näen bekannt wurde, mir einen grimmigen Haß nachträgt, der um so größer ist, als er mit einer unbeschreiblichen Liebe an seiner Tochter zu hängen scheint. Kaum im Wiederbefitz seiner Freiheit hat er auch bereits seinen Haß und seine Rachsucht an mir zu bethätigen sich beeilt. Was ich nämlich heute morgen, um Euch bei Leos Ankunft nicht einen unnötigen Schrecken zu ver­ursachen, verschweigen wollte, zwingen mich die Umstände jetzt nachträglich zu sagen: Vergangene Nacht wurde ich auf offener Straße von den Gesellen des Banditen hier in Paris selbst überfallen und geknebelt und in einem herr­

allen Seiten hin, worauf um 1 Uhr 50 Min. die Abreise erfolgte. Den Ortsarmen überwies der Kaiser 500 fl.

Berlin, 13. Aug. Der General v. Stülpnagel, früher komman­dierender General des (13. württembergischen) Armeekorps, ist vorgestern in Norderney gestorben. Ferdinand Wolfgang Ludwig Anton v. Stülpnagel wurde im Jahre 1813 geboren. Mit 17 Jahren trat er in die preußische Armee ein, in der er in rascher Folge die verschiedenen Grade erstieg. Im Jahre 1866 war er Generalmajor und Oberquatiermeister der zweiten Armee. Nach dem Feldzuge wurde er Generallieutenant und Kommandeur der 5. Infanteriedivision, welche Division er im Kriege mit besonderem Erfolge führte. Nach Beendigung des Krieges mit Frankreich wurde er im Dezember 1871 zum kommandierenden General des 13. Armeekorps ernannt. Im Jahre 1875 wurde der General zur Disposition gestellt.

Deutsche Aktion zur See. Ueberraschend ist die telegr. Meldung von dem Eintreffen des deutschen Geschwaders vor San­sibar nicht, nach den Nachrichten der letzten Zeit mußte man dieselbe täglich erwarten, aber inhaltsschwer ist sie und bedeutungsvoll für die Geschichte der jungen deutschen Flotte, für die Geschichte der deutschen Kolonisationsbestreb­ungen und für die Geschichte des deutschen Handels. Schon seit längerer Zeit fühlten die Vertreter der deutschen Interessen in Ostafrika die immer dringender werdende Notwendigkeit, mit dem Sultan Bargasch Ben Said der ihnen grundlose Schwierigkeiten bereitete, ins Klare zu kommen. Drei Gruppen deutscher Unterthanen siyd es, welche unerträgliche Eingriffe in ihren Wirkungskreis zu erdulden haben: die ostafrik. Gesellschaft, die Ham­burger, welche schon seit Jahrzehnten in'jenen Gegenden ansässig sind, und schließlich die Witugruppe.' Während früher die Deutschen mit dem Sultan in den besten Beziehungen standen, hält es der Herrscher von Sansibar seit einiger Zeit für gut, sich von jener Seite in seinen Rechtsansprüchen bedroht zu wähnen. Aus welcher Quelle er diesen Stimmungswandel geschöpft hat, liegt auf der Hand. Die Einflüsterungen des englischen Konsuls John Kirk über die Macht der englischen Schiffe, welche die Ansprüche des Sultans unterstützen würden, traten zu einschmeichlerisch an ihn heran, als daß er der Versuchung hätte wiederstehen können, sich in ihnen die Kraft zu trotzigem Auftreten zu holen. So trat er als Feind der Deutschen auf, deren Freund er früher gewesen war. Der Versuch der deutschen Regierung, ihn durch diplomatische Verhandlungen in seine alten Bahnen zu lenken, sind gescheitert: die guten Worte des Generalkonsuls Gerhard Rohlfs haben keine gute Statt gefunden. So mußte sich die deutsche Regierung entschließen, eine nachdrücklichere Sprache zu reden. Die Ankunft der deutschen Schiffe wird den Herrscher von Sansibar voraussichtlich ohne weiteres zur Vernunft bringen; sie werden es nicht nötig haben onplsnäam denevolentiam Sr. Maj.

schaftlichen Wagen als Gefangener in das Haus des Jnigo Torreguy geschafft, der sich in der That seit etlichen Tagen innerhalb eines der neuen Stadt­viertel häuslich niedergelassen hat."

Die Gräfin konnte einen Ausruf der Ueberraschung nicht unterdrücken, und mit Befriedigung, selbst mit einem gewissen Behagen bemerkte der Graf die Aufmerksamkeit und das gespannte Interesse, mit welchem seine Gemahlin seinen Mitteilungen folgte; insgeheim wünschte er sich Glück zu dem Geschick, mit welchem er das heikle Thema eingeleitet hatte, welches den eigentlichen Zweck seiner Unterredung barg. Er fuhr ermutigt und lebhafter fort:

Kaum wußte ich, wer der Urheber oieses in Paris so ungewöhnlichen Abenteuers eines Menschenraubes war, als ich auch schon den Grund des­selben erriet, und in Wahrheit ließ der Räuber mich nicht lange im Unge­wissen über seine Absichten. Seine Tochter liebt Leo, und sie zur Gräfin Villesleur zu machen, scheint zur fixen Idee des Menschen geworden zu sein. Ohne lange Umschweife stellte er mich vor die Wahl, in seinem Hause von ihm und seinen Helfershelfern mich ermorden zu lassen, oder schriftlich die Verpflichtung einzugehen, daß ich unfern Sohn seiner Tochter zum Manne gäbe. Denke Dir meine Lage und urteile, was ich einzig thun konnte! Ich habe mich unter den Drohungen der Banditen entschließen müssen, meine schriftliche Einwilligung zu dem Verlöbnis Leos mit der Tochter Baltimores zu geben und nur dadurch mein Leben und meine Freiheit erkauft."

Aber das ist ja unerhört!" rief die Gräfin außer sich vor Entrüstung aus.Eine solche Schandthat mitten in Paris! Und unser Name, unser Kind den überspannten Ansprüchen eines gemeinen Wegelagerers geopfert! Um Gotteswillen, wie ist die Sache möglich! Aber nein! DaL hat ja keinen Wert und keinen Zweck! Die von Dir eiugegangene Verpflichtung existiert ja gar nicht zu Rechte, weil sie erzwungen ist; Niemand wird sie anerkennen, und wir hätten Unrecht, wenn wir uns Sorge deshalb machten. Und warum hast Du nicht sofort die Polizei benachrichtigt, damit sie den gefährlichen