Aro. 94.

60. Jahrgang.

Amts- um! InteWgenMatt ^ür llen Kezir^.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.

Dienstag, äen 11. August 1885.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch

die Post bezogen im Bezirk 2 30 sonst in

ganz Württemberg 2 70 H.

Amtliche Wekanntnrachungen.

Calw.

Die Herren Ortsvorsteher

erhalten den Auftrag, binnen 5 Tagen zu berichten, ob eventuell in welcher Höhe in ihren Bezirken Schaden durch das Wild abgesehen von dem Schwarzwild angerichtet worden ist, ob eventuell welche Mittel zum Schutze gegen den Wildschaden angewendet wurden und mit welchem Erfolg dies ge­schah, insbesondere, ob etwa in Jagdpachtverträgen dem Pächter die Ver­pflichtung zum Ersatz des Wildschadens aufgelegt wurde.

Den 10. August 1885. ' K. Oberamt.

Müller, A.-V.

politische Wcrchvichten.

Deutsches Reich.

Ga st ein, 7. Aug. Bereits eine Stunde vor der anberaumten Ankunfts­zeit des Kaiserpaares hatte das Kurpublikum den Straubingerplatz und -Straße und alle Promenadewege Kopf an Kopf okkuppiert. Kaiser Wilhelm zeigte sich am offenen Fenster, die zahlreichen Huldigungen durch ein freundliches Neigen des Kopfes erwidernd. Fast alle Oesterreicher trugen kleine Bouquets aus schwarzen und gelben Strohblumen im Knopfloche, während viele an­wesende Gäste aus Deutschland Kornblumen trugen. Brausende, minutenlang andauernde Hochrufe ertönten während der Einfahrt des Kaiserpaares. Nach der ersten Begrüßung zwischen Kaiser Wilhelm und dem österreichischen Kaiser­paare nahm Kaiser Wilhelm wieder die Hand der Kaiserin und hielt sie in der seinen. Auf eine Frage der Kaiserin sagte er:Die österreichische Luft und Oesterreichs Heilquellen üben bei mir eine geradezu wunderthätige Wirk­ung" worauf Kaiser Franz Josef sagte:Nun so Gott well, werden Majestät noch oft diese Wirkung erproben." Die beiden Kaiser und die Kaiserin, welche der deutsche Monarch am Arme führte, begaben sich hierauf in die Appartements des deutschen Kaisers. Bei dem Betreten derselben überreichte Kaiser Wilhelm der Kaiserin ein reizendes Bouquet. Eine Viertelstunde währte der erste Besuch. Die Beleuchtung Gasteins am abend war pracht­voll. Die Tausende von Lichtern, welche auf allen Seiten durch das Wald­grün brachen, gewährten einen feenhaften Anblick; besonders schön präsen­tierte sich eine leuchtende Krone mit den Initialen der Majestäten. Auf den Höhen der umgebenden Bergspitzen flammten gleichfalls Feuer und Lichter. Den Höhepunkt des Glanzes bildete die Beleuchtung des Wasserfalles mit

Feuilleton.

Im Abgründe.

Koman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans:EinVampy r.")

(Fortsetzung.)

Der Graf triumphierte, und er beschloß mit seiner schnellen Geistesgegen­wart, während er einige Sekunden Schweigen walten ließ, seinen Triumph weise zu genießen und zu benutzen; dazu gehörte vor allem, daß er Leo nicht zu fehr und zu lange unter dem Eindrücke der Unterredung ließe, sondern ihm mehr Vaterliebe als Vaterstrenge bezeige. Er trat auf seinen Sohn zu, gab ihm die Hand und sagte mit weichem Tone:

Geh' zu den Damen; ich komme gleich nach! Ich werde meine Schritte gegen den verläumderischen Schurken thun!"

Leo ging und berichtete seiner Mutter und Cousine, daß seine Unter­redung mit seinem Vater zur befriedigenden Aufklärung eines Mißverständ­nisses geführt habe, auf welches er nun nicht mehr zurückzukommen brauche. In der Thal hatte er die Ueberzeugung von der Unschuld des Grafen dem jungen Manne feine ganze Zuversicht zurückgegeben und er machte seine vorige Wortkargheit nun durch größere Gesprächigkeit wieder gut.

Unterdes überließ sich Graf Villefleur einsam in seinem Kabinet ganz dem zerschmetternden Eindrücke, den die eben durchlebte Scene auf ihn gemacht hatte. Daß Jsmael der Freund Baltimores sei, so sehr Freund, daß er sich sogar für denselben der Gefahr einer Gefangenschaft hatte aussetzen mögen, war eine furchtbare Enthüllung für ihn, und daß derselbe von seiner Waffe gegen den Grafen den äußersten und rücksichtslosesten Gebrauch zu machen entschlossen war, dafür fand er vollger.ügenden Beweis darin, daß der Wucherer ogar den Sohn in das furchtbare Geheimnis eingeweiht hatte, das dem Vater

prächtigem Feuerwerk, dessen Geknatter einer Feldschlacht glich. Nach dem Feuerwerk begab sich das österreichische Kaiserpaar zum intimen Thee bei Kaiser Wilhelm. Als dieselben das Badeschloß wieder verließen, führte Käiser Wilhelm die Kaiserin Elisabeth am Arme. Der deutsche Kaiser wollte das Kaiserpaar bis zur Treppe hinabbegleiten, die Majestäten lehnten dies aber mit herzlichen Worten, jedoch in bestimmter Weise ab. Kaiser Wilhelm küßte der Kaiserin zu wiederholten malen die Hand. Das Bild, wie das öster­reichische Kaiserpaar Arm in Arm von dem Besuche in Straubingers Hotel zurückkehrte, wurde durch den Photographen Balde ausgenommen. Kaiser Wilhelm, welcher am 10. August die Gasteiner Kur beendet, wird nach den bisherigen Dispositionen am 11. d. die Rückreise nach Berlin antreten. Vor der Abreise ist noch ein Besuch der Großherzogin Sofie von Sachsen-Weimar in Aussicht genommen.

Bei der heutigen Tafel hatte Kaiser Wilhelm zu seiner Rechten die Kaiserin Elisabeth; dann folgten Prinz Neuß, Frau v. Majlath und Graf Beust. Zur Linken des Kaisers Wilhelm saß Kaiser Franz Joseph, neben diesem Kardinal v. Fürstenberg, Generaladjutant v. d. Goltz und Minister v. Bötticher. . Kaiser Wilhelm gegenüber hatte Hofmarschall Graf Perponcher seinen Platz. Nachdem Kaiser Wilhelm heute vormittag etwa eine halbe Stunde bei den österreichischen Majestäten verweilt hatte, verabschiedete sich die Kaiserin Elisabeth, um einen Spaziergang in das nach Böckstein führende Thal zu machen. Beide Kaiser verblieben dann noch etwa eine Viertelstunde allein.

Güstern, 8. Aug. Gestern abend 5>/z Uhr erfolgte die Abreise des österreichischen Kaiserpaares, nachdem das Essen um 5 Uhr beendet war. Graf Perponcher begleitete das Käiserpaar bis zum Hotel. Gleich darauf erschien Kaiser Wilhelm, von endlosen Hochrufen begrüßt, auf dem Platz. Das österreichische Kaiserpaar bestieg die offene Sonderpost; vor der Abfahrt küßte Kaiser Wilhelm der Kaiserin Elisabeth die Hand und umarmte den Kaiser Franz Josef dreimal auf das herzlichste. Die Kaiserin Elisabeth reichte dem Kaiser Wilhelm aus dem Wagen nochmals die Hand. Darauf erfolgte die Abfahrt unter lebhaften Hochrufen bei trübem Wetter und beginnendem Regen.

Wir haben in der letzten Nr. von demkalten Wasserstrahl" gesprochen, den dieNordd. Allgemeine" neulich nach Paris gerichtet hat. Derselbe, resp. der Artikel, ist sokühl" gehalten, daß er unsraglich abkühlen muß, denn das gerade imponiert den ewig unruhigen Franzosen, wenn ihnen ohne alle Aufgeregtheit von Berlin aus der Standpunkt klar gemacht wird. Die Temps" besinnt sich wohl für die Folge mit Vorschlägen über Kavallerie- Verschiebungen an der französischen Ostgrenze herauszuplatzen. Die Nord­deutsche schrieb also:

Namen und Freiheit auf immerdar rauben konnte. Wie konnte er nur noch daran denken, sich der drückenden und von ihm nur mit listigem und treu­losem Hinterhalte angenommenen Verpflichtung zu entbinden, die Baltimore von ihm erzwungen hatte? Er hatte nicht nur mit Baltimore zu rechnen, sondern auch mit Gantz, der der Bundesgenosse des elfteren war, und von den Beiden erschien ihm der Wucherer als der gefährlichere Gegner; aller­dings nur so lange, als derselbe im Besitze des verhängnisvollen Wechsels war. Diesen wieder an sich zu bringen, mußte daher seine Sorge sein. Besaß erst Jsmael nicht mehr den gefälschten Wechsel, dann war das Spiel für den Grafen gewonnen; denn ein Ausweg gegen die von Baltimores Seite drohenden Gefahren schien ihm so leicht zu finden, daß er schon jetzt entschlossen mar, die Verhaftung desselben zu veranlassen. sobald er mit Jsmael Gantz im Reinen sein würde. In der That vertraute er fest darauf, daß kein Richter dem Banditen, noch der Irren den geringsten Glauben beimessen, daß vielmehr Jeder das von ihm erzwungene handschriftliche Schuldeingeständ­nis als erpreßt und wertlos betrachten würde. Aber wie sollte er sich aus Jsmaels Klauen befreien? Für den ruinierten Grafen, der bei keinem Wu­cherer der Welt mehr für ein Goldstück Kredit besaß, war der Preis, um welchen Jsmael bereit war, ihm den Wechsel zuröckzugeben, unerschwinglich, Die letzte Geldquelle, die er sich eröffnet hatte, das Spiel, konnte ihm schwer­lich die kolossale Summe von hunderttausend Franken gewähren; seit jenem gefahrvollen Abend im Spielsaale von Cauterets, wo er fast als Falschspieler entlarvt worden wäre, hatte zudem eine unbezwingliche Angst ihn zurückgehalten, wenn sein Dämon ihm zuraunte er möge mit seiner Fingerfertigkeit den wechselnden Zufällen des Spieles zu Hilfe kommen. Was also thun, um sich die Geldsumme zu beschaffen, die ihn aus Jsmaels Gewalt erlösen konnte?

Der Wucherer hatte ihm eines Tages einen Rat gegeben, den er damals als unmöglich weit von sich gewiesen, und den er sich selbst seitdem zu wieder, holen nicht gewagt hatte; jetzt erschien ihm eben dieser Rat als der einzig