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tretung desselben Pfleglings übertragen wird, genügt eine Verweisung auf die frühere Verpflichtung. (Art. 17 Abs. 2 des Notariatsgesetzes.)
Calw, den 28. Juli 1885. K. Amtsgericht.
Frommann.
An die Gemeindebehörden «nd Notariate.
Da die bisherige Einrichtung der Pfandvisitationsprotokolle zu Unzuträglichkeiten führt, hat man die Herstellung gebundener Protokollhefte für die einzelnen Gemeinden angeordnet. Dieselben werden den Unterpfandsbehörden nächstdem zugehen und sind in Zukunft zur Aufnahme der Visitationsergebnisse und Beantwortung der Rezesie zu verwenden. Die gleiche Anordnung ist für die Protokolle über die Prüfungen der Güterbuchsführung getroffen.
Calw, den 28. Juli 1885. K. Amtsgericht.
Frommann.
H'oLiLifche Wcrchvichten.
Deutsches Reich.
— Ein Korr, der N. Fr. Pr. entwirft folgende Schilderung der Persönlichkeit des neuen Stadthalters der Reichslande, des Fürsten C lo d- wig Hohenlohe: Ein kleiner Herr, den grauen Kopf nachdenklich vorgebeugt, die Hände gewöhnlich nach rückwärts geschlagen, die Augen entweder wie unschuldig auf den Sprecher oder seitwärts wie nach einem fernen Gegenstände gerichtet, Sanftheit, wenn nicht ein gewisser lässiger Gleichmut im Benehmen, so zeigt sich Fürst Hohenlohe der Außenwelt. Der hervorstechendste Zug an der Erscheinung des Fürsten ist die menschliche Natürlichkeit. Die Diplomaten, welche als Tüchtigkeit in ihrem Berufe ansehen, einen für unsere Zeit gar nicht mehr passenden grotesken Hochmut oder eine permanente Verschlossenheit zu zeigen, hinter welcher sich nicht selten nichtige Beschränktheit birgt, werden es nicht glauben wollen, daß des deutchen Botschafters größtes Geheimnismittel, sich die Zuneigung der Franzosen, mit welchen er verkehrte, zu erobern, in seinem einfachen und natürlichen Betragen lag. Angenommen, Fürst Hohenlohe wäre eine jener eckigen Naturen gewesen, deren Anblick schon, wenn nicht Unwillen erregt, so doch zum Lachen reizt; die sich im Besitz einer Spezial-Ehre dünken, welche sie unter allen Umständen möglichst sichtbar zur Schau tragen müssen, die nicht den unbedeutendsten Schritt unternehmen können, ohne damit zu sagen: „Hier sieht man den Vertreter eines großen Reichs"; die durch ein unbändiges, bis zum Vergessen gesellschaftlicher Artigkeit gesteigertes Selbstbewußtsein den Umgang und Verkehr erschweren und eine peinliche Leere um sich verbreiten: so kann man sicher sein, daß alle Berühmtheit und Macht des D. Reiches ihn vor jener unangenehmen Situation nicht geschützt hätten, über welche Graf Arnim seinerzeit weniger in seinem Namen als im Namen seiner Umgebung sich so sehr beklagte. Man verkehrte mit dem Fürsten Hohenlohe gern, weil es ihn keine Mühe kostete, die landesübliche Artigkeit Jedermann gegenüber zu beobachten, und sein gefälliges, durch und durch den französischen Verhältnissen angepaßtes Auftreten verschaffte ihm, gesellschaftlich genommen, die vielen Freunde, obzwar er keine rauschenden Feste gab, keine berühmten Pferde hielt, nicht den Ruf hatte, in den aristokratischen Klubs große Summen verwettet oder verspielt zu haben, kein Kirchenläufer war, nicht die ausschließliche Gunst einer Modeschönheit besaß.
— Aus Korea erhält die Köln. Z. einen längeren Bericht über die große wirtschaftliche Bedeutung und Zukunft dieses Landes, das, früher streng abgeschloffen, jetzt mehr und mehr dem Verhör zugänglich gemacht zu werden beginnt. Das Land ist durchschnittlich wenigstens eben so fruchtbar wie die meisten Gegenden Deutschlands, einige der südlichen Provinzen sind sogar sehr fruchtbar. Das Land ist ferner sehr reich an Metallen jeder Art und ausgedehnten Kohlenlagern, es besitzt eine Fülle natürlicher Wasserstraßen
Fall, und warum sollte ich es leugnen, genau vor fünfzehn Jahren war es zum ersten Mal."
Bei dieser Antwort erbebte Baltimore sichtlich.
„Haben Sie nicht damals eines Tages, als ein Gewitter Sie im Gebirge überraschte, Schutz vor demselben in einem kleinen Häuschen am Fuße des
Lignemale gesucht?"
Der Graf verlor seine Fassung. Hatte er bisheran noch über den Grund eines Verhörs im Zweifel sein können, so stand dessen ganzer Zusammenhang ummehr klar vor feinem Geiste; seine Verwirrung verriet sich in der stocken- >en Art seiner Erwiderung, die er zögernd hervorbrachte:
„Ich weiß nicht — es ist so lange her. fünfzehn Jahrei Wer kann ich da noch erinnern! Solch' eine Kleinigkeit merkt sich Niemand!"
„Nehmen Sie Ihre Erinnerungen zusammen, Herr", sagte Baltimore, »essen Gesicht sich drohend verfinsterte, „oder haben Sie bereits Furcht, die Wahrheit einzugestehen?"
„Furcht?" Ich?" rief Graf Villefleur und reckte sich in die Höhe, mpört über eine solche Zumutung, „Furcht ist ein Gefühl, dar ich nicht kenne, ne kennen werde!"
„Sie irren oder Sie lügen, Herr, denn ich selbst habe mit memen Augen ne Furcht, die bleiche Angst sich in ihren Gesichtszügen malen gesehen!"
„Das lügen Sie selbst", rief zornig der Graf, der auf nicht» so eitel war, wie auf seine Bravour, und er trat einen Schritt dichter an Baltimore heran und maß ihn mit einem herausforderndem Blicke. Baltimore erwiderte denselben gleichmütig und antwortete, ohne sich von seinem Sitze zu erheben, in langsamen Worten: ^ ^ .
„Das war vor wenig Wochen, eines Nachts, m der Wohnung des Biantz in den Pyrenäen, als plötzlich aus dem Getümmel der Soldaten, die mich überfallen und gefangen hatten, ein bleiches Frauenbild vor Ihren Blicken austauchte und mit entsetzenbebenden Händen eine Pechfackel vor Ihrem Angesichte schüttelte. Vor dieser drohenden Erscheinung wichen Sie in sichtbarer
und bisher noch ungehobene Schätze manchfacher Art. Der Berichterst. weist darauf hin, daß in der nächsten Zeit eine ganze Reihe der für die Weltwirtschaft und die industriellen Interessen wichtigsten Fragen in jenem ostasiatischen Lande zur Entscheidung kommen müssen, und daß dabei ein einfacher Konsul, wie ihn Deutschland besitzt, weniger Gewicht in die Wagschale werfen kann, als die Gesandten von Amerika, China, Japan und Rußland. Daraus ergaben sich sehr bittere Betrachtungen über die Kurzsichtigkeit und Kleinlichkeit der Mehrheit des dtsch. Reichstags, welche den verlangten Posten eines Generalkonsuls abgelehnt hat. „Korea, von der Größe Groß, britaniens und einer Einwohnerzahl von der Größe derjenigen Hollands und Belgiens zusammmengenommen, geht einer Neugestaltung entgegen, und da weigert sich die Opposition des d. Reichstags, einen Generalkonsul zu bewilligen, d. h. doch die Interessen Deutschlands auf dieser Halbinsel mit gebundenen Händen den Nebenbuhlern unseres Vaterlandes überliefern."
— Sowohl in Paris wie in London sind jetzt zuverlässige Nachrichten eingelaufen, nach denen der Tod des Mahdi außer allem Zweifel steht. Der falsche Prophet in Egypten ist also nicht mehr, und in Egypten und in England atmet man auf. — Die Subskription für die neue egyp - tische Anleihe in Höhe von 9 Millionen Pfund ist am 30. Juli in London, Paris und Berlin eröffnet worden. Die egyptische Notabelnver- sammlung wird das Nähere über die Verwendung des Geldes zu bestimmen haben. Ob dem unglücklichen Land nun endlich geholfen werden wird? — wer weiß es!
Mclges-Weirigkeiterr.
— Am 21. Juli wurde von der evangelischen Oberschulbehörde die Schulstelle in Oberreichenbach, Bez. Calw, dem provisorischen Schul- lehrer Schäfer daselbst definitiv übertragen.
Altenstaig, 28. Juli. Unser Bezirks-Schwarzwaldverein, der gegen 90 Mitglieder zählt, hat seine Thätigkeit in sehr zweckmäßiger Weise begonnen indem er den in der Nähe gelegenen, Heuer besonders stark besuchten Luftkurort Berneck durch einen hübschen, durch den Wald führenden Fußweg mit dem hiesigen Orte verband. Eiserne Bänke, welche das Zeichen des württ. Schwarzwaldvereins an sich tragen, laden den Wanderer an verschieden mit gutem Geschmack gewählten Punkten zur Ruhe ein.
— Vor einigen Tagen wurde zwischen Reutlingen und Unterhausen ein Comptoirist der Solivo'schen Fabrik, namens Armbrust er, (geborener Cal wer), von 2 Schustergesellen ermordet; der Schwäb. Merk, bringt heute das Nähere in folgendem: Die beiden Schustergesellen hatten den ganzen mittag in Unterhäuser: herumgezecht, wo der Thäter Nill ein Verhältnis mit einem Mädchen hatte. Nach Einbruch der Nacht "begaben sie sich auf den Weg nach Reutlingen, den Entschluß fassend, jeden, der ihnen begegne, zu prügeln. Der erste, welcher ihnen begegnete, war der Sohn des Frachtfuhrmanns Beyerle, entkam aber ihren Angriffen durch die Flucht. Unterhalb der Fabrik begegnete ihnen der Buchhalter Armbrust er, etwa 9 >/s Uhr abends, ein überaus solider, geachteter Mann, von außergewöhnlicher Körpergröße. Derselbe ist der einzige Sohn einer Witwe in Freudenstadt und hatte voriges Jahr den einjährigen Militärdienst vollendet. Die beiden Schuster stießen denselben ganz unerwartet über das Trottoir hinab. Als A. hierauf energisch Erklärung forderte, und es zu Thätlichkeiten zu kommen schien, in welchen Armbruste: die beiden Schuster im ehrlichen Kampf wohl bezwungen hätte, erhielt er rasch von Nill mit einem dolchartigen Messer 2 Stiche, einen in den Unterleib und einen in die Brust. Der Stahl glitt an den Rippen ab und drang unmittelbar ins Herz. Die Mörder setzten hierauf ihren Weg fort und bedrohten weiter unten ein ihnen begegnendes Ehepaar aus Pfullingen mit den Worten, es ihnen ebenso zu machen, wie dem weiter oben Liegenden. Die Polizei hatte bald die richtige Spur und fand auch bei Nill das Messer mit handlanger dolchartiger Klinge, dessen
Todesangst zurück, wie ein Mörder vor dem Gespenst seines Opfers, und Sie flohen zur Hütte hinaus, als ob Ihr Gewissen Sie gejagt hätte. Da haben Sie das Gefühl von Furcht gekannt, ich wiederhole es!"
Jetzt stand Baltimore aufrecht vor dem Grafen, den er um halbe Kopfeslänge überragte, und sein Blick schien den Grafen durchbohren zu wollen. Den Grafen verließ all seine bisherige Verwegenheit und er fühlte seine Kraft schwinden; aber die Hoffnung auf eine glückliche Wendung wollte er doch nicht aufgeben; er sagte sich, der Ausgang der bedrohlichen Scene werde vielleicht ein Zweikampf auf Leben und Tod zwischen ihm und dem Banditen sein, und als Meister in der Handhabung aller Art von Waffen fand er diese Aussicht ganz seinen Wünschen entsprechend. Er entgegnete also mit einiger Fassung:
„Ich gestehe, diese seltsame Erscheinung hat mir eine fast abergläubische Furcht eingeflößt, deren ich mich nicht zu erwehren gewußt habe; aber das ist eine jener unerklärlichen Gemütsbewegungen gewesen, deren jeder Mensch zum einen oder andern Male fähig ist. Wenn Sie indessen an meiner voll- kommenen Ruhe und Kaltblütigkeit in diesem Momente zweifeln, so stelle ich es Ihnen frei, die Schläge meines Herzens zu zählen, oder lassen Sie Waffen kommen, so werden Sie sehen, daß meine Hand nicht im Geringsten mehr zittert, als die Ihrige."
Um Baltimores Lippen zuckte ein verächtliches Lächeln.
„Wir werden sehen", versetzte er, „vorerst aber antworten Sie auf meine Frage von soeben: Haben Sie damals bei einem Unwetter Zuflucht in einer Hütte am Fuße des Vignemale gesucht?"
„Jawohl, ich entsinne mich jetzt." .
„Die Hütte war von einer jungen, schönen Frau mit chrem kleinen Kinde bewohnt, die Sie bei dieser Gelegenheit kennen lernten?"
„Das mag richtig sein", antwortete der Graf, der sich in eine gewisse Unergründlichkeit einzuhüllen suchte, „ich blieb in der Hütte, bis das Wetter sich verzogen hatte." (Forts, folgt.)