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60. Jahrgang

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Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag. '!

Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte!l im -Bezirk, sonst 12 H. j!

Donnerstag, äen 30. Juli 1885.

Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch

die Post bezogen im Bezirk 2 ^ 30 sonst in ganz Württemberg 2 ^ 70 H.

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Film WicheMM"

für August unö September- ladet Jedermann in Stadt und Land freundlichst ein öie Weöcrktiorr.

H'oLitrfche Wachrichten.

Deutsches Reich.

Die Besuche, welche die Kaiser Wilhelm und Franz Joseph in Gastein und Ischl austauschen und die Begegnung der beiden Minister Bismarck und Kalnoky werden der Welt eine Bestätigung sein, daß das politische und staatsrechtliche Bündnis zwischen Deutschland und Gesamt­österreich zur Erhaltung des Friedens in Mitteleuropa seinen festen Bestand bat. Die gemeinsame Feier der deutschen und österreichischen Turner in Dresden, die Reden und Spmpathiebezeugungen, die dort ausgetauscht worden sind, legen Zeugnis ab, daß auch das nationale Band mit den Deutsch­österreichern erhalten bleiben wird.

DasFranks. Journ." schreibt:Verschiedene Zeitungen haben die Mitteilung gebracht., der Gedanke werde ventiliert, ob nickt der kleine Be­lagerungszustand über Frankfurt zu verhängen sei. Es ist aber bis heute der Gedanke der Verhängung des Belagerungszustandes über Frankfurt maß- ' gebenden Ortes noch nicht wieder in Erwägung gezogen worden, seitdem so­wohl das Polizeipräsidium in Frankfurt, wie das Oberpräsidium in Kassel sich nach der Ermordung Run.pffs dagegen ausgesprochen haben."

DasBerl. Tagbl." ist in der Lage, den Fragebogen mitzu- teilen, der im Reichsamt des Innern für die Enquete über die Sonn­tagsruhe entworfen worden ist. Derselbe lautet darnach:

1) Ist die Sonntagsarbeit in allen Betrieben des Industriezweigs üblich? 2) Findet die Sonnlagsarbeit dauernd statt? 3) Findet die Beschäftigung statt: a. für den gesamten Betrieb, b. für die gesamte Arbeiterschaft, o. für den ganzen Sonntag oder für welche Stunden? 4) Wird die Sonntags­arbeit veranlaßt: r>. durch technische Eigentümlichkeiten, b. durch welche wirt­schaftlichen Gründe? 5) Welche Folgen würde das Verbot der Sonntags­arbeit haben: s. für den Unternehmer, technische oder wirtschaftliche, b. für die Arbeiter welche Einkommensminderung? Würde dieser Nachteil und durch was wieder aufgehoben werden? Endlich 6) Ist das Verbot der Beschäftig­

ung von Arbeitern am Sonntage durchführbar: a. ohne Einschränkungen, d. mit welchen Einschränkungen und, wenn nicht, aus welchen Gründen?

Die Fragen sollen gerichtet werden an alle Gewerbe- und Industriezweige. Gehört sollen werden: die Handels- und Gewerbekammern, die Innungen, die Gewerbevereine, die Handwerker, die Unternehmer, vornehmlich aber die Arbeiter selbst.

Da bei den Behörden des deutschen Reiches zahlreiche Gesuche um Anstellung in den neuen Deutschen Kolonien und Schutzgebieten ein- gehen, so wird bekannt gemacht, daß das Reich Stellen in den Kolonien nicht mehr zu vergeben, auch keine Gelder zur Verfügung hat, um Leute kostenfrei zu befördern. Auskunft aller Art erteilen das Syndikat für West­afrika in Hamburg, die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft und das Komite der Neu-Guinea-Gesellschaft in Berlin.

Unter der FirmaKamerun-Land- und Plantagen- Gesellschaft Thormählen und Kompagnie" ist eine Kommanditgesell­schaft gebildet, deren persönlich haftende Gesellschafter die Firmen C. Wör- mann und Jantzen und Thormählen in Hamburg sind. Komman­ditäre sind Kapitalisten aus ganz Deutschland, welche sich mit Anteilen ä 10,000 -M beteiligt haben. Zweck der Gesellschaft ist, die rationelle Plan­tagen-Wirtschaft im Kamerungebiet, insbesondere in Vimbia, zu versuchen. Als Leiter der Plantagen-Anlagen ist E. Teuß engagiert, der bereits am Kongo mit günstigem Erfolg ähnliche Versuche gemacht hat.

Kages-Werrigkertsn.

Hem min gen, OA. Leonberg, 25. Juli. Auf dem benachbarten sreiherrlich v. V a r n b ü l e r'schen Gute ereignete sich gestern Freitag durch Unvorsichtigkeit ein schwerer Unglücksfall. Die auf dem Gute arbeitenden Leute hatten sich um 4 Uhr im sogenannten Waldhaus zum Vespern ver­sammelt, wo der 20jührige Bartolom ä aus Weißach ein an der Wand hängendes Gewehr in der Meinung, es sei ungeladen, herunternahm und damit spielte. Plötzlich entlud sich dasselbe und die Ladung ging der ihm gegenübersitzenden 20 Jahre alten Arbeiterin Dressel, ebenfalls aus Weißach gebürtig, welche ihn eben gewarnt hatte, ins Herz und mit dem RufeAch Gott!" sank sie tot zusammen. Der Thäter, welcher fast in Ver--- zweiflung geriet, wurde sofort verhaftet und nach Leonberg abgeliefert.

Freu den st adt, 26. Juli. Gestern wurde hier bei schönster Witter-- ung das landwirtschaftliche Bezirksfest in Verbindung mit dem Jakobimarkt abgehalten. Die Beteiligung der Landbevölkerung war eine

Feuilleton.

ZM Abgründe.

Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser dcö Romans:EinDampy r.-)

(Fortsetzung.)

XIII.

Drei Wochen, nachdem Baltimore seiner genesenden Tochter seine Lebens­geschichte erzählt hatte, befand er sich mit Frau und Kind von Neuem in Paris. Er hatte ein elegant eingerichtetes und möbliertes Haus in dem Stadtviertel gemietet, in welchem auch die Wohnung des Grafen Villefleur gelegen war, und als Dienerschaft hatte er seine Genossen Juan und Biaritz, sowie dessen Frau Katharina mitgebracht. Therese war zwar von ihrer Krankheit wieder hergestellt, aber sie schleppte ein gebrochenes Leben einher, das um so weniger einer Erholung fähig war, als die bekannten. Racheab­sichten ihres Vaters gegen den Grafen Villefleur sie in einer ewigen Auf­regung und Sorge um Baltimores Sicherheit ließen. Bei Tag und Nacht empfand sie keine Ruhe, und wo immer sie glauben konnte, daß ihr Vater seinen beiden Vertrauten Aufträge gab, die auf den Grafen Bezug hätten, da trieb es sie, denselben nachzuspüren, um wenn eben möglich, neues Unrecht und neues Unheil zu verhüten. So stand sie ununterbrochen gleichsam Posten und war Auge und Ohr für Alles, was in dem geheimnisvollen Hause ihres Vaters vorging. So wenig es sonst ihrem Charakter entsprach, die Lausche­rin abzugeben, so sehr hielt sie in diesem Falle es für eine Pflicht, Nichts un­beachtet zu lassen, was Baltimore und seine angeblichen Diener thaten. Auf diese Weise gelang es ihr, eines Morgens ungesehen Zeugin eines kurzen Zwiegesprächs zwischen ihrem Vater und Juan zu sein, welches sie in eine unbeschreibliche Angst versetzte. Juan meldete seinem Gebieter, daß es ihm

und Biaritz in den vergangenen Nächten gelungen sei, festzustellen, wo Graf Villefleur feine Abende verbringe; bei gutem Wetter pflege er sich zu Fuße, bei schlechter Witterung zu Wagen in ein entferntes Viertel zu begeben und bis zum Tagesanbruch in einem eleganten Privathause zu bleiben, welches in der Nachbarschaft den Ruf eines geheimen Spielhauses habe.

Gut, das genügt", antwortete Baltimore,wir wollen keine Zeit mehr verlieren. Da es heute schönes Wetter ist und aller Wahrscheinlichkeit es auch Reiben wird, so machen wir heute Abend der Sache ein Ende. Du und Viaritz besteigt meinen Wagen, Du machst den Kutscher, Biaritz oen Diener, und dann gebt Ihr ihn auf der Straße auf und bringt ihn mir her. Besprich Dich mit Biaritz und macht Eure Sache hurtig und geräuscklos."

Damit war Juan entlassen. Therese bebte wie Espenlaub: Leos Vater sollte also gewaltsam in ihr Haus geschafft werden, und was ihn dort bedrohte, das wagte sie nicht zu denken; sie ließ sich kraftlos in den Stuhl sinken, der hinter ihr in dem Kabinette stand, in welchem sie die Unterredung belauscht batte. Als sie sich eine halbe Stunde später allein im Salon befand, kam ihr Vater zu ihr und sagte mit offenbarer Befriedigung:

Freue Dich, Therese, morgen verlassen wir Paris und Europa für immer I"

Das Mädchen hatte nicht Mut noch Kraft, zu antworten; als sie allein war, faltete sie bebend die Hände und murmelte:

Morgen! Ach Gott, was hast Du mir zwischen heute und morgen noch Vorbehalten?"

Sie beschloß zu wachen, und auf Alles zu achten, was Ungewöhnliches sich bis zum nächsten Tage in ihrer Wohnung ereignen könnte.

Gegen eilf Uhr verließen dem Aufträge Baltimores gemäß Biaritz und Juan zu Wagen das Haus, der erstere als Bedienter neben seinem Kame­raden aufsitzend, während dieser die Zügel führte. Der Wagen schlug den Weg nach der Straße ein, in welcher Graf Villefleur wohnte, und nicht