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Konstanz, 10. Juli. Gestern vormittag besuchte der Kaiser den Gottesdienst auf der Mainau. Auf den Nachmittag war der Salondampfer „Kaiser Wilhelm" zur Ausführung einer Rundfahrt nach der Mainau befohlen; der zweifelhaften Witterung wegen nahmen jedoch der Kaiser und die Großh. Familie nicht teil an der Fahrt. Abends durfte die Sänger- runde „Bodan" dem Kaiser und den Großh. Herrschaften ein Ständchen bringen. Um 9 Uhr hatten sich die Sänger im Schloßhof aufgestellt, wäh- rend die Herrschaften noch bei der Tafel waren. Nachdem der Kaiser in dem hellerleuchteten Parterresaal erschienen war, trug der „Bodan" drei Lieder vor. Darauf begrüßte Vorstand Maier Se. Maj. in einer Ansprache, welche mit einem Hoch auf den Kaiser und die Großh. Herrschaften schloß. Der Redner und zwei andere Herren wurden durch den Großherzog selbst in den Saal gerufen, wo der Kaiser ihnen in liebenswürdigster Weise dankte. Heute nachmittag um 12>/z Uhr wird der Kaiser die Mainau verlassen, um über Lindau nach Ga st ein weiter zu reisen. Das Reiseprogramm ist folgendes: Von Lindau an benützt der Kaiser einen Extrazug, der ihn über München um 9 Uhr abends nach Rosenheim bringt. Das Nachtquartier wird, wie seit 4 Jahren, im „Neuen Bad" genommen werden. Am folgenden morgen erfolgt die Abreise wieder mit Extrazug. In Lend wird ein vöfeünor äinatoire eingenommen. Mit Extrapost geht sodann die Reise nach Bad Gastein weiter, wo die Ankunft um 6 Uhr 40 Min. abends erfolgen soll. Empfang findet nirgends statt.
Madrid, 20. Juli. Die amtliche „Gaceta" meldet von gestern 2005 Erkrankungen und 851 Todesfälle infolge von Cholera. Von den Todesfällen kommen 8 auf Madrid, 51 auf die Provinz Alicante, 287 auf Aranjuez, 84 auf Murcia, 60 auf Soira, 31 auf Jaen; vereinzelte Fälle auf Segovia, Salamanca und Valladolid.
Wevnrifchtes.
— Der Karlsruher Ortsgesundheitsrat, der sich um die Bekämpfung des Geheimmittelschwindels so hohe Verdienste erworben hat, erläßt nachstehende Veröffentlichung: In den Zeitungen wurde in jüngster Zeit ein Inserat veröffentlicht, wonach „soeben in 10. Auflage Medizinalrat Dr. Müller neuestes Werk über Schwächen, Nervenzerrüttung, Folgen von Jugendsünden u. s. w. erschienen ist." Diskrekion wird zugesichert. Unterzeichnet ist die Anzeige von Karl Kreickenbaum, Braunschweig. Dieser Herr ist Uhrmacher in Braunschweig und hat mit der Vertreibung der Müller'schen Broschüre weiter nichts zu thun, als daß er gegen die Gebühr von 1 ^ die Adresse des Buchhändlers F. Stahn in Berlin angiebt, von welchem die Broschüre zu beziehen ist. Der Verfasser der Broschüre „Medizinalrat Dr." Müller ist der mehrfach entlarvte Gehilfe und Begutachter der Geheimmittelschwindler, vor welchem der hiesige Gesundsrat schon wiederholt gewarnt hat; er empfiehlt gegen die in der Reklame ewähnten Leiden die von ihm erfundenen sogenannten Miraculo-Präparate. Beide Arzneien, welche die angepriesene Heilkraft selbstredend nicht besitzen, würden in jeder Apotheke samt Fläschchen um vIL 4,25 zu kaufen sein, kosten aber durch den Buchhändler Stahn bezogen, (abgesehen von der Gebühr des Kreickenbaum) 8,50. Die Broschüre des „Medizinalrats Dr." Müller hat keinen anderen Zweck, als Personen, die ihren Gesundheitszustand zerrüttet haben, in Angst zu versetzen, damit sie dann um so leichter geldlich ausgebeutet werden können. — Ein gewisser „Dr." P. M. Salomon in Weißensee bei Berlin preist in einer Broschüre eine „bewährte Heilmethode der Epilepsie" sowie einen Augenbalsam an. Wer sich an Salomon wendet, erhält durch die Apotheke „zum Greif" in Berlin die betreffenden Medikamente zugeschickt nebst Gebrauchsanweisung. Der Preis beider Mittel, welche aus jeder Apotheke zu 2,95 bezw. 1,25, zusammen zu 4,20 bezogen werden können, beträgt 9,90. Der Augenbalsam kostet mit Porto 7,45, während er nach der Arzneitaxe aus den Apotheken zu 1,68 zu beziehen wäre. Salomon ist nicht Arzt und wurde wegen medizinalpolizeilicher Uebertretung schon wiederholt bestraft. Der Karlsruher Ortsgesundheitsrat warnt davor, sich demselben anzuvertrauen.
wartete noch eine halbe Stunde vergeblich im Korridor vor der Thüre des 'Gerichtes ; endlich des Wartens müve und aufgebracht über den lässigen, leichtsinnigen Menschen, trat ich allein in das Sekretariat ein, und entledigte mich zum Schrecken und zur Ueberraschung des anwesenden Präsidenten und des Sekretärs meiner peinlichen Pflicht. Man bezeugte mir die innigste und Herzlichste Teilnahme und bedauerte mich als das Opfer des gewissenlosen Bougart. Noch aufgebrachter in Folge der verdienten Anklagen, die die Herrn -gegen meinen Afsociö erhoben hatten, eilte ich vom Gerichte nach Bougarts Wohnung, um dort endlich meiner gerechten Entrüstung gegen ihn Ausdruck zu geben. Ein Dienstmädchen meldete mir, sein Herr sei vor einer Stunde ausgegangen, Frau Bougart und die Kinder aber gestern abend mit dem Großvater nach Paris gefahren. Ich lief, so schnell ich konnte, vermutend, daß er auf dem Comptoir sei; er war nicht dort gewesen, und mein Kutscher teilte mir dieselbe Meldung mit, die ich an Bougarts Thüre von dem Dienstmädchen erhalten hatte. Um drei Uhr nachmittags sollten die Siegel angelegt werden, und ich wollte durchaus, daß Bougart dann wenigstens anwesend sei. Ich ging von neuem nach seiner Wohnung; er war immer noch abwesend; auf meine nachdrücklicheren Fragen sagte mir jetzt das Mädchen, der Kutscher sei, bevor sein Herr das Haus verlassen, mit dem zweispännigen Coups hinausgefahren; wohin der Herr gegangen sei, wisse es nicht. Eben wollte ich den Rückweg von neuem antreten, um unterwegs Nachfrage nach Bougart zu halten, als der Kutscher zu Fuße heimkam. Ich befragte denselben hastig, und hörte zu meinem Schrecken, daß sein Herr auf der Landstraße den Wagen bestiegen und ihn selbst nach Hause geschickt habe, weil Herr Bougart allein eine Spazierfahrt machen wolle. Die Geschichte schien mir seltsam und weckte sofort meinen Verdacht; ich erkundigte mich nach der Züchtung, die Bougart eingeschlagen habe; er sei ins Feld hineingefahren, antwortete der Kutscher.- „Sollte Bougart, der schon seine Familie fortgesandt hat, auf Flucht sinnen?" fragte ich mich, und jäh stieg in mir der Gedanke
— Volle zwei Jahre nach der Katastrophe von Jschia erscheint der Rechenschaftsbericht über die Verwendung der gesammelten Gelder, zu denen Deutschland bekanntlich einen so bedeutenden Teil beigesteuert hatte. Ueber den Umfang des Unglücks wird das Folgende konstatiert: Opfer des Erdbebens waren 2333 Insulaner, von denen 1708 umgekommen, und 704 Fremde, von denen 625 umgekommen. In Casamicciola, Laco Ameno blieb nur ein unbedeutender Bruchteil der Häuser verschont; in Forio Serrara Fontona und Barano wurden sämtliche Häuser zerstört. Die Summe über welche das Komite zu verfügen hatte, betrug 6,180,571 Lire, darunter jmilde Gaben aus dem Auslands, 1,935,219 Lire. Hiervon hat Deutschland nicht weniger als 753,640 Lire, also weit über ein Dritteil, beigesteuert; Frankreich brachte 289,000, England 145,000, Oesterreich 130,000 Lire auf. Dem Komite verbleibt noch ein Betrag von 707,643 Lire.
— Eine Wrangel-Geschichte. Dem Berl. T. wird von einem Augen- und Ohrenzeugen folgende Anekdote verbürgt: Im Jahre 1853 fand in Bernstadt in Schlesien eine militärische Uebung statt und Wrangel wurde zu derselben erwartet. Als der bestimmte Tag herangekommen war, that jeder nach Kräften seine Schuldigkeit, so daß Wrangel sich lobend über die Leistungen der Truppen aussprach. Schließlich fand ein Auseinanderziehen des Bataillons statt, die Offiziere, Unteroffiziere rc. mußten sich in Reihen aufstellen und der General richtete an einzelne verschiedene Fragen. So trat Wrangel auch an einen Vizefeldwebel heran, und zwischen beiden entspann sich folgender lakonischer Dialog:
„Wie heißen Sie?"
„Hermann H., Exc., zu Befehl."
„Was sind Sie in ihren Zivilverhältnifsen?"
„Kammergerichts-Referendär, Exc., zu Befehl."
„Haben Sie auch Schulen besucht?"
„Zu Befehl, Excellenz."
„Das macht Ihnen alle Ehre!"
Damit klopfte Wrangel dem Vizefeldwebel die Backe und schritt dann zu einer andern Abteilung.
KcrnöeL L WerrkeHrr.
Calw. Der heutige Viehmarkt war mit 969 St. Rindvieh und 98 Pferden befahren. Fette und schwere Ochsen fanden raschen Absatz zu guten Preisen (höchster Preis für 1 Paar 55 L'd'or), ebenso 2—3jähr. Zugstiere und fette Rinder. Auch der Schweinemarkt zeigte starke Zufuhr. Saugferkel wurden zu guten Preisen, 20—26 vIL das Paar, bezahlt. Läufer waren nicht begehrt und deshalb billig. Ler> tze.
LiLtsrrcrvisctzes.
Amerika in Wort und Bild. Eine Schilderung der Bereinigten Staaten von Friedrich von Hellwald. In etwa 55 wöchentlichen Lieferungen ä, 1 Mark. Mit ca. 700 Ansichten. Leipzig. Verlag von SchmidtLGünther.
Von der neuesten Subskription auf Amerika sind bis jetzt sechs Lieferungen erschienen. Dieselben führen uns nach den „Neu-Ln§Ianä-Staaten, nach Llains, Nev-Lampssiirs, Vermont, Llassaeüusette, Llmäs-Ielanä und Connecticut. In Erinnerung dessen, daß hier das britische Element zuerst Wurzel auf amerikanischer Erde gefaßt, nennt man auch heut noch die obige Gruppe der sechs Staaten „Xen- LnAlanL-Staatsn."
Nicht weniger als 17 Vollbilder und 48 Textillustrationen meisterhaft auSgeführt, zieren diese Lieferungen. Dieselbe alle aufzuführen mangelt es uns an Raum. Wir nennen hier nur einige von den Vollbildern:
Im Hafen von Nsv-Vorlc, Unter den ViaKarataUsn auf der kanadischen Seite, Bilder aus RiiiiaäsiMa (6 Ansichten), Ein Garten in Florida, Der Oonnsetient, Der Strand zu Xovxort, rc. Von den Textbildern erwähnen wir: Die Via Llala, Donnerhöhle, Obeliskfelsen, Die Weißen Berge in Nsv-LamMiro, Krystall-Katarakt bei Llormt IVasdinZton, Der Schreckensfels in den Grünen Bergen (Vermont, Prügclbrückc), Westlicher Arm der Bellow-Stromschnellen des Couneotiout, Ansicht von Ilarttorü, Der Hoo- sak-Fluß bei Vartli Väams, Der Sresn River bei Oreat-LarriuAtou, Die Fälle des Soosatonie, Vsvport von der Bai ausgcschen, Pcrry's Denkbild in Nsvxort, eto. etc.
Alle Buchhandlungen nehmen Bestellungen auf Hellwald's Amerika, an.
an unfern Kassenbestand von sechzigtausend Franken auf. „Wenn er den an sich genommen hätte?" rief mir eine schreckliche Ahnung zu; zwar suchte ich den schmählichen Verdacht sofort niederzukämpfen, aber er war geweckt und trieb mich in wilder Hast nach Hause. Der Geldschrank war wohlverschlossen, und einen Moment zögerte ich, ihn zu öffnen; dann aber steckte ich entschlossen den Schlüssel in die Thür und zog dieselbe auf. Leer! das Geld war ver- schwunden, Bougart hatte es gestohlen, hatte seinem Werk die Krone durch einen schmachvollen Raub aufgesetzt! Mir wirbelte es toll und wüst durch die Sinne, und in Wut und Verzweiflung rannte ich in meinem öden Comptoir auf und nieder. Aber nicht lange währte das; mein Zorn war aufs höchste gereizt; ich wollte den schnöden Dieb einfangen, ihn, wenn er nicht gutwillig den Raub herausgeben und mir folgen wollte, mit Gewalt zwingen, ihn lebend oder tot nach Bayonne zurückschaffen. Ich steckte ein Doppelpistol zu mir, ließ in höchster Eile mein Reitpferd satteln und jagte hinaus in der Richtung, die mir der Kutscher Bougarts bezeichnet hatte. Draußen im Felde befragte ich die Leute, ob sie nicht einen Wagen gesehen, den ich ihnen beschrieb, und da erfuhr ich, daß derselbe auf emem Feldwege um die Stadt herum nach der Landstraße gefahren sei, welche von Bayonne in gera- der Linie ins spanische Gebiet nach Jrun führt. Es sind kaum fünf bis sechs Meilen bis dahin, und der Dieb halte einen Vorsprung von zwei Stunden, den er mit seinen vorzüglichen Pferden nach Kräften auszunutzen verstanden haben mußte. Aber ich achtete dessen nicht, sondern begann eine rasende Verfolgung, überzeugt, daß mein Renner binnen einigen Stunden den Vor- sprung der Wagenpferde ausgewinnen mußte. Nachfragen auf der Landstraße bestätigten meine Annahme, daß Bougart seinen Weg nach der Grenze hin verfolgte. Daß die Herren vom Gerichte zur Anlegung der Siegel und zur Aufnahme des Inventars bereits in meiner Wohnung sein und mich erwarten mußten, verlor ich gänzlich aus dem Sinn.
(Fortsetzung folgt.)