Mo. 84
60. Jahrgang
Amts- unä Intekkigenzbkatt für äen Kezirk.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.
8amstag, äen 18. Juli 1886.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im B^irk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung^
betreffend den Ablauf äer Aamekäefrift für den Umtausch der Schuldverschreibungen des gekündigten 4V2prozentigen württembergischen Staatsanlehens vom 1. Januar 1876.
Unter Bezugnahme auf die Bekanntmachung des ständischen Ausschusses und des K. Finanzministeriums vom 9. Juni d. I., betreffend die Kündigung bezw. Umwandlung des l'/eprozentigen württembergischen Staatsanlehens vom 1. Januar 1876 in ein Iprozentiges Staatsanlehen (Staatsanzeiger Nr. 132), werden die Besitzer von Schuldverschreibungen des gekündigten Anlehens darauf hingewiesen, daß von dem den Gläubigern emgeräumteu Recht zum Umtausch der gekündigten Schuldverschreibungen gegen Schuldverschreibungen des gleichen Nennwerts eines Lprozentigen württembergischen Staatsanlehens zum Kurse von 101 ^ 50 H
nuv bis Zirm 31. Juli ö. A.
Gebrauch gemacht werden kann.
Zur Erteilung von Auskunft über die näheren Bedingungen des Umtausches ist die Unterzeichnete Anmeldestelle bereit.
Hirsau, den 15. Juli 1885.
K. Kameralaml.
Rinck.
Aufforderung
an die Inhaber von Branntweinbrennereien nnd Destillierapparaten.
Unter Hinweisung auf Art. 11 und 37 des Branntweinsteuergesetzes vom 18. Mai 1885, welches mit dem 1. Juli d. I. in Wirksamkeit tritt, werden hiemit sämtliche Besitzer einer Brennerei oder eines Destillierapparats darauf aufmerksam gemacht, daß sie jedenfalls binnen 60 Tagen, also längstens bis zum 29. August d. I., eine Beschreibung ihrer Betriebsräume und Betriebsgerätschaften (Brennereibeschreibung) in doppelter Ausfertigung dem Ortssteueramte einzureichen haben. Sollte aber die Brennerei vor dem 29. August d. I. in Betrieb gesetzt werden wollen, so ist diese Beschreibung mindestens 8 Tage vor Eröffnung des Betriebs, vorzulegen. Die ge
druckten Formularien dazu sind vom Ortssteueramt unentgeltlich zu beziehen. In der Brennereibeschreibung sind die Betriebsräume und deren Lage, die Art ihrer Benützung und die in jedem Raume befindlichen Gerätschaften nachzuweisen. Der Rauminhalt der Geräte ist nach dem Litermaß anzugeben; bei den Helmen (Kuppeln) und Kühlgefäßen ist jedoch diese Angabe nicht erforderlich.
Die Versäumung der oben bezeichneten Fristen oder die unrichtige Anzeige der Brennereigeräte würde nach Gesetz Art. 25, falls nicht auf eine Steuerhinterziehungsstrafe zu erkennen ist, eine Ordnungsstrafe bis zu 300 zur Folge haben. Die Ortsbehörden werden im Interesse ihrer Gemeindeangehörigen ersucht, diese Gesetzes-Bestimmungen in ortsüblicher Weise bekannt machen zu lassen.
den 1. Juli 1885.
K. Kameralamt. K. Umgeldskommissariat.
Rinck. Wieland.
Hcrges-Weuigkeiten.
Calw. An Stelle des noch einige Zeit hier verbleibenden Herrn Umgeldskommissär Wieland tritt Hr. Im. Staig er von hier, bisheriger Kameralamtsbuchhalter in Backnang.
Nagold, 13. Juli. Hirschwirt Guoth in Effringen hat Heuer, wie der „Neck.-Ztg." berichtet wird, einen Versuch mit Anpflanzung von Pharaoweizen gemacht. Das Feld bietet einen wunderschönen Anblick dar, der Pflanzenwuchs ist sehr üppig. Jeder Halm trägt 7 Aehren, so daß ein überreicher Ertrag in Aussicht steht.
Tübingen, 16. Juli. Soeben erscheint dahier unter der Leitung des früheren Redakteur der Tübinger Kronik ein im Geiste der deutschen Partei gehaltenes Wochenblatt auf das Nachdrücklichste empfohlen von der Leitung der deutschen Partei in Württemberg. Es verspricht, den Gegnern des Reiches tüchtig entgegenzutreten, und will die nationalen Kräfte zu gemeinsamer Abwehr und zum Angriff gegen dieselben sammeln. Die erste soeben ausgegebene Nr. enthält Artikel über „die Ziele der Demokratie" und „der Herzog von Cumberland und der Stuttgarter Beobachter." Auch für das allgemein belehrende und gemütliche Bedürfnis ist im „Deutschen Bürgerfreund" gesorgt, so daß er getrost wird seiner Bestimmung entgegengehen können, in jedem deutsch-nationalen Hause sich heimisch zu machen. Es erscheint uns durch dieses Blatt einem längst gehegten Bedürfnis der
Feuilleton.
Im Abgründe.
Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans: „EinVampy r.")
(Fortsetzung.)
„Wir sind, Kranke und Invalide inbegriffen, hundert und ein Mitglied", sagte Baltimore, „es ist genau eine Million in der Kassete, zumeist in Banknoten, teilweise in Gold; ein Viertel steht mir zu, die übrigen drei Viertel kommen zu gleichen Teilen aus hundert Köpfe, macht siebentausendfünfhundert Franken pro Mann. Die Anteile der Kranken werden bis morgen aufbewahrt, und in den Verschluß zurückgelegt. Biaritz verteilt."
Der Inhalt der Kassete wurde aus einen dazu eingerichteten Tisch ausgeschüttet, und Jeder erhielt bei seinem Namensruf seinen Beuteteil. Diese Arbeit war in einer halben Stunde erledigt, und Baltimores Kommando „Vorwärts, Kinder!" gab das Zeichen zum schleunigen Aufbruche. Alle waren bis an die Zähne bewaffnet.
„Ich rechne auf Euch, Kameraden", sagte Baltimore, „meine Frau, mein Kind und mein Lebensretter sind in der Gewalt der Soldaten. Keinen Pardon für die Dragoner!"
Einer blutdürstigen Meute gleich, die ihr Opfer gewittert hat, raste die furchtbare Bande, über achtzig Mann stark, durch die Schluchten und Klüfte des Vignemales; der kürzeste Weg, mochte er über totdrohende Abhänge oder durch unwegsame Felsgerölle führen, schien diesen wilden Söhnen des Hochgebirges, die Tag und Nacht mit dem Tod spielten, die außer ihren zügellosen Leidenschaften keinerlei Gefühle kannten und achteten, der beste und sicherste, um am schnellsten die Dragoner in ihres Kameraden Hütte zu überfallen. Wehe diesen, wenn sie noch dort waren! Es war kein Kampf mit Menschen, der denselben drohte; eine Legion Dämonen war gegen sie los- gelassen, und Uebermacht, gleiche Waffen und rasende Wildheit mußte die
Oberhand behalten. Es war Tag geworden. Baltimore sandte einige Plänkler bis an die kleine Wohnung im Grunde des Gavarnilthales voraus; vorsichtig und doch schnell näherte sich der Haufe dem Häuschen und nahm auf einem Felsenvorsprung, oberhalb desselben Stellung, wohin die Dragoner ohne einen weiten Umweg nicht anders als mit dem Tode vor Augen hätten gelangen können. Baltimore selbst stieg in Begleitung seines getreuen Biaritz hinab und trat beherzt an das Häuschen heran. Totenstille herrschte in demselben und in seiner Umgebung. Bis jetzt hatte Baltimore nicht für die Seinen gefürchtet; nun aber befiel ihn eine geheimnisvolle namenlose Angst. Heftig stieß er die Haustüre auf, welche die Soldaten notdürftig zu ihrer Verteidigung wieder hergestellt hatten; die Stube war leer. In banger Eile flog er gegen die Nebenkammer, deren Thür sich öffnete; auf das Geräusch draußen hatte Katharina sich erhoben und wollte Nachsehen, was es wiederum gebe.
„Meine Frau? Wo ist sie? Wo ist Therese?" rief ihr Baltimore entgegen, als er das weinende Gesicht der Bäuerin bemerkte.
Diese winkte ihm stumm mit der Hand nach dem Hinteren Zimmer. Baltimore fühlte sich kaum im Stande zu folgen, die Angst benahm ihm den Atem und die Stimme.
„Ach, das Fräulein —"
„Was — was ist mit Therese?"
„Sie liegt schwer krank, sie fiebert und redet irr."
„Mein Kind, mein armes Kind!" jammerte Baltimore und stürzte in die Kammer.
Dort lag Therese, einer Toten gleich, auf einem ländlichen Bette hingestreckt ; die Augen hatte sie halbgeschlossen, ihr Atem ging schwer und heftig; manchmal stöhnte sie laut, und unverständliche Worte kamen über ihre Lippen. Neben dem Bette saß ruhig und gleichmütig die Mutter und wand aus Blumen, die sie am Abend vorher von Therese erhalten, einen bunten Kranz. Mit verstörten Mienen und ängstlicher Sorge beugte sich Baltimore über sein krankes Kind; er befühlte chren Puls, der heftig flog und die Hitze