Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

Nro. 12.

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Dienstag den 30. Januar.

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Amtliches.

Nagold.

An die Standesbeamten.

Unter Hinweisung »nf §. 0 der Ministerin!- Verfügung vom 14. März 1816 werden die Sftnndes- beauilen daran erinnert, die Verzeichnisse über die Geburten, Eheschließungen u. Sterbfälle vorschristmäßig abzuschließen, zu berechnen und, soweit es noch nicht geschehen, spätestens bis 15. Februar d. I. beurkundet mit der Gebühren-Rechnung an die Unterzeichnete Stelle cinzusenden.

Den 28. Januar 1877.

K. Oberamt. Güntner.

TageS-Neuigk-iten.

* 'Nagold, 20. Jan. Der Unecht Gottes Moses sagt in Psalm 90: Unser Leben währet 70 Jahre, und wenns hoch kommt, so sinds 80 Jahre. Heule Nachmittag aber wird hier eine Frau beerdigt, welcher die Gnade geschenkt wurde, das gewöhnliche Lebensalter noch um ein Gutes überschreiten zu dürfen, indem sie im April d. I. ihr Ol. Lebensjahr vollendet hätte. Es ist dies die längst verwitwete Frau Frie­derike Blessing, eine Psarrerslochter aus Nußdorf, die sich seil 12 Jahren hier befindet und bei einer Freundin nach längerem Leiden zu der ersehnten Ruhe entgehen durfte.

Calw, 25. Jan. Die Bildnngsanstalten, wo­mit unsere Stadt so reich gesegnet ist, werden sich dieses Frühjahr wieder um eine vermehren. Wir werden nemlich eine weibliche Fortbildungsschule erhallen, welche von einer gebildeten und sehr tüchtigen Dame unter Mitwirkung weiterer Kräfte ins Leben gerufen wird. Wir haben alsdann hier auszuweisen: das Rcallycenm, welches die Berechtigung zur Aus­stellung von Zeugnissen für den Einjährig-Freiwilligen dienst hat, eine höhere Handelsschule unter Direktion des Hrn. Spöhrer, welche gut besucht ist, das George näum mit seiner Bibliothek und Hörsaal, eine höhere Töchterschule, eine sehr zahlreich besuchte Frauenarbcils- schule und eine weibliche Fortbildungsschule. Obgleich diese Schuleinrichtungen die Stadtkusse und damit den Steuerzettel wesentlich belasten, so werden Liese Opfer doch willig getragen in der richtigen Eikenniiuß, baß das, was zur Bildung der Jugend geschieht, das am besten angelegte Kapital ist Vom hiesigen Ge­werbeverein wird nunmehr auch dir Reform des Kre­ditwesens in die Hand genommen, indem eine Versamm­lung sämmtlicher Gewerbetreibender beschlossen wurde, worin denselben der Standpunkt klar gemacht und angesonnen werden wird, alle Vierteljahre ihre Rech­nungen auszugeben. Daß in der langen Kredilfnst ein Hauptkrebsschaden unserer Zeit liegt, wird von allen Einsichtigeren zugegeben werben. (Sch M )

Stuttgart, 27 Januar 1877, Abends 5 Uhr. Se. K. Hoheit der Herr Herzog Eugen Wilhem von Württemberg ist nach einem heute Nachmittag 3 Uhr hier eingetroffenen Telegramm plötzlich und unerwartet in Düsseldorf an einer Rippenfellentzündung gestorben. Schon gestern traf ein Telegramm mit der Nachricht seiner Erkrankung hier ein. Heule Vormit­tag kam die weitere Meldung, daß die Krankheit eine gefährliche Wendung genommen habe, worauf um 12 Uhr die hohe Gemahlin S. Königl. Hoheit, die Frau Herzogin Vera Kaiser! Hoh. nach Düsseldorf abreisic. Um 3 Uhr traf sodann das Telegramm von dem Tode des Herzogs ein und versetzte die Königliche Familie in die tiefste Betrübniß Der Verewigte stand erst im 30. Lebensjahre. (Extrakt, der St. N. B.)

Stuttgart. Wie sehr man an Kindern ge­

genüber stets die größte Vorsicht beobachten muß, be­weist wieder folgender traurige Unglncksfall: In der Neckarslraße gab eine Muuer ihrem Kind einen Kaul- fchuckzug, wie er an dem sogenanntenMemmele" sich befindet, in den Mund. Bald daraus Hörle sie das Kind, dem der Kautschuk zu lies in den Mund ge­kommen war, röcheln. Sie wollte denselben nun mit dem Finger wieder hcrausholen (um dem Kinde nicht weh zu iyun, Halle sie seinen Mund nicht weiter öffnen wollen), kam aber so unglücklich an bell Kautschuk, daß derselbe vollends hinavfuhr und das Kind nach Kurzem den Erstickungstod erlitt.

Stuttgart, 27. jJan. Im .achten württem- bergischeu Wahl Kreise wurde Wirlh sParteislellung unbestimmt) gegen Römer (nanonalliberal) gewählt.

WM- Zur Beachtung! Mit dem 15. Feb­ruar rrelen die 2 Lhalerstücke (3'/» Gulden) sowie die EindrUlel-Lhalerstücke (10 Silvergroschen, 35 Kreuzer) außer Kms und ist von jenem Tage an 'Niemand mehr verpflichtet, dieselben in Zahlung zu nehmen. Aus die Eiuihaler- und Thaler-Stücke (17',, kr.) findet die Außerkurssetzung vorerst noch kerne Anwendung; selbstverständlich auch nicht aus die Doppelrate,: österr. Gepräges.

Eßlingen, 23. Jan. Vor einigen Tagen ist in der Beutau hier ein 2jähriges Kind, welches von seiner Mutter aus die Bühne mitgenommen wurde, durch den osfenslehenden Zugladen auf die Straße hinabgefallen und an den Folgen des Sturzes heule gestorben. Gegen die Mutter, welche das Kind nicht aus die Bühne hätte mitnehmen oder aber den Zug­luden schließen sollen, soll Untersuchung wegen fahr­lässiger Herbeiführung des Todes ihres Kindes ein- getellel sei». (St. A.)

Leouberg, 26. Jan. Die außerordentlich ge­linde Witterung in gegenwärtiger Jahreszeit gewährt rn wirthschastltcher Beziehung Vortheile, die nicht ge­ring anzuschtagen sind. Die Schafe konnten seither ihren Unirrhall vollständig im Freien finden, und da die Bedürfnisse des eigentlichen Viehstandes bei einer Witterung wre die gegenwärtige mit einem weit ge­ringerem Aufwand an Futter befriedigt werden können, als bei einem strengen Winter, so wurden durch das Zusammenwirken dieser Umstände namhafte Ersparnisse an Futter gemacht. Eine Futternolh, die im Herbst vermulhet wurde, wird voraussichtlich nicht einlreten und der Landmann kanu dem restlichen Verlauf des Winters beruhigt entgegensetzen. Den Beweis hiefür liefert auch das Zurückgehen der Futterpreise.

T übingen, 26. Jan. Das Festkomite zur Feier des 400jährigen Jubelfestes unserer Universität hat sich jetzt konstiluirt und bereits eine Sitzung gehalten, in der das Programm für die Festlichkeiten besprochen wurde. Der offizielle Theil der Feier wird hienach in den Tagen vom 9.12. Aug. statlfinden.

München, 24. Jan. Nachdem bei der Stich­wahl in Nürnberg Herr Grillenberger unterlegen ist, wird aus Bayern kein einziger Sozialdemokrat in den Reichstag eimretc», dagegen senden wir unter 48 Ab- geoldneten acht und, je nachdem die Stichwahl in München II. aussällt, vielleicht neun katholische Geist­liche in den Reichstag.

Düsseldorf, 23. Jan. Gestern Abend hat hier ein Mädchen ihren Geliebten, einen Ulanen erstochen. Nähere Angaben über den Fall liegen nicht vor.

Berlin, 25. Jan. Das Krönungs- und Or­densfest findet aus Befehl des Kaisers nicht, wie an- gckündigt, am 28. Januar, sondern am 11. Februar flatl. Sonntag den 27. Januar wird ein Kapitel des schwarzen Adlerordens gehalten, wozu die Erb- großherzoge von Sachsen-Weimar und Baden hier einlreffen wollen.

Berlin, 26 Jan. Der ,,Reichsanze>gcr" theilt bestätigend mit, daß die Mehrzahl der Botschafter bei der Pforte, unter ihnen auch v. Werther, ihre durch

stürmisches Wetter verzögerte Abreise am 27. Jauuar vermittelst Lloyddampfer antrelen werden.

Der deutsche Bundesraih in Berlin hat in seiner Sitzung vom 25. Januar die Diäten für Reichs- lagsabgeorbnctc wiederum abgelehnt.

P ri n z e s sin C a r l in Berlin erhielt auf ihrem Sterbelager am vorletzten Tage den Besuch des Fürsten Bismarck und seiner Gemahlin. Das ist Manchem ausgefallen, der nicht wußte, daß die Prinzessin dem großen und kühne» Staatsmann vom Anfang seiner dornigen Ministerlausbahn an eine energische Gönnerin und stille Verbündete war. Und diese Bundesgenos­senschaft war um so werthvoller, als der Kanzler sehr hohe und intime Gegner und die Prinzessin großen Einfluß auf Kaiser Wilhelm hatte, der sie sehr hoch schätzte.

Berlin. Ein jugendlichesFinan zgeni e." Einer unserer Millionäre, der vor kaum zehn Jahren nur einen kleine» Manufakturladen i» der Königstraße besaß, hat einen einzigen Sohn von etwa 18 Jahren, dessen gar zu solide Lebensweise dem die Prunksucht liebenden Vater durchaus nicht behagte. Trotz des bedeutenden Taschengeldes, das er erhielt, und trotz der verschiedenen Sümmchen, die ihm die Mutter heim­lich zusteckte, blieb das Söhnchen ein sogenannter Stubenhocker, der wohl häufig seine Freunde bei sich sah, aber nie ein Vergnügen mit ihnen theilte.Mir scheint, er wird werden ein Gelehrter" meinte die Mutter, als sie mit ihrem Manne über das zurück­gezogene Leben des lieben Söhnchens sprach.Das wär' mir gar nicht lieb, denn die Gelehrsamkeit wirft magere Prozente ab" lautete die besorgnißvolle Antwort des Millionärs. Diese Besorgniß des Vaters wurde aber vor einigen Tagen in ganz eigenthümlicher Art verscheucht. In dem Zimmer des lieben Söhnchens fand eine tumultuarische Szene statt, und als die Eltern sich überzeugen wollten, was dort geschehe, fanden sie mehrere junge Leute ,im heftigsten Streite mit ihrem Sohne. Und was war die Veranlassung? Das liebe Söhnchen hatte ganz im Stillen ein Bankgeschäft in seinem Zimmer etablirt und seinen Freunden, die ihm ein Pfand hinterlegten tonnten, kleine Darlehen gegen die mäßigen Zinsen von 50 pCt. gegeben. Eine kleine Geschäslsdifferenz gab zu der tumultuarischen Dzene Veranlassung. Der Vater untersuchte dieGeschäfts­bücher" des lieben Söhnchens und als er eine günstige Bilanz entdeckte, sagte er zu seiner Frau voll Glück­seligkeit,Gott sei Dank, er wird kein Gelehrter!"

DieKöln. Ztg." glaubt als ganz gewiß melden zu können, daß der Kaiser die bestimmte Absicht habe, im Mai oder Juni eine Reise ins Reichsland zu un­ternehmen und insbesondere die Städte Metz und Straßburg zu berühren. Der Kronprinz werde wahr­scheinlich den Kaiser begleiten. DieKöln. Ztg." fügt hinzu, daß der Kaiser selbst gegen den General v. Fransecki von seiner Absicht gesprochen habe.

Wie man in einigen norddeutschen Blättern liest, werden in den höchsten Kreisendie Gefahren des allgemeine» Stimmrechts" in ernste Erwägung gezogen, und sogar die Frage erörtert: ob es nicht Zeit sei, daran zu denken, auch für den Reichstag das Zwei­kammersystem einzusühren. Konservative Blätter wenden sich mit Eifer der Erörterungen eines besseren, den deutschen Verhältnissen angemesseneren Wahlrechts zu, indem sie das für den Reichstag geltende, wegen seiner Gleichheit noch mehr wie um seiner Allgemein­heit willen, als ein für Deutschland ungerRßbares romanisches Gewächs darstellen. Indem man das Wahlrecht nach Besitz, amtlichen Leistungen, mili­tärischem Dienst und ähnlichen vermeintlichen Garan­tien für Bildung, Patriotismus und Interesse an der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung abstufen will, so kommt man zu den sonderbarsten Vorschlägen. Der gediente, beamtete, besitzende Mann soll danach ein vervielfachtes Stimmrecht erhalten, während der jener