Amtsblatt sür den Obcramtsbezirk Nagold.
Nro. 10.
Erscheint wöchentlich 3mal und kostet halbjährlich hier lohne Trägerlohn) 1 4L 60 4, sür den Bezirk 2 4L, außerhalb des Bezirks 2 4L 25 4.
Donnerstag den 25. Januar.
Jni'erationsgebübr für die lipaltige Zeile aus gewöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 4, bei mehrmaliger je 6 4.
1877.
Auch für die Monate Februar und März werden Abonnements auf den Gesellschafter von jedem Postamt oder den betr. Postboten angenommen.
Amtliches.
Die Standesämter deS Bezirks
werde» aufgesordert, die voischnslmäßig abgeschlossene» Nebenicgisicr pro 1876 im Laufe dieses Monats hierher vorzulege».
Nagold, den 23. Januar 1877.
K. Oberamlsgericht. Kißling.
Tages-Neuigkeiteu.
* Nagold. Die am 14. Januar staugehabte
General-Versammlung des hiesigen Krantenunter- stütznngsvereins war sehr zahlreich besucht, obgleich nur die Erstattung des Rechenschaftsberichts auf der Tagesordnung stand. Es wurde daher diese rege Thcilnahme auch vom Vorstande mit besonderer Freude als Beweis der Jnteresscnahme der Mitglieder an dem Verein gewürdigt, welche nicht jeder Verein sich rühmen darf. Wir theilen den Bericht im Auszuge mit, damit auch die nicht anwesend gewesenen Mitglieder von dem Stand der Kasse näheren Aufschluß erhalten und solcher vielleicht Anlaß zu weiterem Beitritt und Unterstützung der guten Dache geben möge. Einnahmen: Kassenvorrath 82 96 ^>, monatliche Beiträge 201 80 Zins aus dem Kapital
der in der Handwerkerbank angelegten Gelder 100 Eintrittsgeld 6 zusammen 390 <4L 76 L. Ausgaben: Verzinslich angelegt 100 «H, Unterstützungen für Kranke 159 4L 50 L und zwar an 13 Mitglieder im Betrag von 2 «M, 50 bis zu 45 50 L, Beerdigungskosten für 1 Mitglied 24 <4L,
sonstige Ausgaben 13 17 L, für den Einzug
15 60 L. Vermögen des Vereins am 1. Januar
1877, einschließlich des Zinsguthabens, 1030 <4L 62 Stand der Mitglieder am 1. Januar 1877: 171.
* Nagold. Der Verein zur Abwehr des Hand-
wcrksburschenbettcls hat nun die erforderliche Mitgliederzahl erhallen und seine Thätigkeit bereits begonnen. Es dürfte nun an der Einwohnerschaft selbst liegen, wenn der Verein seinen Zweck erfüllen und der lästige Bettel aufhören soll, daß jedes Mitglied konsequent jede weitere Gabe an Handwerksburschen verweigert und solche auf das RalhhauS weist, wo die Unterstützung verabreicht wird. Damit aber das sog. Hinschauen der Handwerksburschen nicht ferner den Bettel fingiren soll, hätten die Arbeitgeber etwaige offene Stellen, wie auch, wenn solche besetzt worden, damit nicht unnölhige Zuweisungen stattfinden, auf dem Ralh- hause anzuzcigen. Nur wenn so die Ordnung eingc- halten wird, ist es der Polizeimannschaft möglich, jeden ferneren Betreter einer Privatwohnung als Fechtbruder abzusassen. Wie zeitgemäß dieser Verein und wie nothwendig cs erscheint, daß von demselben kein Bürger sich ausschließt, dürste die Thatsache sprechen, daß gestern allein an durchreisende Handwerksburschen 7 50 L verabfolgt wurden.
öJi' Calw, 22. Jan. Das schädliche Kirchheimer Attentat scheint auch hier in Köpfen zu spucken. Auf der Staffel des Oberamteigebäudes lag nämlich gestern Morgen ein Drohbrief, in welchem von den Staatsund städtischen Behörden verlangt wird, der Arbeitsund Verdienstlosigkeit der Steinbrecher zu steuern, widrigenfalls zu gewarten sei, daß Dynamit zur Anwendung komme. Der Drohbrief war wohl geeignet, einige Besorgniß hervorzurusen, und die einschlägigen Behörden haben sich heute sofort zu einer Sitzung vereinigt, in welcher über die Mittel zur Hebung der augenblicklich dringendsten Noth beräthen wurde. Es sollen Suppenanstalten in's Leben gerufen und Weg- arbciten sofort in Angriff genommen werden.
Stuttgart, 22. Jan. (Landesprod »ktcnbörse.) Auch bei heutiger Börse blieb der Verkehr bei ruhiger Stimmung beschränkt und die Angebote waren wie gewöhnlich gegenüber der Nachfrage überwiegend. Wir uotiren: Walzen, baierischer 12 4L 65—90 4, russischer 12 4L 60 — 75 4: Kernen 12 4L 75 4 bis 13 4L 40 4: Dinkel 8 -<L 80 4 bis 9 -.tL: Gerste, bäurische 10 4L 40 4; Haber 7 »tL, 90 ^ bis 9 4L Mehlpreise pro 100 Kilogramm sammt Sack; Nr. 1 38 bis 39 ^tL; Nr. 2 34 -35 Nr. 3 28-29 4L Nr. 4 24-25 4L
Eßlingen, 21. Jan. Zur Verhütung der Entlassung einer größeren Anzahl Arbeiter der Maschinenfabrik wurde gestern von der Direktion beschlossen, in den Werkstätten der Montirung, Maschinenschlosserei, Schmiede, Gießerei, Kesselschmiede, Tendcrschmiede und eines Theils der Schlosserei die Arbeitszeit von 10 aus 7 Stunden herabzu setzen, dagegen in den Werkstätten Wagenban, Brückenbau, Sägmühlc und einem Theil der Schlosserei wie seither (lO Stunden täglich) fortarbeiten zu lassen.
Tübingen, 23. Jan. Wie das abgelanfene Jahr zu Ende gegangen, so hat das neue wieder begonnen; denn kaum ist ein Monat verstrichen seit dem letzten Brande und schon wieder müssen wir berichten, daß in der vergangenen Nacht eine Fenersbrunst gc- wnthet hat, wie wir sie früher nur ganz selten, in letzter Zeit aber leider so häufig gesehen haben. Um zehn Uhr ertönten die Allarmsignale der Feuerwehr und Alles eille nach dem- Brandplatze in der in der letzten Zeit so schwer heimgesuchten untern Stadt. Unweit der Spitalkirche, in der Jakobsgosse, schlugen bei Ankunft der Feuerwehr bereits die Flammen aus drei Weingärlncrhäusern auf einmal mit einer Heftigkeit empor, die auf den ersten Blick erkennen ließ, daß der Schutz der Nachbargebäude die Hauptaufgabe der Feuerwehr sein müsse. In dem sogen. Auch'- schen Haus, einem großen, ganz aus Eichenholz gezimmerten Bau, dem eine große Scheune angebaut ist, war der eigentliche Herd des Feuers und ist derselbe beinahe bis auf den Grund, das Kost'sche Haus bis auf den ersten Stock niedergebrannt und total ruinirt. Beide Häuser waren von je 3 Familien bewohnt, die nun obdachlos sind. Ob man cs hier mit einem absichtlich eingelegten Schadenfeuer zu thun hat, läßt sich mit Bestimmtheit ebensowenig behaupten wie bei den vorhergegangenen Brandfällen. (T. Ehr.)
Aus Sanlgau, 19. Jan., wird uns geschrieben: Ein ergötzliches Stückchen, wohl werlh, auch auswärts bekannt zu werden, trug sich dieser Tage hier zu. Der 74jährige Polizeidiener von Mielerringen hatte zwei fremde Gesctzesübertrcter nach Saulgau zu transportiren und an das k. Oberamt abzuliefern. Unterwegs wurde es dem bejahrten Gemeindediener wehe. In aller Gemächlichkeit greifen ihm die beiden Arrestanten buchstäblich' unter die Arme, führen ihn hicher und übergeben ihn dem kgl. Oberamt, den sonderbaren, komischen Aufzug dahin berichtigend, daß sie eigentlich hätten abgeliefert werden sollen.
Heidelberg, 21. Jan. Ein schweres Verbrechen in dem benachbarten Mosbach erregt hier großes Aufsehen, da das Opfer desselben ein Heidelberger geworden ist. Der junge vr. moä. Ortlieb, Sohn eines hiesigen Lehrers, saß mit einigen Gerichls- beamtcn Abends im Wirchshause zusammen, als ein Büchsenschuß von Außen durch das Fenster ihn in die Stirne traf und seinen augenblicklichen Tod verursachte. Man vermuihet, daß der Schuß, der zwischen den Gerichlsbeamten durchfuhr, vielleicht einem derselben zugedacht gewesen sein mag, und nicht dem unglücklichen Opfer des Frevels, dessen Urheber noch nicht entdeckt ist. (Sch. M.)
Der L eip zig er Messe kann man nichts Gutes nachsagen, sie war gedrückt und verdrießlich wie der ganze Handel und Wandel. Fabrikanten und Händler hoffen auf günstige Geschäfte in der Ostermesse.
Berlin, 19. Jan. Man schreibt der „Karlsr. Ztg." von hier: In den Händen der deutschen Ne
gierung befindet sich das Material zu einer gewaltigen Anklage gegen die Häupter der Orleanistcn, welche auf Len Umsturz der bestehenden Ordnung der Dinge in Frankreich hinarbeiten. I» das gefährliche Komplott sollen nicht nur Regierungsmänner gezogen sein, welche das Vertrauen des Mai schall-Präsidenten mißbrauchen; die Verschwörung verzweigt sich auch in der Armee und Marine, und vom Auslande werden die Fäden in Bezug gesetzt, welche die künftige Aktion dem Prätendenten Frankreichs in die Hände spielen sollen. Ob ein Gebrauch und welcher von den Enthüllungen über das kriegerische Programm und das sonstige Rüstzeug der Orleanisten gemacht wird, ist uns unbekannt. Aber wahrs cheinlich ist cs, daß die Repräsentanten der Macht in Frankreich gewarnt worden sind, Einflüsterungen Gehör zu schenken, welche den Frieden Europa's ehrgeizigen Plänen zu opfern gedenken. Den Agenten der Orleanisten an den fremde» Höfen, glcichgiltig ob sie zum Familien verbände der Dynastie gehören, oder ob sie Minister- oder Generalsunisorm tragen, mag es immerhin gelingen, für die bevorstehenden kriegerischen Eventualiiäten eine neue Gruppirung der Mächte zu erfinden, welche die Hoffnungen der Kricgspartei in Frankreich zu begünstigen scheint. Aber der praktische und gesunde Blick der leitenden Staatsmänner wird Europa davor bewahren, daß der Kanonendonner an der untern Donau das Signal zu weiteren kriegerischen Komplikationen geben könnte, auf welche die Koierie der Orleanisten ihre Verschwörungs- und Umsturzpläne stützt.
Berlin, 22. Jan. Symptome einer möglichen Friedensverhandlung zwischen der Türkei und Serbien werden von mehreren Seiten signalistrt. Serbien soll sich ostensibel bereit zeigen, übrigens für alle Fälle Vorkehrungen treffen. Der serbische Agent Marinowitsch machte vor seiner Abreise von Petersburg Andeutungen, aus welchen geschloffen wurde, daß Rußland gegen einen solchen Separatfrieden nichts einwende, doch bedarf letzteres der Bestätigung.
Berlin, 22. Jan. Nach Gerüchten, welche allerdings noch der Bestätigung bedürftig sind, stände eine Mehrforderung sür den Militäretat in nächster Reichstagsscssion bevor.
Dem Fürsten Bismarck wird folgendes Wort in den Mund gelegt, wir wissen nicht, ob von Freunden oder Feinden: „Ein russisch-türkischer Krieg beginnt gewöhnlich mit russischen Schlappen und dauert drei Jahre." Ueber den künftigen Sieger schweigt die Prophezeiung.
Wir müssen den Lesern einen neuen Reichstagsabgeordneten und Sozialdemokraten im weißen Haar vorstellen: Herrn Demmler, Hofbaurath aus Schwerin in Mecklenburg. Dieser Mann, ein genialer Schüler des berühmten Baumeisters Schinkel in Berlin, baute s. Z. seinem Großherzog Paul Friedrich in Schwerin das schönste Fürstenschloß und wurde sein Vertrauter. Demmler baute auch das Theater, den Marstall und zahlreiche Prachtbauten der Residenz und anderer Städte und Landsitze. Man kann sagen, er hat halb Mecklenburg erbaut, wenigstens alles, was gut und schön ist. Als sein Gönner starb, nahm er seinen Abschied und lehnte jede Pension ab. Ein Hart- und Hitzkopf, der gern mehr Opposition machte als vertrug, war er immer. Er ging nach Paris und wurde vertraut mit den äußersten Republikanern und als letzte hohe Schule besuchte er London und verkehrte ausschließlich mit den deutschen und französischen Flüchtlingen. So wurde er Sozialist und hat sich jetzt im Leipziger Landkreis wählen lassen. Er ist ein Siebenziger, sein Haupt ist schneeweiß wie der Aetna, aber die Lohe schlägt durch Schnee und Eis.
Mit einer rätselhaften Krankheit hat die Tochter eines höheren Postbeamten in Berlin seit ungefähr einem Jahre zu kämpfen. Die betreffende Dame, welche durch eigenthümliche Schicksalsschläge schon viel