und seines Gewissens ganz allein die volle Verantwortlichkeit dieses in seiner Art einzigen Schrilles, welchem nichts in der Geschichte zur Seite steht, übernehmen.
Zweitausend Mann, durch verlorne Treffen und Schlachten niedergeschlagen, von Entbehrungen aller Art aus den Tod ermüdet, sollten sich durch eine Armee von 20,000 Mann sieggewohnter Feinde schlagen! —
Nie konnte ein Kommandant mit größerem Rechte kapituliren, als Hamme, stein in dieser Lage. Selbst die »eil, die ihm bestimmt war, den Ort zu halten, lief schon mit dem 28. April ab.
Vergebens wurde ihm von einem der ersten Stabs-Osfiziere vorgestellt, daß der Widerstand jetzt nur eine unnütze Blutverschwendung sei; daß er dem Interesse des Vaterlandes, das ohnehin au dem Kriege keinen Aniheil nehme, nicht gemäß handle, wenn er nicht diese braven Leine für dasselbe erhalte; daß das hannoversche Korps, beständig exponirt, schon zum Theil aufgerieben und auf eine höchst undankbare Art behandelt werde und daß ohne die Annahme der angeboteneu ehrenvollen Capitulation auch dieser kleine Theil desselben so gut als verloren sei.
Hammerstein schüttelte ernst den Kopf und antwortete ruhig: „Ich glaube nicht politische Verhältnisse in Betracht ziehen zu dürfe»; wir Handel» hier als Soldaten, welche nicht blos die Verpflichtung haben, ihre Schuldigkeit zu thun, sondern sich auch für die Ehre des hannoverschen Corps, wenn es erfordert willig aufzuopfein. Hierzu haben wir jetzt Gelegenheit und nie kapitulire ich!"
Freilich stieg dennoch eine große Bedenklichkeit, welche er nur gegen Scharnhorst aussprach, in ihm auf, das war die Ungewißheit über den Ausfall der Schlacht bei Mouskron. Hatte Clairfait sie gewonnen und wurde der wichtige Ort, welcher zur Erhaltung von West-Flandern so nolhwendig war, in der darauf folgenden Nacht verlassen, so gewann der Feind gewissermaßen das wieder, was er durch die Schlacht verloren hatte.
Und dennoch war es unmöglich, wegen des gänzlichen Mangels an Munition und Lebensmitteln die Unternehmung noch 24 Stunde» zu verschiebe».
Der General wählte daher einen Mittelweg; er beschloß, sich nur mit 1800 Mann durchzuschlagen und die übrigen Zweihundert in dem Orte zur Verlheidi- gung zu lassen, in der Hoffnung, daß diese sich bis gegen 9 Uhr des nächsten Morgens halten würden; ein Zeitpunkt, in welchem die Clairfait'sche Armee, wenn sie den Tag vorher bei Mouskron gesiegt hatte, bei Menin eintreffen mußte.
Rechnet man hierzu nnn noch, daß der Ort an der einen Seite durch den Lys Fluß und eine Ueber- schwemmung total eingeschlossen war, vor dem Jper- Thore sich ein feindliches Lager befand, der Weg nach Courtrai, wie dieser Ort selber vom Feinde besetzt, und nur der eine Weg nach Rouselaer offen war, wo der überschwemmte Geluwe-Bach die Gefahr erhöhte und von der Wegnahme und Behauptung einer Brücke die Möglichkeit der Unternehmung allein abhing, so kann man sich einen schwachen Begriff von dem Muthe und der Tapferkeit dieser kleinen Schaar und ihres heldenmülhigen Anführers machen, welche uns mit Staunen und Bewunderung erfüllen muß und die es wohl verdient, aus dem Moder der Archive im frischen, lorbeergrünen Glanze dem Geschlecht der Gegenwart vor Augen geführt zu werden, daß es sich erfreue mit gerechtem Stolze seiner tapfer» Väter, deren Tha- ten in der deutschen Geschichte manch ruhmvolles Blatt anfüllen.
VI.
Bevor wir unsere hannoverschen Brüder auf diesem Todesweqe begleiten, müssen wir zu dem Vikomte Hektar d'Anville in dem Augenblicke zurückkehren, wo er, das Päckchen mechanisch in der Hand haltend, wie geistesabwesend dem sich entfernenden Charles Laroche nachstarrte.
Lieutenant Braun, ein junges, lebenslustiges hannoversches Blut, ließ die Schiffe abfeuern, um die ihm in den Tod verhaßten Jakobiner zu vertreiben, konnte ihnen aber doch seine Bewunderung nicht versagen, als er die Männer so furchtlos und langsam zurückgehen sah.
„Verfluchte Kerle!" murmelte er, „das wir daheim für armseliges, zusammengelaufenes Gesindel gehalten, ja prosit! — den Teufel haben sie im Leibe, das geht darauf los, als wäre das Leben das kleinste Gut und man kann's doch nur einmal verlieren. He, Vikomte! sehen Sie Gespenster?" wandte er sich plötzlich zu diesem, „was haben Sie denn nur dort hinüber zu starren?"
Der Vikomte seufzte tief auf, strich sich über die hohe Stirn und legt dann seinen Arm in den des Lieutenants.
„Sie haben sich, jo lange wir hier in Menin beisammen sind, immer als theilnehmender Kamerad und Freund gegen mich bewiesen, Lieutenant Braun!" sprach er um gedämpfter Stimme, langsam mit Jenem ver Schanze zuschreitend, „unter den Emigranten, welche meistenlheils frühere Offiziere König Ludwigs gewesen, habe ich keine speziellen Freunde, obgleich Vaterland und ein gemeinschaftliches Unglück uns in Noch und Tod verbinden, ich kann zu keinem Einzigen Vertrauen fassen, weil ich durchgehends der Festigkeit ihres Charakters mißtraue. Sie wissen, daß ich noch eine Schwester in der Stadt habe.
Braun nickte lheilnehmend.
„Wir Beiden," fuhr der Vikomte mit einem schweren Athemzuge fort, „sind die Einzigen von unserer Familie, welche die Guillotine bislang verschont; — ich sage bislang, da es für uns noch nicht aller Tage Abend geworden.
Meine Mutter starb vorher eines natürlichen Todes, Gott sei gelobt! — Mein Vater, zwei meiner Brüder und ein Oheim bestiegen das Blutgerüst. — Die Schwester und ich wurden Angesichts des schauerlichen Todes auf wunderbare Weise gerettet — ich ahne jetzt erst, durch wen, und das macht mein Unglück geradezu unerträglich."
„Durch jenen verwundeten Jakobiner, von welchem der Andere Ihnen dieses Packen zuwarf", ergänzte Lieutenant Braun.
„Ja", versetzte der Vikomte seufzend, „er und kein Anderer wird's gewesen sein, jener Leon Ferrand, welcher das Äastrecht in unserem Hause mit Füßen trat und meine Schwester mit unwürdigen Liebesban- den umstrickte.
Als ich dieses Verhältnis; eines Malers zu der Tochter einer der edelsten Familien des Landes erfuhr, schäumte ich vor Wulh, ich entehrte ihn wie einen Hund, indem ich ihn mit der Peitsche züchtigte und sein Gesicht mit meinen Sporen zeichnete. Er sprach den Fluch über unser Haus aus, den furchtbarsten Fluch, welchen mein Ohr jemals vernommen und der gräßlich in mir wiederhallte, als ich die Meinen durch Henkershand sterben sah, diese Henkershand, welche durch Königsmord geadelt worden ist. Seit jener Stunde verfolgt mich der schauerliche Fluch des Jakobiners, — ich trieb ihn mit meiner brutalen Rache in die Reihen der Königsmörder, — er verabscheute vordem jene Ideen einer zügellosen Freiheit. Und jetzt muß ich denken, daß er mein Leben gerettet, o, Freund! dieser Gedanke macht mich wahnsinnig."
Braun schüttelte den Kopf, er verstand dieses Gefühl des Edelmannes, welches von Stolz und Reue gebildet war, nicht recht.
„Und liebte Ihre Schwester diesen — Maler? fragte er leise.
„Freilich liebte sie ihn und wird ihn noch bis zu dieser Stunde lieben, obgleich sie seiner niemals wieder erwähnte. Doch lassen mir das jetzt, es bleibt sich gleich, da er im Sterben liegt und sie schon halb auf der Guillotine."
„Das wolle Gott verhüten," ries Braun erschreckt.
„Verhütete er die Scheußlichkeiten, die Ströme Bluts, welche um Rache zum Himmel dampfen?" höhnte Hektar, die geballten Fäuste wie außer sich emporstreckend. „Nein, ich habe weder Glauben noch Vertrauen mehr, so lange es ein Gott zulassen kann, daß die Hölle überall siegt. Doch was sollen diese Klagen, thörichte Zeitverschwendung! — Sie sollen mir beistehen, mein theurer Freund, die arme Schwester von der Guillotine zu retten, — entweder sie stirbt im Kampfe an meiner Seite oder ich bleibe bei ihr auf dem Blutgerüst."
„Beruhigen Sie sich, lieber Vikomte!" tröstete der Lieutenant, von der Heftigkeit der Franzosen erschreckt, „wer wollte denn nur gleich an das Schlimmste denken, unser General kapitulirt nicht, vielleicht werden wir heute noch von den Oesterreichern entsetzt und dann ist ja Alles gut."
„Ich muß zu meiner Schwester", sprach d'Anville dumpf, „es läßt mir keine Ruhe mehr, der Fluch des Malers muß sich ganz erfüllen."
„Sie wollen ihr den Gruß und das Packet bringen", bemerkte Braun, ihn ängstlich beobachtend, „ich würde dasselbe doch erst selber prüfen."
„Sie haben recht, Freund! der Inhalt könnte tödtlich für sie sein, o, jener Mensch war ein Teufel!"
Er riß Siegel und den umschlingenden Faden heftig auf, einige Papiere fielen zur Erde. Braun hob sie empor, es waren Banknoten von bedeuten
dem Werthe, — schweigend reichte er sie dem Vikomte, welcher sie mechanisch hinnahm, um ein großes mit Siegeln versehenes, von der französischen Republik ausgestelltes Dokument zu entfalten und zu lesen. Es war eine Vermögensverschreibung, eine Art Testament für die Gattin des Bürgers Leon Ferrand, Hortense, geborene d'Anville, ein Sicherheitsschein, der sie gegen jede Gefahr abseiten der Republikaner schützen mußte.
(Fortsetzung folgt.)
Allerlei.
— „Sichst Du, Mann," sagte die Gattin beim Morgenkaffee, „ichhabeBuch geführt! In diesem ganzen Monat bist Du 27 Mal nach 12 Uhr Abends nach Hause gekommen und nur drei Abende zu Hause geblieben." — „Scheußlich!" seufzte der Gatte zerknirscht, „die schönen drei Abende so zu verbummeln!"
— Entfuselungs-und Klärungspulver für alle Arten von Liqueuren. Dem Branntweinbrenner Franz Plattner in Dittersdorf wurde auf nachstehendes Verfahren ein Patent in Bayern (1. Juni 1873) verliehen. Nachdem die Digestion mit den zum jederartigen Liqueur, als Früchten-Liqueur, Magen-, Persiko, 4.gus vitasx gehörigen Ingredienzen, und gewöhnlichem Kartoffelbranntwein fertig und mit einem hinlänglichen Quantum von sogen. Farinezucker versüßt ist, wird die abgeseihte Flüssigkeit je auf 8 Liter mit 2 Loth chemisch reiner Stärke, 1 Loth präpa- rirtem Eiweiß in feinster Pulverform und 1 Loth Milchzucker vermengt, die ganze Masse der Flüssigkeit mehreremale stark geschüttelt und hierauf 24 Stunden in einem Glase oder anderen Gefässe ruhig stehen gelassen. Nach dieser Zeit klärt sich der so bereitete Liqueur hell, rein und auf das Schönste, bedarf keines Filtrums mehr, erhält einen eigenthümlichen Glanz und entfernt aus jedem des zur Digestion verwendeten ordinären fuselhaftigen Branntweins aus Kartoffeln jede Spur von Fuselöl, so daß der auf diese Art bereitete Liqueur an Feinheit und Wohlgeschmack, die aus Holland und Frankreich eingeführten durch Destillation bereiteten Liqueure weit übertrifft.
— (Durch's Fenster.) „Ist der Segen gut, dann geht er auch durch den Hut", meinte einst Blumauer, „und wenn er durch den Hut geht, geht er auch durch's Fenster", mochte der Herr Pfarrer von Hrobitsch in Böhmen denken. Denn als kürzlich daselbst ein Leichenbegängnis; stattfand, der Herr Pfarrer aber durch Krankheit verhindert war, in üblicher Weise die priesterlichen Funktionen vorzunehmen, ließ er den Sarg vor die Pfarrei bringen und segnete die Leiche von seinem Krankenzimmer aus bei geschlossenen Fenstern ein.
— Ein Substitut für Leder. Wie „Scrib- ner's Monthly" berichtet, ist es gelungen, aus rein vegetabilischen Stoffen ein neues Produkt herzustellen, das in mancher Hinsicht dem Leder ähnlich ist und von dem Erfinder „vegetabilisches Leder" genannt wird. Die Bestandtheile sind: Baumwolle oder Abfälle von Baumwolle, Cacanfaser Seemoos (kueus orispus), welches sich an der Küste von Neu-England in Masse findet, und einige andere minder wesentliche Bestandtheile, die bei der Textilindustrie in Verwendung kommen. Die Baumwollabfälle werden zu Warten von gleicher Dicke verarbeitet, die letzteren zwischen Zinkplatten erhitzt und mit einem Dekokt aus Fukus gesättigt. Dann wird das neue Material zwischen Rollen gepreßt, mit Leinöl behandelt und getrocknet. Es kann, nachdem es mit vegetabilischem Wachs bestrichen und abermals getrocknet und zwischen Rollen gepreßt, gerade so bronzirt und gefirnißt werden, wie gewöhnliches Leder.
Ich zeige mich in wechselnden Gestalten:
Auf weichen Fittigen trag' ich euch schwebend. Dem slücht'gen Dasein selbst ein treues Bild; Kann zur krystall'nen Brücke mich entfalten: Dann, sichtbar kaum, mich in die Lust erhebend, Tränk' ich von hier das dürstende Gefild Und wo als Fremdling selbst im Wüstenmeere Dem tiefen Schoß der Erde ich entsteige.
Weckt Leben gleich mein muntrer Silberton, Vergessen ist die düstre, schwüle Leere,
Die Dattel reist, es winkt die würz'ge Feige Herbei der Schöpfung auserwählten Sohn.
Ich schaff' Erquickung, Nahrung. Wohlseinssülle, Ihr könnt mich nirgendwo und nimmer missen. Bin eurer Arbeit mächtigster Genoß;
In Sommers Glut erfrisch ich euch als Hülle, Steh an des Kerkers hartem Lagerkiffen Und diene euch als ein beflügelt Roß.
Goldkurs der k. Staatskassenverwaltung
am IS. Januar 1877.
20-Frankenstücke.16 18