Mo. 81
«0. Jahrgang.
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Amts- unä Intessigenzblott für ilcn Kezirß.
Erscheint Menstag, Aonnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.
§amst«g, äen 11. Juki 1885.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
Calw.
Bekanntmachung betr. die Gerichlsferien.
Die Gerichtsferien beginnen am 15. Juli und endigen am 15. September. Während derselben werden nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen erlaffen.
Feriensachen sind:
1) Strafsachen;
2) Arrestsachen und die eine einstweilige Verfügung betreffenden Sachen;
3) Meß- und Marktfachen;
4) Streitigkeiten zwischen Vermiethern und Miethern von Wohnungs- . und anderen Räumen wegen Überlassung, Benützung und Räumung
derselben, sowie wegen Zurückhaltung der vom Miether in dis Mieths- räume eingebrachten Sachen;
5) Wechselsachen;
6) Bausachen, wenn über Fortsetzung eines angefangenen Baues gestritten wird.
Das Gericht kann auf Antrag auch andere Sachen, soweit sie besonderer Beschleunigung bedürfen, als Feriensachen bezeichnen. Die gleiche Befugnis hat vorbehaltlich der Entscheidung des Gerichts der Vorsitzende.
Auf das Mahnverfahren, das Zwangsvollstreckungsverfahren und das Konkursverfahren sind die Ferien ohne Einfluß. (Reichsger.-Verf.-Gesetz § 201, 202, 204). .
Calw, den 8. Juli 1885.
K! Amtsgericht.
Oberamtsrichter Frommaun.
Aufforderung
an Lie Inhaber von Branntweinbrennereien nn) Destillierapparaten.
Unter Hinweisung auf Art. 11 und 37 des Branntweinsteuergesetzes vom 18. Mai 1885, welches mit dem 1. Juli d. I. in Wirksamkeit tritt, werden hiemit sämtliche Besitzer einer Brennerei oder eines Destillierapparats darauf aufmerksam gemacht, daß sie jedenfalls binnen 60 Tagen, also längstens bis zum 20. August -. I., eins Beschreibung ihrer Betriebsräume
und Betriebsgerätschaften (Brennereibeschreibung) in doppelter Ausfertigung dem Ortssteueramte einzureichen haben. Sollte aber die Brennerei vor dem 29. August d. I. in Betrieb gesetzt werden wollen, so ist diese Beschreibung mindestens 8 Tage vor Eröffnung des Betriebs, vorzulegen. Die gedruckten Formularien dazu sind vom Ortssteueramt unentgeltlich zu beziehen. In der Brennereibeschreibung sind die Betriebsräume und deren Lage, die Art ihrer Benützung und die in jedem Raume befindlichen Gerätschaften nachzuweisen. Der Rauminhalt der Geräte ist nach dem Litermaß anzugeben; bei den Helmen (Kuppeln) und Kühlgefäßen ist jedoch diese Angabe nicht erforderlich.
Die Versäumung der oben bezeichnete» Fristen oder die unrichtige Anzeige der Brennereigeräte würde nach Gesetz Art. 25, falls nicht aus eine Steuerhinterziehungsstrafe zu erkennen ist, eine Ordnungsstrafe bis zu 300 zur Folge haben. Tie Ortsbehördeu werden im Interesse ihrer Gemeindeangehörigen ersucht, diese Gesetzes-Bestimmungen in ortsüblicher Weise bekannt machen zu lassen.
HAr 1. Juli 1885.
K. Kameralamt. K. Umgeldskommissariat.
Rinck. Wieland.
WcrctzrticHterr.
Teutsche-Reich.
— Der Kaiser erscheint seit einigen Tagen wieder regelmäßig früh um 9 Uhr auf der Promenade in Bad Ems. Dabei ergeht er sich mitten unter dem Publikum in den Kolonnaden und macht daselbst Gelegenheitseinkäufe, um diese oder jene Dame zu beschenken oder dem oder jenem Herrn ein Andenken zu überreichen. So kaufte der Kaffer kürzlich in der Pfeffer'- schen Kunsthandlung einen Karton der Blockmann'schen Original-Photograpyien des Nationaldenkmals auf dem Niederwald. Der Kaiser machte zu den Einzelbildern einige Bemerkungen, die von seinem guten Gedächtnis zeugen, und sagte dabei unter Anderem: „Sehen Sie hier Moltke. Diesen kurzen Rock hatte er anfänglich nicht getragen. Auf dem ersten Modell trug er einen Rock, der fast bis zur Erde herabreichte. Als Molkte dies sah, protestierte er heftig gegen eine solche Darstellung, denn er wollte sich nicht im Schlaf-
Feuilleton.
Im Abgrunde.
Roman von Lo u iS H acke nb r o ich. (Verfasser des Romans: „Ein Vampyr.-)
(Fortsetzung.)
„Dieser Mensch treibt- sich lauernd in der Nähe dieses Hauses herum"' meldete der Dragoner, „es war noch ein zweiter bei ihm, der aber aus- geriffen ist."
Leo erkannte überrascht den Wucherer und fragte, was er zu solcher Stunde an diesem Orte zu thun habe. Nachdem Jsmael Gantz, der unterwegs Juan getroffen und von dem Ueberfall Don Balthasars Kenntnis er- Mlten hatte, eine Weile ganz jämmerlich gehustet hatte, antwortete er:
„Ich hatte Don Bayhasar auf seiner Rückkehr begleitet und gedachte bis zur ersten spanischen Poststation bei ihm zu bleiben, als wir plötzlich von einer Räuberbande überfallen wurden; unsere Gendarmen-Eskorte ist unterlegen ; in meiner Angst habe ich die Flucht ergriffen und in den Bergen mich verirrt; schon einige Stunden laufe ich so auf gut Glück herum; der Zufall führte mich hierher."
Diese Lüge war mit so wahrhaftem Tone ausgesprochen, daß Leo sie glaubte.
„Was?" rief er erschreckt, „Don Balthasar ist angefallen worden?"
„Und einer ganzen Million beraubt; es ist schrecklich!"
„Und sein Leben?"
„Ich habe nicht den Mut gehabt, das Ende dieses furchtbaren Abenteuers abzuwarten; aber ich glaube, daß er seinen Weg hat fortsetzen können, denn di: Räuber haben nicht einmal mich festgehalten, was sie doch sehr leicht lumten."
„Wer war denn der Mensch, der soeben floh, als der Soldat Sie fest- nahmi." fragte Leo.
„Es war Biaritz, verehrter Herr, ich begegnete ihm am Eingänge des Thaies; er^ar sehr aufgeregt, und , um die Wahrheit zu sagen, ich habe ihn stark im Erdacht, daß er mit den Banditen in Verbindung stehe."
„Aber, wenn ich nicht irre, waren Sie selbst es doch, der den Biaritz uns als Führer empfohlen hat!"
„Ja, Du lieber Gott, wer hat sich nicht schon einmal zum Schein trügen lassen! Dieser Biaritz hat ein Gesicht, wie die Ehrlichkeit selbst."
Der junge Offizier, der Jsmael Gantz schon öfter bei seinem Vater in Paris gesehen hatte, glaubte sich mit seinem Verhör begnügen zu können.
„Dann werden Sie sich ebenso wie andere Leute freuen, Herr Gantz", sagte er und deutete mit der Hand auf den gefesselten Baltimore im Hintergründe des Raumes, „wir haben Jnigo Torreguy! Das ist er."
„Gerechter Himmel!" rief Jsmael aus, der gleich beim Eintritt in das Haus mit einem einzigen Blicke Alles gesehen hatte, „ist es möglich? Welch glückliches Ereignis! Die That verdient einen Orden, Herr Graf!"
„Sie sehen", antwortete Leo, „daß er nicht so schrecklich ist, wie Sie ihn uns letzthin beschrieben haben."
Leo wandte sich an seine Soldaten.
„Was ich da erfahren habe, bestimmt mich, die Nacht hier zu verbringen, Leute", sagte er. „Die Banditen sind draußen, und nichts liegt näher zu erwarten, als daß sie uns aus irgend einem Hinterhalte angreifen werden. Wäre es Heller Tag, so wäre das nichts, aber einen nächtlichen Ueberfall vermögen -wir besser hier, als in den Bergen abzuschlagen. Wir werden das Häuschen besetzt halten und bis zum Tagesanbrüche hier bleiben."
Hierauf traf Leo seine Verteidigungsmaßregeln, ließ die Thür verbarrikadieren, stellte an jedes geöffnete Fenster einen Doppelposten, und begab sich dann in das Nebenzimmer, wo Therese und Katharina noch immer sich vergebens bemühten, die Wahnsinnige zu beleben.
Unterdes hatten die Dragoner sich so leidlich als möglich in der Hüffe eingerichtet und ihre Pfeifen angezündet. Ihr Gefangener war ihnen sicher, und sie achteten nicht mehr auf ihn, sondern unterhielten sich laut und lustig. Jsmael Gantz ging nachdenklich in dem Zimmer auf und ab und wechselte schnelle Blicke des Einverständnisses mit Baltimore. Mehrmals war er im Hintergründe des Zimmers, den Rücken an die Mauer gelehnt, die Hände auf dem Rücken, stehen geblieben und hatte leise mit den Fingern eine Kupferplatte untersucht, die dort eingemauert war; die Untersuchung hatte ihn