Jeannette schauderte entsetzt zusammen, als Henry die bleiche, bewußtlose Gestalt mtt roher Hand berührte, es war ihr, als triese diese Hand von Henkerblut. Doch sah sie keinen andern Ausweg, die Ohnmächtige aus diesem gefahrvollen Raum sortzuschaffen, allein wars ihr nicht möglich, sie mußte wohl oder übel des Bruders Hülse annehmen.

Keine Silbe wurde mehr zwischen den Geschwi­stern gewechselt und »ach wenigen Minuten ruhte Hortcnse auf ihrem Belte in einem der zu Schlaskam- mern umgewandelien Kellerräume; von Jeannette's liebender Pflege umgeben.

Vater Laroche erschrack gewaltig beim Anblick der Ohnmächtigen mit der blutenden Stirn. Er wars einen furchtsamen Blick auf seinen Sohn und schlich dann stuszend in seinen Waarenkeller, um hier einige Pa­ternoster zur eigenen Entsühnung zu beten.

Als Hortcnse aus der todtenahnlichen Ohnmacht erwachte, lag ihr Geist in den Banden eines heftigen Fiebers, der Himmel schien mehr Mitleid mit der Ar­men zu haben, als die Menschheit, welche im Taumel blutiger 'Vernichtung Gottes Ebenbild mit Füßen trat und sich selber zum wilden Raubthier herabwürdigle.

V.

Es war am dritten Tage der Belagerung, am 29. April.

General von Hammerstein hatte in der vorher­gehenden Nacht einen Sturm von Seiten des Feindes erwartet und sich entschlossen darauf vorbereitet. Doch war nichts weiter geschehen, als das Feuerwerk der Bomben und Granaten; ein Schauspiel für die todt- müden Soldaten, welche seit drei Tagen beständig un­ter den Waffen sich befandet!.

Hektar d'Anville befand sich in dieser Nacht in der Schanze am Jper-Thore, er halte es versucht, in die Stadt zu gelangen, um den letzten Trost im An­blick der geliebten Schwester sich zu holen und sich von ihrer Sicherheit zu überzeugen, doch hatte der Gene­ral ihm Liesen gefahrvollen Weg untersagt und den Urlaub dazu verweigert, da Tag und Nacht jetzt die tödtlichen Geschosse sich kreuzten und die Straßen un- passirbar machten.

Die Stadt war größtentheils niedergebrannt und rauchte noch an allen Ecken; die Kräfte der Soldaten waren erschöpft, die wenigen Lebensmittel unter dem Schutte der Häuser vergraben; die Munition war verschossen oder im Feuer aufgegangen, da ungefähr um 0 Uhr Nachmittags wurden 11 Munitionswagen durch feindliche Haubitzen in die Luft gesprengt worden.

Es war nach diesem Verlust, welcher auf den tapferen General höchst niederschlagend einwirken mußte, unmöglich, sich noch lange zu halten.

Hammer stein verbarg mit männlichem Muthe seinen Schmerz und berieth noch einmal mit seinem umsichtigen und aussgezeichneten Hauptmann Scharn­horst die ganze ungeheure Schwierigkeit und Verant­wortlichkeit seiner Lage.

Bei Mouskron, westlich von Menin, war an diesem Tage von dem österreichischen Feldzeugmcister von Clairfait gegen Pichegru eine zehnstündige Schlacht geliefert und verloren worden. Man konnte die Ka­nonade deutlich in Menin hören.

Gewann Clairfait die Schlacht, dann wurde Menin noch an diesem Tage entsetzt.

Das mochte der französische General Moreau wohl befürchten, der Besitz der Festung war zu wichtig für ihn, weshalb er um zehn Uhr Morgens die ge­schloffenen Bataillone im Sturmschritt Vorgehen ließ, um seiner Aufforderung mehr Nachdruck zu geben.

Zugleich erschien vor dem Jper-Thore ein Trom peter und ein Offizier mit zwei Aufforderungen zur Uebergabe, eine an den General, die andere an den Magistrat von Menin, von dem General Moreau unterschrieben.

Im Namen der Menschheit wurde aufgesordert, die Festung zu übergeben, wolle die Garnison sich nicht der Gefahr aussetzen, mit welcher ein erbitterter Feind sie bedrohe.

Zum ersten Male seit der Einschließung schwieg das Feuer, eine plötzliche wunderbare Stille, welche eine nicht zu beschreibende Empfindung bei der Gar­nison verursachte.

Zum ersten Male hoffte man wieder, man durfte in diesem Augenblicke frei und ohne Gefahr gehen und stehen, wo man wollte. Es war für jeden Einzelnen ein merkwürdiger unvergeßlicher Augenblick. Dabei hörte man jetzt deutlich die Kanonade bei Mouskron, von welcher die Garnison eine Befreiung mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten durfte.

Während dieser kurzen Waffenruhe, in welcher der General sich nur mit Scharnhorst als Freund und

Vertrauten berieth, kamen einige feindliche Offiziere bis nahe an den Graben, um sich mit ihren Gegnern über die Wirkung des Geschützes zu unterhalten und ihre Neugierde zu befriedigen. Sie boten Erfrischun­gen an, finster schlugen die Hannoveraner sie aus und verlangten nur kurz ihre Entfernung, welche selbst mit Drohungen nicht zu erreichen war.

Unter den Republikaner» , welche hartnäckig am Graben verweilten, befand sich ein junger schlanker Offizier mit hübschem, gebräuntem Antlitz und dunkel- blitzendcn Augen, welche forschend mit sehnsüchtigem Ausdruck die finster und trotzig herüberblickenden Geg­ner musterte, um, wie es schien, irgend einen bestimm­ten Gegenstand zu entdecken.

Ein junger, hübscher Lieutenant vom 14. Infan­terie-Regiment rief in diesem Augenblicke, indem er jene umherspähenden Republikaner herausfordernd anschaute und dabei keck an seinen Degen schlug:Wol­len den neugierigen Jakobinern einige blaue Bohnen übern Kopf blasen, vielleicht wirkt das besser, als leere Worte. Verfluchter Maulaffe dort, möchte wohl wissen, wieviel Pulver und Blei wir noch besitzen. Sollen wir dem frechen Jakobiner eins ans de» Pelz brennen, Herr Vikomte?" wandte er sich lebhaft zu dem in diesem Augenblick neben ihn tretenden d'Anville.

Ah, Charles Laroche, so wahr ich lebe!" mur­melte dieser überrascht.

Bürger d'Anville!" rief der Republikaner mit lauter Stimme,ich möchte zwei Worte mit Ihnen reden."

Hektar erröthete. der stolze Edelmann fühlte sich durch die bürgerliche Anrede verletzt. Doch be­zwang er seinen Zorn bei dem Gedanken an die hülf- lose Lage der Schwester und versetzte ruhig:Ich stehe zu Ihren Diensten, Bürger Laroche!"

Was fällt Ihnen ein, Herr Vikomte!" rief der hannoversche Lieutenant unwillig und staunend,Sie stehen diesem Jakobiner Rede?"

Lassen Sie mich nur gewähren, Lieutenant Braun!" sprach jener trübe lächelnd,ich kenne diesen jungen Mann, wir sind hier Alle gleich."

Der Republikaner stieß einen ungeduldigen Fluch aus.

Bürger d'Anville!" rief er mit etwas gedämpf­ter Stimme,denken Sie an die Sicherheit Ihrer Schwester."

Würden Sie Ihr Henker sein!" fragte Hektar mit zuckenden Lippen.

Nein," versetzte Charles Laroche kurz,doch wäre es möglich, daß mich vorher noch eine Kugel träfe. Ich hatte den besten Beschützer von Paris mitgebracht, Eure Kugeln haben ihn schwer verwundet niedergestreckt."

Wie heißt dieser Beschützer?" fragte der Vi­komte hastig.

Leon Ferrand!" tönte es langsam und mit Nach­druck herüber.

Leon Ferrand!" murmelte d'Anville,v Gott! verfolgt dieser Name mich auch hierher?"

Der sterbende Leon bittet seine» Todfeind d'An- ville, den letzten Gruß von ihm der Schwester zu »verbringen und dieses Vermächtniß für sie."

Ein kleines Packet siel zu Hektars Füßen nieder, der es mechanisch aushob^

Besorgen Sie es in der nächsten Stunde noch Bürger d'Anville! es könnte leicht zu spät werden.""

Jetzt empfehlen Sie sich, meine Herren!" rief Lieutenant Braun ungeduldig,unser General kapitulirt niemals. Hören Sie die Kanonen unserer Brüder, sic werden stütz genug hier sein, um Ihnen einen der­ben Gruß zu bringen. Hurrah für England und Hannover! Tod den Jakobinern!"

Einige Kugeln sausten über die Köpfe der noch hartnäckig am Graben verweilenden Republikaner hin­weg, da empfahlen sie sich mit vieler Artigkeit und gingen langsam zurück, ohne die geringste Furcht bli­cken zu lassen.

Die Artillerie-Offiziere, welche darunter gewesen, salutirten hierauf die Garnison mit zwei Salven, bei denen sich die Kugeln in einem hohen Bogen über die Stadt wegfchoffcn.

In einem Hause dicht am Thore hielt der Gene­ral von Hammerstein während dieser kleinen Vor­gänge eine rasche Berathung mit dem Hauptmann Scharnhorst? hinsichtlich der Aufforderung des Generals Moreau.

Es verursachte dem edlen Manne eine höchst un­angenehme Empfindung, daß in der Aufforderung nur von der Uebergabe des Ortes die Rede war, welches die Wahrscheinlichkeit zuließ, daß der Feind einen freien Abzug zu gestatten, nicht abgeneigt wäre.

Von der anderen Seite war es aber auch keinem Zweifel unterworfen, daß den Emigranten die Capi- tulation nicht gehalten werden konnte und daß diese der erbitterten Rache in die Hände fielen, wenn nicht das Durchschlagen der Garnison oder ein Entsatz sie rettete.

Vierhundert Menschenleben lagen in seiner Hand.

Es gehörte in der That die ganze Energie und innere Kraft eines solchen Mannes wie Hammerstein dazu, hier den raschen und festen Entschluß zu fassen, der einer so großen Verantwortlichkeit gegenüber sei­ner ganz würdig war, ihm wie seiner Garnison einen unvergänglichen Platz in der Geschichte zu bewahren und dem Namen Hannovers einen neuen ewig grünen Zweig des Ruhmes hinzuzufügen.

Er reichte dem Hauptmann Scharnhorst jetzt entschlossen die Hand und sprach kurz:Kommt bis Abend kein Entsatz, dann schlagen wir uns in der nächsten Nacht durch. Der Feind darf unsere Bedräng- niß nicht errathen!"

Mit fester Hand schrieb er unter die Auffor­derung :

Ich kenne meine Pflichten und werde mich nicht ergeben", und sandte das Original zurück.

Jetzt war die Brücke abgebrochen, nur ein Ziel noch lag vor den Tapfer», es hieß: Durch!

Der Verlust der Munition und die Gewißheit der verlornen Schlacht, da kein Entsatz kam, ließen ihm überhaupt keine Wahl mehr - in der nächsten Nacht mußte der Plan ausgeführt werden und Scharnhorst, sein einziger Vertrauen, erhielt den Auftrag, in's Ge­heim dazu alle vorläufigen Arrangements zu treffen.

Um den Feind indessen glauben zu machen, daß man noch eine längere Verteidigung beabsichtigte, so wurde, nachdem es finster war, eine Mühle und einige Häuser vor dem Coutraier Thore, in welchen Feinde waren, angegriffen und angezündet.

(Fortsetzung folgt.)

Allerlei.

Widerspenstige Pferde zu zähmen. Der Reitknecht eines in Breslau wohnenden Cavallerie- Osfiziers sah dort vor der Schmiede Pferde beschlagen. Eines derselben war sehr wild, hatte sich noch nie beschlagen lassen und auch der jetzige Versuch mißlang. Da trat der Reitknecht näher und versprach gegen Belohnung von einem Thaler das Pferd ohne allen äußeren Zwang sofort dahin zu bringen, daß es sich ruhig beschlagen ließe. Dies bewilligt, trat er nun vor das Pferd, hielt seine beiden Hände, in denen er nur sein Schnupftuch hatte, an die Nase des Pferdes, und stehe da, letzteres stand wie ein Lamm und ließ sich ruhig beschlagen. Man hatte jedoch bemerkt, daß der Knecht sich zuvor mit dem Inhalte eines Fläsch­chens Hände und Schnupftuch benetzt hatte; das Gläschen ward aufgefunden und der Inhalt als äthe­risches Petersilienöl erkannt. Weiter angestellte Ver­suche, wobei mit circa 2 Drachmen desselben Oels ganz ähnlich verfahren wurde, gaben bei den bösesten Pferden dasselbe erwünschte Resultat. Die Notiz wird für manchen Pferdebesitzer von Interesse sein, wenn auch schon früher bemerkt wurde, daß verschiedene äthe­rische Oele zur Besänftigung wilder Pferde beitrugen.

Unbezahlbarer guter Rath für Wirthe. Wie viel Eimer Bier brauchen Sie in der Woche, Herr Wirth?"20 Eimer, gnädiger Herr!" Ich wüßte ein Mittel, daß Sie wenigstens 5 Eimer mehr ausschenken könnten."Und das wäre?" Machen Sie jedes Glas so voll als stch's gehört."

Hugo sei so gut! Die Besitzer der Her- renkleider-Geschäfte in Berlin entwickeln bekanntlich in der Anpreisung ihrer Maaren eine poetische Ader, welche alle bisherigen Gelegenheitsdichter erblassen läfit und den Fabrikanten an der Spree üppig wachsenden Possen, und Kalauern gefährliche Konkurrenz macht. Das jüngste Kind der Herrengarderobe-Muse lautet nach dem Jnseratentheil derGerichts-Zeitung" wie folgt:

Hugo sei so gut!

Hugo, ach, wie tief bist Du gesunken!

Hast noch keinen Winter-Paletot!

Lang schon wickelte man ungedunken Um die Brunnen-Tüllen warmes Stroh!

Schrecken Dich denn nicht des Frostes Beulen? Willst Du zähneklappernd kneipen gehn?

Hugo, ach zu spät erst wirst Du eilen,

Haid erstarrt, zur gold'nen Hundertzehn, Darum komm, noch steht die Rettungspforte Dir bei freiem Eintritt täglich auf,

Gleich am Eingang stehn die Zauberworte:

Fort mit Schaden jetzt im Ausverkauf:

3000 Winterpaletots, 6000 Schlafröcke u. s. w. nach der bekannten Melodie.