Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

Nro. 3.

Erscheint wöchentlich:>mal und kostet bcübiäbriich Ziffer (ohne Trästerlohn) 1 60 sür den Be-

s zirk 2 außerhnld des Bezirks 2 ^ 2 > 4.

Dienstag den 9. Januar.

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Amtliches.

Nagold.

An die k. Pfarrämter.

Dieselben wollen die Berichte in Bclreff der blinden und taubstummen Kinder je abgesondert, be­ziehungsweise Fehl-Anzeigen hicher einsenden.

Den 4 Januar 1877.

Kgl. gem. Oberamt.

Nagold.

Rekrutirung 1877.

Die Anlegung der Militärstammrollen vom Jahr­gang 1857, wozu die Orlsvorsteher die erforderlichen Tabellen erhalten, hat genau nach den Bestimmungen der M 44 und 45 der deutschen Wehr Ordnung vom 28. September 1875, Reggsbl. Nro. 35, zu geschehen.

In jeder Gemeinde ist mittelst Anschlags am Rathhaus, wozu Plakate folgen werden, und aus sonstige ortsübliche Weise die Aufforderung zur Anmeldung der Militärpflichtigen in der Zeit vom 15. Januar bis 1. Februar behufs Einschreibung in die Stamm­rolle alsbald zu erlassen und wird insbesondere dar­auf aufmerksam gemacht, daß die in dem Jahre 1877 in das militärpflichtige Alter eintretenden, zum ein­jährig freiwilligen Dienst berechtigten nach den Bestimmungen der Ersatz-Ordnung ebenso wie die übrige» Militärpflichtigen die Pflicht haben, sich zur Stammrolle anzumelden.

Die Rekrutirungsstammrollcn sind jahrgangs­weise anzulegen, so daß sür alle Militärpflichtigen, welche innerhalb eines Kalenderjahrs geboren sind, eine besondere Rekrutirungssiammrolle besteht.

Außerdem werden die Ortsvorsteher noch be­sonders aufmerksam gemacht:

1) auf die M 23 und 24 der deutschen Wehr- Ordnung über die Melde- und Gestellungspflicht, um die Wehrpflichtigen, sowie deren Eltern, Vormünder, Lehr- und Brodherrn zu belehren;

2) auf §. 56, um rechtzeitig die öffentliche Auffor­derung zu erlassen;

3) auf die §§. 4345 in Betreff der Listenführung und der Einsendung der Stammrollen und der beiden Vorjahre, also der Jahrgänge 1875, 1876 und 1877 bis 15. Februar an das Oberamt;

4) auf §. 62, Z. 6, wegen der Ansprüche auf Zu­rückstellung und Befreiung;

5) wegen der Seitens der Militärpflichtigen vor- zulegendcn Urkunden auf §. 64. Z. 5, und ebendaselbst;

6) wegen des Vorbringens, an Epilepsie zu leiden;

7) nach Schema 6, Seite 63, sind in die Rubrik Bemerkungen" der Militärstammrolle alle Be­strafungen und sonstigen Angaben einzutragen, welche zur Beurtheilung des Lebenswandels des Wehrpflichtigen von Bedeutung sind.

Endlich muß

8) die Stammrolle mit der Beurkundung vom Ge­meinderath abgeschlossen werden, daß die Ein­träge mit den Einträgen in der pfarramtlichen Geburtsliste übereinstimmen und daß im Monate Januar die öffentliche Aufforderung gemäß §. 56 der Wehr-Ordnung erfolgt sei.

Den 4. Januar 1877.

K. Oberamt. Güntner.

An di- Reichstags-Wähler des VII. Wahlkreises.

Unser Candidat, Herr Julius Staelin von Calw, wurde an seinen Wahlreisen durch eine Erkäl­tungskrankheit, die ihn an das Bett fesselt, unterbrochen. Wir können unfern Mitwählern Herrn Staelin, als einen mit den Bedürfnissen des Volkes vertrauten, charakterfesten und den Aufgaben eines Reichstags- Abgeordneten in jeder Beziehung gewachsenen Mann

empfehlen, im Ucinige» erlauben wir uns aus sein Programm, dem heutigen Blatte beigelegt, zu verweisen.

Wir bitten die Wähler dringend, ihre reichs­bürgerlicheil Pflichten ausznüben, und sich am 10. Ja­nuar möglichst zahlt eich bei der Wahl zu betheiligcn.

Calw, den 4 Januar 1877.

Das Wahl-Comite für Julius Dlaelin.

T a g e S - N e u i g k e i t e u.

Stuttgart, 4. Jan. Rechtsanwalt I. Hol­der hat sich nunmehr bereit erklärt, eine Waht für die hiesige Sladt und den Bezirk in den Reichstag anzunehmen. Gegenkandidat ist bis jetzt der von den Sozialdemokraten auch das tetzlemal ansgcftellie frühere Redakteur ihrer süddeulschen Voikszeitung Hr. Karl Hill mann. (Sch. M.)

Kirchheim. Von den beiden wegen der Ex­plosion Verhafteten ist der eine, ein 34 Jahre alter verheiralheler Maurer, einer der nächsten Nachbarn des Sladischultheißen; der andere ist ein lediger 24 Jahre alter Weingürtner. Jener Hai die Thai dem Landjäger gegenüber bereits euizestauben, und es scheint nach dessen Aussage ein Akt der Rache vorzutiegen. Ob Dynamik verwendet wurde, ist noch nicht fesigc stellt. Möglicherweise hängt die That auch nur einem Puiverdiedstahl zusammen, welcher in derselben Nacht in Kirchheim verübt wurde, lind wobei einem Fuhr­mann von Kirchheim, welcher nach Ulm Pulver zu führen hatte, ans seinem in der Nähe der Kirche anfgestellien Wagen ein Fäßchen und zwei Kislchc» Pul.er im Gewicht von 80 Pfund entwendet wurden.

Eppingen, 1. Jan. Die fatale Sitte oder besser Unsitte des Neujahrschießens hat in unserem Bezirk schreckliche Folgen gehabt. In Landshausen wurde der 'Nachtwächter von einem 2ljährigen Bur­schen erschossen. Die Schießwaffe soll mit einer Kugel geladen gewesen sein. Die Untersuchung wird ergeben, ob hier nicht eine absichtliche Tödtting vorliegt.

München, 1. Jan. Anläßlich des 70. Dienst­jubiläums des Deutschen Kaisers wurden heute auf Befehl der königlichen Kommandantur dahier sämtliche Kasernen und militär-ärarialischen Gebäude mil deut­schen und bayerischen Fahnen beflaggt. In den Offi- ziers-Speiseanstallen fanden anläßlich dieser Feier Festessen stall.

In die freireligiöse Bewegung in Rheinhesscn, welche zur Bildung freier protestantischer Gemeinden geführt hat, ist nun auch Rouge eingetreten. Am Neujahr forderte er in einer Versammlung zu Alzey zur Bildung eines ans freien Protestanten, Deuisch- katholiken undpatriotisch gesinnten Katholiken" be­stehende» Reformvcreins auf. Auch in anderen Ge­meinden, wo sich Vereinigungen freireligiöser Protestanten gebildet haben, ist der Stifter des Deutschkatholizismus als Prediger der Einigung aller Konfessionen mit einer Nationalkirche im Hintergründe ausgetreten.

Berlin, 3. Jan. Die Nachricht, daß Graf Moltke kein Reichstags-Mandat mehr annehmen werde, bestätigt sich nicht. Der Landrath des Memcler Krei­ses erklärt, wie derGraudcnzer Gesellige" constatirt, ausdrücklich, daß Graf Moltke wieder als conseroativer Candidat des Wahl-Kreises Mcmel-Heydekrug auf- treten werde.

Berlin, 4. Jan. Die hiesige Juristen-Facultät verlieh dem Abgeordneten Miquet wegen seiner her­vorragenden Verdienste um die Begründung des neuen Reichs-Rechtes d8s Ehren-Doktor-Diplom.

Berlin, 6. Jan. Die Pforte hat die Vor­schläge der Konferenz formell abgelehnt. Die Vertreter verlangen von ihren Regierungen neue Instruktionen. Die nächste Sitzung findet am Montag statt. Savfet Pascha verlangt die Anerkennung. Proclamirung und factische Einführung der Verfassung in Rumänien. In Bukarest herrscht ungeheure Aufregung. Die

Kammer will die Unabhaiigigleiis-Eiklärung. Die Regimenter haben Marsch-Ordre erhalten.

Der sranzös. Botschafter Vicomte de Gontaut- Biron hatte vor einiger Zeit bei einem Spaziergange im Thiergarten dem durch das Geräusch der Dampf- ramm-Maschiiic scheu gewordenen Pferde einer Drotschke in die Zügel gegriffen und dadurch sowohl die In­sassen des Wagens, einen Offizier 'mit seiner Frau, wie auch den von seinem Sitze auf die Deichsel ge­schlenderten Kutscher vor Lebensgefahr gerettet. Diese Handlung war auch zu den Ohren des Kaisers gelangt und dem Polizeipräs. Madai die Abstattung eines ge­nauen Berichtes hierüber besohlen. Als nun am Neu- jahrstagc die Botschafter Sr. Majestät gratulirt hatten, wurden alle bis auf den Vicomte de Gontaut-Biron entlassen und diesem dann vom Kaiser eigenhändig die Rettungsmedaille überreicht.

Eine für die deutsche Industrie höchst wichtige Abänderung des Vereins-Zolltarifs (Gesetz vom 7. Juli 1873) ist seit dem 1. Januar d. I. in Wirksam­keit getreten, indem nachstehende Artikel keinem Ein­gangszoll mehr unterliegen: l) Luppeneiien (bisheriger Eingangszoll 50 Pf. pro Ztr.); 2) geschiniedelcs und gewalztes Eisen, Eisenbahnschienen, Stahl, sayoniiirtes Eisen, Anker-Eisen und Siahlblech, Eisen- und Stahl­blauen, ganz grobe Gußwaren (bisheriger Eingangs- zoil 1 Mark pro Ztr.; 3) grobe Eise» und Stahl­waren aus geschmiedetem Eisen oder Eisenguß, aus Eisen und Stahl, Aexle, Hämmer, Kochgeschirre, Nägel, grobe Messer, Sensen, Thnrmuhren, gewalzte und schmiedeeiferne Röhren (bisheriger Eingangszoll 2 Mark 40 Pf. pro Ztr.) ; 4) Locomotivcn, Tender und Dampf­kessel (bisheriger Eingangszoll 2 Mark pro Ztr.); 5) andere Maschinen (bisheriger Eingangszoll 1 Mark pro Zlr.); 6) Eisenbahnfahrzeuge ohne Leder- oder Polsterarbeit (bisheriger Eingangszoll 6 Procent vom Werthe.) Auch Kraftmehl, Puder, Stärke und Arrowroot (Pfcilwurzelmehl, Slärkenmehl) werden vom 1. Januar 1877 ab vom Eingangszoll (bisheriger Satz 1,50 Mk.) befreit.

Ein patriotischer Schuhmacher in Kiel hat dem Kaiser Wilhelm zu seinem 70jährigen Militär-Jubi­läum ein Paar rothsammine, hermclingefütterte Pan­toffeln gesandt. Dieselben sind, wie das Berliner Frcmdcnblatt erzählt, mit einem äV und dem in Gold­stickerei ausgefüheten deutschen Wappen geziert. Das ,,sinnvolle" Angebinde dürfte indeß nur ein Schau­stück bleiben, da der Kaiser sich trotz seines hohen Al­ters den Luxus des Schlafrocks und der Pantoffeln nicht gestattet, sondern gleich des Morgens die Stiefeln anzieht und Uniform anlegt.

Aus Neustadta. d. Saale berichtet das Schweins. Tagebl. über einen teuflischen Streich. Zwei eben mit dem Abendzuge angekommenen Reisenden (Gutsbesitzer H. v. Sternberg und ein Advokat aus Coburg) trat in der Nähe des Bahnhofes ein Mann entgegen, goß ihnen Schwefelsäure ins Gesicht und verschwand. Bei­der Augenlicht soll verloren sein.

Ein gewaltthätiger Engelmach er ist am jüngsten Freitag in der Person eines gewissen Louis Held aus Berlin auf dem Bahnhofe in Schneide­mühl verhaftet und der dortigen Staatsanwaltschaft übergeben worden. Derselbe war beauftragt, zwei erst wenige Wochen alte Kinder aus Berlin nach Schneidemühl resp. Brvmberg in Pflegestellen zu brin­gen. Während der Fahrt von Berlin nach Schneide­mühl hatte er doch das für Bromberg bestimmte Kind, wie von fünf Augenzeugen bekundet worden ist, ab­sichtlich erstickt, indem er sich längere Zeit auf das Gesicht desselben gelegt und demselben längere Zeit beständig Cigarrenrauch angeblasen hat. Die in dem­selben Kupee befindlichen anderen Passagiere brachten den Vorfall auf der Station Kreuz zur Anzeige: da der Zug nach Schneidemühl bereits abgelassen war, so wurde diese Station hiervon sofort telegraphisch be-