vor dem Ausnahmegericht, ein Mörder und Einbrecher, welcher mit seinem treuherzigen Wesen" der Gesellschaft ungleich gefährlicher werden kann, als der Bandit auf der Landstraße, als der Strauchritter, welcher, aus einem Hinterhalt hervorbrechend, über sein Opfer herfällt. Der Dachdeckermeister Iulinek mit seinem Gehilfen Klein, mit seiner Ehehälfte, seinem ver­schlagenen Geschäftsführer Wetzinger und einer Anzahl mehr oder weniger bekannter Genossen, sie bildeten mitten in der Stadt eine Genoffenschaft, welche weit bedenklicher erscheint als eine verzweifelte Räuberbande, die mit der Justiz auf dem Kriegsfuße lebt. Keine der zahlreichsten Mordthaten in der letzten Zeit hat die Bevölkerung von Wien derart in Schrecken versetzt als die Wahrnehmung, daß unter ihr, in aller Ruhe ein bürgerliches Ge­werbe treibend, ein Mann saß, der zu gelegener Zeit ausging, um seine Nachbarn oder Klienten zu überfallen, zu erschlagen und auszurauben mit denselben geschäftsmäßigen Allüren, wie er sich zur Reparierung eines Dach­stuhls zu rüsten pflegte. Ein ganz außerordentlicher Zufall hat es gefügt, daß die merkwürdigeNebenthätigkeit" des Dachdeckermeisters eines Tages an das Licht der Sonne kam, und zwar die bewunderungswürdige Geistes­gegenwart eines seiner Opfer, welches unter seinen Streichen zusammenfiel. Die Hausfrau in der Bernardgaffe (Josephsstadt), Frau Chomiak, bei welcher Julinek mit seinem Gehilfen Klein eingetreten war, um sich nach einer Arbeit, die an ihrem Hause vorgenommen werden könnte, zu erkundigen, war von den Mördern durch ein vorgehaltenes Pistol durchaus nicht um die Be­sinnung gebracht worden. Sie stürzte zu einem nahen Zimmertelegraphen und suchte denselben in Bewegung zu setzen. Es ist durch die Voruntersuchung nicht völlig aufgeklärt worden, ob durch die Frau die Klingel in Thätigkeit gesetzt worden ist oder ob die Mörder, welche die Frau sofort niederschlugen, durch ihre Unvorsichtigkeit, indem sie die Drahtschnur abriffen und der Frau, um sie zu erdrosseln, um den Hals wanden, das Läutewerk in Bewegung setzten. Die Hausbewohner kamen in Alarm; die entfliehenden Räuber wurden nach verschiedenen Zwischenfällen in Hast gebracht. Zu den interessantesten Zwischenfällen gehört jener, in welchem Julinek, dem die Verfolger hart auf der Ferse waren, in ein Hausthor sprang, in den offenen Keller Hinabstieg, sich dort seines Rockes entledigte und dann in den Hemdärmeln wieder auf die Straße trat und sich mit erstauntem Gesichte nach der Ursache des Auf­kaufs erkundigte. Den völlig unbefangen dreinschauenden Mann hielt man für einen Hausknecht und ließ ihn entkommen. Nicht lange nachher wurde indessen der Verbrecher mit samt seinem Genossen in Hast gebracht. Der Vorgang ist nur ein weiterer Beweis von der Verschlagenheit und dem Raf­finement des Julinek, ein Raffinement, wie es nur in einer langen Ver­brecherpraxis erworben werden kann. Daß dies thatsächlich der Fall ist, be­weisen die zahlreichen Raub- und Diebsaffairen, in die er verwickelt war, oder denen er aller Wahrscheinlichkeit nach nahegestanden ist. Einem seiner Gehilfen, einem gewissen Kohaut, welcher bei einem Teppichdiebstahl bei der Firma Haas erwischt worden war, stellte er das glänzendste Zeugnis aus, und die Polizei schenkte der Aussage des Bürgers und Dachdeckermeisters Glauben. Nichts ist daher begreiflicher, als daß man in vielen Klassen der Wiener Bevölkerung eine lange Reihe von Raub- und Mordthaten, die seit mehr als 10 Jahren in der Stadt vorgekommen und von denen nur wenige aufgedeckt werden konnten, auf Julinek und seine Genossenschaft zurückführt. Nun kommen noch durch die Zeugenaussagen Fälle zum Vorschein, wo Julinek vollständig überwiesen erscheint, mit seinem Gehilfen bei verschiedenen Par­teien die Wohnungen ausgekundschastet zu haben und daß nur die Aufmerk­samkeit und das Mißtrauen der Leute ihn von der Ausführung einer Frevel- that abhielten. Beim Zeugenverhör verharrt Julinek bei seinem Leugnungs­system; sein Verteidiger Dr. El bog er (der ostgenannte Sozialistenadvokat) plaidiert warm für den Klienten, der jedoch mit seinem Mitschuldigen Klein zu lebenslänglichem schwerem, mit Fasten verschärftem Kerker verurteilt wurde. Ein zahlreiches Auditorium nahm die Urteilsverkündigung mit Beifall auf.

vergaß;schnell, flieh mit Deinem Vater! Eile mit chm durch die Nacht, daß Ihr so schnell als möglich die spanische Grenze erreicht. Wenn Ihr zögert, wenn Ihr einige Minuten verliert, kann es zu spät sein!"

Therese stieß einen Freudenschrei aus, ergriff die Hand ihrer Mutter, durchschnitt im Nu mit einem Messer die Fußfesseln ihres Vaters, und riß beide nach der Hausthür hin.

Aber auf der Schwelle standen Graf Villefleur, Lucienne und der Führer und versperrten ihr den Weg.

Holla!" rief der Graf, indem er Baltimore ein Doppelpistol entgegen­streckte;keinen Schritt weiter! Ich will nicht, daß mein Sohn seinen Namen und seine Epauletten schände!"

X.

Lucienne hatte ihrem Onkel die Geschichte ihrer Begegnung im Gavarnil« thale erzählt und ihm gesagt, sie sei überzeugt, daß Baltimore und der Bandit Jnigo Lorreguy eine und dieselbe Person sei. Der Graf hatte darauf nicht dem Verlangen wiederstehen können, den verwegenen Räuber wiederzuseben, der es gewagt hatte, eine Verbindung mit der gräflichen Familie anzustreben, und er freute sich schon im Voraus über die Verwirrung und Beschämung, welche es Leo bereiten mußte, vor ihm und Lucienne die Verirrung anerkennen zu müssen, die ihn sich in die Tochter eines gemeinen Banditen hatte ver­lieben lassen. Lucienne, die nur ihrer Leidenschaft und ihrem glühenden Rache­durst Gehör schenkte und einen Triumph in der Erniedrigung Leo's und ihrer Rivalin erblickte, hatte durchaus mit ihrem Oheim in die Hütte eintreten. wollen.

Bei ihrem Eintritt wichen Baltimore und Therese bestürzt zurück, and die Irre riß sich von ihrer Tochter los, um in einen Winkel des Zimmers zu fliehen. Schvn wollte Baltimore sich auf den Grasen werfen, um sich den Ausgang frei zu machen, als auf ein schnelles Kommando Leo's die Soldaten wieder Baltimore ergriffen, überwältigten und von neuem fesselten. Be: dem heftigen Tumulte, den diese neue Festnahme hervorrief, war die Lampe vom Tische geworfen worden, und das dunkle Gemach würbe nur noch durch das

Wevrnifchtes.

Aus Marseille wird geschrieben: Der Salondampfer L'Jtalia, der Kompagnie Paggio in Genua gehörig, verließ am 19. Juni, mit 134 Passagieren an Bord, Callao in Südamerika, mit dem Kurs nach Marseille. In der Nähe von Lamas scheiterte er und sank binnen 15 Minuten. Wegen der frühen Morgenstunde waren die meisten Paffagiere in den Kojen, und so kam es, daß 125 Menschen, darunter 25 Kinder, den Tod in den Wellen fanden; nur die 2 Kapitäne und 7 Passagiere konnten sich retten.

Erweiterte Verwendung von Papierstoff. Der Kreis der aus Papier, d. h. der aus verarbeitetem Holzstoff hergestellteu Gegenstände, eweitert sich immer mehr. Zu den in Amerika sehr beliebten Papierfässern traten neuerdings die papierenen Gasröhren, Schüsseln, Zuäer- formen rc.; andererseits hat G. L. Brückmanck*^ Berlin eine ver­besserte Herstellungsweise für papierene Eisenbahnwagenräder in Vorschlag gebracht. Diese Räder, deren sich auch mehrere deutsche Eisenbahnen (z. B. die Bergisch-Märkische Eisenbahn) bedienen, bestehen jetzt aus zusammengepreßten Pappscheiben; Brückmann's Räder erinnern hingegen an die Papierrollen der Morse schen Telegraphen-Apparate. Sie bestehen aus einem um einen. Kern gewickelten Papierstreifen, welcher während des Aufrollens mit Klebe­stoff bestrichen wird, so daß die einzelnen Windungen fest zusammenhangen. Die so hergestellten Papierscheiben werden alsdann getrocknet und bedeutend zusammengepreßt. Sodann werden die Scheiben mit Reifen versehen und die Achse in die nach Herausnahme des Kerns entstandene Oeffnung eingetrieben. Eine Pester Papier-Erfindung ist das Kunstleder. Die Holzfaser wird zu dünnen Matten verarbeitet, welche man mit Fettstoffe durchtränkt, trocknet und solang zusammenpreßt, bis sie die Zähigkeit und Dichtigkeit des Leders erhalten haben. Die Täuschung soll eine um so größere sein, als die Platten sich anstreichen, lackieren und chagrinieren lassen. Der Erfinder will haupt­sächlich Schuhabsätze, Brandsohlen, Reisekoffer, Schulmappen u. dergl. aus seinem Kunstleder Herstellen. Auch zur Herstellung der Resonanzböden von Klavieren wird das Papier in Vorschlag gebracht, namentlich um den Tem­peratur-Veränderungen und der Feuchtigkeit besser zu widerstehen. In Ame­rika hat die Chicago-Milwaukee-Eisenbahn versuchsweise Eisenbahnschienen aus Papier gelegt. Auch Kuppeln größerer Hallen sind bereits aus diesem Stoff hergestellt worden, wie z. B. eine für das Observatorium des Kolum- bia-Kollege in New-Dork, welches 6 m Durchmesser uckd 3,25 m Höhe besitzt.

(Schweizer. Industrie- und Handels-Zeitung.)

Ein Schiffsleck durch einen Aal gedichtet. Der Dampfer Dan" , Kapitän Smith, mit Weizen und Haber von Kronstadt nach Rotterdam bestimmt, stieß auf der Kopenhagener Rhede auf den Grund. Die Untersuchung durch Taucher zeigte, daß der Dampfer im Boden ein kleines Loch erhalten, welches indessen merkwürdigerweise durch einen Aal, der in dasselbe hineingesogen wurde, gestopft worden war.

Eine heitere Verwechslung ereignete sich während der in den letzten Tagen in Dresden stattgehabten Versammlung der Papierfabrikanten: Im Schweiße ihres Angesichts hatten die Herren Fabrikanten bereits fünf Stunden lang Statuten beraten und die 51 Paragraphen derselben bis auf das letzte halbe Dutzend erledigt, da erhob sich einer der Teilnehmer an der Versamm- lung, bat ums Wort und hielt einen Speech über dieNot der Familien­väter im Erzgebirge". Der Sprecher hob hervor, daß viele Ernährer zahl, reicher Familien sich mit einem Wochenlohn von 2 begnügen müßten u. s. w. Darob großes Erstaunen bei allen Anwesenden! Sogar der Re­gierungsvertreter Geh. Rat Böttcher griff in die Debatte ein und schließ­lich verlangte der Präsident genauere Angaben und auch die Legitimation des Sprechers. Da stellte es sich denn heraus, daß der Redner ein Lackierer war, der versehentlich einen Tag zu spät gekommen war und 5 Stunden lang den Statutenberatungen eifrig gefolgt war, ohne zu merken, daß er sich nicht in der Berufsgenoflenschast der Maler und Lackierer, sondern in der­jenigen der Papierfabrikanten befand.

flackernde Holzfeuer Im Kamin erleuchtet, was der Gruppe ein gar seltsames, schauriges Aussehen gewährte. Einige der Soldaten hatten Pechfackeln mit­gebracht und zündeten diese an. - Bft der roten qualmvollen Hells dieser Flammen trat Graf Villefleur auf seinen Sohn zu und sagte mit lauter strenger Stimme:

Es scheint, Herr, ich kam gerade zur rechten Minute, um die Flucht dieses gefährlichsten Räubers der Pyrenäen.zu verhindern! Was soll das be­deuten? Hast Du denn bedacht, was thatest? Was sollten Deine Oberen von Dir halten? Diese unbezeichenbare Haltung deinerseits ist eine wahre Schande für Dich! Und du konntest Dir das nicht selbst sagen?"

Vater!"

Keine Entschuldigung! Wäre ich Dein Oberst, ich ließe Dich sofort abführenl"

Der Graf wandte sich weg und trat dicht vor den Räuber hin, den er mit hohnvollem Blicke musterte; Baltimore ertrug gleichmütig diese Musterung.

Aber was, sehe ich?" ,nef der Graf aus, indem er sich im höchsten Grade überrascht stellte,Ihr seid ja derselbe Mensch, der eines Tages in meinem Hause in Paris eine Genugthuung von mir verlangte, das heißt mir die Hand meines Sohnes für!' seine Tochter abverlangte! Bei Gott, Ihr seid der frechste Schurke, der mir. mein Lebelang begegnet ist!"

Baltimore antwortete nicht; kn seinen Menen lag ruhige, kalte Ver­achtung. Graf Villefleur wandte sich wieder nach Leo um:

Jetzt verstehe ich Deine unwürdige Schwäche; aber ich finde sie noch weniger entschuldbar als vorhin. Ein Jnigo Torreguy, und wäre ier der Vater eines Engels, verdient kein Erbarmen! Uebrigens kann man nicht an Engel glauben, wo solch ein Vater ist; Wolfsbrut sind immer Wölse, glaube mi?S."

Bei dieser Beschimpfung, die sich nicht gegen ihn selbst, sondern gegen sein Kind richtete, flog Baltimore empor und versuchte seine Fesseln zu zerreißen.

(Fortsetzung folgt.)