Situation geschaffen werde, die vielleicht Deutschland zwingen würde, sein starkes Schwert in die Wagschale der Entscheidung zu werfen. Kaiser Alexander gilt als warmer Anhänger des Friedens. Aber es treffen setzt gerade Nachrichten vom Kriegsschauplätze ein, welche ein entschiedenes Vordringen der Türken sowohl in Serbien wie in Montenegro signalisiren I» dem Maße aber, als die Türken Erfolge erringen, wird es dem Czaren angesichts der hochgehenden Erregung im eigenen Lande schwieriger, auf die versöhnlichen Stimmen der befreundeten Mächte zu hören. Gelingt cs der Türkei, Serbien und Montenegro gänzlich zu Boden zu werfen, so wird der Schrei in der russischen Gesellschaft, man möge dem bedrängten Brudervolke z» Hilfe kommen, ein so lauter, ein so allgemeiner werden, daß die Regierung in Petersburg nothgedrungen zur Intervention wird schreiten müssen.
Madrid, 5. Sept. Die Regierung hat den evangelischen Pfarrern allgemein verboten, öffentliche Anzeigen zu erlassen, welche sich auf evangelische Angelegenheiten beziehen. Die noch vorhandenen Maueranschlägc müssen binnen 24 Stunden ent fernt sein. (Auch eine christliche Negierung!)
Der berüchtigte französische General Ducrot, der seinerzeit bei dem bekannten Ausfälle aus Paris vom 2. Dezember 1870 siegen oder sterben zu wollen erklärte, bat wieder einen Geniestreich begangen, der in liberalen Kreisen Frankreichs nicht wenig Staub auswirbelt. Derselbe, gegenwärtig Kommandant des 8. Armeekorps, schickte von Autun aus ein Telegramm an den Papst, um seinen Segen sür die Truppen zu erslcken, die unter seinem Oberbefehl Manöver auszufirhren haben. Der Papst sendete sofort sein keneiiiout vos an seinen theuren «Lohn Ducrot, welcher dies den Bischöfen von Nevres und Autun mittheilte. In Folge dessen sollte am Sonntag aus dem Berge Bouvray im Mor- vant in Gegenwart des ganzen Armeekorps eine feierliche Messe stattfinden und der von Ducrot erflehte päpstliche Segen von den beiden genannten Bischöfen ertheilt werden. General Ducrot ais päpstlicher Schlüsselsoldat — gar keine üble Karrikatur! (B. T-)
Frankreich nimmt das Projekt seiner W e l tau s stel lu ng nunmehr amtlich ernst und trifft bereits die nötbigen Vorbestimmungen. Durch ein zu Paris gestern veröffentlichtes amtliches Dekret wird der ganze für die Weltausstellung von 1878 bestimmte örtliche Raum zum wirklichen Entrepoiplatze erklärt und bestimmt, daß alle Erzeugnisse des Auslandes unter den Bedingungen des internationalen Transits ohne jede Durchsuchung, oder nach Wahl der Interessenten unter den Bedingungen des nationalen Transits mit einer nur summarischen Durchsuchung, direkt nach dem Ausstellungspalaste befördert werden sollen. Diejenigen zur Ausstellung zugelassenen Maaren, welche der Consumtion fconsomimition) überlassen werden, sollen nur denjenigen Zollsätzen unterliegen, welche für äbnlicke Erzeugnisse der meist begünstigten Nation zulässig sind. Das deutsche Reich und auch Oesterreich haben bekanntlich die Aufforderung zu einer offiziellen Betbciligung an der Pariser Weltausstellung sehr kühl, ja fast ablehnend zur Kenntniß genommen. (B. T.)
Rach einer Miltheilung des „P. Ll." aus Belgrad vom 1. Sept. soll dort bereits die Antwort der Pforte ans die Bekanntgabe des serbischen Mediations-Gesuches angelangt sein Dieselbe konstatire im Eingang den guten Willen der Pforte zn Friedens- und Waffenstillstands Verhandlungen und versichere, daß es der Türkei niemals einfallen könne, Serbien unannehmbare Bedingungen ansznerlcgen, weil sie das Land als integriren- den Bestandtheil des Reiches, die Serben als ihre Unterthanen betrachte, deren Wohl und Wehe der Pforte am Herzen liegx. Eine Kriegs-Entschädigung müsse sie allerdings fordern, weil sie hiezu berechtigt sei; Bürgschaften für den Frieden müsse sie gleichfalls verlangen, denn der Krieg schade den Serben und schädige die Entwicklung des Landes. Die Verbindung der Frage des Friedens mit Serbien mit jener der Reformen in Bosnien und der Herzegowina sei unthunlich, weil dieselbe die Anerkennung der Insurgenten als krjegführende Macht bedeuten würde. Doch sei die Pforte zu Reformen selbstverständlich bereit, da sie dieselben ja zngesagt habe. Der Abschluß eines Waffenstillstandes sei nur möglich, wenn Serbien die Präliminarien des Friedens unterfertigen wolle, damit dessen ernste Friedens Absicht docn- mentirt werde. (Fr. I.)
Zara, 5. Sept. Die Türken haben heute ans der ganzen Linie die Offensive gegen Montenegro ergriffen.
Konstantinopel, 6. September. Von gutunterrichteter Seite verlautet: Sawset Pascha theilte in einer vorläufigen Eröffnung den-Botschaftern an der h. Pforte mit, dieselbe erachte eine Waffenruhe nicht in ihrem Interesse gelegen.
Immer zu spät«
Humoreske von Emilie Heinrichs.
(Fortsetzung.)
„Sehe ich wirklich wie ein Familienvater aus, mein Fräulein?" fuhr Adalbert, ebenfalls lachend, fort.
„Hätte ich denn sonst ein solches säst kindliches Vertrauen zu Ihnen fassen können? Ein Herr Senator ist mir stets sehr ehrwürdig erschienen, einen solchen mir unverheirathet vorzustellen — "
„Erschien Ihnen unmöglich!" setzte Adalbert wehmüthig hinzu. „Sie haben Recht, es war unklug von mir, ein solches ehrwürdiges Amt ohne Frau anzunehmen, doch ist es leider nun einmal so. Können Sie mir den Fehler vergeben, Margarethe?"
Sie wurde blutroth, wollte lachen, konnte es aber nicht. Dann erhob sie sich plötzlich.
„Gestalten Sie mir eine Frage, mein Fräulein!" bat er leise und innig. „Sind Sie heimlich oder öffentlich verlobt?"
„Rein!" stammelte sie verwirrt. „Ich bin arm, blutarm,
hänge von der Gnade meiner Verwandten ab. Ist Ihnen das genug, mein Herr, um mich mit solchen Fragen zu verschonen?"
Ihre Lippen zuckten bei diesen hastig hervorgestoßenen Worten, eine Thräne drängte sich gewaltsam in ihr Auge.
Adalbert Kühn machte in diesem Augenblick seinem Namen alle Ehre. Er war entschlossen, sein Glück festzah-rlten und dem Dämon seines Lebens ein Schnippchen zu schlagen.
„Ich danke Ihnen für diese offene Antwort, mein Fräulein!" sagte er, ihr ehrfurchtsvoll, ehe sie es hindern konnte, die Hand küssend. „Was Sie in dem Hanse jener mir so entsetzlichen Frau mit den sechs heirathssädigen Töchtern als arme Waise ertragen müssen, kann ich ermessen. Nun hören Sie auch mich, Margarethe! — Man pflegt zn sagen, daß der erste Anblick entscheidend sei sür's ganze Leben. Ich sehne mich nach häuslichem Glück und hatte stets Pech durch eine unglückliche Seile meines Charakters, die in Unentschlossenheit, bedächtigem Zaudern besteht und mich immer zu spät kommen ließ. Zum ersten Male in meinem Leben hat dieses „Zn spät", das mir znm Dämon geworden, mir heute Gluck beschieden, indem es mir Ihre Bekanntschaft brachte. Ihr Anblick war sogleich für mich entscheidend; ich segnete den Augenblick, der mich von den sechs heirälhsfähi- gen Töchtern —"
Margarethe, welche immer verwirrter geworden war, mußte bei diesem wiederholten Passus unwillkürlich lachen, und Adalbert lachte fröhlich mit, indem er ihre Hand ergriff.
„Lassen Sie mir diese Hand sür's ganze Leben, Margarelhe!" bat er in seiner herzlich innigen Weise. „Werden Sie meine Frau Senatorin, — solgen Sie mir als Brau! nach Heidelberg!"
„Unmöglich, ries sic fast außer sich, und ihre Hand entziehend. „Eine so flüchtige Begegnung —"
„Giebt oft mehr Glück, als Jahre lang Bekanntschaft!" siel Adalbert rasch ein. „Bin ich Ihnen zuwider, mein Fräulein, — so sehr zuwider —"
Er brach ab und trat mil einem unendlich traurigen Blick von ihr zurück.
Margarethe schauie ihn a» und reichte ihm auf's Neue die Hand.
„Nein!" versetzte sie leise. „Im Gegentheil, Herr Senator; doch gönnen Sie mir Zeit, meine Gefühle zn ordnen, mich in das Ueberraschende hiueniwsiiideii. Lernen Sie mich erst näher kennen —"
„Und dann endlich doch noch zn spät zn kommen," lächelte Avalberr wehmüthig. Doch, es sei, nur geben Sie mir Ihr Wort, mich nicht zu täuschen, Margarelhe, ich möchte keine Stunde meines Glücks durch unnützes Zaudern einbüßen. Nasch muß ich freien oder mit dem häuslichen Glücke ganz abschließen, ich wurde zu oft getäuscht, um noch viel hoffen zu könne». Soll mau aus meinen Grabstein nicht weiter schreiben können, ais: „Immer zn spät!?"
Margarethe drückte ihm innig die Hand und erwiderle leise: „Ich werde Sie nicht täuschen, — spricht mein Herz doch laut genug sür Sie."
Stumm drückte er ihre Hand an sein Herz und seine Lippen, er vermochle nicht zu sprechen. Auch sammelten sich die Reisenden jetzt schon zu dem nächsten Zuge nach Heidelberg, und bald brauste die Locomolive mit ihnen davon, unbekümmert, ob sie Seligkeit und Glück, oder Unglück und Kummer mit sich davonführte.
V.
Eilen wir ihnen voran nach Heidelberg, um uns vorerst nach unserer anderen Gesellschaft ein wenig umzuschauen.
Mißvergnügt verließ der Bürgermeister das Coup6, auf den unverbesserlichen Zauderer, der noch zuletzt seinem alten Unstern verfallen mußte, grollend.
Der Herr Geheime Rechnungsrath vermochte eigentlich kein so großes Unglück darin zn erblicken, da der Zurückgebliebene ja doch eigentlich kein Säugling mehr sei und den Weg nach Heidelberg schon finden würde.
„Wir erwarten ihn mit dem nächsten Zuge am Bahnhofe," tröstete er. „Und dann bleibt sich die Sache ja eigentlich bis auf das Billet ganz gleich."
Damit halte der gute Geheime ja im Grunde auch eigentlich ganz recht.
Als der Bürgermeister nebst Gemahlin in einem der besten Gasthöse untergebracht war, folgte der Rechnungsrath seiner Gattin nach Hause, wo bei ihrer Ankunft große Confusion herrschte. Das Halbdutzend Heiratsfähiger hatte sie noch nicht erwartet.
„Wo ist Aschenbrödel Margarethe?" tönte die scharfe Stimme der Frau Geheimen durch's ganze Haus.
„Verreist!" kicherte die Jüngste schadenfroh.
„Euphrosine!" schrie Jene außer sich. „Steckst Du schon wieder in irgend einem Winkel, um Romane zu lesen oder zu schlafen?"
Die Aelteste kam drei Treppen hoch herunter mit aufgewickelten Locken, einem zerrissenen Morgenrock und niedergetreteneu Schuhen, den Roman hielt sie noch in der Hand.
(Fortsetzung folgt.)