Hosgastciii, 28. August. In Folge des gestrigen Schnee- falles sind zwei Bauern ersroren.
Brüssel, 28. August. In diplomatischen Kreisen hält man eine europäische Conserenz für unumgänglich, da man glaubt, daß Rußland nunmehr die bulgarische Frage anregen werde.
London, 28. Aug. Reuler's Bureau melde! aus Belgrad, 27. Aug.: Die seitens der Regierung eingeleitele Friedeusaktion wird von der Bevölkerung ungünstig ausgenommen. Die Unzufriedenheit mit den friedlichen Tendenzen der Regierung ist im Wachsen begriffen. Die Zeitung „Jstok" brachte einen kriegerischen Artikel, welcher allgemein als Ausdruck der öffentlichen Meinung angesehen wird. Die Regierung hat, vielleicht unter dem Eindruck dieser Stimmung, die von den Konsuln geforderte Einstellung der Feindseligkeiten verweigert.
Die Situation ist verzweifelt ernst, so ernst, daß uns selbst eine russische Kriegserklärung an die Türkei und deren Bundesgenossen heut nicht mehr überraschen würde, denn Rußland hat guten Grund, im Falle eines Krieges sich auf die wohl wallendste Neutralität Deutschlands zu verlassen. Fürst Bismarck und mit ihm das deutsche Reich hat nicht die Dienste vergessen, welche Rußland 1870 uns leistete, als es uns den Rücken frei hielt gegen eine bereits zum Losschlagen bereite zweite feindliche Armee, die damals ihr Königgrätz nicht vergessen hatte. In Petersburg selbst verbirgt man nicht, daß die Eventualität eines Krieges bereits ernstlich in Erwägung gezogen wird und die friedlichen Worte des Kaisers Alexanders haben wohl ihren Werth insofern, als sie Europa vor einem leichtsinnig vom Zaun gebrochenen Krieg schützen, aber sie versprechen nicht den Frieden für jeden Fall, sie versprechen gewiß nicht den Frieden auch für den Fall, daß die Reichsstädter Vereinbarungen ein Loch bekommen bei de» Verhandlungen in Konstantinopcl rc. Zm klebrigen telegraphier uns unser wohlunterrichteter Pariser Spezialkorrespondent unterm 28. ds.: England unterstützt die Forderung der Pforte, daß Fürst Milan vor Beginn der Fciedensverhandlungen direkt und persönlich beim Sultan entgegenkommende Schrille lhue. Fürst Milan hat diese Forderung abgeschlagen, ebenso Fürst Nikita, dem die gleiche Demüthigung von der Pforte zugemulhet wird. Rußland wendet ein, daß die serbische Frage untrennbar sei von der bosnisch-herzegowinischeii und schlägt deshalb einen vorläufigen Waffenstillstand vor ohne jede Bedingungen. (B. T.)
Belgrad, 25. Aug. Alexinatz wird von den Serben kräftig behauptet. Die Friedensverhandinngen werden hier als aussichtslos bezeichnet, die Waffen allein werden entscheiden müssen.
Semlin, 26. Aug. Großer Jubel herrscht in Belgrad. Tichernajeff gratulirte dem Fürsten zu dem glänzenden und voll ständigen Siege über die Türken. Die Hanptentscheidung fiel nordöstlich. Eyub Pascha wurde total geschlagen und auf türki sches Gebiet znrückgeworsen. Horvatovic erschien, wie zu Belgrad erzählt wird, im Rücken der Türken und warf das Centrum derselben auf den linken Flügel, worauf der rechte isolirte Flügel unter Eyub von den Serben angegriffen und total zersprengt wurde Die Türken ließen fliehend ihre Verwundeten zurück. Das Friedenswerk ist indeß durch den Sieg nicht gefährdet. Ristitsch ist sogar für die Mediation gewonnen, indem er jetzt hofft, einen ehrenvollen Frieden auf der Basis des Status guo ante abzufchließen. An einen Ministcrwechsel ist darum nicht zu denken.
Athen, 25. August. Der Aufstand aus der Insel Candia ist im Zunehmen begriffen. Hier bilden sich bereits griechische Freiwilligencorps zur Unterstützung der Candioten.
Immer zu spät«
Humoreske von Emilie Heinrichs.
(Fortsetzung.)
Der Bürgermeister lächelte verschmitzt, und war im Innern fest entschlossen, den Freund nur als Bräutigam in die Heimath zurückzubringen, eine solche günstige Gelegenheit kehrte sicherlich nicht wieder, während seine Gattin mit nachdenklicher Miene den Blick nicht von der Gegend abwandte. Ihr that es so weh, den guten Adalbert als Mitglied einer solchen Familie sich zu denken, lieber mochte er unbeweibt bleiben zeitlebens.
Es ist etwas Gewöhnliches im Menschenleben, daß uns die größte Freude, der höchste Genuß im Augenblick des Erscheinens durch irgend einen oft unbedeutenden Zwischenfall verbittert und in's Gegentheil verwandelt wird. So erging es der Bürgermeisterin mit dieser langersehnten Rheinreise.
Unsere kleine Gesellschaft machte keinen weiteren Abstecher, sondern fuhr den Rhein hinauf bis nach Mannheim, wo nur noch die kleine Eisenbahnstrecke nach Heidelberg ist, welche kaum eine halbe Stunde dauert.
Hier, dicht am Ziel, überfiel den Senator auf's Neue die unerklärliche Bangigkeit vor den heirathsfähigen Töchtern der Geheimen, besonders, als er das ungewöhnlich jcrnste Gesicht der Bürgermeisterin anschaute. Er hätte gern das Hasenpanier ergriffen, um dem drohenden ,,Zu früh" zu entrinnen.
Doch es ging nicht, Herr Adalbert Kühn führte seinen Namen nicht in der Thal, er besaß wenig Kühnheit im Leben und konnte auch jetzt zu keinem Entschlüsse gelangen.
Der Bürgermeister hatte die Billets gelöst und ein Coupe
zweiter Classe die Reisenden bereits ausgenommen. Es war die höchste Zeit, denn schon tönte das Signal zur Abfahrt.
„Herr Gott, wo ist der Senator?" schrie Kleinpaul plötzlich entsetzt auf. „Ich denke er stieg mit uns ein?"
„Sein Dämon wird ihn wieder gepackt haben", lächelte die Bürgermeisterin etwas boshaft
„Daun werde ich ihn suchen!" sagte die Frau Geheime resolut. „Ich bin hier wie zu Hause."
Ein gellender Pfiff und der Zug setzte fick in Bewegung.
„Adalbert!" Unglücksmensch, schon wieder „Zu spät!" schrie der Bürgermeister, weicher ihn in diesem Augenblick draußen zu sehen wähnte.
Fort brauste die Lokomotive und mit einer bösen Miene sank die Frau Geheime aus das weiche Polster zurück.
„Er wird mit dem nächsten Zuge Nachkommen" , tröstete Herr Tobias Gelbfuß. „Die halbe Stunde ist eigentlich keine große Versäumniß "
Der Bürgermeister war verstimmt, dieses „Zu spät" konnte möglicherweise wieder ein abscheuliches Omen für den Heiraths- caudidaten sein und sein schöner Plan wieder auf's Neue zu Wasser werden, während seine Gattin sich heimlich darüber freute und nichts sehnlicher wünschte, als den Senator nicht eher, als auf der Rückreise, wieder zu finden. War sie doch überzeugt, daß der Bürgermeister es nicht lange ohne denselben in Heidelberg aushallen und schnell wieder zur Abreise drängen werde.
IV.
Mittlerweile war es dem guten Herrn Adalbert Kühn cu- rios ergangen und er nicht im Mindesten betrübt darüber, daß der Zug ohne ihn abgefahren sei, im Gegentheil schien er diesmal in seinem verhängnißoollen ,,Zu spät" einen Fingerzeig des Glückes zu erblicken.
Als er nämlich eilig der Gesellschaft folgte, um sich nicht selbst aus dem Bahnhof zu Mannheim zu vergessen, vermißte er plötzlich die kleine Handtasche, welche verschiedene nothwendige Rciseutensilien enthielt, — ein Umstand, der auch den Vorsichtigsten einmal passiren kann.
Aengstlich kehrte er in den Wartesalon zurück und fand den vorhin von ihm eingenommenen Platz von einer jungen Dame besetzt, — die Handtasche jedoch nicht.
„Sie erlaube», mein Fräulein/' stotterte er etwas hastig und verwirrt. „Haben Sie auf diesem Stuhle nicht zufällig eine kleine Reisetasche bemerkt?"
„Auf diesem Stuhle?" fragte die Dame, sich erstaunt erhebend. „Dann müßte ich mich ja darauf gesetzt haben!"
„Freilich, freilich, und das wäre doch nicht gut möglich", fuhr Adalbert ängstlich mit den Augen umhersuchend fort. Verzeihen Sie deshalb, mein Fräulein, — sie ist nirgends zu sehen, das ist fatal, aber läßt sich verschmerzen, kann es in Heidelberg ersetzen!"
Sie reisen nach Heidelberg?" rief die junge Dame. Ach, mein Gott, da pfeift eü schon, nun komme ich doch am Ende zu spät!"
„Haben Sie denn schon ein Biüet?" fragte Adalbert hastig.
„Gewiß, — es wäre zu fatal, wenn ich den Zug verpassen sollte!"
Ohne ihn weiter zu beachten, eilte sie hinaus, der Senator im Sturmschritt hinterher: hatte doch der Bürgermeister sein Fahr- billet — wo sollte er diesen so schnell finden?
Der verhängnißoolle Pfiff ertönte, schon war der Zug in Bewegung, als Adalbert noch an den Coupes II. Classe umherirrte.
„Zu spät!" sprach die junge Dame aus dem Wartesalon plötzlich wehmüthig an seiner Seite.
Er schrack heftig zusammen, das ominöse Wort gemahnte ihn zu schrecklich an sein alles Mißgeschick, und zum ersten Male blickte er sie ausmerksam an, wobei er sich gestehen mußte, daß es ein paar schöne, interessante Augen waren, die ihn wehmüthig anschauien und dann dem davonbrausenden Zuge nachblickten.
Die Dame schien das Backfisch-Alter schon ziemlich weit hinter sich gelassen zu haben, sie mochte wohl fünf bis sechsund- zwanzig Jahre zählen. Doch sah das freundlich ernste Gesicht so frisch und unentweiht aus, und um den hübschen Mund schwebte ein so milder, anmnthiger Zug, daß es dem Senator ganz wunderbar unter der linken Westentasche wurde und er zum ersten Male in seinem Leben das „Zu spät" nicht bereute. (Forts, folgt.)
A II - rle i.
— Ein kleines Andenken. Von der Ausstellung in Philadelphia berichtet ein amerikanisches Blatt folgende Geschichte: „Die Liberalität der deutschen Verleger, die es gestattet, die ausgelegten Sachen aenau zu prüsen, während die Amerikaner fast alles hinter Schloß und Riegel packen, wird oft schlecht belohnt, und der Vertreter unseres heimathlichen Buchhandels hat seine liebe Noth, alle die Schätze zu hüten. Neulich faßte er zwei elegante Damen ab, die gerade mit einer Prachtausgabe der Beethoven'schen Sonaten das Weite suchten, und als diesem ihrem Fortkommen ein Ziel gesetzt wurde, ganz naiv behaupteten, sie hätten geglaubt, Jedermann dürfte sich ein so kleines Andenken mit nach Hause nehmen."
— Der Vater der Schicksalstragödien, Adolph Müller, war so eitel auf seinen Doktortitel, daß er einst dem Buchhändler Vieweg in Braunschweig, der in einem Briefe den Titel vergessen hatte, ! ganz entrüstet schrieb: „Ich verlange, mit allen meinen Würden angesprochen zu werden: ich laste ja, wenn ich Ihnen schreibe, auch niemals das Vieh weg.