Dn Gesellschafter-

Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.

Nr. 90.

^ Erscheint wöchentlich 3maz und kostet j halbjährlich hier (ohne Träflerlohn) 1 M. 60 Pin-, für den Bezirk 2 M.! auherhalb des Bezirks 2 M. 45 Pfg.j

Aienstag den 1. Kugust.

Inseralionsgebühr sür die Zspaltige !Zeile aus «ewohnlicker Schrist bei inmaliger Einrückung 8 Pfg-, bei LOl^F. mehrmaliger je 6 Pfg.

Tages-Nenigkeiten

* Nagold, 3l. Juli Ein Insasse des hiesigen Ober- amtsgerichtsgesängnisses, Ehr. Gnntner von Rohrdorf, der wegen Straßenraubs vor das nächste Schwurgericht gestellt werden sollte, erhängte sich in der Nacht vom Samstag auf den Sonnlag in seinem Arrest. Durch Schreiben mit Kreide auf den Boden und an die Thüre suchte er noch seine Unschuld zu konstatire» uns seiner sonstigen Herzensmeinung Lust zu machen. Uebrigens scheint seine Vergangenheit ihn wohl bemerkten Vergehens fähig zu machen, da er wegen Diebstahls und sonstiger polizeilicher Vergehen schon öfters bestraft worden. Dem Bezirk dürfte der 32 Jahre alte Mann dadurch bekannt sein, als er, längst durch unvorsichtigen Gebrauch mit einer Feuerwaffe um eine Hand gekommen, sich durch Colportircn seinen Lebensunterhalt zu verschaffen suchte.

Postsache. DerStaatsanzeiger" Nr. 170 enthält eine amtliche Bekanntmachung der Postdirektion in Betreff der Aus dehnung des P o st a u f t r a g s-Verfahrens. Es ist dies eine der Früchte der Ende Mai und Anfangs Juni d. I. in Berlin statt- gehabten Post Konferenzen, bei denen Württemberg durch Direktor v. Hofacker vertreten war. So viel bekannt geworden, wurde gleichzeitig für den Päckereiverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz eine Einheitstaxe von 80 für Packete bis zehn Pfund (im Grenzenverkehr bis zu 30 Kilometer Entfernung von 40 ^f) geschaffen. Vom 1. August d. I. an besorgt nun die Post auch die Einholung des Accepts des Bezogenen bei Wechseln im Betrag bis zu 3000 ^ Derartige A u ftr äg e zur Accept-Einholung müssen der Post auf besonderen Formularen (zu kaufen für 1 L 2 Stück) in mit 30 ^ fran- kirten Briefen an die Postanstalt, welche den Wechsel vorzeigcn soll, übergeben werden. Die Gebühr für die Vorzeigung beträgt 10 -«s, das Porto für die Rücksendung des vorgezeigte» Wechsels 30 Mehr als Ein Wechsel darf einem Postauftrag nicht beigelegt werden. Im Falle der Nichtannahme bei einmaliger Vorzeigung kann sofortige Rücksendung, Weitergabe an eine andere bestimmte Person in Deutschland oder an eine zum Protest befugte Person verlangt werden, andernfalls wird der Wechsel nach 7 Tagen noch einmal vorgezeigt. Dem Vernehmen nach ist es auf eine reichsgesetzliche Aenderung der^ deutschen Wechselordnung in der Richtung abgesehen, daß die Erhebung von Wechsel Protesten künftig auch durch die Postan- stalten stattfindeu kann.

Stuttgart, 28. Juli. Wie man hört, ist das Programm für die festlichen Tage während des Besuches des deutschen Kaisers hier bis jetzt in folgender Weise in Aussicht genommen: am 21. Sept. Fackelzug, am 22. Sept. Gallatheater, am 23. Sept. Fest auf der Wilhelm«, am 24. Sept. Abreise. Auch Moltke wird erwartet.

Zuffenhausen, 28. Juli. Heute früh wurde Bahn­wärter Rühle auf der Linie zwischen hier und Kornwestheim todt aufgesunden. Dem Vernehmen nach hatte derselbe keinen Dienst und muß er daher beim Nachhausegehen von einem Nachtzug er­faßt und seinen Verletzungen nach augenblicklich gelobtet worden fein.

In der Hildb. Dorfzeitung lesen mir: Den neuesten Schwabenstreich haben die guten Tuttlinger gemacht. Den bekannten Bericht des Ausstellungs-Präsidenten Reuleaux über die Niederlage der deutschen Industrie in Philadelphia haben sie widerlegt? nein verbran n t. Der arme Stuttgarter Beobach­ter, der ihn veröffentlichte, wurde dem Feuer überantwortet.

Der Taxissche Schloßverwalter inBuchau in Oberschwaben ist Katholik, sein Schwiegervater ist ein Jude, seine Frau (die Tochter eines jüdischen Vaters und einer evangelischen Mutter) ist Protestantin und altes und neues Testament leben unter einem Dache feit vielen Jahrzehnten in herzlicher Eintracht und Liebe, obgleich Jeder'seiner Glaubensgenossenschaft eifrig anhängt.

Mössin gen, 26. Juli. In dem nahe gelegenen Pfarr- dorfe Thalheim wurde dieser Tage einem Soldaten mit einem Stücke Holz das eine Ohr fast vom Kopfe losgetrennt. Derselbe war Nachts 11 Uhr auf dem Heimweg begriffen und hörte aus einer Wirthschaft einen sehr heftigen Streit des Wirths mit seiner Frau. Ein Kind hatte sich wegen des Tumultes auf die Gaffe geflüchtet. Der Soldat wollte das Kind, um es vor Erkältung zu bewahren, in das Haus zurückführen, wurde aber von dem

zärtlichen Gatte» und Vater mit einem Stück Holz auf oben be­schriebene Weise zugerichtet. Auch wird befürchtet, daß der Loldat durch die erhaltenen Schläge auf den Kopf des Gehörs aus einer Seite verlustig werde. Die Sache ist bei Gericht anhängig gemacht.

München, 27. Juli. Der Courierzuq Nr. >64 in heute Nachmittags 4 Uhr zwischen Jmmenstadt und Oberdorf vollständig entgleist. Zwei Damen erlitten Beinbrüche, außerdem 1l Per­sonen leichtere Quetschungeil; bedenklich verletzt wurde niemand. Die Ursache war oermuthlich ein Achsenbruch.

Berlin, 28 Juli. Sultan Murav's Thron-Entsetzung ist erfolgt, Abdul Hamid zum Regenten ernannt; sein Installirung wird erst nach Murad's Tode vorgenommen werden. Mu- rad ist an Pyiimie erkrankt und sein Ableben wird stündlich - erwartet. (Fr. I.)

Die Sozial Demokraten und Ultramontaneu sind schon wacker an der Wahl-Arbeit, die Liberalen scheinen das Gute im Stillen zu thuu. Die Ultramontanen arbeiten mit dem Wort, der Schrift und dem Bild. In ihren Zeitungen am Rhein wird eine Schrift angezeigt, betitelt:Fort mit den Liberalen. Mi: Illustrationen." Jeder Artikel bringt ein neues Bild. Das eine stellt den Für­sten Bismarck dar, wie er kerzengrade stehend zu einer Gruppe von Liberalen spricht, die in katzenbuckelndcr Haltung zuhören. Auf einem anderen läßt Bismarck als Jäger gekleidet und einer Hetzpeitsche in der Hand eine Meute von Hunden (die wohl Liberale darstellen sollen) über den Stock springen. Das Schrift- chen sammt Bildern kostet nur 20 Pfennige. Man sieht, die Methode ist nicht neu, packt aber.

In Westpreußen scheint das Lesen und Schreiben, wie all­jährlich bei der Aushebung von Rekruten ermittelt wird!, noch vielfach als eine sehr schwierige Kunst angesehen zu werden. Die Danziger Ztg. konslatirt z. B., daß es im Kreise Neustadt eine Ortschaft gibt, in der Kinder bisher ohne allen Unterricht ausge­wachsen sind. Es ist dies das Dorf Sleinkrug bei Köln mit ca. 300 Einwohnern, das weder eine eigene Schule besitzt, noch bei einer Nachbargemeinde eingeschult ist, so daß zur Zeit circa 60 Kinder im Alter der Schulfähigkeit dort ohne Unterricht sind.

Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit und ein Fräu­lein Louise Kistner in Memel fertigt und besohlt Herrenstieseln schnell und gut, in und außer dem Hause, daß man seine wahre Freude daran hat. Von einer solchen weiblichen Kollegenschaft hätte sich Hans Sachs gewiß nichts träumen lassen.

Wien, 27. Juli. (Allg. Ztg.) Die Pforte hat sich be­reit erklärt, Friedenswünsche jederzeit anzuhören, doch sei es ihr unmöglich, sich dadurch in ihrer militärischen Aktion aufhalten zu lassen.

Wien, 27. Juli. Laut authentischer Meldung ist Sultan Murad's Gesundheits-Zustand in rascher Abnahme begriffen und ein Thron-Wechsel nahe bevorstehend. In finanziellen Kreisen verlautet, England habe der Pforte eine Million Pfund Sterling vorgeschoffen. In Süd-Rußland werden große Freiwilligen- Legionen zur Unterstützung Serbiens und Montenegro's gebildet.

Wien, 29. Juli. Sultan Murad hat vorgestern seine Abdankung unterzeichnet; sein Bruder Abdul Hamid ist zu seinem Nachfolger berufen. Die Mächte sind hiervon bereits vertraulich verständigt mit dem Beifügen, daß die Politik der Pforte dadurch nicht alterirt werde. (Fr. I.)

Der Czaar und ich wollen den Frieden, sagte Fürst Gort- schakoff in Bad Ems, aber es kann die Zeit kommen, wo wir dem Andrängen des russischen Volksgeistes nachgeben müssen. Ist diese Zeit gekommen, seit Fürst Gortschakoff wieder in Peters­burg ist? Haben er und der Czaar die Herrschaft über die Volksstimmung verloren oder haben sie es aufgegeben, der Strömung entgegeuzutreteu? In den russischen und namentlich in den Petersburger Zeitungen, in denen sonst jedes Wort dreimal ge­siebt werden muß, werden die kriegerischen Stimmen nicht nur immer lauter , sondern es wird auch ganz offen der Zerfall des Drei-Kaiser-Bündnisses, ja sogar die Wahrscheinlichkeit eines - Krieges mit Oesterreich erörtert, auch ein Stichwort verbreitet: So lange es eine Türkei gibt, ist eine Allianz zwischen Rußland . und Oesterreich undenkbar.

Paris, 21. Juli. Heute Morgen entstand in dem Waareu-