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Amtsblatt für den Obcramtsbczirk Nagold.
Nr. 8Ü.
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Samstag den 8. Zuti.
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Amtliche».
Nagold.
An die Gemeinde-, Stiftungsräthe und Ortsarmen- bebörden, sowie die Berwaltungs-Aktuare des
Bezirks.
Dieselben werden Hiemil aufgefordert, dafür zu sorgen, dag die Enlwerfttiig der Etats für das Verwaliungsjahr 187677 sofort erfolgt und daß solche, nach vorausgegangener Berathung Seitens der betreffenden Collegien mit der Beschlagnahme der letzten, bis zum Schluffe des Monats Zuli zur Prüfung und Genehmigung hieher vorgelegt werden.
Bei der Einweisung des Etats ist mit Gründlichkeit zu verfahren und besondere Rücksicht darauf zu nehmen, daß die für etwaige Ergänzung des Grundstocks und der Schuldentilgung erforderlichen Mittel in denselben vorgesehen werden; auch wird darauf aufmerksam gemacht, daß nach der neuen Armengewtzgebuug Zuschüsse der Gemeinden an die MiftungSkaffk» zur Armenunterstützung nicht mehr geleistet weiden dürfen, lieber erhebliche Abweichungen der Etatssätze vom Vorjahr ist Erläuterung zu geben. Auch ist über die aus der vorhergehenden Rechnungs-Periode noch verfügbaren Mittel unter Anführung des vorhandenen Baarvor- rarhs und die noch vorhandenen Actio- und Passiv-Rückstände in den Etats genauer und specieller Nachweis zu geben.
Den 6. Juli 1876.
K. Oberamt und K. gemeinsch. Oberamt.
Güutner. Freihofer.
Tages« Neuigkeiten.
Stuttgart, 3. Juli. Seil einigen Tagen haben die Metzger in mehreren Städten des Landes dem fleischkonsumireuden Publikum eine große Freude dadurch bereitet, daß sie die Fleischpreise dem Einkäufe entsprechend herabgesetzt haben. Rindfleisch kostete seither 50 L, jetzt kostet cs 40 ^>, einige Metzger geben es sogar zu 30 (Sehr nachahmuugswerth!)
Hcilbronn, 5- Juli. (Wollmarkt.) Die zugeführte Wolle ist gestern schon, mit Ausnahme von wenigen Partien, ganz zum Verkauf gekommen. Die Preise, wen» auch um einige Mark besser als in Kirchheim, bleiben doch immerhin circa 20 Prozent hinter dem vorigen Jahre zurück. — Bessere Bastard 160 — 165 ^l, Mittel Bastard 135 — 142
Laupheim, 2. Juli. Ueber den von uns schon gemeldeten Kaspar Hauser-Fall in Achstetten gibt die „Lauph. Ztg." folgende Details: Wie die polizeilichen Erhebungen bis jetzt ergeben haben sollen, schmachtete der zeitweise Geisteskranke, der jetzt 62jährige Anton Berg aus Achstetten seit seinem 22. Lebensjahre in dem Gemache eines einzeln stehenden Häuschens eingeschlossen, ohne je mit der Aussenwelt in Berührung gekommen zu sein. Seine Wohnstätte war für ihn zu einem Kerker geworden, welcher eher einem Schweinstall, als einer menschlichen Behausung glich. Seit zwei Jahren ohne Bett war er auf haibversauites Stroh angewiesen. Das Geiaß starrte von Schmutz und Koth. Halb- verfaulte Kleider hingen an dem zu einem Gerippe zusammeugeschrumpften Leibe des Unglücklichen. Seine Muttersprache hatte er halb vergessen, so daß er beim Anblick des Gemeindepflegers, der in Begleitung eines Landjägers diesen grausigen Kerker öffnete, nur die Worte zu stammeln vermochte: Suppe! — Kaffee! — Hunger! ! Dieser Unglückliche, Anton Berg, war dem Vernehmen nach schon seit seinem 22 Jahre seinen Verwandten zur Pflege anvertcaut. Näheres werden die genauen gerichtlichen Nachforschungen ergeben. Für jetzt ist dieser unglückliche Mensch — ein wahres Marterbild - auf Anordnung der Staatsanwaltschaft in das hiesige Spital verbracht und der Pflege der barmherzigen Schwestern übergeben worden.
Dem Bundesrath ist ein Gesetzentwurf zugegangen, durch welchen die Bestimmungen für die Zulassung von Ausländern zum Gewerbebetrieb im Umherziehen abgeändert werden sollen.
Berlin, 3. Juli. Der 10jährige Gedenktag der Schlacht bei Königgrätz wird offiziell in keiner Weise gefeiert. Es entspricht das dem herzlich brnderfre.undlichen Verhältnisse, welches zwischen dem neu erstandenen Deutschland und dem jetzigen Oestreich besteht, und welches irgendwie zu trüben auch selbst kein Vorwand gegeben werden soll. Auch die Presse enthält sich fast durchweg einer Hervorhebung des Tages, und wo es der Fall ist, geschieht es, um zugleich der Freude über die erfreuliche Gestaltung der Beziehungen zu Oestreich und über den Aufschwung der östceich.- ungarischen Monarchie selbst neben dem deutschen Reiche Ausdruck zu geben. Die Schief. Zeitung u. A. hebt in einem Artikel hervor: Was uns aber vor Allem freut und der Erinnerung an Königgrätz jeden Stachel benimmt, ist die zwiefache Thatsache: zunächst daß Oestreich heute politisch enger an Deutschland ge
knüpft ist, daß es uns Angesichts einer europäischen Krisis vertrauensvoller verbunden ist als nur je zu Zeiten des Bundestages, dann aber, daß Oestreich im rein nationalen Sinne, d. h. nach allen Richtungen des Kulturlebens hin fester mit uns vereint ist denn jemals in vergangenen Tagen. Auch die N. Allg. Ztg. feiert den Jahrestag mit einem Leitartikel, in dem es zum Schlüsse heißt: „Mil dem Tage von Königgrätz ist Preußen aus der Reihe der deuttLeu Mächte geschieden und Deutschland an seine Stelle getreten. So soll unS Preußen denn das Gedächlniß dieses Tages forlleben als ein würdiger Abschluß unserer rnhm- und ehrcnreichen Geschichte. Den Deutschen allen aber sei und bleibe er eine Mahnung, daß preußische Heldcntugend es gewesen, auf welcher das neue Reich sich erhoben, und daß vom Tage von Königgrätz Deutschlands neue Geschichte datirt." (Schw. M.)
Berlin. 6. Juli. ,,Die europäischen Mäcbie sind entschlossen, an dem Nichl-Jntervcutiouspunzip dem serbisch-türkischen Konflikte gegenüber feltzuhaiten, und wie in dem spanischen Jn- surgentenkriege zu verfahren. Ebenso beabsichtigen die Mächte einen Pazifikationsplan vorzuschlagen, sobald entscheidende Was- fenthaten vorliegen. Gegenwärtig findet ein Ideenaustausch zwischen den Mächten über Inhalt und Form des beabsichtigten Friedensplans statt. Nichtsdestoweniger befürchten eingeweihte Persönlichkeiten eine allgemeine Erregung, wenn die Türken Schlachten gewinnen und in serbisches Gebiet cinrücken sollten.
(B. T.)
Berlin, 6. Juli. Wie von vertrauenswürdiger Seite versichert wird, bezieht sich der noch immer stattfindende Meinungsaustausch der europäischen Diplomatie nicht mehr auf die Frage der Nichteinmischung in den Kampf der Pforte mit dem Vasallen. Hierüber ist die Discussion vorläufig geschlossen, und zwar durch den allseitig anerkannten Grundsatz, daß man „das Ergebniß des Kampfes abwartet". Wohl aber beschäftigt man sich mit dem Eintritte Montenegros in den Krieg. Es wurden nämlich Stimmen laut, welche den Krieg Montenegros als einen Angriff gegen die Türkei von Außen aufgesaßl sehen wollen, da die staatsrechtliche Stellung dieses Staates nicht geklärt genug ist, um ihn ohne Weiteres den türkischen Vasallen zuzuzählen. Wenn sich diese Anschauung Bahn bricht, dann müßte im Sinne des Pariser Vertrages von Seiten der Großmächte eine Intervention eintreten. Es darf als sicher angenommen werden, daß Montenegros Action auch einen Gegenstand der Besprechung zwischen Andrassy und Gorlschakoff bilden wird. (B. T.)
Berlin, 6. Juli. Ueber die blutigen Gefechte im Osten und Süden Serbiens liegen natürlich noch wenig ausführliche Nachrichten vor. Die Serben behaupten, sie wären bei Sactschar nicht in die Flucht geschlagen worden, sondern hätten sich in ihren Verschanzungen gehalten. Ebenso beschwören die Türken, daß sie bei Nisch durchaus keine Niederlage erlitten, sondern vielmehr die Angriffe der Serben blutig zurückgewiesen hätten. Wer, der nicht mit dabei gewesen, will die Wahrheit entscheiden? (B. T.)
Auch die Kölnische Zeitung erfährt jetzt, daß die diplomatische Aktion in letzter Zeit sehr rege war. Sie verlegt allerdings den Schwerpunkt nach Paris, indem sie meldet, daß Frankreich in letzter Zeit den europäischen Großmächten zwei Vorschläge zur Regelung der orientalischen Frage gemacht habe. Der eine Vorschlag bezweckt den Zusammentritt einer Conferenz der Mächte. Rußland ging auf denselben willig ein, Deutschland in bedingter Weise, Oestreich sprach sich in entschiedener Weise dafür, England dagegen aus, weil es ohne vorher genau festgestellte Grundlage solche Conferenz für unersprießlich hält. Der andere Vorschlag richtete sich auf einen Collectivschrilt in Serbien. Derselbe wurde als verspüret und daher nutzlos abgelehnt.
Ein Wiener Korrespondent des „Pester Lloyd" erklärt, in leitenden Kreisen sei man überzeugt, daß es die Lebens-Interessen Oestreichs gefährden hieße, wollte man eine Machtverschiebung zu Gunsten der Neubildung slavischer Staaten überhaupt dulden; man würde eine Okkupation vorziehen auf die Gefahr hin, Europa wachzurufen.
Wien, 5.Juli. Dem „Telegravhen-Correspongenz-Büreau" wird aus Athen gemeldet: Die in dem Kriegs-Manifeste des Fürsten von Serbien ausgesprochene Hoffnung auf Griechenlands Be-