Gewöhnlich hat sie acht, längstens zehn Tage nach der Thronbe- steigung des neuen Sultans stattgefunden. Zum ersten Male hat sie sich bei dem jetzigen Anlasse verzögert. Die wahre Ursache der Verzögerung ist, nach der „Polit. Korr.", daß Sultan Mu- rad am Tage der Schwerlumgürtung das neue Verwaltungsregime, das liberale konstitutionelle Regime, zu verkünden wünscht. Man zweifelt, daß er dies werde thun rönnen. Die türkischen Minister sind übrigens in dieser Beziehung uneinig, und das muselmännische Publikum, mit Ausnahme einer sehr kleinen Fraktion, findet die konstitutionellen Ideen des Sultans und der Partisane des neuen Regimes gar nicht nach seinem Geschmacke. Der Muha- medaner, möge man sagen, was man wolle, wird niemals einwilligen, aufrichtig die Autorität auf dem Fuße vollkommener Gleichheit mit den Christen zu theilen. (N. T.)
Der Ammei fiter von Ttraßburg.
(Fortsetzung.)
Die arme Frau wurde allgemein bemitleidet, man trug ihr die Thal des Sohnes nicht nach und verehrte sie fast wie eine Heilige, als es bekannt wurde, daß sie das Geld dem Rathe der Stadt zur Vcrtheilung an die Armen übergeben habe.
Als der Prätor solches erfuhr, stutzte er und sandte heimlich einen Courier nach dem Kloster bei Epinal, um der Aebtissin rin Schreiben von ihm zu überbringen, worin er ihr die größte Wachsachkeit hinsichtlich der jungen Novize anempfahl.
Ebensosehr schien er jetzt auch davon überzeugt zu sein, daß Günzer ihn über Adria» Dörnach getäuscht habe, und erbost darüber, so plump überlistet wo»den zu sein, schwur er, Alles auf- zubieteu, um seiner habhast zu werden.
Die Familie des Ammeisters schwebte in nicht geringer Sorge-, einestheils über das Loos des Vaters, der dort in Paris der Willkür königlicher Gewalt rücksichtslos preisgegeben war, anderntheils auch über Adrian's Schicksal, das mit dem ihrigen so eng verknüpft und die ganze Familie gefährden konnte.
War doch Niemand in dieser Zeit roher Willkür feiner Freiheit, seines Lebens sicher, da Gesetz und Recht mit Füßen getreten wurden, nur der Mächtige trinmphirte.
Adrian Dörnach befand sich noch im Hause des Doktors Dietrich, wohin er heimlich gebracht worden war. Er ging seiner Genesung mit schnellen Schritten entgegen und bestand jetzt selber darauf, die Stadt in irgend einer Verkleidung zu verlassen, um die Famile des Ammeistcrs nicht weiter zu gefährden.
An einem Nachmittage trat Dörnach seinen Weg als elsäßi- scher Bauer verkleidet an und hatte das Thor glücklich und unbemerkt erreicht, als ein französischer Soldat ihm im Vorbeigehen einen so unsanften Stoß gab, daß er strauchelte und sein breit- krämpiger Hut, der das ganze Gesicht verbarg, ihm vom Kopfe flog.
Das blasse Gesicht, so wie die schwarze Binde um die Stirn mochten für einen Landmann auffällig genug erscheinen; der wachthabende Korporal, welcher Anfangs über jenen Unfall gelacht, wurde jetzt aufmerksam und rief ihm ein barsches „Halt!" zu.
Adrian erschrak; an Flucht war nicht zu denken, sie hätte seine Lage nur verschlimmern können.
Er faßte sich schnell und trat auf einen Wink des Korporals in die Wache.
„Ihr seid kein Bauer," fuhr ihn dieser hier an.
„Verzeiht, Herr!" erwiderte Adrian so unbefangen als möglich in deutscher Sprache, „ich verstehe Euch nicht."
Ein Dolmetscher war sogleich bei der Hand, der ihn scharf inquirirte und schließlich trotz aller Protestation zum Herrn Prätor zu bringen befahl.
Der arme junge Mann hatte Mühe, sich aufrecht zu erhalten.
„Wir haben Befehl, all' dergleichen verdächtiges Gesindel vor den Herrn Prätor zu führen," wandte sich der Dolmetscher, ein geborner Straßburger, an den Korporal, „vielleicht fangen wir auf diese Weise doch endlich den Vogel, den wir suchen."
Adrian war völlig vernichtet, er errieth instinktartig, daß man ihn damit meinte.
Bis zur anbrechenden Dämmerung blieb er in der Wache, dann wurde er zu dem Prätor gebracht.
Dieser ließ ihn sogleich vor sich führen und blickte ihn forschend an.
Adrian erwiderte den Blick Obrecht's frei und stolz; die Zeit der Vorstellung war nun einmal doch vorüber, so wollte er sich auch nicht mehr erniedrigen.
„Ah, mein Freund! Euch muß ich kennen," rief Obrecht überrascht aus.
„Ich danke für die Freundschaft des französischen Prätors," erwiderte Adrian stolz und finster.
„So ist Euch also seine Feindschaft lieber, — sie soll Euch im reichsten Maße werden, Herr Adrian Dörnach! — Beim Himmel, der Prätor wird Euch den Dank mit Zinsen zurückgeben."
Adrian trug eine Waffe bei sich, einen fein geschliffenen Dolch.
Der Anblick des Verräthers, die Pracht, welche diesen umgab, regte den ganzen Ingrimm seines Innern an. Was hinderte ihn, sich auf ihn zu stürzen, ihm den Dolch in's treulose Herz zu stoßen und so gerechte Rache zu nehmen für das Unglück der Vaterstadt.
Ulrich Obrecht schien die Wuth deS jungen Mannes, welche sich deutlich genug aus seinem Antlitz ausprägte, zu begreifen; eine unbestimmte Furcht, sich einem Brutus gegenüber zu befinden, ließ ihn vorsichtig sich zurückziehen.
Adrian sah die Furcht des Verräthers und ein stolzer Triumph überkam ihn.
Er zog den Dolch aus seinem Rock und schleuderte ihn mit einer verächtlichen Bewegung in den Winkel.
„Fürchtet nichts," sprach er ruhig, „meine Hand ist rein von Blut und Berrath und soll es bleiben. Ich bin wehrlos, liefert mich an Frankreich aus, wie Ihr cs mit der Vaterstadt gethan. Führt mich hinaus, werft mich in den Kerker, dorthin gehören die deutschen Patrioten Straßburgs, — mir grauset vor dieser Pracht, die mit Blutgeld erkauft ist."
Der Prätor war leichenblaß geworden, der Zorn schnürte ihm die Kehle zu, dieser Mann, der ihn vorhin zittern machte um sein Leben, wagte es jetzt als sein Gefangener ihn zu beschimpfen.
Er öffnete die Thür und rief einige seiner Getreuen herbei.
„Fesselt diesen .Menschen und werft ihn in den tiefsten Kerker, daß weder Mond noch Sterne ihn bescheine."
Seine Stimme klang heiser, als er den Schergen diesen Befehl zuries.
Unverzüglich packten sie den Unglücklichen, der noch so schwach und elend war, mit roher Faust und schleppten ihn fort.
Der Prätor aber schaute lange nach der Thür, welche sich hinter seinem Opfer geschlossen; in seine» Augen brannte eine verzehrende Gluth und die geballte Rechte ausstreckend, murmelte er mit drohender Stimme: „Ja, in den Kerker mit Euch allen, die ihr mir zu trotzen wagt, und kein Tag soll vergehen, wo ich mich nicht weiden will an Deiner Qual, Vermessener!"
Mit einem französischen Geleitsbriefe versehen, den er sich listig zu verschaffen gewußt, hatte der Stadtschreiber Günzer sich eine Stunde von Straßburg ein Pferd gekauft, um seinen weiten Weg rascher fortsetzen zu können.
Ohne Hindernisse gelangte er nach Epinal, in dessen Nähr sich das Kloster der Benediktinerinnen befand.
Sein Plan bestand in nichts Geringerem, als Katharina Dietrich zu befreien. Es mußte ihm also vor allen Dingen daran liegen, die junge Novize zu sehen, zu sprechen oder ihr einige Zeilen heimlich zukommen zu lassen.
Günzer war den Franzosen als Freund bekannt, er hätte den Geleitschein nicht einmal nöthig gehabt. Das Glück führte ihm einen Oberst entgegen, dem er einen Dienst in Straßburg erwiesen, dieser schrieb ihm auf den Geleitsschein noch ein besonderes Zeugniß, das ihm überall das unbedingteste Vertrauen erwecken und seinem Plane noch besonders förderlich sein mußte
Ohne sich lange zu besinnen, zog er, vor dem Kloster angekommen, die Glocke.
Es war um die Mittagszeit.
Die Pförtnerin öffnete. Günzer fragte in französischer Sprache nach der Oberin des Klosters.
„Ich komme im Austrage des königlichen Prälors von Straßburg," setzte er hinzu, „wollet das der Frau Aebtissin melden."
Die Pförtnerin nickte und verschwand. Er wartete eine geraume Weile voll Unruhe und Ungeduld.
Endlich öffnete sich die Pforte auf's Neue, man ließ ihn eintreteu, eine Nonne führte ihn in's Sprechzimmer, wo die Oberin hinter einem Gitter seiner wartete.
Günzer schob schweigend seinen Geleitsschein durch eint Oeffnung und trat dann ehrfurchtsvoll zurück.
Die Aebtissin las, ihr Gesicht wurde freundlicher.
(Fortsetzung folgt.)
A l l e r l e i.
— Ueber Samenwechsel. Herr Professor Haberlanb zieht in seinen Beiträgen zur Frage über die Akklimatisation der Pflanzen und den Samenwechsel folgende Schlußfolgerungen: Weizen, Roggen, Gerste, Lein und Mais entwickeln sich an irgend einem Orte um so rascher, aus einer je südlicheren Gegend deren Samen bezogen worden ist. Umgekehrt: Je nördlicher der Ort gelegen, um so später reifen Pflanzen aus den von dort bezogene» Samen. Hafer macht eine Ausnahme, insofern die südliche oder nördliche Lage seines Bezugortes keinen wesentlichen Einfluß auf beschleunigtes oder langsameres Wachsthum der Hafersaat auszuüben scheint. 2. Weizen und Mais liefern aus südlichen Gegenden bezogen qualitativ bessere Ernten, als bei ihrem Bezug aus höheren Breiten. Für Gerste und Hafer empfiehlt sich rin Bezug aus nördlicher gelegenen Orten, oder aus solchen gleicher geographischer Breite. 3. Aus dem Süden bezogene Pflanzensamen liefern verhältnißmäßig mehr Körner, weniger Stroh oder Stengel, als solcher Pflanzen, die von Samen nördlicher Gegenden abstammen.
Goldknr» der k. Staatskaffenverwaltung
vom 1. Juli 1876.
20-Francenstücke
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