Der Gesellschafter.
Amtsblatt für den Oberamtsbezirk Nagold.
Nr. 76.
, Erscheint wöchentlich 3mal und lostet ! halbjährlich hier (ohne Trägeriohnil 1 M. 60 Pfg., für den Bezirk 2 M.j außerhalb des Bezirks 2 M. 45 Psg^
Donnerstag den 29. Juni.
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Die Redaktion und Expedition des Gesellschafters.
Amtliches.
Nagold.
An die OrtSvorfleher.
Dieselbe,! werden darauf aufmerksam gemacht, daß die Militärpflichtigen, welche am Musterungstermin, 30. d. M., hier zu erscheinen haben, wie sich von selbst versteht, die Loosungs- scheine mitzubringen haben.
Den 27. Juni 1876.
K. Oberamt.
Güntner.
TageS.Neuigkeiten.
Stuttgart, 23. Juni. Großes Aussehen macht hier die übereinstimmend abfällige Beurtheilung, welche die würtiembergische Abtheilung in der Münchener Kunstgewerbe-Ausstellung findet. Man ist über den Mißerfolg um so mehr ungehalten, als die „Central Stelle für Gewerbe und Handel" Hierselbst, welcher die Förderung des Gewerbes nach der künstlerischen Richtung hin speciell obliegt, große Unterhaltungs-Summen verschlingt. Möglicherweise führt dieser Zwischenfall zu einer Aenderung in der Organisation dieses hier vielfach angefeindeten Instituts. (Fr. I).
Stuttgart, 24. Juni. Aus der gestrigen Sitzung der wirrt- tembergischen Kammer ist zunächst der vonRetter gestellte Antrag aus Abänderung des Gesetzes von 1853, betr die Liegenschastsverkäusc, hervorzuheben. Der Antrag, besonders von Mo hl als zur Zeit inopportun bekämpft, fand seine Erledigung dadurch, daß ihn Retter zurückzog. Schließlich kam noch die Berathung über den abweichenden Beschluß der Kammer der Standesherren zu Art. 8 des Beamtengeietzes. Letztere will den Beamten, welche in einem Aufsichtsrath u. s. w. einer auf Erwerb gerichteten Gesellschaft sich befinden, gestatten, ihre Stelle auch in Zukunft gegen eine mäßige Entschädigung sür Zeit- und Müheauswand zu behalten. Die Kommission wollte diese Erlaubniß nur bis zum Ende der laufenden Wahlperiode geben. Dieser Kommissionsantrag wurde angenommen und damit die Sitzung geschlossen. -- 27. Juni. Die Kammern wurden heute vertagt.
Stuttgart, 28. Juni. (Landesproduktenbörse.) An den auswärtigen Börsen und Märkten war die Haltung im Getreidehandel fast durchweg matt, doch hat in den Preisen nirgends ein wesentlicher Rückgang stattgefunden. Auch bei heutiger Börse war das Geschäft still und dasselbe beschränkte sich auf den nöthigsten Bedarf. Wir notiren: Weizen, rufj. 12 ^6 15—55 dto- bayer. 12^6—12 ^6 80 -4, dto. amerik. 12-6 bis 12 „6 60 4, Kernen 13 ^6 50—80 -l, Dinkel 8 -6 80 -9 ^6, Haber
10 30—80 -j
Heute nach Mitternacht (26. Juni) brannte in Unterjesingen die Scheuer des dortigen Lammwirths gänzlich nieder, auch die anstoßenden Gebäude wurden mehr oder weniger beschädigt. Man oermuthet Brandstiftung.
Am 24. d. M. ist auf der Bahnlinie zwischen den Wärterposten Nr. 59 und 60 der Abthcilung Klein-Eislingen eine fchwermüthige Frau, welche unmittelbar vor der Annäherung des Kurierzugs 15 in das Bahngeleise sprang, von diesem überfahren und getödtet worden. (St.-A.)
Sillenbuch, 24. Juni. Die hiesige Markung wurde gestern Nachmittag von einem Gewitter heimgesucht und so sehr durch Hagel beschädigt, daß die Weinberge fast ganz, die Aecker aber mehr als die Hälfte ihres Ertrags vernichtet sind.
Dem Kommandanten der freiwilligen Feuerwehr in Roiten- burg, Gemeinderath Wendelstein, wurde die goldene Civil- verdienstmedaille gnädigst verliehen.
Weingarten, 25 Juni. DaS gestrige „Papsifest" brachte ein reges Leben hieher, wenn gleich der Besuch desselben nicht die Ausdehnung annahm, die von mancher Seite erwartet wurde. Die Feier des 30jährige» Negieningsjubiläuuis eines Papstes ist bekanntlich die erste, da »och nie ein Papst so lange auf dem päpstlichen Stuhle saß; ja nicht einer der 257 Päpste außer Pius IX. hat die sogen. „Jahre Petri" (25» erreicht.
Kirchheim, 23. Juni. 3. Maikltag. Sieben Achtel des ganzen Quantums bei heule etwas steigenden Preisen verkauft und wird der Rest bei andauernder Kauflust heute aufgeräumt.
Was ist in das sonst so leichtlebige Völkchen der Künstler gefahren? In Mannheim hat sich der Musikdirektor Langer, in Ems die erste Liebhaberin Toni Stein und in SalzweLel der Komiker Duchow erschossen, in Wien der Schauspieler Melli» ertränkt.
(Zur Mahnung für Deutschland.) Die Köln. Z. veröffentlicht aus der Feder Wickedes zur Zeit militärisch-politische Briefe aus Frankreich, denen wir folgende in mehr als einer Beziehung beach- tenswerlhe Bemerkungen entnehmen: „Auf Schritt und Tritt, wohin man nur Ohr oder Auge richtet, wird man immer und immer wieder von Neuem die feste Ueberzeugung von dem Hasse gewinnen, den fast alle Franzosen der verschiedensten Stände oder der sich sonst am heftigsten bekämpfenden politischen Parteien ohne Unterschied gegen das jetzige deutsche Kaiserreich hegen. Dieser Haß macht sich nicht mehr in lärmenden Kundgebungen, oder äußerlichen Grobheiten Lust, wie solche in der ersten Zeit nach Beendigung des Krieges häufig vorgekommen sein mögen; im Gegcntheit ist dergleichen sehr selten geworden, und ein Deutscher kann unbesorgt ganz Frankreich durchreisen, ohne seine deutsche Nationalität verhehlen oder befürchten zu müssen, noch irgendwo beleidigt oder gar gröblich insultirt zu werden. Er wird überall eine zwar kalte, aber höfliche Zurückhaltung finden: man wird überhaupt so wenig, als nur möglich mit ihm sprechen, und läßt sich dies nicht füglich vermeiden, so wird jeder anständige Franzose, und äußerlich böslich und anständig sind sie fast Alle, sobald sie nicht in Leidenschaft gerathen, über gleich- giltige Dinge einige oberflächliche Phrasen mit ihm wechseln. Sollte ein Deutscher jedoch absichtlich das Gespräch auf politische Verhältnisse;- oder gar auf das Berhältniß von Frankreich zu Deutschland bringen wollen, dann wird er meist entweder keine Antwort erhalten, oder man wird ihm kurz erwidern: „Hierüber wollen und können wir nicht sprechen, sondern dies müssen wir durch Handeln zeigen, und wenn erst der richtige Zeitpunkt gekommen sein wird, so werden wir auch handeln." Läßt sich aber ein Franzose in vertrauteren Kreisen oder gegen alte früher genaue Bekannte wirklich zum Sprechen über diesen wunden Fleck herbei, so wird ein tödtlicher, tief innerer Haß aus seinem ganzen Gespräch hervorleuchten." . . . „Die Franzosen haben in jeder Hinsicht im letzten Kriege sehr viel gelernt. Ernst und Entschlossenheit, Abneigung vor den Uebertreibungen des Luxus, angestrengte und mit Nachdenken gepaarte Thätigkeit ist in die Mehrheit der Bevölkerung eingekehrt, und überall machen sich auch die Folgen d leser inte Ui gent en Arbei tiamke it bemerkbar. Begünstigt durch den seltenen Reichthum des Bodens, die größtenteils sehr guten Erfolge der letzten 5 Jahre und die vielen natürlichen Hilfsmittel des Landes sind die Spuren des Krieges von 1870, selbst in den Theilen Frankreichs, welche am meisten leiben mußten, bei Dijon, Orleans, Paris, an der Loire und Seine, in der Perche, auch bei Sedan und in den östlichen Departements, so gänzlich wieder verwischt, daß man kaum noch dis Spuren davon entdecken wird. Man findet fast nirgends gesunde Menschen als Bettler, sieht keine zerlumpten, von Elend abgezehrten Gestalten, dagegen im Ackerbau, bei Bauwerken und in allen Fabriken und Werkstätten und Kaufläden emsigen Fleiß und kann sich überall davon überzeugen, wie sehr Handel und Wandel gedeihen mühen. Daher die bedeutenden Zunahmen der Einlagen in die Sparkaffen, die wenigen Bankerotte, die sich seit 1871 alljährlich mindernden Verbrechen gegen das Eigenthum und die stets leerer werdenden Gefängnisse, Arbeitshäuser und Zuchthäuser, der geringere Besuch der Wirthshäuser, Cafes, Theater und besonders auch der so frivolen Konzerte. Dcr Franzose fast aller Stände führt jetzt ein häusliches Leben. Es ist daher in den meisten französ. Provinzialstädten jetzt für einen Fremden ziemlich öde und langweilig; ec wird nicht die Hälfte dcr öffentlichen Vergnügen aller Art daselbst finden, wie in einer deutschen Stadt gleichen Ranges, und des Abends um 10 Uhr ist Alles wie aus - gestorben. Selbst Städte wie Lyon, Bordeaux und das so mächtig anwachsende Marseille, entschieden jetzt weitaus die bedeutendste Handelsstadt des ganzen Mttteimeeres, sind am Abend verhältnißmäßig todt, und wenn man dis Vergnügungs-Anzeiger dieser Stadt mit denen z. B. von Hamburg vergleicht, wird letzteres jeden Abend gewiß die doppelte Zahl von Theatern, Konzerten, Schauvorstellungen aller Art und besonders von Tingeltangels haben. Diese strenge Arbeitsamkeit, verbunden mit der sparsamen'und wirthscbafttichen Lebensweise, bewirkt auch, daß man die hoyen Steuern jetzt allgemein leichter trägt, als man dies hätte erwarten sollen. Der Franzose zahlt besonders an indirekten Steuern jetzt über das Doppelte dessen, was der deutsche gleicher Vermögens- klasse zahlt, thut dies aber willig und ohne Murren, und Steuerhinter-