AlulMaLt sür den OßermuMezirk Nagold.

Nr. 67.

Erscheint wöchentlich 3mal nnv kostet balbjährlich hier lohne Träqerlob») 1 Rl. 60 Psp., sür den Bezirk 2 M. außerhalb des Bezirks 2 M. 45 Pfg/

Dienstag den 8. Juni.

Jnserattonsgebühr für die Zspaltisie Peile aus gewöhnlicher Schrift bei 4 einmaliger Einrückung !> Psg., bei 40IV. > mehrmaliger je 6 Pfg.

Amtliches.

Nagold.

An die Ortsvvrsteher.

Unter Beziehung auf die Belannlmachung vom 15. v. Mts., Amtsblatt Nr. 59, wird hiemit eröffnet, daß, wenn die noch rückständigen AmtSvergleichungskosten-Verzeichnisse, beziehungs­weise Fehl-Urkunden pro 1. Mai 1876 bis 15. d. Mts. nicht emkommen, solche durch Wanboten abgeholt werden.

Den 3. Juni 1876.

K. Oberamt.

G ü n t n e r.

TageS-Neuigkeiten.

* Nagold, 7. Juni. Die Probe, die die hiesige Feuer­wehr am Pfingstmontag mit der Nanchhaube und dem Extinkteur unler Anwesenheit der benachbarten Feuerwehren machte, befriedigte, was letzteren betrifft, nicht in erwarteter Weise und wird man hier noch weitere günstige Ergebnisse dieses Löjchmittels abwarten, ehe man zur Anschaffung des zwar sehr einfachen Apparats sich entschließt.

Stuttgart, 2. Juni. Seine Königliche Maje­stät sind heute Nacht zum Besuche Seiner Majestät des Kaisers von Rußland nach Ems abgereist.

Stuttgart, 3. Juni. In ihrer gestrigen Sitzung genehmigte die württe mbelgische Kammer zuerst die Zusammenstellung der Beschlüsse über des Beamtengesetz und hierauf in der Schiußadstimmung mit 68 gegen 3 Stimmen das Gesetz selbst. Sodann trat sie in die Berathuug des Gesetzes über Bildung eines Staatsmini ste- riums ein. In der allgemeinen Debatte sprachen Mohl und v. Rüme- lin gegen das Gesetz und verwandten sich beide für den Geheimen Rath. Vertheidigt wurde das Gesetz von Berichterstatter v. Gemmingen, Schmid und Oesterten, welch letzterer hervorhob, wenn Vas neue Gesetz den Ministerien eine größere Bedeutung gebe, so freue ihn das, weil er hoffe, daß eben damit auch die Kammer, welche etwaige Aus­schreitungen zu verhüten die Aufgabe habe, an Bedeutung gewinnen und man damit zu Ministerien in dem Sinn wie England sie habe, gelangen werde, nämlich zu solchen, die stets aus der Mehrheit des Hauses her­vorgehen. Minister v. Mittnacht betonte die dringende Nothwendig- keit, dem faktisch bereits bestehenden Ministerrath, den man ja auch nicht als verfassungswidrig angegriffen habe, nunmehr die rechtliche Sanktion zu geben, vorzüglich mit Bezug auf die Reichsangelegenheiten, mit denen sich zu befassen der Geheime Rath, wie Redner an mehreren Beispielen aussührt, in der größeren Zahl von Fällen absolut nicht in der Lage sei. Ueberdies seien dem Geheimen Rath etwas zu viel Geschäfte zugewiesen, darunter solche, bei welchen der Geheime Rath nur störend und verzö­gernd in den Gang eingreife. Es wurden hierauf nach kurzen Debatten noch die vier ersten Artikel des Entwurfs, zum Theil mit unwesentlichen Aenderungen den Kommissionsanträgen gemäß angenommen.

Die Ludwigsburger Militärbäckerei. Seit dem 1. ds. hat lautL. Ztg." die neuerbaute, großartig angelegte Militärbäckerei in Ludwigsburg ihre Thätigkeit begonnen. Die schönen, auf dem kleinen Exerzierplatz gelegenen Gebäulichkeiten haben im Volksmunde bereits den Namendas Bäckengrab' bekommen, und allerdings es ist etwas Wahres an dieser Be­zeichnung, denn mit solchen Brodfabriken kann der bisherige Kommisbrodbäcker nicht mehr konkurriren. Das Gebäude selbst ist nächst der Ulmer Militärbäckerei, welche unter der ausgezeich­neten Leitung des Hrn. Kriegskommiffärs Proviantmeisters Kraiß das berühmteste Bäckerei-Etablissement Süddeutschlands ist, nach neuester Konstruktion durch den Vorstand des Militärbauamts, Hrn. Inspektor Bockh und unter Aufsicht des Hrn. Bauführers Schäfer ausgeführt. Zum energischen Bäckereibetrieb wird eine Dampfmaschine von 4 Pferdekräften verwendet, welche die Knet­maschine in Bewegung setzt, die Siebmaschine treibt und das Wasser in die Röhren leitet, durch welche, wenn sie eine Hitze von 200250" erreicht haben, die Backräume der 6 Backöfen geheizt werden. In jedem dieser 6 Backöfen können täglich inner­halb 24 Stunden 18mal 84 3pfündige Brodlaibe gebacken werden. Es ist eine wahre Freude mit anzusehen, wenn Herr Backmeister Klein und seine 12 Bäckergesellen Kommisbrod fabriziren und zwar in diesen schönen auf des reinlichste gehaltenen Räumen. Das Ludwigsburger Kommisbrod ist von vorzüglicher Qualität, begreiflich, wenn man weiß, daß trocken gemahlenes Mehl von der Ulmer Mühle der dortigen Militärbäckerei dazu verwendet wird und zwar bestehend aus 2 Theilen Waizen und einem Theil Roggen, wobei kein Nr. 0, Nr. 1 und Nr. II herausgezogen,

somit die ganze Kraft des Getreides mii Ausnahme der Kleie beisammen bleibt.

Gomaringen, 3l. Mai. Ein Akt des religiösen Wahnsinns ist von hier zu berichten: Ein junger Mann von 28 Jahre» leidet schon seit etlichen Jahren an epileptischen Anfällen und wurden schon verschie­dene Nersuche zur Heilung des Unglücklichen gemacht: jedenfalls aber kein interessanteres Mittet versucht, als gestern Nachmittag. Eine große Anzahl Männer und Weiber von dem eine kalbe Slunde von hier ent­fernten Dußlingen fand sich von I Uhr an im Laute des Nachmittags hier ein, um den Kranken, nach ihrer Meinung vom Teufet Besessenen, zu kurireii. Kaum konnte das Wohnzimmer dis Menge soffen; der Kranie befand sich in der Ecke. Nun begannen die Anwesenden ihre Gesänge und Gebete. Während dessen sekundirte der Kranke in allen möglichen Tonarten unter schrecklichem Schäumen und grauenhaften Ver­zerrungen der Gcsichtsmustein. Ans der Bibel wurde vorgetesen, ins- vejondere wurde die Offenbarung Johannis stark benützt. Der Drache Mil den 7 Köpfen wurde citiri:nennst Du ihn?" -Ja ich kenne ihn gut, lautete die Antwort. Zwischenhinein ries der Kranke:Lasset mir met Rühle" (Ruhe). Doch die Versammelten waren anderer An­sicht.Unser Heiland hat Teufet ausgelrieben und der muß auch hin­aus!" ,o lautete der Spruch der helfenden Heitkünstler. Bei dem Ge­brauch der heiligen Namen erhob der Unglückliche jedeSmal ein fürchter­liches Geschrei. Erst in später Stunde ließ man den Kranken allein. Nachts zwischen 9 und 10 Uhr, nachdem alle Versuche, ihn zu heilen, beziehungsweise den bösen Geist auszutreiben, sich als vergeblich erwie­sen hatten. Was sott man im 19. Jahrh. zu derartigen Vorkommnissen sage» s (N. T.)

Der Kriegsminisler in Bayern soll kürzlich den Franzosen 15,000 Chassepots, das Stück zu 15 Mark, verkauft haben.

Hamburg, 3. Jum. Der Landtag von Ratzeburg hat die Einverleibung Laucnvurgs einstimmig endgiltig genehmigt.

Die Nat.-lid. Korr, untersucht die Frage vom Zeitpunkte der nächsten Wahlen und kommt zu dem Schluffe, daß voraus­sichtlich die Reichslagswahlen Anfangs Jan. 1877 statt- finden werden.

Zwei junge nobel gekleidete Herren standen auf dem Bahn- Hofe inBerlin und erwarteten den Zug. Der Inspektor hörte, wie der Eine mit dem Andern wettete, die schönste Dame, dis ausfteigt, küsse ich. Der Zug kam, in dem Gedränge stürzte der Laste auf eine junge schöne Dame zu: Willkommen, will­kommen! und küßte sie. Ehe die wildfremde Dame von ihrer Bestürzung sich erholen konnte, war der Unverschämte im Gewühle verschwunden. Das gehört auch zur frivolen Langeweile der modernen Jugend.

Ems, 1. Juni. Der Graf von Paris ist heute zum Besuch des Kaisers von Rußland hier angekommen. (Rh. K.)

Kaiser Alexander in Bad Ems wurde, wie der Tele­graph meldet, von den Nachrichten aus Constaminopel tief er­schüttert. Man war vorsichtig und bereitete ihn vor, dennoch blieb er 10 Minuten sprachlos. Ec hatte die Meldung von dem Sturze des Sultans sitzend angehört, lehnte sich dann im Sessel zurück und schloß die Augen. Schließlich athmete er tief auf und sprach einige Worte des Bedauerns über denirre geleiteten Herrscher."

In Wernigerode sind dem dortigenIntelligenz-Blatt" zufolge seit etwa acht Tagen mehr als 50 Menschen an den Trichinen erkrankt.

Im Krup p's che n Etablissement sind neuerdings 400 sechspfündige Geschütze für die italienische Regierung, und drei Kanonen, zwei von 26 und eine von 15 Centimeter Kaliber, für die portugiesische Regierung hergestellt worden. Auch die Türkei hat in letzter Zeit mannigfache Aufträge zu Waffenlieferungen eriheilt- Unter diesen Umständen sind die vor einiger Zeit aus Arbeitsmangel entlassenen Arbeiter größtentheils wieder angestellt worden.

Die Riesenkanone, welche Krupp zur Weltausstellung nach Philadelphia gesandt, ist 33 Fuß lang, hat ein Kaliber von 35 Cm. und schießt Geschosse von 1600 Pfund. Ihre äussere Gestalt ähnelt einer Weinflasche. Zum Transport bedurfte sie eines eigens hergerichteten Dampfers und extra gebauten Eisen­bahnwagens. Ebenso mußten die Brücken, welche das Ungethüm pasfirte, durch eiserne Balken unterstützt werden.

Die Großmächte haben die Ueberreichung ihrer Vorschläge an den neuen Sultan aufgeschoben. Sie wollen die ersten Re- gierungshandlungen des Sultans abwarten.

Alarmisten, die immer bei der Hand sind, wenn kritische