Brüsseler JournalNord" veröffentlicht die von den bosnischen Insurgenten durch Wesselitzky an die Konferenz in Berlin ge­richtete Adresse. Dieselbe ist analogen Inhalts, wie die von den Führern der Insurgenten in der Herzegowina aufgestellten Punkte; die unentgeltliche Ueberlassung der Ländereien wird nicht beansprucht, die Reformen des Grafen Andrassy werden angenommen, nur werden Garantien für deren Ausführung verlangt. Wesselitzky versichert in einer an denNord" gerich­teten Zuschrift, daß alle Insurgenten die vorgeschlagenen Re­formen acceptircn. Dies vereinfacht insofern die Situation, als es sich nun blos noch darum handelt, die Pforte zu gewinnen; deren Zustimmung aber bleibt noch immer das große Fragezeichen.

Ragusa, 26. Mai. An der Spitze von 2000 Insurgen­ten machte Pantooic, unterstützt durch Bewohner des Distrikts von Gacko, auf Achmei Mukhtar Pascha, welcher aus dem Marsche nach Bilek war, bei Kobylaba einen Angriff; nach achtstündigem Kampf und großen Verlusten auf beiden Seiten mußte Mukhtar sich nach Gacko zurückziehen.

Ragusa, 26. Mai. Aas slaoischer Quelle wird über das bereits gemeldete Gefecht berichtet, daß die Türken aus dem Marsche von Gacko nach Bilek geschlagen und mir einem Verluste von 600 Lodten und vielen Verwundeten zurückgeworfen seien.

Jeder Tag kann Wichtiges und Unerwartetes aus dem Orient bringen. Alles steht dort auf der Spitze und dem Sprunge. Heute schon wird ans das Bestimmteste gemeldet, daß der Sultan die Forderungen der nordischen Großmächte, also die gemeinsamen Beschlüsse der Berliner Conferenzen, abgelehnt hat. Er will die Aufständischen nicht als Kriegführende, sondern nur als Rebellen ansehen. Oie Besorgnisse vor ernsten Verwicklun­gen mehren sich.

Die Angehörigen der ermordeten Consuln in Salonichi haben 40,000 Pfund Sterling von den Türken verlangt.

Während Türkische Siegesberichte die Jnsurrection in Bulgarien als dem Hinsterden nahe darsiellen, melden russische Quellen, daß zusehends der dortige Ausstand wächst, da die In­surgenten die Dörfer derjenigen niederbrennen, dis sich weigern, mit ihnen zu ziehen.

Der Ammeister von Ltraßbrrrg.

(Fortsetzung.)

Langsam, wie mit sich selber im heftigsten Kampfe, ging sie nach ihrem Gemach, um dort, im einsamen Nachdenken irgend einen verderblichen Entschluß zu fassen.

In fliegender Hast schrieb sie einige Zeilen an Ulrich Obrecht.

rir *

*

Es war eine dunkle Nacht und kaum flammte im Osten der erste röchlich blitzende Strahl des neuen Tages, als ein ver­schlossener Wagen aus dem Thors rollte. In demselben befanden sich Frau Dietrich und ihre jüngste Tochter, welche regungslos in einer Ecke lehnte, während Adrian bei dem Kutscher saß. Mehrere Bewaffnete zu Pferde und mit Fackeln versehen, beglei­teten den Wagen.

Sie hatten die Rheinbrücke erreicht, als plötzlich von allen Seiten dunkle Gestalten den Wagen umringten, den Pferden in die Zügel fielen und auf die Begleitung schossen, welche sich tapfer wehrte.

Beim Fackellicht erkannte man französische Uniformen.

Adrian sprang vom Wagen, um die beiden Frauen zu retten, er kämpfte wie ein Verzweifelter und befahl dem Kutscher, um­zukehren und dem Thore zuzujagen.

Doch die Uebermacht war zu groß, Adrian erhielt einen Säbelhieb über den Kopf, der ihn besinnungslos nieder streckte. Herrn Dominikus Dictrich's Gattin wurde unbarmherzig aus dem Wagen gezerrt, während sich ein Mann, in einen dunklen Mantel gehüllt, zu der unbeweglich im Wagen lehnenden Katha­rina hineiuschwang, ein Soldat die Zügel ergriff und das Ganze mit der Tochter des Ammeisters wie ein unheimlicher Spuk ver­schwand.

Und solches konnte dicht vor der Stadt geschehen!

Drinnen schlief man freilich nicht, da die Wache das Schießen und den wilden Lärm, wie den Hilferuf der Ueberfallenen nur zu deutlich hatte vernehmen können.

Doch wagte Niemand, aus Furcht vor einer nächtlichen Ueberrumpclung, zu Hülfe zu eilen, bis Herr Dominikus erschien und in Todesangst zur rasenden Eile anspornte.

Als die Soldaten mit dem tödtlich erschreckten Bürgermei ster herauskamen, war bereits Alles vorbei und die Räuber auf und davon.

Vielleicht wäre es den Franzosen sehr lieb gewesen , bei dieser Gelegenheit mit der stolzen Stadt anzubinden und sie im offene» Kämpfe zu überwältigen.

So mochte auch der arme, trostlose Bürgermeister denken, als er die Verwundeten und die jammernde Gattin fand und jetzt Sorge tragen mußte, die Unglücklichen in die Stadt hineinzuschaffen.

Von den sechs Begleitern waren drei außer Adrian ver­wundet, getobter keiner; die Franzosen mußten ihre Verwundeten, deren sie mehrere gehabt, mit sich fortgenommen haben.

Frau Brigitta war mit dein Schrecken davongekommen, doch

warf der Kummer um die geraubte Tochter sie noch in derselben Nacht auf's Krankenlager; mußten sich doch die armen Eitern sagen, daß dieser Ueberfall nothwendig mit Vorwissen der unse­ligen Katharina staltgefundcn und sie also als die eigentlich Schul­dige des fluchwürdigen Attentats anzusehen sei.

Diese Ueberzeugung war der härteste Schlag für sie, und bedurfte es der ganzen moralischen Kraft des Bürgermeisters, von demselben nicht ebenfalls wie die schwächere Gattin nieder­geworfen zu werden.

^ Höhere Pflichten noch als die der Familie legte ihm die sorge für die Sicherheit der Stadt auf, die von innern und äußern Feinden bedroht war, und der Verräther Obrecht handelte mit politisch-kalter Ueberlegung, als er diesen tödtlichen Streich gegen das Herz des Greises wagte, der ihn auf einen Moment unfähig zu jedem andern Gedanken machen mußte.

Als der Arzt den verwundeten Adrian untersucht hatte, erklärte er seinen Zustand zwar nicht für hoffnungslos, doch äußerst gefährlich und daß nur die sorgfältigste Pflege ihn zu retten vermöge.

In dieser Angst und Noch erkannte Herr Dommikus zum ersten Male den vollen Werth seiner Armgard. d eren sanftes nachgiebiges Wesen er stets für Schwäche des Charakters gehalten ; keine nutzlose Klage kam über ihre Lippen, mit umsichtiger Ruhe sorgte sie für Alles, für die Pflege der beiden Kranken, wie für die gewohnte Aufrechterhaltung der häuslichen Ordnung und fand noch Zeit, den Jrostlosen Vater zu trösten und aufzurichten, die Handlung der «Schwester zu entschuldigen und die Hoffnung in seinem Herzen wieder anznfachen.

Bewundernd erkannte der Bürgermeister den Schatz, der sich ihm in der Stunde der Noch und des Unglücks so herrlich offen­barte, und wie ein linder Trost ergriff ihn der Gedanke, daß sein Herz nicht jammern dürfte, so lange Gott ihm dieses Kind noch lasse.

Demüthig und still verfolgte er diesen Gedanken, als der Schlaf ihn floh aus seinem Lager und die Erkenntniß ihm nahe trat, daß jede Schwäche, selbst die Liebe, sich räche am Menschen, sobald sie auf Kosten Anderer ein Wesen abgöttisch umfange.

Gott schien ihn gestraft zu haben, um ihn in der verkannten Tochter den rechten Schatz erkennen zu lassen.

Es war wohl zu natürlich, daß der regierende Ammeister auf kurze Zeit in dieser Noch den Blick nach innen wandte und darüber die Feinde der Stadt vergaß.

Seine beiden Söhne waren augenblicklich nicht im Stande, ihm beizustehen; der Arzt lag krank darnieder, der Kaufmann stand im Begriff, sich nach der Frankfurter Messe zu begeben, da, wie erwähnt worden, eine große Anzahl Straßburger Kauf­leute sich gerade um diese Zeit dorthin begab.

So hatte Niemand, als der Verräther, eine Ahnung von der verhängnißvollen Gefahr, welche sich, einer schwarzen Ge­witterwolke gleich, schon in kurzer Frist über die unglückliche Stadt entladen und ihre Selbstständigkeit, ihr deutsches Wesen auf Jahr­hunderte hinaus vernichten sollte.

Es war am 30 Septbr des Jahres 4681, als der Plan des Verräthers Obrecht zur völligen Reife gelangte und die Frucht des schändlichen Verrathes den Franzosen ohne Anstrengung in den Schoß fallen sollte.

Der Stadtschreiber Günzer hatte sich auf's Neue in das Vertrauen des Ammeisters einzuschleichen gewußt, die unglückliche Stimmung desselben gab ihm völlig freie Hand, und der listige Verräther erkannte, daß dieser Zeitpunkt zum raschen entschlossenen Handeln der geeignetste sei,

Hatte er doch bereits den Sündensold in der Tasche, wäh­rend die Aussichten aus Ehren und Würden unter der französi­schen Herrschaft ihn doppelt anspornten, das Werk ganz zu voll­enden.

Eine Anzahl der angeworbenen schlechten Bürger Straß- burgs verließ am 30. Septbr. heimlich und einzeln die Stadt, um sich draußen an einem bezeichneten Platz zu vereinen und die Franzosen herbeizuholen, während ein anderer Thcil die Wache am Weißenthurmthore und den Schlüssel hatte.

Ludwig XIV. war so schlau, auf diese Weise den Schein des Rechtes, das Verlangen der Bürger nach französischer Ober­hoheit für sich zu haben und die Renitenz einzig dem Magistrat zuzufchieben.

Bevor letzterer, wie die übrige Bürgerschaft, welche ächt deutsch stets gedacht und gehandelt, nur eine Ahnung davon haben konnte, standett die Franzosen bereits vor der Stadt und forderten dieselbe in kurzen und dürren Worten auf, sich zu ergeben, wi­drigenfalls Straßburg an allen Ecken angezündet und dem Erd­boden gleich gemacht werden solle. Daß man Wort halten werde, könne der Rath an dem Beispiel der übrigen Reichsstädte des Elsaß ersehen, mit denen der mächtige König von Frankreich keine Umstände gemacht habe.

In diesem verhängnißvollen Augenblick fand Dominikus Dietrich seine volle Kraft wieder, und all' das Unglück seines Hauses versank vor der drohenden Gefahr der geliebten Vater­stadt. (Fortsetzung folgt.)