Amtsblatt für den OberaruLsbezirk Nagold.
Nr. 63.
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Samstag den 27. Mai.
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1876.
Tages-Nenigkeiten«
* Nagold, 26. Mai. Der gestrige Besuch eines Theils der deutschen Partei in Stuttgart, an welchem auch viele Frauen stch betheiligten, brachte viel Leute und Leben in unsere Stadt, nur schade, dass die zweifelhafte Witterung die Betheiligung hieran geringer machte, als erwartet wurde, wodurch viele Wirthe, die sich dazu vorbereitet hatte», in nicht geringen Nachtheil gerieten. Der Empfang war ein herzlicher, die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein, Böllerschüsse und ein stürmisches Hoch ertönten zum Willkomm. Mit eigens milgebrachter Mili- tärmnsik zogen die über 200 zählenden Gäste durch die Stadt auf den Postplatz, von wo sie sich sogleich in die verschiedenen Gasthöfe zum Millagstisch begaben. Lange schien die Witterung den in Aussicht genommenen Besuch unseres Schloßberges unmöglich zu machen, aber der Himmel zeigte gegen 6 Uhr ein heitereres Gesicht und begünstigte, auch diesen Naturgenuß. Der innere Hos der Burgruine vermochte kaum die Menge Menschen zu fassen. Mit dankenswerther Bereitwilligkeit hatte der Herr Reviersörster hier den Ausschank von Bier auf der Burg gestattet und wurde dadurch wohl manches Faß geleert. Wie es bei derartigen Anlässen nie ohne Reden abläuft, so wurde auch hier manches kräftige deutsche Wort gesprochen, besonders von dem Kammerpräsidenten vr. v. Hölder, Banquier Hochberger, Stück- len; auch nach dem Zurückzug in den Gasthof zum Hirsch hatte der Redefluß noch kein Ende und mahnte besonders Hr. vr. Lang in kräftigen Worten zum Ausharren in dem Bestreben der deutschen Partei gegenüber den noch zahlreichen inneren und äußeren Feinden des Reichs. Wie der Empfang, so war auch der Abschied ein enthusiastischer und hörten wir nur Worte der vollkommensten Befriedigung über die Aufnahme und Bewirlhung. Während so in den Straßen, Gasthäusern und auf der Burg das bewegteste Leben herrschte, hatten zu gleicher Zeit an einer von der Stadt abgelegenen stillen Stelle sich die Angehörigen der Methodistengemeinden Calw, Herrenberg und hier gesammelt, um nach ihrer Weise sich zu erbauen.
Freudenstatt, 21. Mai. In der verflossenen Nacht ist nach kurzem Krankenlager Stadtschultheiß Eh mann hier gestorben. Derselbe war früher Oberamtsaktuar und begleitete die Stadtvorstandsstelle feit 6 Jahren.
Freiburg, 20. Mai. In Burg, hiesigen Amtes, ereignete sich, wie man der „Br. Z." von dort mittheilt, vor einigen Tagen ein eigenthümlicher Fall: Aus einem Bienenstock flogen dessen sämmtliche Bewohner davon. Der Besitzer desselben eilte ihnen nach und es gelang ihm auch, sie einzuholen. Die Bienen setzten stch nun dem Bienenvater auf den Kopf, ohne ihn jedoch zu verletzen. Auf diese Weise brachte er sein Eigenthum, in nicht ganz behaglicher Lage, indem er heimgeführt werden mußte, zurück; die Bienen wurden wieder in ihre alte Behausung gebracht.
An dem bayerischen Landtag kamen die Slr eurech te zur Verhandlung. Es wurde nachgewiesen, daß dieselben einen Hauptkrebsschaden der Forstwirthschaft bilden, indem sie dem Walde nach und nach das Lebensmark entziehen. Ein Ministerialkomis- sar bewies, daß in Bayern von 900,000 Grundbesitzern nur ungefähr 44,000 „streuberechtigt" sind, nemlich diejenigen, welche in der Nähe von Staatswaldungen wohnen. Also muß eine ungeheure Mehrzahl von Grundbesitzern und Steuerzahlern überhaupt die Folgen dieser Beschädigung des Nationalvermögens auf sich nehmen und mittragen.
Die Justizkommission hat beschlossen, die Preßver- gehen an die Schwurgerichte zu verweisen, jedoch mit Ausnahme d er Beleidigungen, deren 'Verfolgung aus Antrag des Beleidigten oder seiner Angehörigen geschieht. Es fallen also nur Majestätsbeleidigungen, die Beleidigungen gegen gesetzgebende Körperschaften und gegen eine andere politische Körperschaft unter die Zuständigkeit der Schwurgerichte, die gewöhnlichen Beleidigungen kommen vor die gewöhnlichen Strafkammern Md Landgerichte. Ebenso kommen vor diese die Preßvergehen durch Verbreitung unsittlicher Abbildungen, Inserate und Schriften.
Die unter dem Befehl des Kontreadmirals Bätsch von Wilhelmshaven nach dem Mittelmeer abgegangene deutsche Panzerflotte ist das stattlichste Geschwader, welches je unter deutscher Flagge zum Schutz deutscher Staatsbürger in See ge
stochen. Unsere Marine wird sich in Salonichi Bord an Bord mit den Eskadren der anderen seefahrenden Nationen Europas finden, und die vergleichsweise junge deutsche Flotte wird dort zu beweisen haben, daß sie den von langer seemännischer Tradition zehrenden Geschwadern der andern Großmächte nicht nachsteht. Auch England macht außergewöhnliche Anstrengungen, damit seine Florte wenigstens als Zuschauer nicht fehle, falls der Tanz losgehen sollte.
JmKölnerErzbisthum ist eine vierjährige Kirchenkollekte „für die nothleidenden (gesperrten) Geistlichen der Erzdiözese" angeordnet. Die bis jetzt aufgebrachten Mittel scheinen nicht sehr bedeutend zu sein; wenigstens klagen viele Gesperrte über die spärlich bemessene Entschädigung, die sic erhalten.
Angesichts der Mißbräuche, die sich in Frankreich mit dem Institut der Einjahrig-Freiwilligen eingestellt haben, ist von 12? Abgeordneten ein Antrag unterzeichnet worden in dem Sinne, daß dieses Jnstitzit aufgehoben und die allgemeine P.äsenz- zeil herabgesetzt werde (aus 3 Jahre aktiv, 6 Jahre Reserve, 5 Jahre Territorial-Armee, 6 Jahre Reserve der Territorialarmee). Der Kriegsminister soll zum Rücktritt entschlossen iein, im Fall der Antrag angenommen würde.
Pest, 22. Mai. Eingelangte Briefe konstatiren, daß der Frost ungefähr 80 Prozent vom Wein und Obst vernichtet; ebenso ist das Verhältniß bei Korn, Kartoffeln und Hülsenfrüchten; Weizen hat wenig gelitten, Mais und Tabak sind nachsetzbar.
Lemberg, 22. Mai. Die polnischen Blätter melden, daß der durch die anhaltende empfindliche Kälte den Feldern und Saaten verursachte Schaden unberechenbar sei; insbesondere haben Knollengewächse, Hülsenfrüchte und Obstbäume gelitten. In einzelnen Bezirken sind die Saaten gänzlich vernichtet.
Der „Agcnce Havas" wird aus Ragusa gemeldet: Die Insurgenten verlangen, indem sie ihre früheren Zugeständnisse zurücknehmen, vollständige Unabhängigkeit der Herzegowina und Bosniens; sie verweigern, einen Waffenstillstand einzugehen, und bereiten dje Proklamirnng einer provisorischen Regierung vor.
In Bosnien haben bei Buzim wiederholt größere und hartnäckige Kämpfe zwischen den Türken und den Aufständischen Statt gefunden, und man hält noch weitere Kämpfe für bevorstehend. Die Brücke über die Glinica wurde von Aufständischen zerstört und die Verbindung zwischen Buzim Krupa und Novi abgeschnitlen. Die Aufständischen sollen militärisch organisirt sein, haben die Offensive ergriffen und scheinen stch stark genug zu fühlen, um auch größere Plätze zu bedrohen.
Die Fabel von dem Stroh, auf dem die deutschen, französischen, belgischen und irischen Uitramontanen den P ap st schlafen ließen, hat in der jungen, russisch-orthodoxen Königin von Griechenland den absonderlichen Wunsch rege gemacht, das Schlafzimmer Pius IX. zu sehen, und mit jener amazonenhaften Ungenirtheit, die den Russinnen eigen ist, wandte sie sich direkt und mündlich an den Papst um die Erlaubniß dazu. Obwohl diesem dieser Wunsch im ersten Augenblick etwas sehr seltsam vorkam, machte er nur wenig Schwierigkeiten und bot später seine ganze Liebenswürdigkeit auf, indem er das griechische Königspaar persönlich in seine Privatgemächer begleitete. Während er den Vorhang auseinanderschob, der durch sein Schlafzimmer gezogen ist, sagte er zur Königin : „Ich habe die Absicht Ihrer Majestät erra- then; es ist nicht wahr, daß ich auf Stroh schlafe, wie man im Auslande erzählt, aber mein Bett ist nichts desto weniger ein sehr hartes, und ich bin daran gewöhnt und habe schon in der Zeit so geschlafen, wo ich noch zu den päpstlichen Nobelgarden gehörte." Wir sind begierig zu erfahren, ob trotz dieser offiziellen päpstlichen Richtigstellung die ultramontane Geistlichkeit noch immer die Unverschämtheit haben wird, mit dem „Strohlager des päpstlichen Kerkers" Peterspfennige aus den Taschen ihrer Gläubigen zu locken und so den heiligen Vater im vollsten Sinne des Wortes Lügen zu strafen.
Der Ammeister von Straßburg.
(Fortsetzung.)
Die kleine Gesellschaft rückte dichter zusammen, aus ihren Blicken sprachen Habsucht und Zustimmung.