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marck, begeben wird, steht noch nicht fest. Es heißt, daß der Fürst nach Berlin erst zu Ende des Jahres zurückkehren werde.
— Ein Sergeant und zwei Avantageure des Alexander-Garde-Grena- dier-Regiments begeben sich am 1. Juli nach dem Tag o-Lande in Westafrika zur Verwendung als Instrukteure und Polizeibeamte. Dieselben sind bis zum 1. April 1886 beurlaubt, alsdann steht ihnen der Rücktritt in das frühere Dienstverhältnis frei.
Frankreich.
— Man hofft, daß der Friede mit China in etwa 8 Tagen unterzeichnet werden wird. Unmittelbar darauf wird der neue Oberbefehlshaber des Tonkins, Gen. de Courcy, sich mit Lemaire, dem französischen Geschäftsträger in Huö, den er zur Berichterstattung nach Haiphong hat kommen lasten, an den Hof des Königs von Anam begeben. Nur von dort aus, nicht von Peking oder dem Punnan aus, ist eine friedliche Beinflussung Lu- Vin-Phuocs und der übrigen Schwarzflaggenführer zu erwarten, denn dieselben sind nicht chinesische, sondern annamitische Mandarinen und meist Prinzen des Hofs von Huö.
Afrika.
Aus Alexandria, 27. Mai, wird berichtet: Sang- und klanglos und. allem Anscheine nach, auch planlos, vollzieht sich der Rückzug der englischen Armee aus dem Sudan. Von einem tiefen Gefühl der Beschämung sind sichtlich die tapferen Regimenter vom Soldaten bis hinauf zum Kommandanten erfüllt ob des äußerst mühevollen und dennoch so rühmlosen Feldzuges. Würde man die Existenz des Kabinets Gladstone heute von einer militärischen Abstimmung abhängig machen, es wäre um dieses Kabinet zweifellos geschehen. Dem Oberst-Kommandierenden General Wol- seley selbst merkt man, ungeachtet der Zurückhaltung, die er sich auferlegen muß, an, daß er sich durch die Bockssprünge der engl. Politik in seiner Ehre gekränkt fühlt. Noch heute hat er keine amtliche Verständigung über seine künftige Bestimmung. Als eine wahre Grausamkeit erwies sich der Befehl des Kriegsamts, die auf dem Transportdampfer Jumna im hiesigen Hafen eiugetroffenen Grenadier-Garden und schottischen Garden bis auf weiteres an Bord zu belasten. Vom 22. d. bis heute schmachteten an 1400 Mann, einer unerträglichen Hitze ausgesetzt, in den Schiffsräumen. 'Als die Krankenzahl stetig wuchs, erlaubte man abwechselnd einigen Abteilungen, sich auszuschiffen, um einige Stunden auf dem Kais zu spazieren. Heute endlich wurden die gequälten Leute von ihren nutzlosen Leiden befreit. Mit hastiger Eile marschierten sie durch die Stadt, um ihr Sommerlager bei Kamleh zu beziehen und bester« Luft einzuatmen. Man sieht, daß dieser Fall allein den Vorwurf der Planlosigkeit vollauf rechtfertigt._
Tcrges-Weuigkeiten.
-s Liebenzell, 12. Juni. In der Nacht von gestern auf heute, 2 Uhr morgens, ist in Liebenzell in dem Hause der Witwe Keck und ihres Tochtermanns des Gypsers Friedrich Jung Feuer ausgebrochen, welches durch schnelles Eingreifen der Feuerwehr auf seinen Herd beschränkt blieb. Beide Familien haben ihr Mobiliar nicht versichert und ist es dem mutigen und schnellen Eingreifen des Publikums und besonders einiger jungen kräftigen Männer zu danken, daß fast sämtliches Mobiliar, wenn auch teilweise beschädigt, gerettet wurde. Brandstiftungsverdacht dürfte ausgeschloffen und die Ursache in einem Defekt des unbesteigbaren Kamins, welches Tags zuvor durch den Kaminfeger ausgebrannt wurde, zu suchen sein.
— Seine Maje st ät der König haben durch Allerhöchste Ordre vom 8. d. M. dem Landjäger Uberig in Deckenpfronn für 21jährige Dienstzeit das Dienstehrenzeichen 2. Klasse Allergnädigst zu verleihen geruht.
— Bei der vom 18. bis 30. Mai d. I. vorgenommenen niederen Finanzdienstprüfung ist für befähigt erkannt worden: Karl Schlotterbeck von Hirsau, OA. Calw.
Heilbronn, 9. Juni. In einem Weinberg hiesiger Markung, im
sogen. Bahnberg, sind blühende Trauben zu finden. Der Stand der hiesigen Weinberge ist überhaupt ein sehr günstiger, und wenn die jetzt beginnende Blütezeit durch gute und warme Witterung befördert wird, so ist alle Aussicht auf ein gesegnetes Weinjahr vorhanden. Auch die Obstbäume zeigen einen guten, teilweise sogar reichlichen Ansatz von Früchten, so daß auch eine schöne Obsternte zu hoffen ist. Auch der Stand der Feldfrüchte und Futtergewächse und der Wiesen ist ein sehr schöner und verspricht reichen Ertrag.
Waiblingen, 9. Juni. Das Baden hat gestern auch hier ein Opfer gefordert. Ein 14jähriger Knabe wollte oberhalb eines Mühlwehrs in der Rems eine ihm wohlbekannte tiefe Stelle durchschwimmen und ertrank dabei. Obwohl er von dem herbeigeeilten Mühlebesitzer sofort aufgefunden und aus dem Wasser gezogen wurde, so blieben doch die vorgenom- menenWiederbelebungsversuche des inzwischen herbeigekommenen Arztes erfolglos.
Heidenheim, 9. Juni. Am Sonntag wurde hier eine Arbeitersfrau aus Aalen verhaftet, weil sie, wie schon öfters, einem hiesigen Kupferschmied Kupfer verkaufte und man alle Ursache hatte, dieses für entwendete Ware zu halten. Es stellte sich auch heraus, daß ihr Mann, der in der Reparaturwerkstätte zu Aalen schon seit 17 Jahren beschäftigt ist, in den letzten Jahren aus dem Magazin, zu dem er Zutritt hatte, größere Quantitäten Kupfer sich angeeignet hat, das er durch Frau oder Kinder hier verwerten ließ. Am Sonntag nachmittag wurde auch der Arbeiter gefänglich eingezogen.
Ravensburg, 10. Juni. Vergangene nacht zog bald nach Mitternacht bis gegen 2 Uhr ein sehr heftiges Gewitter über das Schuffenthal und Umgegend; dasselbe entlud sich in sehr heftigen Regengüssen, vermischt mit etwas Hagel. Letzterer hinterließ keinerlei Schaden; dagegen traf ein Blitzschlag das Haus des Bauern Bek in dem 1 >/e Std. von hier entfernten Dorfe Wechsetsweiler, Gemeinde Zogenweiler; es gelang, das Vieh und die Fahrnis und auch das nächst benachbarte Oekonomiegebäude zu retten, das Haus selbst aber wurde gänzlich ein Raub der Flammen. — Auf der Kuppelnau herrscht reges Leben; die Fabrikanten beginnen mit Aufstellung ihrer landw. Maschinen, die Viehbaracken sind gänzlich fertiggestellt, Torfmull, Stroh und Futter beigeführt, morgen treffen die Viehtransporte ein. Für die Sicherheit der Ausstellung ist in jeder Beziehung entsprechend Vorsorge getroffen, insbes. wird abwechslungsweise 1 Spritzenmeister mit Mannschaft und Spritze am Platze sein.
Sulzbach, 6. Juni. Die N.-Ztg. schreibt: In der Parzellengemeinde Zwerenberg sollte heute ein Brunnen gegraben werden, und es war schon eine Tiefe von 47' erreicht, ohne daß Wasser sich Zeigte. Bei dieser Sachlage wollte der Platzeigentümer das Geschäft zurzeit aufgeben und im Spätjahr die weiteren Versuche zur Wassergewinnung fortsetzen. Brunnenmacher Eckert von Oppenweiler hatte sein Geschirr noch in der Tiefe — auch war eine Pulverladung noch eingegraben, weshalb er in einem an einem Wellseil befestigten Kübel nochmals in den Schacht hinuntergelassen wurde. Auf seinen Ruf „auf" wurde er dann wieder in die Höhe gezogen, stürzte aber, in einer Höhe von 40' angekommen, kopfüber in die Tiefe zurück, er gab kein Lebenszeichen mehr, und es ist sein Tod als sicher anzunehmen. Es scheint sich Schwefel-Wasserstoffgas entwickelt und die Betäubung des Eckert bewirkt zu haben.
Kgk. Standesamt Kak«.
Nom 3. bis 9. Juni 188d.
Geborene.
3. Juni. Heinrich Walther, S. d. Heinrich Haag, Kaufmanns hier.
b. „ Rudolf, S. d. Karl Aberle, Maurers von Dettenhausen, O.A> Tübingen.
5. , Karl, S. d. Heinrich DiPper, Amtsnotars hier.
7. , Juliane Walburga, T. d. Herkules Bob, Sortiermeisters hier.
7. Wilhelm Eugen, S. d. Friedrich Nonnenmacher, Mühlebesitzers hier.
9. „ Karl Hermann Gotthilf, S. d. Karl Werner, Kaufmanns hier.
Gestorbene.
6. » Johann Marlin Leukhardt, pensionierter Lehrer, 71 Jahre alt.
grelle Blitze unter krachenden Donnern von Moment zu Moment verbreiteten. Dazwischen tosten die Wasserfälle und die vom Unwetter losgerissenen und die Berge herabkollernden Eis- und Felsblöcke, die in fliegender Eile den Weg von den schneebedeckten Bergesspitzen bis in die Tiefe zurücklegten. Vor dem Höllenlärm erschreckt bäumten sich die Pferde und flohen, das eine ohne, das andere mit seinem Reiter, nach allen Seiten auseinander und plötzlich war die ganze am Morgen so fröhliche Gesellschaft zerstreut und zerstoben, jeder ein Raub namenloser Angst und Verwirrung.
Halb wahnsinnig vor Grausen und gänzlich vereinsamt lief Lucienne, ein Spiel des Zufalls, auf's Geratewohl in die Wildnis der Berge hinein und rief mit lauter, angsterfüllter Stimme, die Namen des Grafen und der Gräfin in die Felsen hinein; aber das Rollen des Donners und das pfeifende Heulen des Sturmes übertönte ihre Stimme, und von keiner Seite begegnete sie einem menschlichen Wesen, das ihr Rettung bringen konnte. Zu ihrem Unglück irrte sie in der Richtung, und statt sich nach der Seite von Caute- rets zu wenden, folgte sie einem wüsten Bergsteig, der nach dem Thale von Gawarnie führte und längs gefährlichen Schlünden und Abgründen hinlief. Je weiter sie floh, desto verzweiflungsvoller ward ihr zu Mute, und endlich ließ sie sich ermattet auf einen Felsblock niedersinken; sie weinte und wußte nicht, ob sie weiter denselben Weg verfolgen, oder ob sie umkehren und nach einer anderen Richtung hin ihr Heil versuchen sollte. Der Gewittersturm ließ nach, während sie da saß, aber zugleich brach der Abend herein und drohte mit seinen, ihr unbekannten und desto mehr gefürchteten Schrecken. Angstgepeitscht erhob sie sich wieder und floh weiter, bis sie plötzlich, nachdem sie eine kleine Schlucht durcheilt hatte, vor sich in undurchdringliches Dunkel blickte. Das konnte unmöglich blos die Wirkung der weit vorgerückten Nacht sein; es waren die schwarzen Granitmassen des Amphitheaters von Gawarnie, die sich vor ihr bis in den Himmel emporreckten, und die Furchtbarkeit dieser plötzlichen Finsternis ward noch erhöht durch das Brausen und Tosen der Gießwäfser und Staubbäche, die, für Lucienne
jetzt unsichtbar, an den Felsenterassen herniederrasten und die Nacht mit einem schrecklichen Lärm erfüllten, wie wenn tausend Dämonen in wildem Kampfe gegeneinander getobt hätten. Lucienne war von solchem Schrecken erfaßt, daß sie unfähig ward sich noch von der Stelle zu bewegen; bebend fiel sie in die Knie und faltete unter krampfha'tem Schluchzen die Hände. Da traf ein Lichtstrahl ihr Auge, ein Lichtstrahl, der durch die engen Spalten von Fensterläden herauszudringen schien in die finstere Nacht. Der Gedanke, daß Rettung möglich sei, daß eine Menschenwohnung sich in der Nähe befinde, ließ Lucienne neugekräftigt vom Boden emporschnellen, und mit Aufbietung des Restes ihrer Energie eilte sie dem Rettung verkündenden Strahle nach, den sie nicht mehr aus dem Blicke ließ. Nach fünf Minuten angestrengten Laufes, stand sie nach Luft ringend vor einem niedrigen Häuschen, das an eine steile Felsenwand gleichsam angeklebt schien. Lucienne hatte keine Minute zu verlieren, denn sie fühlte, daß sie nahe daran war, ohnmächtig umzusinken ; sie schleppte sich bis an die Thüre des Häuschens und pochte.
„Wer klopft da?" rief von drinnen eine rauhe Männerstimme. „Geht weiter I"
Das Herz des jungen Mädchens klopfte so heftig, daß sie nur stöhnend die Worte Hervorbringen konnte:
„Ich sterbe! Oeffnet mir!"
„Ein verirrter Wanderer, ohne Zweifel", sagte drinnen eine weiche engel- reine Stimme; „er leidet Hunger und Kälte; o, Ihr müßt ihn nicht abweisenl"
Die Thüre ging auf, und Lucienne betrat wankend die Schwelle; ein junges Mädchen flog ihr entgegen, und fing sie in seinen Armen auf.
„Um Gotteswillen, ein Mädchen I" rief die Fremde mit lebhaftestem Mitleid aus. „Schnell, Biaritz, Holz ins Feuer und einen Sessel daneben!"
Als Lucienne den Namen hörte, blickte sie überrascht zu dem Manne auf und erkannte einen der Führer, die bei der unglücklichen Gebirgspartie ihre Gesellschaft begleitet hatten.
(Fortsetzung folgt.)