Mo. 89
60 . Jahrgang
Amts- unä Intelkigenzbkatt für äen Kezirk.
Erscheint Dienstag, Donnerstag L Samstag.
Die Einrückungsgebühr beträgt 9 H p. Spalte im Bezirk, sonst 12 H.
8ams1ag, äen 13. Juni 1885.
Abonnementspreis halbjährlich 1 80 H, durch
die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in
ganz Württemberg 2 70 H.
AmtLiche Wekcrnrrtrn er ch irrigen.
Calw.
Bekanntmachung) -etr. die Besetzung -er Schan-ehör-e -es O-eramts-eMs.
Nachdem von der Amtsversammlung an Stelle des aus dem Bezirk verzogenen Gutspächters L. Fischer auf Dicke den
Adlerwirth L. Diugler von Calw
zum stellvertretenden Vorsitzenden der Schaubehörde für die Zeit bis zum 30. April 1886 gewählt hat, wird dieß gemäß K 15 der Min.-Verfügung vom 31. Oktober 1882 unter Hinweis auf die Bekanntmachung vom 6. Mai 1883 (Wochenblatt Nro. 53) öffentlich bekannt gemacht.
Den 10. Juni 1885. K. Oberamt.
Flaxland.
Calw.
An -ie Ortsvorsteher.
Durch die Bekanntmachung vom 9. d. M. (Staatsanzeiger Nro. 132) sind die 4>/gprozentigen Württ. Staatsobligationen vom 1. Januar 1876 Lit. Lä, LL, 22 (Nr. 1-5206) und Dv (Nr. 1—10,418) zur Heimzahlung gekündigt, beziehungsweise ist deren Umtausch gegen 4prozentige Obligationen zu günstigen Bedingungen zugelaffen, und zur Anmeldung zum Umtausch die Zeit vom 20. Juni bis 31. Juli d. I. vorgesehen.
Indem die Ortsvorsteher hierauf aufmerksam gemacht werden, werden dieselben beauftragt, darüber zu wachen, daß die in öffentlicher Verwaltung befindlichen Staatsobligationen der obengenannten Art umgetauscht bezw. rechtzeitig zur Rückzahlung gebracht werden, da deren Verzinsung am 15. September d. I. aufhört.
Den 11. Juni 1885. K. Oberamt.
F l a x l a n d.
-Uottttfche Wcrchrrichten.
Deutsches Reich.
— Unserem Reichstag stehen für die Herbstsession wichtige Aufgaben bevor. Die wichtigste von allen aber wird wohl die Vorlage betr. die Er
neuerung des Militair - Septennats d. h. die Bewilligung der von der Regierung geforderten Ausgaben für die Armee für weitere sieben Jahre werden.
— Die Abreise des Kaisers nach Ems soll am 13. Juni, die Ankunft am folgenden Tage, also Sonntag, erfolgen. Ein längerer Aufenthalt in Wiesbaden ist für dieses Jahr aufgegeben, der Besuch von Gastein von dem späteren Befinden des Monarchen abhängig. Bevor der Kaiser sich zu den Manövern nach Berlin begibt, ist eine kurze Residenz auf Schloß Babelsberg in Aussicht genommen.
— Wie die „Berl. Pol. Nachr." hören, beabsichtigt der Reichskanzler, außer den jüngst erwähnten Maßregeln zur Beseitigung der Kleingeldnot einen Antrag bei dem Bundesrat einzubringen, welcher dahin geht, die Bestände an kleinen Münzen innerhalb der gesetzlichen Maximalgrenzen durch weitere Ausprägungen zu ergänzen.
— Fürst Bismarck hat in seiner Eigenschaft als preußischer Handelsministex den Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft mitgeteilt, er werde es sich angelegen sein lassen, darauf hinzuwirken, daß die Ausführungsbestimmungen zu dem neuen Börsensteuer-Gesetz mit möglichster Rücksichtnahme auf die berechtigten Verkehrsinterefsen abgefaßt werden, und ersucht deshalb um Vorschläge. Ebenso hat der Finanzminister den Wunsch zu erkennen gegeben. Seitens des Handelsstandes mit ausreichenden Nachrichten für zweckmäßige Einrichtung des Verfahrens versehen zu werden.
— Noch einen haben sie erwischt! Und wieder ist dem Avisodampfer „Pommerania" der Fang gelungen. Am Sonnabend früh brachte die Pommerama den ersten englischen Fisch erkutt er ein, am Sonnabend abend den zweiten, der noch größer als der erste ist. Die Kutter gehören der „Fishing Kompagny", die inDarmouth ihr Domizil hat und über eine Flotille von 150 bis 200 Fahrzeugen verfügt. Kapitain und Mannschaften der beiden Schiffe sitzen im Arrest, die Schiffe selbst liegen im inneren Hafen von Wilhelmshafen und werden nicht eher losgegeben, bis die Gesellschaft sie für hohes Lösegeld auslöst. — Was sich die englischen Fischer an der deutschen Nordseeküste seit Jahren herausgenommen haben, übersteigt jede Beschreibung und ist trotzdem erst bis zum kleinsten Teil öffentlich bekannt geworden. Die Reichsregierung ist entschlossen, dem Treiben der englischen Fischer an unserer Küste mit unnachsichtlicher Strenge zu begegnen und es sollen deshalb die der Seepolizei zur Verfügung gestellten Schiffe womöglich noch vermehrt werden.
— Fürst Bismarck wird nach dem „Börsen-Cour." nur 3 Wochen in Kissingen verbleiben, um dort die Kur zu gebrauchen; wohin sich derselbe nach der Vermählung seines jüngsten Sohnes, des Grafen Wilhelm Bis-
Feuilleton.
Im Abgründe.
Roman von Louis Hackenbroich. (Verfasser des Romans: „Ein Vampy r.')
(Fortsetzung.)
Zwei bis an die Zähne bewaffnete Kerle traten aus der Reihe der Banditen hervor, während die andern sich unbeweglich schußbereit hielten; einer von den Zweien, ein baumlanger Mensch, mit rotem Haar und Bart und herrischen Manieren, forderte laut die Reiter und Reiterinnen zum Absteigen auf, und diese leisteten mit größtem Eifer Folge; sofort begann der zweite Bandit, ihnen die Taschen zu untersuchen, Börsen, Uhren, Diamanten, Gold- und Schmucksachen und was immer Geldeswert hatte, an sich zu nehmen und es einem dritten hinzutretenden Räuber in einen ledernen verschließbaren Sack zu werfen. Die Beute war reich genug; dennoch muß der sonderbare Tascheninspektor wohl mehr erwartet haben und namentlich durchsuchte er Don Balthasars Taschen zweimal, dessen goldgespickte Börse und Diamantknöpfe das Hauptbeutestück bildeten. Erfolglos war eine Durchsuchung Jsmaels, dessen schmutzigen Lederbeutel mit einigen Silbermünzen der Bandit unberührt ließ. Während der Räuber noch mit dem spanischen Banquier beschäftigt war, durchzuckte plötzlich den Grafen Villefleur, der am äußersten Flügel der Gesellschaft stand, daß er sein Portefeuille mit den sechzigtausend Franken hatte in Zahlung geben wollen, bei sich trug, und dieser Gedanke ließ ihn fast wahnsinnig vor Angst um seinen Schatz werden; da gewahrte er bei rascher Umschau dicht hinter sich einen ausgehöhlten Baumstumpf und schnell wie der Blitz, flog seine reiche Brieftasche in denselben; aber Jemand der ihn keinen Augenblick aus den Augen verloren, hatte seine Bewegung bemerkt, und dieser Jemand war Jsmael; als der Graf durchsucht war, und der Räuber außer Uhr, Kette und Ringen nichts bei ihm gefunden hatte, warf Jsmael dem langen Banditen mit roten Haaren einen Blick zu, der dessen Aufmerksamkeit auf
den Baumstumpf lenkte. Er wollte nach demselben hingehen, aber Graf Villefleur, der die Absicht des Räubers ahnte, vertrat ihm den Weg. Ueber des Räubers Gesicht flog Zornesröte, und indem er ein schweres Pistol dem Grafen auf die Brust setzte, rief er mit starker Stimme:
„Platz, Graf Villefleur, wenn Dir Dein Leben lieb ist!"
„Trotz der heftigen Verwirrung, die dem Grasen die Wahl zwischen dem Tode und dem Verluste seines Schatzes verursachte, konnte derselbe doch seine Ueberraschung darüber nicht verbergen, daß der Bandit ihn bei seinem Namen genannt hatte; und seltsam! Diese Stimme, die seinen Namen ausgesprochen, dieser drohende Ton schien ihm bekannt. Er blickte scharf seinen Mann an, aber weder die Gesichtszüge, noch das gesamte Aeußere weckten eine Erinnerung in ihm.
„Wer bist Du denn, daß Du mich kennst?" fragte er entschlossen.
„Ich bin einer, der Dich nicht liebt, Graf. Zurück jetzt, oder Du bist des Todes!"
Graf Villefleur zögerte noch ; aber die Gräfin, Don Balthasar und noch einige Personen flogen voll Entsetzen auf ihn zu und rissen ihn von seinem Platze weg. Der Bandit ergriff das Portefeuille, untersuchte ruhig dessen Inhalt, und gab dann seinen zwei Gesellen den Befehl, ihm zu folgen; eine halbe Minute später waren sie zur Seite zwischen den Felsen und dem Gestrüpp verschwunden, und dann zogen sich langsam auch die übrigen Banditen zurück.
Während noch die ausgeplünderten Ausflügler unter dem Eindrücke ihres Entsetzens unbeweglich auf der Stelle standen, und ratlos sich nach ihren Führern umsahen, die ihnen den Rückweg zeigen sollten, brach plötzlich, wie es eben nur im Hochgebirge vorkommt, das schon seit Stunden drohende Gewitter mit seiner drohenden Gewalt los. Der Sturmwind heulte in schrecklichen Tönen um die Bäume und Felsen, die er dem Boden entreißen zu wollen schien, und in den in Strömen herniedergießenden Regen, mischten sich große Schneeflocken und dicke Hagelkörner, die Luft hatte sich bis zur Nacht verfinstert, und um so schauriger war die sekundenlange, feurige Helle, welche